Kapitel 6
Alles wird wieder gut werden. Nemuris Worte hallten durch Hizashis Gedanken. Auch wenn er wusste, dass Kayama es nur gut gemeint hatte, so hätte sie sich nicht noch mehr irren können. Ihre Worte klangen für den Blonden mit jedem Tag mehr spöttisch, auch wenn sie es nicht so gemeint hatte und nicht wissen konnte, wie schlimm es wirklich war. Sie hatte ihn nur aufmuntern wollen und ihm Hoffnung schenken. Doch vergebens. Jegliche Hoffnung, und jedes Fünkchen Glück, dass er jemals verspürt hatte, war unter den Trümmern des zusammengestürzten Gebäudes begraben worden.
Bereits seit ein paar Tagen saß Yamada am Bett seines bewusstlosen Ehemannes. Nur das Piepen der Krankenhausgeräte zeigte ihm, dass Shota noch lebte. Seit Hizashi selbst in einem der Betten wach geworden war, hatte er keine Sekunde vergeuden, und sofort nach dem Menschen zu suchen, den er über alles liebte. Tag und Nacht hatte er seither an dessen Seite verbracht, wartete darauf, dass der Dunkelhaarige wieder aufwachte und alles gut werden würde. Seine eigenen Schmerzen versuchte er auszublenden, während er darauf hoffte, dass Aizawa zu ihm zurückkehrte. Doch mit jedem Tag, der verging, schien es unwahrscheinlicher zu werden, dass der Bewusstlose jemals wieder aufwachte.
Jeden Tag durfte eine Handvoll Schüler die beiden im Krankenhaus besuchen, doch egal wie sehr sie versuchten ihren Englischlehrer dazu zu überreden, sich selbst auszuruhen und erst einmal wieder zu Kräften zu kommen, blieb es doch vergebens. Hizashi rührte sich nicht, starrte nur auf Aizawas eingebundenen Körper und hielt dessen Hand. Auch ohne die Worte der Ärzte, dass es Besorgnis erregend war, wenn Yamada weder etwas aß noch trank und sich nicht ausruhte, wussten die Jugendlichen bereits, dass sie dabei waren, nicht nur einen ihrer Lehrer zu verlieren.
Besonders Hitoshi traf diese Situation sehr hart. Im Gegensatz zu seinen Mitschülern würde er nicht nur seine Lehrer verlieren, sondern seine Mentoren, aber vor allem Menschen, die für ihn mittlerweile so etwas wie eine Familie geworden waren. Es fiel dem violetthaarigen Jungen schwer, sich unter seine Klassenkameraden zu mischen, die ihn allesamt mitleidig ansahen. Dass Yamada und Aizawa vorgehabt hatten, ihn zu adoptieren, hatte sich schnell herumgesprochen. Zu schnell für seinen Geschmack. Am liebsten würde der Insomniac sich nur mehr in seinem Zimmer verkriechen, doch Denki hielt ihn davon ab.
Damit Shinsou nicht genauso erstarrte und vor sich hin vegetierte, hatte Kaminari sich vorgenommen, seinen Freund nicht eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Der Blonde war auch der einzige gewesen, der bereits vor allen anderen gewusst hatte, wo Hitoshi seit ein paar Monaten lebte. Daher wusste er auch, wie hart es den Jungen traf, der bisher nur Gutes über seine neue Familie erzählt hatte.
Obwohl Denki eigentlich Küchenverbot hatte, nachdem er die letzten beiden Mikrowellen auf dem Gewissen hatte, hatte er sich in den Kopf gesetzt, für sich und Hitoshi eine heiße Schokolade zu zubereiten. Glücklicherweise war Bakugo ebenso in der Küche, sodass kein allzu großes Chaos dabei entstand. Vorsichtig beide Tassen in den Händen balancierend kam er in den Gemeinschaftsraum zurück, wo Shinsou sich auf einem Sofa so klein wie nur möglich gemacht hatte. Ein Großteil der 1-A Klasse war ebenso anwesend, dennoch war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Niemanden war nach einem Gespräch zu mute, was Kaminari durchaus nachvollziehen konnte. Sie alle hatten Aizawa bereits seit dem USJ in ihr Herz geschlossen und sahen zu ihm auf, obwohl er ihnen oft genug zu verstehen gegeben hatte, dass er kein angemessenes Vorbild war.
