3. Kapitel

Am nächsten Morgen wurde ich durch die wilden Schritte der Betreuer wach. Ein erschöpftes Brummen verließ meine Kehle. Die Tür ging auf. Takeda blickte mich stumm an, während ich mich langsam erhob. Er sagte nichts, schien mit sich zu hapern, ob er mir etwas Verheerendes mitteilen sollte. „Guten Morgen", entgegnete er schließlich, wieder mit diesem Lächeln das ich nur allzu gut kannte. „Sie müssen nicht Lächeln, wenn ihnen nicht danach ist", sprach ich leise. Dankend nickte er, schloss die Tür hinter sich, um einzutreten. „Wie geht es ihnen?", erkundigte er sich leise. „Könnte besser sein.. Aber ich würd mal sagen es war auch schon durchaus schlechter", gab ich zu. Zufrieden nickte er. „Was möchten sie frühstücken?" „Müsli.. einfach nur ein Müsli.." Vermutlich würde ich etwas anderes eh nicht drin behalten können.. Nickend verließ er den Raum wieder. Schwach lächelnd erhob ich mich aus meinem Bett, um mir irgendwelche Kleidung anzuziehen. In einer schwarzen Jogginghose und einem weiten grau-melierten Hoodie, saß ich nun wieder auf dem kleinen Bett und blickte den Boden vor mir an.
Wie würde er sein? Was würde er denken? Würde er mich akzeptieren? War diese Weltordnung womöglich nur eine Lüge? Was wenn die Erde doch flach ist und alles nur eine optische Illusion? Wie würde das Leben weitergehen?
So stellte ich minutenlang die Wissenschaften und Ordnungen dieser Welt infrage, ehe mich das leise Klacken des Türgriffs aus meinen Gedanken riss. Mein Herz hämmerte stark gegen meine Brust, während ich den Schwarzhaarigen einfach schon fast entsetzt ansah. „Alles gut, nur ich", sprach seine warme Stimme. Langsam schloss ich die Augen, sammelte mein Inneres wieder etwas und hörte wie er sich durch den Raum bewege, die Glasschale abstellte, um nun wieder kommentarlos zu gehen. Es war besser so. Besser für uns Beide, wenn wir einfach keine Konversation über diese Situation führten. Was sollten wir auch groß sprechen?
»Oh toll wie du mich anschweigst und einfach die Augen schließt!« »Ja, nicht?«
Es wäre einfach nur seltsam gewesen und hätte die angenehme Ruhe zerstört, die Ruhe die mich etwas beruhigte. Die Ruhe vor dem Sturm.

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Eben dieser Sturm traf nun ein. Ein Braunhaariger junger Mann. Seine Haare waren kurz und er wirkte auf eine seltsame Art und Weise geknickt, doch seine Präsenz war stark zu spüren. Unsicher sah ich zu ihm, konnte es nicht lassen ihn zu mustern. Seine tief-dunkelbraunen Augen, trafen auf die Meinen, was eine Gänsehaut auf meinem Rücken ausbreitete. Wer war er? Auf eine noch unklare Art und Weise hatte er mein volles Interesse geweckt. So blickten wir uns Sekunden, vielleicht auch schon Minuten einfach nur still an. „Warum bist du nicht draußen bei den anderen?", fragte schließlich seine ruhige Stimme, die mir erneut Schauer durch den Körper jagte. „Weil es mich umbringen würde", antwortete ich leise, begann allmählich unsicher immer wieder den Blick abzuwenden. Also sah er kurz weg, ließ dann aber merklich lange seine Augen wieder über meinen Körper wandern. Angespannt ballte ich meine Hand zu einer Faust. "Entschuldige, ich wollte dich nicht in die Enge treiben", sprach er ruhig, lächelte verunsichert, ehe er auf das Bett sank. Sein Lächeln war falsch, was aus irgendeinem Grund einen Stich in mein Herz setzte. Doch ich erwiderte das Lächeln nicht. Ich musste aufhören, ständig irgendwelche Gefühle vorzuspielen, die nicht da waren. "Mach dir keinen Kopf", entgegnete ich leise, sah langsam aus dem Fenster und verlor mich schließlich in den Farben vor dem Fenster. "Hey", forderte er plötzlich wieder meine Aufmerksamkeit, weswegen ich ihn sogleich ansah, "Da wir uns jetzt erstmal einen Raum teilen... darf ich deinen Namen erfahren?" "Uhm..", war das Erste, was ich dazu rausbrachte, worauf die Farbe sein Gesicht allmählich verließ, weswegen ich schnell stotternd weitersprach, "K-Koushi Sugawara!" "Daichi Sawamura", erwiderte er sogleich, sah mir kurz direkt in die Augen, was mir für wenige Sekunden den Atem raubte. Rapid wendete ich meinen Blick ab, als es plötzlich klopfte. "Herein", entkam es uns beiden synchron, worauf sich auch schon die Tür öffnete und ich meine flüchtigen Gedanken, keineswegs fortsetzen oder verfestigen konnte. 

