Sieben
„Wenn das mal kein erfolgreicher Tag war." Louisa legte ihren Wrap beiseite und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie spürte die gefühlten 37 km Fußmarsch schwer in den Beinen. So musste es sich mit Anfang Neunzig anfühlen.
„Ja, ich bin mittendrin. Ich hab ein gutes Gefühl für die Abschlussarbeit. Wenn nur das Schreiben nicht wäre", antwortete Alea kauend. Sie konnte exzellente Recherchearbeit leisten, nur vor der Dokumentation selbst scheute sie sich.
„Das kriegen wir schon hin. Was steht morgen an, Al?" Louisa stand auf und lief ans Waschbecken im Zimmer, um sich die Hände zu waschen.
„Ich muss später in meinen Unterlagen nachschauen. Ich weiß, dass ich irgendwann ein Gespräch mit einem Captain von einem Polizeirevier hier habe, aber ich glaube noch nicht morgen."
„Wenn das so ist, was hältst du dann davon, wenn wir heute Abend ausgehen?" Louisa sah sie im Waschbeckenspiegel mit funkelnden Augen an. Anstoßen. Auf das Leben, auf neue Handys und...das Leben.
„In einen Club oder eine Bar?" Alea sah ebenfalls auf und Louisa nickte. Sie war überhaupt nicht der Typ Partymädchen. Aber ein guter Cocktail konnte Wunder bewirken.
„Vielleicht gibt es hier ja etwas in der Nähe. Nur ein klein wenig Ablenkung." Von Oliver. Louisa lächelte und schlenderte dann zu ihrer Tasche.
„Du beschäftigst dich doch nicht immer noch mit ihm, oder?", fragte Alea mit hochgezogenen Augenbrauen. Erschrocken blieb Louisa stehen. Nahain! Wie konnte sie nur alles wissen?
„Ich warte nur auf seinen ehrenwerten Anruf, dass mein neues Handy unterwegs ist." Alea hatte sie beobachtet und wackelte nun verdächtig anzüglich mit den Augenbrauen. Al! Google lieber!
„Google sagt, hier um die Ecke gibt es einen Nachtclub, der sich ‚The Cellar' nennt. Was meinst du?", fragte sie sogleich und scrollte mit einer Hand auf ihrem Handydisplay herunter ohne aufzuschauen. In der anderen Hand hielt sie wieder den Wrap. Na ging doch. Louisa hatte bereits Pumps aus ihrer Tasche gezogen und hielt sie in die Luft.
„Noch Fragen?"
Es war schwer einzuschätzen, wie viel Uhr es war, als Louisa nach einiger Zeit von der Toilette in den Hauptraum der Bar zurückkehrte. Alea hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Es war unverändert voll im Club und Alea hatte das Handy bei sich, sodass Louisa auf sich alleine gestellt war. Verdammtes Handy. Verdammter Oliver. Er hatte ihr Handy auf dem Gewissen. Auch, wenn sie hier vermutlich ohnehin keinen Empfang gehabt hätte. Sie schob sich durch die Menschenmassen und sah sich dabei nach Alea um. Das letzte Mal hatte sie sie mit einem kalifornischen Casanova an der Bar gesehen aber dort waren sie schon eine ganze Weile nicht mehr.
„Kann ich mal durch?" Es war eine rhetorische Frage, sie drängte sich durch die Menge in Richtung der Sitzgelegenheiten am Ende des Raumes. Dabei duckte sie sich konsequent vor dem Blick des Barkeepers weg. Er hatte sie abfüllen wollen und war mehr als schmierig. Und ganz offenbar hielt er sich für den größten Ladykiller. Vorsichtig schob sie sich an zwei breiten Männern vorbei. Wo bist du, Al? Trotz ihrer hohen Schuhe konnte Louisa nichts erkennen außer einer beeindruckenden Bandbreite an spitzen oder eher breiten Kinns, behaarten oder glatten Wangen, echten oder künstlichen Haaren der Menschen um sie herum. Die Stimmung im Nachtclub war ausgesprochen heiter und mitreißend. Es war genau die richtige Entscheidung gewesen, herzukommen. Da. Mit einem Mal sah Louisa ihre Freundin nur wenige Meter entfernt. Sie saß auf dem Schoß des kalifornischen Casanovas, beide hatten sich zusammen mit weiteren Freunden in einer Sitzecke niedergelassen und stießen gerade auf etwas an. Louisa erkannte einige leere Gläser vor Alea und schmunzelte zufrieden.