Langsam, um Hitoshi nicht zu erschrecken, der in seinen Gedanken versunken schien, ließ Denki sich neben seinem Freund nieder und reichte ihm eine der Tassen, ehe er sich an den Jungen lehnte, um ihn weiter Trost zu spenden. Nur zu gerne hätte er ihm gesagt, dass alles wieder gut werden würde, aber er wusste bereits, dass es darauf kaum Hoffnung gab. Kaminari war in der heutigen Schülergruppe gewesen, die den beiden verletzten Lehrern einen Besuch abstatten durften. Dabei hatte er, genauso wie seine anderen Mitschüler, genau gehört wie ein Arzt mit Midnight gesprochen hatte. Die Mediziner gingen nicht davon aus, dass Aizawa noch einmal aufwachen würde und gaben ihm höchstens noch ein paar Tage. Seine Verletzungen waren zu schwer und er war zu erschöpft und ausgelaugt um von Recovery Girl geheilt zu werden. Letzteres galt ebenso für Yamada, der sich weigerte Nahrung und Flüssigkeit aufzunehmen und auch seit Tagen nicht geschlafen hatte.
„Das ist doch beschissen." Bakugos Fluch durchbrach die Stille. Er war aus der Küche gestapft und hatte die hängenden Köpfe und trübseligen Mienen seiner Mitschüler gesehen. „Ihr Extras solltet aufhören herumzuhocken und abzuwarten! Wir sind Helden verdammt nochmal, also sollten wir uns auch etwas einfallen lassen, wie wir diese Situation zum Guten wenden können", erinnerte er seine Kollegen. Zum einen, weil er es satt hatte, alle nur herumhocken und Trübsal blasen zu sehen und zum anderen, weil er sich schuldig fühlte. Wenn sie die Rettungsaktion nur schneller geplant und durchgeführt hätten, dann wäre es vielleicht besser ausgegangen. Nein. Er hätte von Anfang an gar nicht erst zulassen sollen, dass Aizawa sich selbst opferte, um sie zu retten. Auf keinen Fall wollte er nun einfach tatenlos abwarten, bis es zu spät war. Nicht schon wieder wollte er mit daran schuld sein, dass einem seiner Vorbilder etwas Schreckliches widerfuhr.
Noch während Bakugo sprach, hatte Eijiro sich erhoben und war an den Aschblonden herangetreten. Sachte legte der Rotschopf eine Hand auf die Schulter des anderen. „Beruhig dich, Kats. Recovery Girl kann leider nichts ausrichten, weil sie Sensei nur noch schneller töten würde. Wir können nur versuchen, Yamada zu helfen." Vor ein paar Tagen hatte Midnight bereits versucht, den erstarrten Mann schlafen zu legen, doch dieser hatte einfach die Luft angehalten und die Ärzte waren der Meinung, dass es keinen Sinn hatte, ihn gewaltsam zu etwas zu zwingen. Zumindest fürs erste. Vermutlich würden sie es in den nächsten Tagen dennoch auf diese Weise noch einmal versuchen müssen. Aber irgendwie mussten sie doch eine Möglichkeit finden, zu dem Mann durchzudringen. Kirishima konnte verstehen, dass es schwer war einen geliebten Menschen zu verlieren, aber deswegen durfte man sich selbst nicht aufgeben. Es gab schließlich noch andere, die Yamada brauchten. Eri und Hitoshi waren noch da und brauchten jemanden, der sich um sie kümmerte.
