Kapitel 18

Als ich wieder wach wurde, fiel mir ein, was passiert war. Das letzte, an das ich mich erinnerte war, wie ich durch die Gänge lief und ein Geräusch gehört hatte. Dann erinnerte ich mich nur noch an ein unangenehmes Stechen an meinem Hals und eine Stimme: „Nicht schreien." Es war ganz klar Jansons gewesen. Das hieß, Janson irgendwo in der Nähe.
Erschrocken zuckte ich hoch. Sofort durchfuhr mich ein unangenehmer Schmerz und ich stellte fest, dass meinen Körper mit kleinen Kratzern und Schürfwunden zierten. Mein Kopf pochte wie wild und ich hätte schwören können, dass etwas Blut an meiner Stirn klebte. Als ich versuchte mich zu bewegen, bemerkte ich, dass meine Arme und Beine an der Liege festgebunden waren.
„Es wird ja auch langsam an der Zeit, dass du aufwachst...", sprach eine Stimme und grelles Licht flutete den Raum. Janson! „Du gibst definitiv nicht einfach so auf!" Die Stimme wanderte durch den Raum, hallte von den Wänden wieder, bis ich seinen Atem spürte, direkt hinter mir.
„Was willst du von mir?!", fauchte ich, versuchte jedoch die Angst in meiner Stimme zu verstecken.
„Ich mache nur einen kleinen Test..." Langsam hatten sich meinen Augen an das blendende weiß gewöhnt und ich konnte den Raum nun genau betrachten. Ich befand mich scheinbar in einem Labor. Ich versuchte mich von den Fesseln loszumachen, rüttelte und zerrte, bis meine Handgelenke schmerzten.
„Das wird dir nichts bringen, außer Schmerzen.", murmelte Janson und drehte sich wieder mir zu, eine Spritze in der Hand. „Es war töricht von dir nochmal herzukommen. Dein Bruder hat denselben Fehler getan. Und sieh, was es euch gebracht hat...", säuselte er und trat zu mir.
„Wo ist Thomas?!", knurrte ich schon fast, wobei ich mich gegen die Fesseln lehnte, um von ihm wegzukommen. Leider erfolglos.
„Thomas ist in einem der Nebenräume. Keine Sorge, ihm geht es ganz gut." Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, doch dieses Lächeln war alles andere als freundlich. Mit einer gerunzelten Stirn sah ich ihn an, wie er die Spitze kurz inspizierte, doch dann schnellte er vor und griff nach meinem Arm. Noch immer von dem Mittel, das er mir verabreicht hatte geschwächt, konnte ich mich kaum wehren, als er die feine Nadel in meinen Unterarm einstach und langsam aufzog. Ich sah, wie mein Blut langsam das innere der Sprite auffüllte und spürte, wie es aus meinem Körper gezogen wurde.
Mit dem Spritzeninhalt trat er an einen Tisch und betätigte einige Handgriffe. Derweil wartete ich darauf, dass er mir nochmal Blut abnahm, doch es kam nichts mehr.
„Wie geht es denn eigentlich deinem Freund, Newt? Er müsste mittlerweile infiziert sein...", kam es bloß von ihm, während er mir noch immer den Rücken zuwandte. Mit seinem Worten versuchte er mich zu provozieren, das wusste ich. Aber die Frage war in der Tat berechtigt. Ich selbst fragte mich, wie es Newt gerade ging. Hatten Gally, Minho, Brenda und Pfanne es rechtzeitig mit ihm zum Berk geschafft? Lebte er denn noch? Das Serum hatte bei ihm zwar angeschlagen, aber das machte ihn noch mehr verwundbar, denn allem Anschein nach waren Cranks etwas resistenter gegen Verletzungen als es normale Menschen waren.
Er hatte es vermutlich nicht geschafft!
Und ich war in seinem Moment nicht bei ihm!
Stille Tränen liefen mir über die Wange, als ich verzweifelt daran dachte, dass ich nie wieder zurückkehren würde, dass ich ihn nie wiedersehen würde und ihn nicht einmal beerdigen konnte!