„Hab ich dich endlich." Sie erreichte die Gruppe und Alea drehte sich zu ihr. Auch der Casanova sah auf.
„Hey Süße. Geht's gut?", lallte Alea und sah hoch. Süße? Alea sah sie zufrieden an und hielt ihr ihr Glas entgegen.
„Klar. Hast du 'ne Uhrzeit?" Louisa sah von Alea zu ihrem Begleiter und wieder zurück. Dann quetschte sie sich neben die beiden auf die Couch. Ouh. Ganz offenbar gefiel ihm gar nicht, dass er Alea nun nicht mehr für sich hatte.
„Sicher. Is ers...-" Alea zog das Handy aus der Tasche und kniff die Augen zusammen. Dann drehte sie es um.
„-... halb swei. Wos dein Freund, der Barkeeper?", fragte sie dann und wackelte mit den Augenbrauen. Oh, Al.
„Sag das nicht zu laut, ich habe mich gerade erst in Sicherheit gebracht." Louisa nahm einen Schluck von Aleas Cocktail und rutschte etwas tiefer auf der Couch. Holla, die Waldfee. Noch etwas, das ordentlich reinhaute.
„Sag ma, Lou... Wasn mit Dominic los? Ganse fünf mal hat der mich angerufn heut Abend ." Alea sah ungläubig von ihrem Handy auf, das sie immer noch in der Hand hielt. Was?! Erschrocken stellte Louisa den Cocktail auf den Tisch zurück und sah ebenfalls auf das Handy. Dort waren tatsächlich fünf Anrufe einer unbekannten Nummer vermerkt.
„Will er disch zurück?", fragte Alea und musste unweigerlich dabei grinsen. Louisa starrte immer noch auf das Telefon. Der Umzug! Verdammter Mist.
Sie beugte sich zu Alea.
„Er wollte sich melden, wenn er endlich die Düse aus der Wohnung gemacht hat. Bestimmt ist was schiefgegangen und er erreicht mich nicht, weil mein Handy kaputt ist. Eins sag ich dir: Wenn der Auszug heute nicht geklappt hat, müssen wir unseren Aufenthalt hier verlängern. Vorher gehe ich auf keinen Fall zurück."
„Du muss ihn zurückrufn!", lallte Alea und sah sie an. Louisa schluckte. Sie wusste, dass Alea Recht hatte. Nicht viel nachdenken. Das führte ohnehin immer zum schlimmsten Ergebnis.