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Mittlerweile war später Abend, die Sonne war schon vor einer guten Stunde untergegangen. Und da war sie wieder. Diese Leere die mich erfüllte, als wäre ich ein leerer Krug. Es fühlte sich so an, als würde man mich unter einer Käseglocke halten, als wäre ich in einer Blase gefangen. Allerdings war mir dieser Zustand irgendwie auch lieber. Lieber fühlte ich mich so leer, als dass ich wieder in dieses depressive, traurige rutschte. Schweigend saß ich auf meinem Bett und blickte an die Decke. "Sugawara-San?", kam es schließlich leise von der Seite. Allerdings erschrak ich keineswegs, sondern drehte mich etwas zu ihm, sah seine Augen etwas im Mondlicht schillern, ehe ich eine Reaktion von mir gab: "Ja?" "Warum bist du hier?", fragte er darauf und blickte mich genauestens an. Ich schluckte schwer und hatte dann doch allmählich meine Schwierigkeiten meine Emotionen unter Kontrolle zu halten. "Selbstmord", antwortete ich schließlich so stumpf wie es mir möglich war, "Und du, Sawamura-San?" Mein Herz raste und ich hatte seit langem wieder Konzentrationsschwierigkeiten. Was er gerade dachte, wusste ich keineswegs und das setzte mir dann doch etwas zu. "Schizophrenie." Kurz stoppte ich in meiner Unruhe. Er war schizophren? Ich hätte ihm das im Leben nicht zugetraut, ja hatte gedacht er hätte vielleicht eine Angststörung und etwas Derartiges. Still sah ich auf meine Hände. "Stört es dich, wenn ich das Fenster aufmache?", fragte ich schließlich mit gesenkter Stimme. "Mach ruhig", murmelte er, worauf ich schon das Knistern seiner Decke hörte. Wortlos stand ich auf, riss beide Fenster auf, atmete kurz die kalte Nachtluft ein, ehe ich wieder zu meinem Bett eilte und es mir unter der Decke bequem machte. Flüchtig sah ich zu ihm hinüber. "Alles gut bei dir?", fasste ich darauf meinen Mut zusammen, was mich erzittern ließ. "Ich spüre wie mich jemand anfasst, ohne das da jemand ist", gab er mit ruhiger Stimme zu. Allein bei dem Gedanken, dass mich jemand anfassen könnte, lief es mir kalt den Rücken runter. "Aber mach dir nichts draus... man gewöhnt sich irgendwie an die Halluzinationen..", erläuterte er nachdenklich. War es normal, dass er so gesprächig war. "Warum bist du dann noch wach?" Ein bitteres Seufzen kam nun von der Nachbarseite. "Weil mich das manchmal wach hält", erklärte er und sah mich irritiert an, "Warum fragst du?" "M-macht man das nicht so? Ist das.. also.. eh k-keine Ahnung", stotterte ich vor mir her, durchflutet von der Angst. "Schon gut.. Ich versteh solche emotionalen Dinge oft einfach nicht", erörterte er niedergeschlagen, weswegen ich fast aufgesprungen wäre, doch stattdessen fast aus dem Bett fiel. "Nein! Entschuldige! I-Ich wusste das nicht! Es tut mir Leid!", plapperte ich prompt darauf los und sah ihn aus meinen braunen Augen erschüttert an, sah nur schemenhaft, wie sich ein zaghaftes Lächeln langsam auf seine Lippen abzeichnete.

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