Kapitel 8
"Entschuldigung?" Manuel strich sich sein Hemd glatt und trat an die Rezeption. Der junge Mann dahinter wendete sich ihm zu. "Ja? Was kann ich für Sie tun?"
Manuel lachte verlegen auf und vergrub die Hände in den Taschen. "Wissen Sie, das klingt jetzt mit Sicherheit seltsam, aber ich brauche Ihre Hilfe. Ich suche einen guten Freund, er heißt Patrick. Patrick Meyer. Er ist etwas über ein Meter siebzig groß, hat braune Haare und Augen und ich bin mit nicht sicher, ob er hier ist. Ich weiß, dass Sie das wegen dem Datenschutz eigentlich nicht dürfen, aber können Sie vielleicht trotzdem nachgucken, ob er hier ein Zimmer gebucht hat? Ich war schon in zwei Hotels und ich weiß langsam nicht mehr, was ich machen soll. Er ist sehr wahrscheinlich betrunken und ich habe Angst, dass er sich etwas antut."
Der letzte Teil war gelogen, aber er wirkte. Der Junge sah Manuel mit großen Augen an und biss sich auf der Unterlippe herum. "Warten Sie einen Moment." Bat er dann leise. "Ich muss das kurz klären."
Manuel nickte. Er hatte eigentlich keine Lust zu warten, aber er wusste auch, dass das aktuell seine einzige Chance war.
Ungeduldig tippte er mit dem Fuß auf dem Boden herum und strich sein Hemd glatt, während er auf die Rückkehr des Jungen wartete.
Als dieser endlich zurück kam, sah er die Antwort schon auf dessen Gesicht. "Entschuldigung, aber ich kann keine Daten herausgeben." Manuel seufzte leise und rieb sie über die Stirn. "Können Sie nur dann einen anderen Gefallen tun? Für den Fall, dass Patrick hier ist, sagen Sie ihm bitte, dass er bei mir vorbei kommen soll? Ich heiße Manuel, er weiß dann Bescheid. Ich muss dringend mit ihm reden. Und sagen Sie ihm, dass er sein Gepäck mitbringen soll, er kann bei mir einziehen, wenn er das möchte."
~
Das Klingeln seiner Türklingel riss Manuel aus seinen Gedanken. Er hastete zur Tür und riss sie auf.
Draußen stand Patrick, die Hände in den Taschen vergraben und die Augenbrauen misstrauisch zusammengezogen.
"Du hast mich rausgeworfen." Sagte er, noch bevor Manuel etwas sagen konnte. Seine Worte ließen Manuel seufzen. "Wollen wir wieder streiten oder willst du rein kommen, damit wir uns in Ruhe unterhalten können?"
Patrick trat in die Wohnung und stieß die Tür hinter sich ins Schloss. Er roch leicht nach Alkohol, aber er wirkte nüchtern.
"Willst du etwas trinken?" Fragte Manuel, noch bevor er sich über die irreführende Fragestellung aufregen konnte, doch Patrick schüttelte nur den Kopf und setzte sich. Manuel nahm ihm gegenüber Platz und über kreuzte die Beine.
"Warum bin ich hier?" Fragte Patrick. Er klang dabei so ernst und fordernd, dass Manuel sich den dummen Spruch verkniff.
"Weil wir Freunde sind." Sagte er leise. "Ich habe dich gern, Patrick. Es war schön, dass du wieder bei mir warst. Nicht nur, weil du mir echt eine große Hilfe warst, sondern vor allem weil es schön ist, Zeit mit dir zu verbringen. So wie früher. Ich denke, dass wir beide Scheiße gebaut haben. Wir haben überreagiert und Dinge gesagt und getan, die war nicht hätten sagen und tun sollen. Ich wollte nicht, dass unsere Freundschaft an so etwas kaputt geht."
Von Patrick kam nicht sofort eine Antwort, er nickte nur langsam und bedächtig und rieb sich über das unrasierte Kinn. Dann seufzte er leise und hob den Blick. "Du hast recht." Manuel fiel ein Stein vom Herzen.
"Ich fände es schön, wenn du wieder hier einziehst." Legte er ihm vorsichtig nahe. Patrick nickte sofort. "Meine Sachen sind unten in meinem Auto." Er wollte aufstehen, doch Manuel bremste ihn mit einer Handbewegung. Das war das eine gewesen, jetzt kam der andere Teil.
