14) Palast der Wünsche


Das Geräusch der sich schließenden Tür hallt lange in meinem Zimmer nach. Endlich bin ich alleine und finde Zeit zum Nachdenken. Aber ich komme nicht zur Ruhe. Es liegt nicht an diesem Raum. Er fühlt sich schon wie mein Rückzugsort an, auch wenn keinerlei persönliche Dinge die Ablagen und Schränke füllen.

Ich fühle mich erschöpft und mein Kopf scheint zerspringen zu wollen, so viele Gedanken drängen zeitgleich darin herum. Ich weiß gar nicht, worüber ich zuerst nachdenken soll und fasse mir in die Haare. Kopflos sein, hatte auch seine Vorteile. So vieles habe ich an diesem Tag erfahren und gesehen, all das will verarbeitet werden.

An der Seite neben dem großen Spiegel, der einzigen freien Wandfläche, ist eine weiß lackierte Tür aufgetaucht. Bevor ich sie aufmache, weiß ich schon, was mich dahinter erwarten wird. Trotzdem überrascht mich die schlichte Eleganz und Größe des Badezimmers. Die Wände und der Boden sind schwarzweiß gefliest. Auf einer Stufe in der Ecke befindet sich eine riesige Badewanne, daneben nur durch eine in den Raum gemauerte Wand abgegrenzt, eine begehbare Dusche mit Regenbrause. Gleich rechts neben der Tür ein langer Spiegel mit Waschbecken und Schminktisch. Es liegt alles bereit, was ein Mädchenherz begehren könnte. Von flauschigen, farblich passenden und ordentlich gefalteten Handtüchern, bis hin zu den gängigen Utensilien und einer ganzen Palette von Pflege- und Kosmetikprodukten. Ich öffne den Verschluss eines goldenen Flacons und schnuppere. Ein herrlicher Duft nach Rose und Sandelholz legt sich über den Raum.

So ein warmes Schaumbad wäre jetzt nicht schlecht. Ein wenig Spa-Feeling nach all dem Trubel.

Kaum ist der Gedanke gedacht, füllt sich die Wanne wie von Zauberhand randvoll mit knisterndem, dampfendem Badewasser. Ich tauche meinen Finger hinein und seufze. Es ist perfekt. Wohltemperiert und wohlduftend - nach Vanille und Mandelblüte. Meine liebste Duftrichtung.

Aber kann ich wirklich hineintauchen? Was, wenn Aljan mich beobachtet? Oder noch schlimmer, Tenebris. Beide waren vorhin so abweisend. Sie sind sauer auf mich, weil ich Aljan gefolgt bin und ihrem Gespräch gelauscht habe. Worum es dabei wohl ging? Was war dieser Auftrag? Diese Übersetzung? Irgendein altes Dokument über eine Jenseitsvorstellung aus längst vergangenen Zeiten vermutlich. Warum Tenebris so viel daran liegt?

Ob das der übliche Tonfall zwischen den beiden ist? Es scheint so, dabei ist Aljan so einfühlsam und anständig.

Er würde mich doch nie heimlich beobachten? Aber andererseits ist er auch ein Höllenprinz und das Werk von Tenebris. Nicht geboren oder gezeugt, sondern erschaffen. Ein unheimlicher Gedanke. Wie all seine Brüder. Nach welchem Vorbild und nach welchen Vorstellungen erschafft man seine Kinder als Fürst der Finsternis?

Bei all diesen Werken, die sich in seiner Bibliothek befinden, können es keine liebevollen und wohlgesinnten Absichten gewesen sein. Ist er deshalb so enttäuscht von seiner letzten Schöpfung? Aber dann wäre Aljans Wesen sein Fehler und er hätte nicht das Recht, seinem Sohn deshalb Vorwürfe zu machen. Sein Aussehen hat er jedenfalls perfekt hinbekommen. Es ist alles so verwirrend und bizarr.

Aber es gibt keine Fenster, keinen Türspion, nichts, was darauf hindeutet, dass mich jemand beobachtet. Aljan wird nicht in der Lage sein, seine Gestalt zu wandeln und als Geist herumzuschweben, oder? Selbst in meinen Ohren klingt die Vorstellung lächerlich. Was für eine Schande das bei seinem Aussehen wäre.

Langsam und zaghaft streife ich meine Kleider ab. Die Unterwäsche folgt zügiger, dann tauche ich so schnell ich kann in den duftenden Schaum hinab und bedecke mich damit. Das Bad ist jetzt genau das, was ich brauche, auch wenn es meine Gedanken und Überlegungen nicht wirklich zu klären vermag.