„Warum töten Sie mich nicht einfach?", fragte ich daher schwach und Janson drehte sich um. „Dich töten? Nein, das will ich nicht." Er trat auf mich zu und sah mich lauernd an. Eine Verrücktheit lag in seinem Blick, die mir Angst machte. „Wir werden sogar besonders gut auf dich aufpassen!" Mit den Worten zeigte er auf meine Seite, die, wie mir erst jetzt auffiel, verbunden wurde. Da hatte ich vermutlich Splitter von der Explosion abbekommen, als ich durch die Straßen gerannt war. „Ich will schließlich nicht, dass du auch nur einen Tropfen deines wertvollen Blutes verschwendest..." Deswegen hatte er mich also verarztet? Damit er mehr Blut von mir hatte?! Dafür war der Verband aber ziemlich dürftig angelegt.
„Wir halten dich am Leben. Gerade so." Wütend funkelte ich ihn an und wollte vorschnellen, aber meine Hände waren noch immer fest an der Liege angekettet. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. „Und im Gegensatz dazu werdet ihr uns retten. Du und dein Bruder." Warum war ich nicht bei Thomas?! „Natürlich wird es nicht für alle reichen. Harte Entscheidungen müssen also getroffen werden. Der Brand wird sich irgendwann selbst auslöschen. Nur ist die Frage, wer wird am Ende noch stehen?" Unsicher folgte ich ihm mit meinem Blick durch den Raum. „Und dank euch beiden können wir nun endlich über eine Zukunft, die wir selbst bestimmen, entscheiden." Er nahm von dem Tisch die Spritze mit dem Blut und füllt es in einen länglichen Behälter. „Du, meine liebe Clarise, bist mein Plan B. Mein wertvoller Trumpf, wenn dein Bruder... nicht mehr ist." Wütend knurrte ich, doch er ignorierte es geflissentlich und schloss die Ampulle mit meinem roten Blut.
„Das können Sie nicht tun! Es wird nicht funktionieren!", sprach ich schnell und fixierte meinen Blick auf das Blut. Die Welt sollte nicht in den Händen eines verrückten Psychopathen liegen!
„Aber das wird es!", entgegnete er bloß und trat neben mich. Verzweifelt versuchte ich erneut mich zu wehren, doch es brachte nichts. Mit einem falschen Lächeln trat er zur Tür. „Ich werde jetzt deinem Bruder einen kleinen Besuch abstatten und meine Rettung abholen." Seine Rettung?! War er etwa selbst infiziert?! „Und solange ich weg bin, mach bitte keine Dummheiten. Ich will dich in einem gesunden Zustand wiedersehen!" Er nickte kurz und verschwand dann aus dem Raum. Wütend schrie ich ihm noch hinterher, doch er hörte mich längst nicht mehr.
Verzweifelt rüttelte ich an den Fesseln, aber sie gingen nicht auf. Wie es Thomas wohl gerade ging?
Eines stand fest: Ich musste schnellstens verschwinden! Als ich nach einigen Minuten noch immer nicht freikam, sah ich mich im Raum um. Durch die große Fensterfront konnte ich sehen, wie die Stadt zerstört wurde. Häuser stürzten zusammen und die Straßen brannten. Sie kamen immer näher!
Neben mir auf dem Tisch standen einige Gläser herum und mehrere Werkzeuge. Darunter auch ein Skalpell. Genau das, was ich brauchte. Die Frage war jetzt nur, wie ich es bekommen könnte. Ich rüttelte wie wild an der Liege und hoffte, dass sie keine Verankerung im Boden besaß. Unter großen Anstrengungen bewegte ich mich immer wieder in eine Richtung und ganz plötzlich ruckte die Liege mit. Ich hatte es geschafft. Es war zwar mühsam, aber ich konnte es schaffen, wenn ich nur lange genug arbeitete.
