25.02.2017
Dear Jim,
Meine Hände zitterten.
Ich war hin und her gerissen zwischen einem hysterischem Lachanfall und einem erstickten Schluchzen.
Die Whiskyflasche hatte ich mit beiden Händen umklammert während mir Tränen über die Wangen liefen. Trotzdem blieb ich still. Einfach still. Die Party war längst vorbei. Ich wusste nicht einmal warum ich sie geschmissen hatte, wahrscheinlich um mich abzulenken und beim saufen nicht allein zu sein.
In unserem, in meinem Haus verteilt lagen schlafenden Menschen, die ich nicht einmal kannte. Irgendjemand übergab sich im Bad, hoffentlich ins Klo. Ich konnte seine würgenden Geräusche hören, das erstickte Keuchen. Ansonsten war es im Haus ruhig. Ich hatte die Musik leise gedreht, dass sie nicht mehr als ein Flüstern aus dem Flur war. Am Fenster sitzend sah ich dabei zu wie der Morgenhimmel sich von einem grau zum blau verwandelte. Blau. Blau wie die Augen des Mannes der dich ersetzen sollte, aber nicht konnte.
Wir hatten zusammen getanz, im schummrigen Licht. Ich kannte ihn nicht einmal trotzdem lächelte er mich an und kam auf mich zu. Manchmal fragte ich mich ob man Homosexualität riechen konnte oder ob auf meiner Stirn in großer pinker Neonschrieft 'Schwul' stand, aber mich sprachen öfters Typen in Bars an. Seltsam eigentlich fand ich das in dem Moment nicht. Ich war nur froh, dass ich nicht schon wieder irgendeine blonde Schönheit abwimmeln wollte, was bei deren Verstand schrecklich schwer war.
Er rief gegen die Bässe an das er Curdin hieß. Es war ein schweizer Name und ich hörte ihm auch deutlich den Dialekt an. Die Partyscheinwerfer, die ich samt Diskokugel an der Decke befestigt hatte, waren ein rosa Licht auf seine dunklen Haare und weichen Konturen. Ich holte uns noch einen roten Plastikbecher mit Bier aus der Küche. Mein Kühlschrank war bereits geplündert und auch die Löffel waren geklaut wurden. Wer klaut denn Löffel, die nicht einmal aus silber waren?
Ihm lief ein glitzender Schweißtropfen über die Schläfe, bis zu seinem Ohr wo er ihn abwischte. Ein schüchternes Lächeln auf den Lippen tanzte er einfach unbeirrt weiter. Curdin war einer von der ruhigen, ängstlichen Sorte und das er mich angeredet hatte lag nur daran, dass er in irgendeinem Gespräch meinen Namen zu dem Thema aufgeschnappt hatte.
Ich lächelte zurück, doch kein glückliches Lächeln. Eher ein spöttisches. Als er dann im nächsten Moment meinen goldenen Ring am Finger sah ruderte er zurück. Knallrot wollte er anscheinend im Erdboden versinken bis zur Hölle fahren und nie wieder kommen, aber das ließ ich nicht zu. "Er... ist vor einer Ewigkeit gestorben." Seltsam nicht? Das ich log über deinen Tod? Für mich fühlte es sich an wie eine verdammte Ewigkeit, die nicht vergehen wollte. Eine dumpfe Ewigkeit, die sich hinzog wie Erdnussbutter ohne, dass ich vor oder zurück kam. Und genau das wollte ich nun ändern. Ich wollte eine Nacht lang vergessen, das du jemals existiert hast.
Es fühlte sich so natürlich an als ich ihm meine Hände um die Hüfte legte, so wie ich es bei dir immer tat. Als er den Kopf gegen meine Schulter gelegt hatte, so wie du es immer tates. Wir wippten hin und her. Die Bässe drangen durch uns hindurch. Seine Wärme an meinem Oberkörper und seine blauen Augen, die mich plötzlich so ansahen wie du es immer getan hast. Ich hörte deine Stimme in meinem Kopf wie sie leise "Tiger" flüsterte. Spürte deine Hand noch auf meiner Schulter, deine Fingernägel wie sie auf meinen Rücken kratzten. Es schmerzte dort wo noch ein paar Narben davon bezeugten, dass du existiert hast. Das wir gelebt haben und es war als wären die Wunden wieder aufgerissen.
Nun war ich es der zurück ruderte. Sagte das wir langsam machen mussten, das ich ihn kennen lernen wollte und das er nicht nur ein Quicki werden sollte, den man gleich wieder vergaß. Er sollte kein Trostpflaster sein. Er versprach morgen beim aufräumen zu helfen und verschwand.
Jetzt sitze ich hier. Schaue auf meinen goldenen Ring und kämpfe nach 89 Tagen immer noch mit den Tränen.
In für immer währender Liebe
Sebastian.
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