Trotzdem versinke ich seufzend bis zur Nasenspitze darin.

Anschließend, fest in die kuschelweichen Handtücher gewickelt, gönne ich mir eine Verwöhnrunde mit all den Tuben, Tiegeln und Cremes, die ordentlich aufgereiht auf der Ablage des Schminktischs auf mich warten.

Es ist ein wahrgewordener Kleinmädchentraum. Gerade als ich mir die Gesichtsmaske abwasche, unterbricht ein Geräusch meine Verzückung.

Ich lausche. Es ertönt erneut. Ein dumpfes Pochen. Eilig rubble ich mir die Haare trocken und entferne das Handtuch. Mit nackten Füßen und frisch lackierten Zehennägeln husche ich zuerst in mein Zimmer. Das Geräusch entpuppt sich als ein Klopfen an der Tür. Bestimmt ist es Aljan, angelockt von meinen vielen Gedanken über ihn. Aber wenigstens kommt er nicht als Geist. Die Vorstellung entlockt mir ein albernes Kleinmädchenkichern. Plötzlich durchzuckt mich eine wilde Ahnung und mein Herz stolpert über seinen Takt. Was ist, wenn er Gedankenlesen kann? Wenn er alles gehört hat, was ich im Bad über ihn gedacht habe? Das wäre fast schlimmer als spannen. Ein viel intimeres Beobachten. Im Geist gehe ich alles durch, was ich mir in der letzten halben Stunde zusammenphantasiert habe. Es war nichts Peinliches, oder? Trotzdem Dinge, die ich lieber verschlossen in meinem Kopf aufbewahren würde. Das Pochen an der Tür wiederholt sich, wirkt drängender und fordernd. Klingt als könne Aljan kaum abwarten, mit mir zu sprechen. Was kann auf einmal so dringend sein?

Vorsichtig öffne ich die Tür einen Spalt weit. Sofort schiebt sich eine Hand und ein Fuß in den entstandenen Schlitz und reißen die Tür zur Gänze auf. Ich unterdrücke einen Schrei. Es ist nicht Aljan, der vor meinem Zimmer steht.

Schwarze Augen wandern von meinen feuchten Haaren über mein Gesicht, scannen ausgiebig das Handtuch um meinen Körper, und schweifen bis hinab zu meinen roten Zehennägeln.

Der Mann grinst hämisch und entblößt eine Reihe blenden weißer, ebenmäßig gerader Zähne. "Welch ein Empfang. Ich sehe, Vater hat wirklich nicht übertrieben."

Sein großer, muskulöser Körper steht mitten im Türrahmen, keine Chance ihm die Tür vor der Nase zuzumachen. Ich warte darauf, dass er etwas sagt. Jeder Gentleman hätte erkannt, dass der gewählte Zeitpunkt unpassender nicht sein könnte, aber von ihm kommt keine weitere Reaktion, noch nicht einmal eine Entschuldigung.

"Entschuldigung", sage ich daher, "aber es ist gerade sehr unpassend."

Er lacht. "Macht nichts. Ich kann warten, bis du dir etwas Hübsches angezogen hast. Aber auch das", er deutet auf meinen nur spärlich bedeckten Körper, "ist schon ein ganz netter Anblick. Letztendlich ist es mir egal, was ich dir später ausziehe." Bei seinen letzten Worten zwinkert er mir zu.

"Raus!", stoße ich zwischen geschlossenen Lippen aus. "Was für eine Unverschämtheit! Du hast mir noch nicht einmal gesagt, wer du bist!"

Dabei weiß ich es inzwischen ganz genau. Der Mann hat gewisse Ähnlichkeit mit Aljan. Die gleichen perfekt geschnittenen Wangenknochen. Dieselben vollen Lippen und eine makellose Haut. Rabenschwarze Haare, die ihm tief in die Stirn fallen. Schön anzusehen, aber dieses Exemplar wirkt bedrohlich - ganz anders als Aljan. Ich weiß nur nicht, welchen seiner sechs Brüder ich vor mir stehen habe.

Aber egal wer er ist, er lacht nur lauter. "Ein kleines Wildkätzchen. Dann erlaube mir, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Erit. Erster Höllenprinz." Seiner Vorstellung folgt eine elegante Verbeugung, dann macht er einen weiteren Schritt auf mich zu und ich schreie.

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