„Warte hier, okay? Ich bin kurz oben und erledige das. Hier unten verstehe ich sowieso kein Wort. Bis gleich." Louisa nahm das Handy und kämpfte sich dann am Rand der Tanzfläche entlang, bis sie schließlich vor dem Club stand. Es war frisch geworden und der Betrieb vor dem Club legte sich allmählich. Sie lief einige Schritte die Straße entlang, bis die dumpfen Bassgeräusche allmählich abschwächten. Dass ihr Herz schneller als gewöhnlich schlug, schob sie auf den zügigen Schritt, mit dem sie sich etwas vom Club entfernt hatte. Nervös schielte sie auf das Handy, das sie fest umgriff. Es war mitten in der Nacht, ob sie ihn überhaupt anrufen sollte? Vermutlich zog er sowieso gerade mit seiner neuen Freundin um die Häuser. Bitch. Beim Gedanken an Dominics Freundin wurde ihr immer noch flau im Magen. Sie hatte nie einschätzen können, ob er sie schon während ihrer Beziehung gevögelt hatte. Vermutlich schon. Sie hatte ohnehin selten Kleidung getragen, die wenigstens ihren Po vollständig bedeckte. Seufzend blieb Louisa einen Moment stehen, nur zögerlich tippte sie seine Nummer ins Handy ein. Alles in ihr wehrte sich gegen den Gedanken, seine Stimme zu hören. Er löste immer noch eine Welle an Emotionen in ihr aus. Verzweiflung, Einsamkeit, Hoffnung, Enttäuschung, Zorn. Schluss damit. Es war vorbei. Entschlossen sah sie zurück auf das Handy und gab den Rest seiner Nummer ein, die sie immer noch auswendig konnte. Was sollte schon dabei sein. Schließlich war er das Arschloch in der Beziehung gewesen. Gemeinsam mit dem Ertönen des ersten Freizeichens spürte Louisa den festen Entschluss, ihn endgültig aus der Wohnung rauszuschmeißen. Kompromisse war sie in all der Zeit ohnehin schon genug eingegangen. Als seine Affäre mit ihr aufgeflogen war, hatte er versucht, das Ruder herumzureißen, Louisa von seiner bedingungslosen Liebe und fortan zweifellosen Treue zu überzeugen, um die gemeinsame Wohnung nicht verlassen zu müssen. Aber er hatte seine Entscheidungen nicht zu Ende gedacht. Während es durchwählte, fixierte sie einen festen Punkt an einer gegenüberliegenden Häuserwand und versuchte, ihren rasenden Herzschlag zu ignorieren.Offenbar musste sie dringend an ihrer Ausdauer arbeiten, wenn die paar Meter sie so fertigmachten. Es wählte durch, ohne dass etwas geschah. Als sie den Anruf beendete, öffnete sie ohne zu zögern den Nachrichtenchat. Sie musste sichergehen, dass er nicht mehr in der gemeinsamen Wohnung war, wenn sie zurückkam. Obwohl sie sich allmählich ins Leben zurücktanzte, wollte sie ihn auf keinen Fall antreffen, nicht dort. Es war ohnehin schwer genug, die Erinnerungen zu ignorieren.
Viel zu lange hatte er, ohne Rücksicht auf Verluste, gedacht, dass er sie behandeln könne, wie er wolle. Sie war seine Puppe gewesen, verfügbar, wenn er wollte und liegengelassen, wenn er sich anderweitig vergnügte. Damit sollte nun endgültig Schluss sein. Insgeheim, das wusste sie, wünschte sich schließlich jeder Mann eine-
„Louisa?" Oh Gott. Erschrocken fuhr sie herum, wobei sie beinahe auch das zweite Handy hätte fallen lassen.
„Oliver!", schoss es aus ihr heraus, bevor sie wusste, was sie sagte. Mädchen! Ernsthaft?
Ihr Gegenüber stieß sich lässig von einem Auto ab, an dem er lehnte und sah sie stirnrunzelnd an.
„Entschuldige, ich wusste nicht, dass ich vielleicht störe", sagte er, mit Blick auf das Handy in ihrer Hand und lief mit langsamen Schritten auf sie zu. Die Hände hatte er in den Hosentaschen vergraben. Wieder einmal war er äußerst schick gekleidet, wobei sie die Farbe seines Jacketts aufgrund der Dunkelheit nicht genau identifizieren konnte. Er lächelte sie höflich an. Wo war er schon wieder hergekommen? War er ein Alien? Hatte er sich irgendwoher gebeamt? Mitten in der verdammten Nacht?
„Unsinn, ich... Hat sich eh erledigt." Sie sah ebenfalls kurz auf ihr Handy und hob dann den Blick wieder in seine Richtung. Er stand mittlerweile vor ihr, sie konnte das Parfum riechen, das er schon am Unfalltag getragen hatte. Müdigkeit sah man ihm keineswegs an. Er war ein ganzes Stück größer als sie, obwohl sie hohe Schuhe trug. Was zur Hölle tat er hier? Noch immer perplex, trat sie von einem Fuß auf den anderen, bedacht darauf, sich nicht gleich wieder wie eine Dreizehnjährige zu benehmen.