„Es muss doch jemand anderes geben, als die Alte, der Sensei helfen kann! Der kleine Knirps von Nabu Island zum Beispiel!", warf Katsuki ein und schüttelte Eijiros Hand ab, um einen Schritt an ihm vorbei zu machen.
Laut seufzend machte Izuku unfreiwillig auf sich aufmerksam. „Es würde zu lange dauern bis Katsuma hier wäre. Außerdem wäre es wohl nicht sehr legal und das weißt du!", warf der Grünhaarige ein. So sehr er seinen Lehrer auch retten wollte, wäre es falsch Gesetze zu brechen. Schließlich konnten sie auch den armen kleinen Jungen nicht dazu missbrauchen, einfach seine Macke einzusetzen, um mit seiner Zellenaktivierung Aizawa zu heilen. Es gab so viele andere Menschen, die auch eine solche Rettung gut gebraucht könnten, aber sie nicht haben konnten.
Natürlich gefiel diese Antwort Katsuki überhaupt nicht. Ihm waren alle Gesetze vollkommen egal. Hauptsache sie würden es schaffen, Aizawa zu retten und somit auch gleich Yamada aus seiner Starre zu befreien. Während die beiden Streithähne drohten aufeinander los zu gehen, sah Hitoshi langsam von seiner Tasse auf. „Eri", gab er leise von sich.
„Hm, hast du was gesagt, Tosh?", hakte Denki überrascht nach, da der Violetthaarige bereits seit Stunden nichts mehr gesagt hatte.
Da seine Stimme zuvor belegt geklungen hatte, räusperte sich Shinsou. „Eri ist hier und könnte ihm genauso helfen", erklärte der Junge nun lauter, sodass Bakugo und Midoriya innehielten.
„Kann sie den ihre Macke schon kontrollieren?", wollte Katsuki sofort wissen.
Izuku warf dem Aschblonden einen bösen Blick zu und wollte protestieren, doch Eijiro hielt ihm den Mund zu. Erwartungsvoll sahen alle zu Hitoshi, der nickte. „Sie hat gemeinsam mit Yamada und Aizawa geübt, um Togata seine Kräfte zurück zu geben. Ganz hat sie ihre Kräfte noch nicht im Griff, aber ich kann sie im Notfall aufhalten", versicherte Shinsou den anderen. Er war bei den Übungsstunden dabei gewesen und konnte so herausfinden, dass er durch seine Macke jene von Eri unterbrechen konnte, wenn er sie dazu brachte, auf ihn zu reagieren. Damals war Aizawa ziemlich froh gewesen, als sie diese Entdeckung gemacht hatten. Schließlich konnte Hitoshi so als zukünftiger großer Bruder von Eri auch auf das Mädchen aufpassen, wenn die beiden Männer mal unterwegs waren. Allein der Gedanke an diese Erinnerung versetzte ihm einen Stich.
„Das klingt doch toll", meldete sich Denki zu Wort, streckte einen Daumen in die Höhe und versuchte sich an einem Lächeln, „dann brauchen wir nur noch einen Plan."
Und den schmiedeten sie auch sofort. Glücklicherweise schafften es Tenya und Ochaco ihren grünhaarigen Freund dazu zu überreden, mit zu machen. Schließlich war neben Hitoshi er einer der wenigen Menschen, bei denen Eri sich wohl fühlte. Wenn Midoriya und Shinsou dem Mädchen ihre Idee erzählten, wäre sie bestimmt sofort freiwillig bei der Sache dabei. Bisher hatte ihr ohnehin noch niemand genau erzählt, wieso weder Shota, noch Hizashi seit Tagen nach Hause gekommen waren. Im Augenblick passte Kayama auf sie auf, was Eri zwar unglaublich toll fand, weil Nemuri eine lustige Tante war, aber die beiden Männer, zu denen sie mittlerweile ein großes Vertrauen aufgebaut hatte, waren ihr eindeutig lieber. Sie mussten das kleine Mädchen gar nicht erst großartig überzeugen.
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