"Wenn wir einfach so weiter machen, wie bisher, dann werden wir früher oder später wieder streiten und das macht mich fertig. Das will ich nicht."
Patrick setzte sich wieder bequem hin und nickte langsam. "Und das heißt? Was schlägst du vor?" Manuel biss sich auf die Unterlippe und sah auf seine Finger.
"Ich möchte nicht, dass du in meiner Wohnung trinkst. Wenn du trinken möchtest, dann ist das für mich okay, solange du dann Abstand von mir hältst, bis du wieder nüchtern bist und geduscht hast. Dann kannst du auch gerne wieder herkommen."
"Fair enough." Sagte Patrick und lächelte zaghaft. Er schien abzuwarten, ob Manuel weiter reden wollte, doch als nichts kam, ergriff er wieder das Wort. "Kommst du dann mit runter, meine Sachen holen?" Manuel nickte.
~
"Wie sieht es aus? Willst du es dir schon mal auf dem Sofa bequem machen und ich koche noch schnell etwas? Worauf hast du Hunger?"
Manuel sah zu Patrick, der sich immer noch bemühte, die Dinge zwischen ihnen zu richten. Er hatte ein bisschen Hunger, aber er wollte nicht, dass Patrick ihm jetzt etwas zu Essen kochte.
"Lass gut sein." Er trat zu Patrick und griff seine Hand. "Ich möchte mich einfach mit dir auf die Couch legen und ausblenden, dass ich übermorgen wieder arbeiten gehen muss."
Patrick verschränkte ihre Finger und zog ihn einige Momente lang in eine vorsichtige Umarmung, bevor er ihn sanft in das Wohnzimmer schob und auf das Sofa drückte.
Manuel ließ es zu, machte es sich sogar bequem und klopfte neben sich auf die Sitzfläche, bis Patrick sich setzte. Mit einem Lächeln legte er den Kopf an Patricks Schulter, die vertrauten Gefühle setzten wieder ein, als Patrick einen Arm um ihn legte und den Fernseher anmachte.
"Ich muss dich mal was fragen." Sagte Manuel irgendwann leise, als die Folgen gerade wechselten, und schloss die Augen. Allein der Gedanke daran brachte seine Wangen zum brennen.
"Was denn?" Fragte Patrick und gähnte leise. Sein Kopf sank in Manuels Haare. "Erinnerst du dich noch an alles, was auf der Abschlussparty passiert ist?" Manuels Stimme zitterte.
"Klar. Worauf willst du hinaus?" Es war Manuel unangenehm, dass er sich solche Gedanken um etwas machte, dass so lange her war.
"Warum hast du darauf bestanden, dass wir da gemeinsam hingehen?" Fragte er, statt seine eigentliche Frage zu stellen. Patrick lachte leise auf und drückte ihn an sich. "Warum nicht?"
Das war nicht die Antwort, die Manuel hatte haben wollen. Er biss sich auf die Unterlippe und löste sich von Patrick. Der sah ihn verwirrt an.
"Jetzt mal Butter bei die Fische." Sagte Manuel und ahmte dabei die Sprechweise des Vaters des anderen nach. Patrick zog die Augenbrauen hoch und Manuel strich sich mit zitternden Fingern die langen Haare zurück, während Patrick den Mund zur Antwort öffnete. "Hau raus."
"Das aufm Klo... Der Kuss. Was war das für dich?" Patrick schwieg. Er schwieg viel zu langen, während er da saß und Manuel stumm ansah, dann lächelte er.
"Wenn ich mich richtig erinnere, dann hast du doch mich geküsst und nicht umgekehrt." Manuel spürte die roten Flecken auf seinen Wagen und nickte hektisch. "Stimmt. Aber ich will trotzdem wissen, was du davon denkst. Immerhin hast du mitgemacht."
Patrick lachte verlegen auf und kratzte sich am Kinn.
"Du bist süß." Sagte er dann. Manuel senkte verlegen den Blick. "Krieg ich auch noch eine Antwort oder nicht? Ich habe mich nicht umsonst zehn Jahre lang damit rumgeschlagen, um jetzt nicht gesagt zu bekommen, ob das ein Date oder ein Treffen unter Freunden war."
"Das ist wohl meine Schuld." Patricks Hand legte sich auf Manuels Oberschenkel. "Weißt du, ich sollte dir wohl was sagen. Ich fand dich von dem Moment an toll, als ich dich kennengelernt habe."
Manuel lächelte verlegen und versteckte sich hinter seinen Haaren. Er wusste nicht, was er davon halten sollte.