„Was... machst du hier?", fragte sie dann und versuchte, möglichst unbefangen zu klingen. Unauffällig sah sie an ihm vorbei, von seinem Auto war diesmal keine Spur. Also schien sie erst einmal nicht in Gefahr zu sein.
„Naja, San Francisco ist meine Heimatstadt", beantwortete er achselzuckend ihre Frage und lächelte schief. Clever. Aber dass er von hier stammte, wusste sie bereits. Sein Nummernschild hatte es verraten.
„Bist du auf dem Weg in den Club?", fragte sie dann und zwang sich, seinem Blick standzuhalten. Sie hatte das seltsame Gefühl, als könnten seine Augen sie lesen wie ein Buch. Er sah an ihr vorbei die Straße hoch, aus der nur noch dumpf die Musik des Nachtclubs zu hören war.
„Nein, ich war nur in der Gegend. Aber viel interessanter ist doch, was du hier draußen machst? Es ist mitten in der Nacht und du bist alleine hier? Weißt du denn gar nicht mehr, was ich dir über die Gegend hier gesagt habe?" Er fixierte sie. Natürlich wusste sie noch. War ja gerade mal einige Stunden her.
„Ich wollte nur jemanden anrufen. Eigentlich bin ich mit Al in diesem Club da oben." Sie deutete mit einem Kopfnicken die Straße hoch.
„Al? Deine Freundin von heute Mittag? Mit... dem Notizblock und dem Forscherblick?" Er fixierte sie immer noch, allerdings umspielte mittlerweile ein süffisantes Lächeln seine Lippen. Es machte ihn um Einiges jünger. Die Unverfrorene. Genau.
Louisa nickte nur und rieb sich über die nackten Arme. Sie trug nur ihr Kleid aus dem Club und fror allmählich. Es war merklich abgekühlt und der Wind brachte ihre Knie zum Zittern. Ihm schien keineswegs kalt zu sein. Natürlich nicht.
„Willst du vielleicht ein paar Schritte gehen?", fragte er dann woraufhin sie überrascht aufsah. Hatte er denn diesmal gar keinen dringenden Termin wahrzunehmen? Kurz erinnerte sie sich an das Handy in ihrer Hand. Sie würde ohnehin vor dem Club warten müssen, bis Dominic sie zurückrief. Durch die Bewegung würde es vielleicht immerhin etwas wärmer.
„Klar", willigte sie ein und lief dann zunächst stumm neben ihm her. Es war eine seltsame, ungewohnte Situation. Hin und wieder schielte sie in seine Richtung, nur um sich zu vergewissern, dass er noch neben ihr lief. Immerhin hatte sie es bei den zwei Cocktails belassen. Dass sie getrunken hatte, konnte er also nicht wirklich bemerken.
„Weißt du, Louisa, vielleicht wäre eine Entschuldigung für mein Verhalten die letzte Zeit mal ganz angebracht", durchbrach er die Stille und sie sah ihn erneut überrascht an. Wie bitte? Was war denn auf einmal los mit ihm? Er musste gebrainwashed sein. Sie wusste es. Die Aliens.
„Mal ganz abgesehen von dem Unfall selbst, auch als wir uns danach begegnet sind, bin ich ziemlich schnell wieder abgehauen. Ich denke, das Ganze war mir einfach äußerst unangenehm." Er sah sie im Gehen ebenfalls von der Seite an, auch in der Dunkelheit erkannte sie, dass seine braunen Augen einmal über ihren gesamten Körper flogen, bevor er wieder in die ihren sah. Er schien zu meinen, was er sagte. Etwas verlegen strich Louisa sich eine Strähne hinter das Ohr. Damit hatte sie nicht gerechnet.
„Schon...okay. Denke ich." Sie erkannte, dass er lächelte und wieder auf den Weg sah. Die Straße, die sie entlang schlenderten, führte bergauf. Um sie herum waren nun nur noch Wohnhäuser.
