And I hate that I made you the enemy

Jeder kennt dieses Sprichwort: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Das trifft im übertragenen Sinne ebenfalls auf den Charakter eines Menschen zu. In meinem jungen Leben habe ich bereits viele verschiedene Personen kennenlernen dürfen, mit all ihren Stärken und Schwächen, Vorlieben und Abneigungen. Alle hatten sie einen Glanz an sich, der sich nach den ersten paar Stunde, teilweise sogar Minuten, in matte Enttäuschung verwandelte. Es war eine Tatsache, die mir Sicherheit gab. Doch dann kam er. Niemand hatte diesen Glanz, den man außen sah, so sehr verinnerlicht. Ein andauerndes Strahlen purer Macht, Verlangen und Dominanz.

Und diese Erkenntnis wurde mir zum Verhängnis.


Es ist kurz vor achtzehn Uhr. Ich lege mein Handy zurück in die Clutch und hole stattdessen meinen kleinen Klappspiegel sowie den roten Lippenstift raus. Schwungvoll zeichne ich die vollen Lippen nach und kontrolliere ein letztes Mal die dunkel geschminkte Augenpartie, ehe ich die kleinen Helfer zurück packe und nach meinem Margarita-Glas greife.

Gesprächsfetzen von anderen Personen dringen zu mir durch. Die Gäste der Hotel-Bar sitzen an Tischen verteilt und ich bin die einzige, die am langen, dunklen Tresen Platz genommen hat. Von irgendwo ertönen sanfte Klänge eines Instrumentalstücks, ein angenehmes Hintergrundrauschen.

Ich rieche ihn, bevor ich ihn sehe. Der herbe Duft des teuren Parfums steigt mir in die Nase, als ich meinen Kopf sanft zur Seite wiege und in seine grauen Augen schaue. Ein Lächeln ziert die schwungvollen Lippen.

„Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?", fragt er mit tiefer Stimme und ich lächle ebenfalls.

„Nur zu, wenn Sie sich trauen."

Ich hebe mein bisher kaum angerührtes Glas an und proste ihm zu. Er erwidert es mit seinem Getränk, das dunkel zwischen den zwei Eiswürfeln schwappt.

„Sind Sie allein?"

Ich drehe mich auf dem hohen Hocker zu ihm um und präsentiere ihm so meine überschlagenen Beine, die von dem kurzen, schwarzen Kleid kaum verdeckt werden. Sein Blick reißt sich keine Sekunde von meinen Augen los.

„Jetzt nicht mehr", erwidere ich und nippe an dem Cocktail.

Sein Grinsen wird breiter, verwegener. „Darf ich Sie nach Ihren Namen fragen?"

Ich platziere die freie Hand auf meinem nackten Oberschenkel und zucke nonchalant mit der Schulter. „Dürfen Sie es?"

„Ich bin Nicholas, Nicholas Sullivan", stellt er sich stattdessen vor und mir entgleiten für einen kleinen Augenblick die Gesichtszüge. Ich weiß, dass er es wahrnimmt, doch er lässt sich das nicht anmerken. „Und Sie sind?"

Ich erwidere seinen sanften Händedruck. „Nennen Sie mich Bonnie."

Dann kann ich dein Clyde sein.

„Bonnie", wiederholt er wie zum ersten Mal. Ich sehe die kleine Enttäuschung in seinem Blick, nur einen Hauch, aber sie ist da. „Ist das ein Spitzname?"

Ich nicke und mein Herz gerät kurz ins Stolpern, als er meine Hand an seine Lippen führt und mir einen hauchzarten Kuss, kaum wahrnehmbar, auf die Fingerknöchel gibt. Dann lässt er mich los, doch meine Haut brennt an der Stelle noch immer.

„Was führt Sie in die Stadt, Nicholas Sullivan?", frage ich und lasse mir seinen Namen auf der Zunge zergehen. Ich erlaube es mir. Nur dieses eine Mal.

„Geschäftliches", antwortet er und nimmt erneut einen Schluck seines Drinks. „Und Sie?"

„Ebenfalls."

Meine Antwort lässt ihn schmunzeln. Dann beugt er sich leicht nach vorne, als würde er mir etwas im Vertrauen erzählen wollen.

„Sie dürfen mich gerne Nicholas nennen", sagt er und ich grinse.

„Und ich bin immer noch Bonnie", erwidere ich zwinkernd, doch sein intensiver Blick in meine Augen lässt mich für den Bruchteil einer Sekunde zweifeln.

Ich wende mein Gesicht ab und streiche die dunklen Locken, die über meine Schultern fallen, nach hinten.

Du bist wunderschön.