"Ich hab mich nie getraut, es dir zu sagen. Ich wollte, aber ich habe es nicht geschafft. Ich habe einen Brief geschrieben, aber den habe ich nicht abgeschickt. Ich wollte es dir lieber persönlich sagen, aber das hat auch nie gepasst. Es gab nie die passende Gelegenheit."
"Du hast mich ein paar Mal betrunkenen angerufen und mir geschrieben." Sagte Manuel leise. "Da hast Du mir gesagt, dass ich ein toller Freund bin. Und dass Du gerne Zeit mit mir verbringst."
"Ich weiß. Wie schon gesagt, ich kenne meine Grenzen. Ich erinnere mich noch an jedes Gespräch. Da wollte ich dir gerne was sagen, aber zu mehr als Freundschaftlich Bekenntnissen habe ich es nicht gebracht. Als die Geschichte mit dem Abiball kam, habe ich in der Stufe das Gerücht verbreitet, dass du schon eine Begleitung hast, damit dich bloß niemand fragt."
Manuel war gleichermaßen geschmeichelt und beleidigt.
"Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, bis ich mich getraut habe und auch da habe ich es nicht geschafft, klar zu machen, was ich eigentlich wollte. Ja, das sollte ein Date sein. Ich war schon dabei zu überlegen, wie ich dir das beibringen sollte und dann haben die den Ball einfach abgesagt."
Patrick zuckte mit seinen Schultern und räusperte sich.
"Was ich eigentlich damit sagen wollte ist, dass ich einen richtig heftigen Crush auf dich hatte."
Manuel stieß die Luft aus, von der er nicht einmal wusste, dass er sie angehalten hatte. Sein Herz klopfte stärker, als es sollte.
"Man könnte fast sagen, dass ich mich in dich verliebt hatte. Ich wollte dich an dem Abend küssen, aber ich hab mich nicht getraut. Und dann hast du dich abgefüllt und mich einfach abgeknutscht. Und ich fand das wirklich wirklich gut."
Manuel wurde noch roter und ballte die Hände unbewusst zu Fäusten. "Warum hast du nie etwas gesagt?" Wollte er leise wissen.
"Weil du betrunken warst. Die ganze Situation war dir ohnehin schon unangenehm und mir war Schrödingers Katze lieber als eine tote Katze. Ich dachte, du warst so betrunken, dass das nichts absichtliches ohne Bedeutung war. Und nicht zu wissen, was es bedeutet hat, war mir lieber als zu wissen, dass es dir nichts bedeutet hat."
"Mir hat es was bedeutet." Sagte Manuel und hob den Kopf wieder. Patrick war auch rot geworden, aber er lächelte sanft.
Dann neigte er sich langsam und dieses Mal ganz nüchtern zu Manuel und nahm sein Gesicht vorsichtig in die Hände. Manuel fühlte sich nicht bedrängt und auch nicht bedroht, als Patrick so nahe war, dass er seinen Atem auf seinen Lippen spürte.
"Darf ich dich küssen?" Wisperte Patrick leise. Manuel nickte kaum merklich und schloss die Augen. "Das ist aber eine seltsame Frage. Ich hab immerhin auch nicht gefragt und wenn ich jetzt ein Problem hätte, dann wäre ich schon weg." Murmelte er zurück. Er fühlte, daß Patrick bei dem Versuch ein Lachen zu unterdrücken heftig ausatmete. Trotzdem passierte nichts." Jetzt küss mich einfach." Flüsterte Manuel und das ließ sein bester Freund sich nicht zweimal sagen.
Dieses Mal war der Kuss zaghaft und vorsichtig und nicht ein einziges Chaos. Das lag nicht nur daran, dass sie nicht betrunken waren oder dass es nicht mehr Manuels erster Kuss war, sondern auch daran, dass er so überfordert war, dass er den Kuss erst nach einigen Momenten erwidern konnte.
Als Patrick sich wieder von ihm löste, lächelte er. "Immerhin." Aus dem Lächeln wurde ein breites Grinsen. "Dieses Mal hast Du dich nicht übergeben, das sehe ich als Fortschritt."
Kurz war Manuel wie gelähmt, dann boxte er ihm sanft gegen die Brust. "Ich war betrunken." Brummte er und packte den anderen am Kragen. "Ich weiß." Grinste Patrick frech, dann presste Manuel seine Lippen fest auf seine und erstickte alle anderen Worte im Keim.
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