„Den Schaden mit deinem Handy habe ich der Versicherung übrigens gemeldet. Das sollte jetzt alles ziemlich zügig gehen." Oh. Wieso hatte er dann nicht angerufen? Verunsichert sah sie auf das Handy und nickte dann.
„Bist du öfter hier? Ich meine... Im Cellar?" Er sah sie erneut an. Offenbar kannte er den Club.
„Nein. Al und ich sind nur vorübergehend in der Stadt. Wir sind eigentlich nicht von hier." Hellhörig drehte er den Kopf in ihre Richtung.
„Ach nein?" Er zog die Stirn in Falten.
„Nein. Sie ist für ihre Abschlussarbeit nach San Francisco gekommen, um für ein Projekt zu forschen."
„Klingt spannend. Worum geht es denn?", fragte er nach.
„Um Kriminalität in San Francisco. Deswegen klappern wir hier allmählich auch die ganzen unschönen Gegenden ab." Er war mit einem Mal stehen geblieben und sie tat es ihm verwundert gleich. Nanu? Sie standen mitten auf einem Gehweg vor einem Wohnhaus.
„Kriminalität in San Francisco? Und darüber kann man eine Abschlussarbeit schreiben?" Jaha? Ganz schön neugierig war er. Sie rieb sich über die Arme und zuckte die Achseln.
„Ja, hier geht ganz schön die Post ab." Beispielsweise wurde man hier sofort überfahren, wenn man nicht aufpasste.
Er schmunzelte und zog seine Hände aus den Hosentaschen.
„Ich dachte eher, es sei relativ unspektakulär hier. Alles in allem lebt man sehr sicher, die Polizei macht einen guten Job. Ich weiß ja nicht, wo ihr herkommt, aber da kann es nur schlimmer sein als hier." Er hatte sich auf einen Treppenvorsprung zu einem der Wohnhäuser gesetzt. Auffordernd sah er sie an. Nur zögerlich setzte sie sich neben ihn. Die Steinstufen unter ihr waren beinahe schmerzhaft kalt. Das wäre dann die nächste Blasenentzündung.
„Wir kommen aus Sacramento, da ist es zwar nicht ohne, aber auch nicht so schlimm. Wir werden ja dann sehen, zu welchem Ergebnis wir kommen, meine Welt ist es sowieso nicht. Al ist meine beste Freundin, deswegen helfe ich ihr. Es ist... ganz nett." Sie musste lächeln und er stimmte mit ein. Allmählich entspannte sie sich, obwohl die Kälte sie beinahe vollständig einnahm.
„Sie scheint dich ja nicht aus den Augen zu lassen." Er hatte den Kopf geneigt, während er sie ansah. Es war ein schelmischer, spitzbübischer Blick, mit dem er sie ansah. Er hatte ein schönes Gesicht. Richtig bewusst wurde ihr das erst jetzt.
Etwas an seinem Tonfall machte Louisa dennoch stutzig.
„Ist das bei dir denn so anders? Dazu sind Freunde ja da. Ein wenig zumindest."
Er zuckte mit den Achseln.
„Ich bin schon ein großer Junge, Louisa." Es klang beinahe neckend, er musste grinsen und steckte sie damit an, noch während sie in sein Gesicht sah. Soso. Ein großer Junge mit einem großen...Hust... Auto. Mensch!
„Also seid ihr die nächsten Tage wohl sehr beschäftigt mit eurem kleinen Forschungsprojekt?" Er beobachtete ein vorbeifahrendes Auto und sah sie dann wieder aufmerksam an.
„Davon gehe ich aus, wieso fragst du?" Erneut schenkte er ihr eines seiner charmanten Lächeln. Verdammter Schwiegersohn.
„Ich dachte, ich könnte dich als Entschädigung zum Mittagessen einladen. Dann weiß ich vielleicht auch schon mehr wegen deines Handys, ohne ist man ja doch ziemlich aufgeschmissen. Aber ich möchte mich nicht aufdrängen, Forschungen gehen immer vor." Perplex sah sie ihn an, noch während seine Worte zu ihr durchdrangen. Mittagessen? Er und sie? Gemeinsam? Und... er hatte den Genitiv korrekt verwendet.
