Kapitel 8 - Unconditionally
Katy Perry - Unconditionally
Gut gelaunt tanzte ich den Kiesweg zwischen den Waldbäumen entlang und lies mich einfach von der Musik treiben. Es war dieses Gefühl der Schwerelosigkeit, das mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte, sodass sich mein Inneres durch eine ausgleichende Ruhe füllte.
Ich wedelte meine Arme sanft durch die Luft, schloss die Augen und sog die frische Waldluft und den Erdgeruch in mich auf. Ich hatte eine Menge nachzudenken gehabt und kam irgendwie zu dem Schluss, dass es gut war, meinen Gefühlen am vergangenen Wochenende keinen Stop gesetzt, sondern einfach alles rausgelassen zu haben. Auch wenn Leon dabei gewesen war.
Ich bog vom Weg ab, duckte mich unter manchen Ästen und spazierte instinktiv zu der Lichtung, die ich mit meinem ehemaligen besten Freund entdeckt hatte.
Beziehungsweise wollte er mir ein Tipi mitten im Wald zeigen. Wir waren vom Weg abgekommen und hatten nur mit dem GPS im Handy den Weg wieder nach Hause gefunden. Ich lachte über unsere Naivität.
Heute konnte ich wieder darüber lachen und mich an den schönen Erinnerungen erfreuen, ohne in Tränen auszubrechen.
Heute war einer der Tage, an dem ich einfach nur dankbar war, so gut mit ihm befreundet gewesen zu sein.
Und wo auch immer er jetzt war, ich war mir relativ sicher, dass er es okay so finden würde. Ich nahm noch einen Ast beiseite, anstatt mich zu ducken, und erblickte die helle Lichtung, dessen hüfthohe Gräser vom Sonnenlicht saftig erleuchtet waren. Sommer.
Mich packte ein Glücksgefühl und das motivierte mich gedankenlos einfach drauf los zu laufen. Ich spürte lächelnd, wie mich die Gräser an den nackten Beinen kitzelten. In meinen festen Sneakers hatte ich gerade so das Gefühl über den Boden zu fegen, als ob mich keiner aufhalten könnte.
Außer Puste kam ich an einem umgeknickten Baumstumpf an und lies mich schmunzelnd darauf nieder, reckte mein Gesicht zur Sonne und spürte, wie die Strahlen auf meiner Haut tanzten. Ich schloss die Augen und genoss den Moment, auch wenn es ungemein kitzelte.
Ich nahm mir die In-Ears aus den Ohren und lauschte dem friedlichen Zwitschern der Vögel und dem Rascheln der Blätter, wenn eine kleiner Windhauch durch die wenigen Laubbäume fegte.
Das Leben konnte so unglaublich schön sein.
Veränderungen sind gut, beschloss ich. Auch wenn ich sie nicht sonderlich mochte, weil meistens ich die A-Karte dabei hatte. Schließlich war ich die feige Nuss, die sich nicht verändern traute oder sowas wie 'eigene Wege' entdecken wollte.
Ich wollte eigentlich nur mein ruhiges Leben, in dem alles gleich blieb und meine Freunde sich nicht über den ganzen Globus verteilen würden.
Aber genau das war das Leben. Exakt das macht es aus, sich lebendig zu fühlen. Neues zu entdecken und sich zu überwinden. Aus sich heraus zu kommen und hirnrissige Dinge auszuprobieren, einfach weil man es konnte.
Ich würde niemals der Mensch für so etwas sein. Aber die Idee an sich reizte mich ungemein.
Du machst was ganz Besonderes dieses Jahr, redete ich mir überzeugt ein.
Das war der Moment, in dem ich beschloss eine Summer-Bucket-List zu machen.
Alle Dinge, die ich mich bisher niemals getraut hatte. Wenn es sein müsste, würde ich die Liste wohl oder übel mit durch den Winter nehmen.
Ich seufzte über meinen Elan, mich mir selbst auszuliefern. Ich hatte eingesehen, dass es nichts brachte, sich hinter seinen Mauern zu verstecken.
Sollte ich jemanden davon erzählen?, überlegte ich.
Meine Freunde könnten mir helfen. Also Hannah und Daniel und mein Bruder. Vielleicht sogar Leon.
Vielleicht sollte ich meine Bucket-List aber auch ganz alleine nur für mich abarbeiten. Schließlich war es meine Liste. Ängste, die ich zu überwinden versuchte.
Ich nickte mir selbst ermutigend zu und stand auf, um den Weg zurück nach Hause zu finden.