Zentimeter für Zentimeter arbeitete ich mich vor. Es war in der Tat sehr schwer und ich konnte spüren, wie meine Seite anfing zu pochen. Doch davon sollte ich mich ablenken lassen. Ich wusste schließlich nicht, wie lange Janson wegbleiben würde und durfte deshalb keine Zeit verlieren! Immer weiter ruckte ich, bis die Liege nicht mehr weiterging. Mit einem Blick nach unten konnte ich feststellen, dass sich eines der Beine verhangen hatte. Und das so knapp vor dem Ziel! Mir fehlte nur noch ein kleines Stückchen! Meine Fingerspitzen berührten die Tischkante gerade so nicht. Egal, wie sehr ich mich streckte. Verzweifelt schnaubte ich auf und rüttelte erneut an der Liege. Womöglich würde ich sie dadurch freibekommen... Ich warf mich erneut auf die eine Seite und stellte grinsend fest, dass sich die Liege unter mir bewegte, doch die Freude darüber hielt nicht lange, da sie kurz in der schrägen Position stehenblieb und anstatt wieder gerade auf dem Boden zu landen, fiel sie gegen den kleinen Tisch.
Ein erschrockener Schrei entwich mir, als ich dem Boden immer näherkam und die Gegenstände auf dem Tisch laut zu Boden fielen. Meine Schulter traf hart auf den Boden und ich stöhnte schmerzvoll auf. Das würde Janson bestimmt gehört haben!
Meine Seite begann zu Schmerzen und als ich einen Blick darauf warf, sah ich, wie der Verband bereits vollblutete. Verdammt! Fluchend sah ich mich um und erblickte direkt am Boden, neben dem umgekippten Tisch das Skalpell inmitten der Scherben. Schnaufend robbte ich näher, was nun etwas leichter ging, da sich die Liege nicht mehr verhakt hatte, und drehte mich so, dass ich das Skalpell greifen konnte. Hektisch fischte ich es heraus, wobei ich mich an einigen Scherben schnitt. Sobald sich meine Hand um das kalte Metall schloss, atmete ich erleichtert auf und drehte es so, dass ich damit durch die Fessel schneiden konnte.
Das Leder war dick und es war um einiges schwieriger mit der gefesselten Hand das alles zu durchtrennen, aber ich konnte erleichtert sehen, wie sich das scharfe Skalpell bereits vorarbeitete. Immer wieder warf ich einen Blick zur Tür, aber es kam niemand, obwohl ich laute Geräusche hörte. Sobald die erste Fessel durchtrennt war, machte ich den anderen Gurt mit der Hand auf, was leichter ging als es durchzuschneiden. Den Gurt, der meine Füße an Ort und Stelle hielt, öffnete ich ebenfalls und ließ mich dann von der Liege auf die Seite rollen.
Draußen ertönte ein Geräusch, als würde sich jemand prügeln. War das Janson?! Gerade wollte ich nachsehen, als ein helles Licht von der Fensterfront kam und mich erstarren ließ. Es waren Raketen! Doch ich reagierte zu spät und wurde von der Wucht, die sich verursachten, als sie mit einem lauten Knall in das Gebäude einschlugen, zu Boden geschleudert.
Ein Alarm ging los und die Lichter begannen immer wieder zu Flackern. Schweratmend wollte ich mich vom Boden aufrappeln, aber ein brennender Schmerz an meinem Bauch ließ mich zusammenzucken. Um mich herum lag zerbrochenes Glas.
Mit großen Augen sah ich auf die blutige Scherbe, die aus meinem Bauch ragte. Sie besaß die Größe meiner Hand. Geschockt atmete ich auf. Doch viel Zeit blieb mir nicht mich darüber zu sorgen, denn die nächsten Raketen erschütterten das Gebäude. Ich musste schnell verschwinden, aber mit der Scherbe im Bauch würde das nicht einfach werden! Mit zitternden Händen umschloss ich den Rand und zog daran. Ein gewaltiger Schmerz durchzuckte mich und ich schrie laut auf. Der Schmerz bereitete sich in jeder Faser meines Körpers aus. Mein Atem ging flach, als ich meinen Griff festigte. Das Glas schnitt mir in die Handflächen. Ich holte einmal tief Luft und übte erneut Kraft auf. Immense Schmerzen durchfuhren mich, als sich die Scherbe minimal bewegte. Heiße Tränen liefen mir über die Wange, aber ich durfte nicht aufhören. Mit der Scherbe im Bauch würde ich nicht weit kommen!