„Doch... das geht bestimmt", entgegnete sie, bevor sie es sich versah. Hoppla. Das Angebot reizte sie offenbar mehr als sie gedacht hatte. Er lächelte zufrieden. Er musste geahnt haben, dass sie zusagen würde.
„Vielleicht schaffst du es ja bei der Gelegenheit auch, deiner Freundin mal zu entkommen. Du kannst ihr sagen, dass ich während des Essens auf dich aufpasse und jeden Bösewicht von dir fernhalten werde." Kurz hatte sie Schwierigkeiten einzuschätzen, ob er die Wahrheit sagte oder scherzte. Sie wollte Alea gar nicht entkommen. Sein Grinsen verriet, dass er offenbar witzelte. Sie hatte es nur wieder einmal zu spät erst geschnallt.
„Weißt du...", begann sie dann und rieb sich über die frierenden Knie. Ihr war furchtbar kalt, aber sie hatte trotzdem nicht das Gefühl, zurück in den Club zu müssen. Noch nicht.
„Klär mich auf." Er sah sie neugierig an.
„Ich finde, es gleicht einem ganz schönen Zufall, dass man sich innerhalb von knapp 24 Stunden dreimal über den Weg läuft. In einer Großstadt wie San Francisco." Sie drehte kurz den Kopf zu ihm. Seine Augen lagen wieder einmal ruhig auf ihr. Er schaffte es, sie in Verlegenheit zu bringen. Also sah sie schnell wieder auf ihre Knie. Die waren bedeutend harmloser.
„Wohl wahr."
„Naja, und da du mich ja in 2/3 der Fälle auch nicht mehr angefahren oder anderweitig in Gefahr gebracht hast, brauchst du wohl auch keine Konsequenzen meinerseits zu fürchten. Du kannst mir also beruhigt auch mal deinen Namen verraten." Diesmal sah sie ihn ebenfalls direkt an. Für einen kurzen Moment wirkte er unsicher, das verriet ihr das Zucken seiner Augenwinkel. Das mit den Konsequenzen war ein Witz, man.
Schon im nächsten Moment streckte er jedoch die Hand aus und lächelte so selbstsicher wie zuvor.
„Mein Name ist Jacob. Freut mich sehr, Louisa." Jacob. Jacob. Jacob?! Scheiße, nix Edward, er war der Werwolf. Und sie... war scheinbar erst in der Pubertät.
Louisa ergriff seine Hand und drückte sie kurz. Sie war erstaunlich weich und gepflegt. Und warm.
„Also dann bleibt es bei unserem Mittagessen, direkt morgen? Ich würde vorschlagen, ich hole dich so gegen 12 ab, dann riskieren wir auch nicht, dass du wieder vor ein Auto läufst." Louisa entging sein Grinsen nicht, das sich langsam auf seinem Gesicht ausbreitete. Witzbold.
„Charmant", erwiderte sie und versuchte ihrer Stimme einen gelassenen Unterton zu verleihen. Seine dezente Arroganz reizte sie.
„Ist mein zweiter Vorname." Was du nicht sagst.
„Vielleicht sollten wir uns langsam auf den Rückweg machen. Deine Freundin vermisst dich sicherlich schon. Nicht, dass ich mit einem mal der Mittelpunkt ihrer Forschungen werde." Er stieß sich von der Treppe ab, drehte sich elegant zu ihr und reichte ihr dann die Hand, um sie ebenfalls hochzuziehen. Oh, im Mittelpunkt bist du schon lange, Junge.
„Du brauchst dir wirklich keine Umstände machen, ich finde sicherlich auch alleine zurück, aber danke", sagte sie, lächelte ihn kurz an und sah sich flüchtig um. Es war gelogen. Sie hatten sich augenscheinlich weiterhin vom Club entfernt. Und sie verfügte bestenfalls über den Orientierungssinn einer Erbse.
