Kapitel 7 - Circles
Passenger - Circles (Elkoe Remix)
Mittlerweile lag ich auf meinem flauschigen Handtuch im Austausch zur Picknickdecke, mein Körper entblößt, bis auf den aqua-blauen Bikinistoff, der sich um meine Brust und Hüfte spannte.
Ich schlief auf dem Rücken, um die Stunden heute morgen wett zu machen. Wachte auf und döste weiter, träumte zwischendurch und konnte manchmal nicht entscheiden was Illusion oder Realität war.
Ich hatte meine In-Ears in den Ohren, ließ die von Leon erwähnte Playlist im Shuffle Modus durchlaufen.
When The World Collapsed.
Ich war wach, ließ die Augen geschlossen, um weiterhin alleine meinen traurigen Gedanken nachhängen zu können. Ich wollte alleine sein, mich alleine dieser Flutwelle von Emotionen stellen und im Zweifelsfall auch darin ertrinken.
Ich schwelgte in den wunderschönen Momenten, die ich mit meinem besten Freund erlebte, bevor er mir seine tiefen Gefühle offenbarte. Von da an wusste ich eines sehr gut. Egal wie sehr ich mein ganzes Leben argumentiert hatte, dass Jungs und Mädchen 'nur Freunde' bleiben könnten, wenn sie sich naher kamen und dabei hatte ich immer unsere Freundschaft als Beweis gesehen, es stimmte nicht. Irgendwann war es nicht mehr normal und ich wusste nicht wann wir diesen Punkt überschritten hatten. Bestimmt Jahre zuvor.
Mich plagten Gewissensbisse, die ich sonst ganz tief in mir zu vergraben wusste. Ich hätte es verdammt nochmal erahnen können. Es gab so viele Hinweise. Ich hatte sie alle ignoriert, weil wir schließlich 'nur' beste Freunde waren.
Unser Song lief. Circles von Passenger. Dieser Remix, den er so viel besser als das Original fand. Ich stimmte zu, obwohl es mir gelinde gesagt vollkommen egal war.
Aber er war es, der mich kritisierte, dass ich nur 'Pop-Müll' aus dem Radio hörte, wobei ich das ganz tolerant gegenüber anderen Stilrichtungen fand.
"Aber wirklich gute Musik, Camille... wirklich gute Musik ist etwas anderes. Geh mir weg mit deiner Selena Gomez!", zog er mich auf, lachte dabei sein typisches Lächeln, dass ich so sehr liebte.
Ich seufzte. Wir hatten uns versprochen in ein paar Jahren, wenn wir beide glücklich verheiratet waren und putzige Kinder hätten, in zwei Häusern nebeneinander in einem schönen Vorstadt-Dorf unsere Bleibe zu suchen. Wir wären die coolsten Eltern der Welt und unsere Kinder könnten genauso die besten Freunde werden, wie wir es waren.
Ich sah sein aufrichtiges helles Lachen vor Augen, Lachfältchen im Gesicht und einzelne Tränen über die Wangen laufend, weil wir uns wieder am Boden rollten, wegen dem größten Blödsinn der Welt. Oh man... ich vermisste ihn soo sehr.
Mir entwich eine Träne, obwohl ich versuchte die salzige Flüssigkeit in den Tränensäcken halten zu können. Ich rang nach Luft, um nicht laut aufzuschluchzen.
Du bist nicht Schuld, redete ich mir ein. Aber mir ging es nicht um Schuld, ich wollte einfach nur meinen besten Freund zurück.
Wie oft hatte ich unser der Dusche geheult und die Wassertropfen wie bleischwere Kugeln auf meinen Rücken tropfen lassen. Wie oft war ich Joggen gegangen, um dieses Drama zu verdrängen, obwohl sich alles in mir gegen den freiwilligen Sport sträubte.
"HEY!"
Ich nahm die Kopfhörer aus den Ohren, zwinkerte ein paar Mal die Tränen weg und blickte in Leon's Augen. Bitte nicht, ich habe keine Kraft dafür, dachte ich mir flehend.
"Was ist los? Du weinst...", sprach er mich behutsam an, seine Hand zuckte, als ob er mich berühren wollte. Er tat es nicht.
Ich setzte mich auf, zwinkerte die Tränen weg und redete mir gut zu, stark zu sein. Ich lachte leicht hysterisch, wie man es eben tat, wenn man seine Gefühle verstecken wollte.
"Brauchst du jemanden zum Reden?", fragte er besorgt. Ich schüttelte den Kopf, nicht in der Lage, Worte zu finden. Geschweige denn die Kraft, sie auszusprechen.
"Wollen wir ein bisschen Spazieren gehen, den Waldrand entlang? Ich werde ganz still sein", bot er mir an, versicherte mir sein Vertrauen durch dieses liebevolle Etwas in seinen Augen.
Ich hörte Wasser platschen und sah panisch zum See. Die anderen kamen jaulend und lachend in unsere Richtung gehechtet, ärgerten sich und witzelten umeinander. Zu viel positive Energie.
"Ja, ich will gehen", stimmte ich schnell zu, zog mir ein langes Top über. Ich griff noch nach dem iPhone und faltete die Kopfhörer in meine Hand, damit sie nicht am Boden schleiften, während ich eine oberkörperfreien Leon zum Waldrand folgte.