Es kostete mich mehr als nur große Selbstbeherrschung nicht aufzuhören. Mit einem letzten, lauten Schmerzensschrei zog ich die Scherbe raus und ließ sie klirrend zu Boden fallen. Noch immer rauschte das Adrenalin durch meinen Körper und ließ mich zitternd am Boden sitzen.
Mit einem Blick auf die Scherbe konnte ich sehen, wie tief die Wunde war. Die Scherbe hatte bloß ein Fingerlänge tief in mir gesteckt. Das Blut lief jedoch nicht nur von der Scherbe auf den Boden, sondern tränkte auch mein Oberteil. Mühsam zog ich mich zu einer der Schubladen und öffnete sie. In ihr befanden sich mehrere Tücher. Schnell zog ich sie heraus und presste sie fest auf den schmerzenden Bauch. Stöhnend zog ich mich an dem Schrank auf die Beine. Sofort wurde mir schwindelig. Aber ich durfte jetzt nicht aufgeben! Ich musste Thomas finden und dann schnell verschwinden! Mit gewaltigen Schmerzen humpelte ich zur Tür, eine Hand noch immer auf den Bauch gepresst. Zum Glück hatte Janson nicht abgesperrt. Ich öffnete die Tür und trat in einen verrauchten Gang. Schüsse ertönten, die irgendwo gegenprallten und schon im nächsten Moment bogen zwei Personen um die Ecke.
„Thomas!", rief ich aus, als ich einen von ihnen entdeckte. Er sah auf, sein Gesicht blutig geschlagen. Die zweite Person war Teresa, an deren Kopf eine Wunde prangte. Sie sah so aus, als wäre sie gegen etwas gestoßen.
„Janson!", rief Thomas mir zu und ich verstand sofort. Mit wackligen Beinen lief ich zu ihnen. Janson folgte uns vermutlich. „Hier rein!", meinte Thomas, als wir zu einer Tür kamen. Er hielt Teresa schützend, während ich auf den Knopf drückte, damit die Tür sich öffnete. Wir traten in einen Zwischenraum, in dem Luft gesprüht wurde. Vermutlich zum Saubermachen, bevor wir gehetzt in das Labor stolperten. Ich zuckte kurz zusammen, als ich die Cranks erblickte, doch zum Glück befanden sie sich hinter Glas. Der Brand war bei ihnen schon weiter fortgeschritten als bei Lawrence du sie klopften wie wilde Tiere gegen die Scheibe. Was war das für ein Labor?!
„Wir müssen hier dringend raus!", sagte Teresa. Ich konnte sie noch immer nicht ausstehen, aber da sie bei uns war nahm ich an, dass sie Thomas vor Janson gerettet hatte. Ich nahm ihre Anwesenheit hin. Solange sie uns nicht nochmal verriet. Doch wie es aussah wollte auch Janson sie nun umbringen, da er schließlich auch auf sie geschossen hatte. „Was ist los?", fragte sie verwirrt und lenkte somit auch meine Aufmerksamkeit auf sich. Thomas stand einen Schritt von uns entfernt und drehte sich langsam um. Seine Hand zitterte, als er sie leicht von seinem Bauch nahm. Blut färbte sie rot. Blut, das ebenfalls sein Hemd rot färbte.
„Thomas!", rief ich erschrocken aus und stürzte auf ihn zu, als er stöhnend zur Seite sackte. Auch Teresa versuchte ihn zu fangen, aber er fiel gegen einen Tisch und sank dann zu Boden, wo er sich an etwas lehnte. Schnell atmend zog er sein Oberteil nach oben und entblößte seinen Bauch, an dem eine Einschusswunde klaffte.

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