Sie drehte sich in Richtung der Straße, von der sie gekommen waren und sah auf Aleas Handy. Es konnte nicht allzu weit bis zum Club sein.
„Bis morgen." Sie sah ihn kurz an, bevor sie sich zum Gehen wandte.
„Unsinn, ich begleite dich ein Stück. Mein Wagen steht sowieso dort in der Nähe. Und ich halte es für besser, wenn du jetzt nicht alleine zurückgehst. Du bist ortsfremd, wer weiß, wer das ausnutzt." Er beunruhigte sie mit seinen wiederkehrenden Drohungen. Wusste er das? Sie räusperte sich. Augenblicklich war ihr noch etwas kälter geworden.
„So wie bei Ava meinst du?", fragte sie dann und sah ihn kurz an. Möglicherweise hatte er Recht und sie sollte sich nicht alleine in der Stadt umhertreiben.
„Wie kommst du denn jetzt auf Ava Carter?" Oh. Diesmal hatte wohl sie ihn erschrocken. Er klang ehrlich überrascht. Sie zuckte nur die Achseln und verschränkte die Arme im Gehen vor der Brust, um nicht noch mehr zu frieren.
„Al interessiert sich ein wenig für den Fall. Mir ist das alles zu... böse." Sie liefen ein paar Schritte weiter, ohne dass er den Blick vom Gehweg nahm. Er sah nachdenklich aus.
„Irgendwie ist das Böse leider überall. Aber erst das Böse lässt auch das Gute in Erscheinung treten. Wahrscheinlich wären viele Helden nie zu Helden geworden, wenn zuvor nicht das Böse am Werke gewesen wäre." Er sah sie lächelnd an. Ihr Blick hingegen war verblüfft. So hatte sie bisher nie darüber nachgedacht. Sie spürte mit einem Mal, dass seine Anwesenheit sie beruhigte. So schnell würde sich nun sicherlich kein Massenmörder nähern.
„Frierst du?", fragte er dann, mit Blick auf die Gänsehaut an ihren Armen. Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte er sein Jackett ausgezogen und legte es über ihre Schultern. Die Wärme war äußerst angenehm und sein leichter Duft schlich sich in ihre Nase.
„Danke." Sie sah ihn eine Zeit lang an, bis er ihrem Blick auswich. Das dunkle Hemd, das er jetzt nur noch trug, passte ausgesprochen gut zu seinen Haaren. Sicherlich kehrte er jetzt in seine Villa zurück, in der ein vorgewärmtes Wasserbett auf ihn wartete und in wenigen Stunden ein adrett gekleidetes Dienstmädchen mit frisch duftenden Brötchen und starkem Kaffee. In einem sexy Kleid. Sie räusperte ihr Bild vor Augen weg während er sie schmunzelnd ansah, als hätte er ihre Gedanken laut mitgehört.
„Du wirkst nervös, Louisa", sagte er dann, ohne den Blick von ihr zu nehmen. War ja klar, dass ihm das auffiel. Sie schob das sexy Dienstmädchen aus ihren Gedanken.
„Nur müde. Danke, dass du mich zurückgebracht hast." Sie blieb fast dankbar wenige Schritte vor dem Club stehen und nahm das Jackett von den Schultern. Sofort begann sie wieder zu frösteln.
„Geht bitte gemeinsam zurück ins Hostel, okay?" Er sah zu ihr herunter. Sein Blick war ernst, von Spaß war keine Spur mehr. Etwas verlegen drehte sie Aleas Handy in ihren Händen hin und her.
„Ist gut. Bis morgen. Und fahr niemanden mehr um." Sie lächelte müde und drehte sich dann zum Club. Dass er stehenblieb, bis sie drin war, fiel ihr nicht mehr auf.
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Ihr Lieben ♥ Ihr habt bis hierher gelesen? Fleißig! Ich weiß, ein Kapitel, das etwas länger ist. Ich hoffe, ihr habt noch immer Spaß! Ich habe viiiiel daran rumgefeilt. Langsam wird es spannend. Bleibt mir treu. Ihr seid meine Helden.
Eure Mila♥
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