6. Kapitel

Fröhlich schreitete ich in unser Zimmer. "Na was sagen die Ärzte?" Ein wohliger Schauer ging durch meinen Körper, seine Stimme war wie Balsam für meine Ohren. "Sie sagen es läuft gut und dass ich vielleicht bald entlassen werden!" Grinsend verschränkte ich die Arme vor der Brust. Hin und wieder war ich vielleicht doch ein wenig glücklich, Grund dafür war Daichi. Er machte mich glücklich, auch wenn er mir nur still Gesellschaft schenkte. Ja, die Ärzte sagten zwar, dass es gut lief, aber das war auch nur meiner wunderbaren Fähigkeit zu lügen zu verdanken. All das in den Berichten, waren lügen. Ich erzählte ihnen, was sie hören wollten, einfach nur, damit sie endlich Ruhe gaben und ich demnächst hier raus wäre. Daran war auch nicht Ukai oder Takeda oder meine Mutter schuld, es war einfach eine freie Entscheidung, die ein freier Mensch traf.

"Du Koushi, wie nennt man dieses Gefühl, mit so einem Kribbeln im Bauch?", fragte mich der Brünette von der Seite, weswegen ich fragend den Kopf schief legte. "Meinst du Liebe? Wenn du diese eine Person nicht mehr aus dem Kopf kriegst und schon ganz nervös bist bevor du sie triffst.. wenn dein Magen kribbelt, als hättest du Schmetterlinge gegessen.. Das meinst du, oder?", erwiderte ich mit ruhiger Stimme, beschrieb eigentlich ein Gefühl, das ich in letzter Zeit immer wieder verspürte. Leicht nickte er und kurz konnte ich einen Rotschimmer auf seinen Wangen ausmachen. "Na? Wer ist es? Bei wem hast du diese Gefühle?", fragte ich mit einem glücklichen Lachen, während ich mich neben ihn fallen ließ und an seine Seite drückte. Er lag in seinem Bett, beziehungsweise lehnte sein Oberkörper ein wenig an der Wand. Was er an der Position so bequem fand, wusste ich nicht so ganz, aber ich hatte aufgehört es zu hinterfragen. "Ich denke nicht, dass diese Person meine Gefühle erwidern würde." Es war eine stumpfe und doch leicht enttäuschte Feststellung. Mittlerweile hatte ich ganz gut rausgefunden, wie ich seine Gefühle an seiner Stimmlage herauslesen musste. "Ach warum sollte man das nicht?" "Ist eben so. Was hat man von einer Person wie mir?" Ich verstand, auf was er herauswollte und ein Seufzen verließ meine Lippen. "In meinen Augen bist du trotzdem toll. Jeder hat doch seine Schwächen und Stärken." Das musste auch grade ich sagen... Gleiches musste auch er denken, aber sagte nichts weiter dazu, während wir einfach in der Stille unsere zweisame Freundschaft genossen. Eine Freundschaft, die mich mit so viel mehr als nur Glück erfüllte.

Mein Herz klopfte voller Freude, als er mir einmal über den Kopf strich. Es war eine seltene, aber sehr liebevolle Geste, die wir beide in unseren intimsten Momenten austauschten. Eigentlich hasste ich die Berührungen von Menschen, aber gerade hier in einem solchen Moment war es anders. Ich fühlte mich schwerelos und freier als ich mich je gefühlt hatte. Daichi war meine Freiheit, mein Glück und der Mittelpunkt meines Selbst. Wer brauchte schon einen physischen Körper, wenn zwei Seelen sich miteinander vereinten?
Zwei manifestierte Lichter, die zusammen eins ergaben, gab es etwas mit mehr Zweck und Sinn?

„Koushi?", riss mich eine ernste, fast mahnende Stimme aus meinen tiefgründigen Gedankengängen. „Hm?", machte ich mit gesenkter Stimme, ehe ich zu ihm aufsah und ein Lächeln über meine Lippen wanderte. Warum das manchmal so war... Eigentlich war die Antwort eine simple, unfassbar einfache, aber ich wollte es eben nicht ganz wahrhaben, weswegen ich diese immer wieder erneut verdrängte. Schweigend sah ich ihn an und je länger ich dies tat, desto mehr verlor ich mich in seinen wunderschönen, dunklen Augen. Sie erinnerten mich an Aragonit. Warum mir dieser spröde Stein einfiel? Ich wusste es nicht und es war auch nicht wirklich von Bedeutung. Ob ich es wusste oder nicht, änderte die Tatsache nicht, dass er mir den Kopf auf eine seltsame, eigenartige Weise verdrehte, sodass ich gar nicht erst in den Genuss kam, genau dies in Worte zu fassen. "Du bist schon wieder weg", stellte er fest und ein zartes Schmunzeln lag auf seinen Lippen. Ich schüttelte den Kopf, als ob dies meine Abwesenheit vermindern würde, blinzelte ein paar Mal und gelang zurück in die Realität. "Worüber hast du nachgedacht?", so wie ich ihn mittlerweile lesen konnte, schien er es allmählich auch mit mir tun zu können. "Ach..", war das einzige, was ich rausbrachte. Es fühlte sich falsch an, ihn jetzt anzulügen und zeitgleich konnte ich mich nicht überwinden, die Wahrheit zu sagen. Es war eine Zwickmühle, aus der ich nicht rauskam und so war die klügste Entscheidung zu schweigen. In diesem Schweigen starrte ich meine Füße an, worauf mein Liegekissen sich aufsetzte. Mit einem Seufzen sank ich also völlig in die Matratze, um dann wieder zu ihm aufzusehen. Ein Schatten wanderte einmal über sein Gesicht. Scheinbar fand er meine Wahl nicht sonderlich gut. "Sugawara." Ein unwohler, eiskalter Schauer ging durch meinen Körper. Krampfig griff ich nach dem Saum seines Oberteils und krallte mich in dieses. So hatte ich ihn zuvor noch nie erlebt. Seine Stimme schien wie Eis und doch war da diese Fürsorge, die tief unter dem Packeis lag. Seine Hand legte sich an mein Kinn, worauf er es hochdrückte, damit ich ihm in die Augen sehen musste. Es war kein angenehmes Gefühl und doch war es wahrscheinlich der offenste Moment, den wir je hatten. Schwer schluckte ich. "Sag schon", forderte er mich erneut auf. Daichi schien mein Spiel durchschaut zu haben und das gefiel mir nicht wirklich. Es war eine Hassliebe, die ich dazu führte, wenn Leute mich mit einer derartigen Leichtigkeit durchschauen konnten. Schließlich sprach ich mit zittriger Stimme: "Daichi ich kann nicht." Mir steckte ein Kloß im Hals und selbst wenn ich gewollt hätte, wäre da nicht mal ansatzweise die Chance gewesen, auch nur ein weiteres Wort aus meinem Mund zu bringen. Erst nachdem ich daraufhin die Gelegenheit gefunden hatte, mein eigenes Selbst zu analysieren, musste ich feststellen, dass meine Wangen förmlich kochten. Gott.. das musste doch total bescheuert rüberkommen!

Ein Seufzen holte mich in die altbekannte Realität. "Ich geh duschen, mach keinen Blödsinn, Koushi", hielt er sanft fest, küsste meine Stirn und war dann schon verschwunden. Entgeistert blieb ich zurück, versteinerte sozusagen und blickte die Leere an. Langsam, als ob ich aus einem bösen Traum erwachen könnte, wanderte meine Hand und fuhr über die Stelle. Tatsächlich hatte ich es absolut nicht erwartet. Wer ging denn auch davon aus, dass etwas Derartiges passieren würde?!

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