„Sie haben einen hinreißenden Akzent, Bonnie." Die Art, wie er den Namen ausspricht, stellt die feinen Härchen auf meinen Armen auf.

„Meine Eltern kommen aus Puerto Rico", erkläre ich und dieses Mal ist der Ausdruck in seinem Gesicht zufriedener.

„Und wo sind Sie zu Hause?"

Komm' mit mir.

„New York City."

Seine Augenbrauen wandern überrascht nach oben und ich bekomme das Gefühl der Kontrolle zurück. Wir sind wieder auf dem sicheren Gebiet. Wir sind wieder im Spiel.

„Wohnen Sie hier im Hotel?"

„Sie?", stelle ich als Gegenfrage und beiße mir auf die Unterlippe, was seine Aufmerksamkeit einfängt. Mir wird wärmer.

Er grinst erneut. „Wollen Sie auf einen Drink mit hochkommen?"

„Was hat Ihre Minibar, was diese hier nicht hat?", frage ich keck und er fährt sich lässig durch die kurzen, dunkelblonden Haare.

Ich will dich.

„Einen Kamin", antwortet er leichthin und mir entkommt ein leises Lachen.

„In Ordnung, Nicholas."

Wir trinken unsere Gläser aus und er bezahlt für mich, ehe wir uns auf den Weg zu den Aufzügen begeben. Seine Hand liegt an meinem unteren Rücken, besitzergreifend. Mit den Fingerspitzen berührt er dort ganz leicht die nackte Haut, die durch den großzügigen Rückenausschnitt frei liegt. Ich entspanne mich.

Mit einem leisen Pling kommt der Fahrstuhl im Erdgeschoss an und die Türen öffnen sich. Wir treten ein und Nicholas betätigt den Knopf für den zehnten Stock.

Ich lehne mich mit dem Po an die Haltestange und er tritt einen Schritt vor, sodass er nur noch eine Handbreit von mir entfernt ist. Sein Atem tanzt über mein Gesicht und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie er eine Hand hebt. Ganz vorsichtig, als wäre ich eine zerbrechliche Puppe, streicht er die vorderen Strähnen hinter mein Ohr. Er berührt mich dabei kaum, doch ich habe das Gefühl, unter ihm zu brennen.

Dann legt sich seine Hand seitlich an meinen Hals und mit dem Daumen drückt er den Kiefer etwas nach oben, sodass ich meinen Kopf heben muss und sich unsere Lippen beinahe berühren.

Sein Blick wandert über mein Gesicht, als würde er es ahnen. Als würde er sich alles einprägen wollen, bevor ich unter seinen Fingern zu einer Erinnerung verblasse.

Die Türen öffnen sich im zehnten Stock und wir trennen uns voneinander. Doch seine Hand landet wieder an meinem Rücken und gibt mir die Sicherheit, die ich heute brauche.

Sein Appartement ist riesig, eins der luxuriöseren in diesem Haus. Nur die Präsidentensuite ist größer. Die hohen Absätze meiner Pumps werden von einem weichen, hellen Teppich abgedämpft.

„Nehmen Sie gerne Platz", sagt Nicholas und zeigt auf eine dunkelrote Ledercouch, die direkt neben einem elektrischen Kamin steht, den er sofort anschaltet. „Was möchten Sie trinken?"

„Einen Martini, bitte." Ich setze mich und erlaube mir einen Blick auf Nicholas' knackigen Hintern, den er mir präsentiert, als er sich zu der Minibar bückt und je eine Flasche Gin sowie Wermut herausholt.

Während er zu einer Anrichte geht und unsere Cocktails mischt, steht er seitlich zu mir und ich mustere seine Erscheinung. Nicholas trägt einen dunkelgrauen Anzug, maßgeschneidert, der seine schmale Taille und die breiten Schultern perfekt in Szene setzt. Die dunkelbraunen Lackschuhe glänzen wie frisch poliert und die oberen drei Knöpfe vom blütenweißen Hemd sind geöffnet. Er ist eine Augenweide.

Nicholas dreht sich zur mir und kommt mit zwei gefüllten Gläsern auf mich zu. Ich nehme meinen Drink entgegen und stoße mit ihm an, ehe ich mich auf der bequemen Couch nach hinten lehne und meine Beine überschlage.

„Cheers", sagt er und nimmt einen Schluck, was ich ihm gleichtue.

Der Alkohol prickelt in meiner Kehle und ich lächle Nicholas an. Seine Augen fixieren mich.

„Bonnie", sagt er und ich bekomme erneut eine Gänsehaut. „Wie heißt du wirklich?"

Mein Lächeln erstirbt.

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