* * *
"Hey, was machst du denn hier?", fragte Leon mich überrascht.
Mindestens genauso überrascht drehte ich mich um und blickte in zwei leuchtende Augen.
"Ich wollte ein Notizbuch kaufen", erzählte ich wahrheitsgemäß. Ich sah ihn an, ließ mich von seiner Freunde anstecken.
"Die letzten Klausuren sind doch jetzt vorbei, oder?", fragte er mich interessiert.
"Montag noch eine mündliche in Englisch", informierte ich ihn überlegend. Er nickte.
"Schaffst du das?", fragte er mit einem frechen Unterton.
"Idiot", erwiderte ich ihm grinsend, konnte meinen kurz empfundenen Ärger nicht wirklich über die Lippen bringen.
"Was machst du heute noch?", fragte er daraufhin.
"Das lasse ich auf mich zukommen", winkte ich ab und widmete mich wieder der großen Auswahl an schönen Notizbüchern.
Ich spürte, wie er meine prüfenden Blicke beobachtete, als ich die Dicke des Papiers genauer unter die Lupe nahm und mit die Muster näher ansah.
"Ich brauch ein paar Marker und Stifte für meine Cousine zum Zeichnen", versuchte er das Gespräch wieder zum Laufen zu bringen.
"Malt sie gern?", fragte ich gespannt. Seine Cousine könnte bestimmt richtig gut malen. Er nickte überfordert.
"Hast du ne Ahnung von dem Zeug?", bat er mich um Hilfe. Jetzt war ich diejenige, die herzlich lachte.
Ich führte Leon zum Stifteregal und zeigte ihm, mit welchen Markern und Bleistiften ich normalerweise skizzierte. Aber ich was nicht sonderlich talentiert und wusste auch nicht was seine Cousine so fabrizierte.
Auf meine Nachfrage zeigte er mir ihren Instagram Account und ich war sprachlos, wie real ihre Buntstift-Malereien waren. Wie echte Fotos.
"Sie ist talentiert, das weiß sie, oder?", erkundigte ich mich begeistert bei ihm.
Er hielt mir sein iPhone zwar hin, aber ich musste mich trotzdem ein wenig zu ihm rüber lehnen.
Er checkte kurz seine Mitteilungen und dabei konnte ich auch sein Instagram-Profil sehen.
"Sind das deine Fotografien?!", hakte ich überrascht nach und viel vor Schreck fast um. Meine Augen suchten die seinen nach einem Anzeichen ab, wie er über die Bilder auf seinem Account dachte.
"Meine Cousine und ihre Freundinnen haben öfter mal posiert. Oder auch Mädchen von der Uni", erklärte er bescheiden.
Da wurde mir mal wieder bewusst, dass er ja schon so erwachsen war. Die Elfte waren eben immer noch Schule. Ich schüttelte den Gedanken beiseite.
"Darf ich?"
Er sah etwas verlegen zum iPhone, dass er in seiner Hand lag.
"Die Öffentlichkeit darf es sehen, aber ich nicht?", scherzte ich rum.
* * *
Bei einem Kaffee saßen Leon und ich noch zusammen auf einer Bank, um die letzten Stunden in der Stadt zu genießen.
Ich hatte mir ein schlichtes Notizbuch mit Gummiband gekauft, um notfalls auch Postkarten und Eintrittskarten hinein zu kleben.
Er hatte öfters nachgefragt, wozu ich es brauchen würde, weshalb mir die Auswahl so schwer gefallen war. Aber es sollte meine Bucket-List werden und damit hatte Leon rein gar nichts zu tun.
Je öfter ich einer Antwort auswich, desto wichtiger wurde es für ihn, herauszufinden, worum es ging.
"Wie bist du dazu gekommen, Menschen zu fotografieren?", lenkte ich von Thema ab.
Er zögerte erst mit seiner Antwort, als ob er nicht wüsste, ob er die folgenden Wort von sich geben könnte und starrte dabei geradeaus.
"Irgendwann ging es mir nicht mehr darum, nur Momente festzuhalten", erklärte er, vermied es immer noch, mich anzusehen.
Ich hatte also freie Sicht auf sein Profil und konnte seine Körpersprache studieren, währen er darüber redete. Seine Wangenknochen und Wimpern betrachen. Sogar seine Augenbrauen waren schön.
"Ich wollte die Gefühle auf den Betrachter übertragen, als würden sie noch frisch in der Luft liegen", fügte er leiser hinzu, strich sich durch die sowieso schon verwuschelten Haare.
Mir gefiel diese Aussage.
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