Wir liefen eine kleine Ewigkeit ruhig nebeneinander, hörten manchmal das Knacksen der Äste, wenn Kinder mit diesen spielten. Er hielt sein Versprechen, kein Wort zu sagen, aber seine neugierigen Blick entgingen mir nicht. Ich versuchte sie zu ignorieren.
Er durchbrach schließlich die knisternde Stille zwischen uns. "Gehts dir etwas besser?"
"Hm, ja..." Es folgten wieder einige Sekunden Pause, wie liefen an ungefähr zehn Bäumen vorbei.
"Du hast diese Playlist gehört", stellte er wahrheitsgemäß fest. Ich sah ihn an und wandte meine Blick wieder in die Ferne. Links der grüne, frische Wald, rechts der funkelnd-blaue See.
"Hm, hab ich", stimmte ich schließlich zu. "Es sind Erinnerungen. Manchmal machen sie mich glücklich, entfernen den Schmerz... meistens versetzen sie mich in Melancholie und ich verliere Tonnen an Tränen", erzählte ich ruhig, langsam.
Sein abwartender, prüfender Blick hatte es mir nicht leicht gemacht, ihm die Wahrheit vorzuenthalten. Die Wahrheit war einfacher. Ehrlicher und verletzender, aber einfacher.
"Hast du die Playlist durchgesehen, an diesem einen Abend nach dem Konzert?", fragte ich beängstigt.
"Nein, ich hatte ehrlich gesagt zu viel Respekt vor dem Titel", gab er nachdenklich zu. Ich atmete erleichtert ein.
"Danke", sagte ich aus vollem Herzen.
"Kein Thema, wirklich nicht"
Der große, flache Stein am Seerand stellte eine gute Sitzmöglichkeit dar und ich ließ mich dort nieder. Leon folgte mir, starrte ebenso in die Ferne.
"Ich würde den Song gerne weiter hören", weihte ich ihn ein. Er nickte, zeigte Verständnis.
Ich war müde. Nicht wegen des Schlafmangels, den ich mit Sicherheit schon wieder aufgeholt hatte. Ich war einfach fertig mit der Welt.
Die Kopfhörer wieder in den Ohren, setzte ich den Song auf Endlosschleife. Ich wollte wieder diese Nähe spüren und mit den ersten Tönen setze sich wieder dieser Kloß in meinem Hals fest.
Ich rang nach Luft, brachte mich dazu, meine Atmung zu beruhigen. Atmete tief durch die Nase ein, hielt die Luft mehrere Sekunden an und atmete lange aus. Ich führte diese Atemtherapie mehrmals durch, erinnerte mich währenddessen wehmütig an die Minuten, in denen er mir diese Atmung beigebracht hatte.
Ich saß damals zusammengesunken und tränenüberströmt in meinem Bett, hatte ihn mitten in der Nacht angerufen. Ich hoffte inständig, er würde rangehen. Es meldete ich sich die Voicemail, ich lauschte seiner ruhigen, fröhlichen Stimme und brach ich noch heftigeres Weinen und Schluchzen aus.
Ich versuchte meine Familie dadurch nicht zu wecken. Mein Smartphone-Bildschirm erhellte sich, vibrierte und durch die Tränen in meinen Augen konnte ich kaum den Namen lesen. Er war es. Ich nahm ab und heulte einfach weiter.
Er machte sich große Sorgen, versuchte mich zu beruhigen, aber ich konnte nicht. Er sagte mir, er würde gleich durch mein Fenster klettern. Nur wenige Sekunden später, schob er es nach oben, hangelte sich von dem Baum in mein Zimmer und nahm mich sofort in die Arme, streichelte mir sanft den Kopf.
Ich schlief unter seinem beruhigenden Gemurmel in meine Haare friedsam ein. Als ich am nächsten Morgen gut eingepackt in der flauschigen Decke mit Kopfschmerzen aufwachte, war er nicht mehr da. Aber mein Kissen roch noch nach ihm, also wusste ich sicher, dass er wirklich hier gewesen war. Ich sog seine persönliche Note in mir auf.
It's been years
it's been years ... 🎶
Was würde ich jetzt für sein echtes Lächeln geben, den Klang seiner Stimme in meinen Ohren, seine sanften Berührungen oder eine feste Umarmung.
"Alles wird gut. Ich bin da, Camille. Alles wird gut, es ist okay...", flüsterte er in meinen Gedanken immer wieder, als ob er mich selbst jetzt noch trösten könnte.
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Author's Note:
ich hoffe, ihr habt mitbekommen, was soeben in Camille's Leben wirklich geschehen ist und was die Rückblenden oder Erinnerungen waren. :)
Erinnerungen sind im jetzigen Leben, wie ein Ticket in die Vergangenheit.
Ich denke jeder von uns hat einen Freund verloren.
Mädchen oder Junge.
Beste Freunde oder Midnight Bros.
(Apropos, es ist Mitternacht...)
So ist das Leben. Veränderungen sind gut, sie bringen uns weiter, wir entwickeln uns.
xx Sophie
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