XLII
Das Signal erklang. Srúna zuckte bei dem Klang zusammen, vermied aber jegliches Anmerken von Angst. Das Rascheln, das die Flammende als Zeichen gewählt hatte, ging der Sonnendrachin in Mark und Bein. Heute Nacht würden sie im Schutze der Dunkelheit ein Massaker anrichten. Sie würden alle Elfen, die der Sage Glauben geschenkt hatten und auf einen Retter in der Not hofften, in Flammen stecken.
Bei der nächtlichen Finsternis würde sie mit ihrem Volk Seite an Seite mit den Horndrachen und den Wasserdrachen eine ganze Stadt vernichten. Ihre geschuppten, schlangenähnlichen Körper würden von der Dunkelheit verschluckt werden, ihre Flammen würden gleich Regen niederprasseln, ihr Feuer sich in Leiber und Häuser fressen.
Die Elfen würden nichts machen können, sie wären den Drachen schutzlos ausgeliefert. Waffen waren bei einem solchen Kampf waren eher ein Zeichen des letzten Widerstandes, ihre eisernen Pfeile würden an den Schuppenkleidern der Drachen nutzlos abprallen. Ihre Schwerter kämen nicht in ihre Reichweite und auch Magie war dem Elfenvolk verschlossen. Seit die Himmelsschlangen Assassinen ausbildeten, hatten sie ihre magischen Kentnisse nur an ihre Auszubildenden weitergegeben. Die Ältesten waren geizig und gaben nur selten etwas preis.
Viel zu schnell sank die Sonne hinab, ihr Rand küsste bereits den Horizont. Rotes Licht ließ Nyrathur erstrahlen, so als wüsste die Welt, was ihr bevorstand.
Srúna bemerkte ihr Zittern. Wovor hatte sie eine solche Angst? Es sollte ihr eigentlich gleich sein, ob ein paar Elfen sterben würden. Sie sollte sich einfach nur auf den Stamm der Sonnendrachen konzentrieren und hoffen, dass ihm nach einem Sieg eine neue Heimat zugesprochen wurde.
Bald schon war die Sonne vollends verschwunden und langsam hüllte die Nacht Nyrathur ein. Schwarzer Himmel bedeckte das eben doch noch so strahlende Firmament. Dunkle Wolken zogen sich vor die Sterne, der Mond hatte keine Chance, durch die dichte Decke zu scheinen.
Srúna bezweifelte, dass es wirklich Wolken waren. Vielmehr glaubte die Sonnendrachin, dass die Flammende Rauch in die Luft gestoßen hatte. Rauch, der alles vernebelte und ihnen eine tödliche Deckung gab.
Die Drachin wandte sich um, leuchtende Augenpaare hatten sich neben ihr versammelt. Die wässrigen, grauen Augen konnte sie dem Anführer der Wasserdrachen zuordnen, während die bräunlichen dem Häuptling der Horndrachen zu gehören schienen.
„Die Zeit ist nun reif", ertönte die Stimme der Roten in Srúnas Kopf. Als sie zögerliches Flügelschlagen vernahm, schloss sie daraus, dass auch die anderen Erdkriecher die Nachricht erhalten hatten.
Grob erkannte die Sonnendrachin, dass sich einige Gestalten in den Nachthimmel erhoben. Srúna verkniff sich ein hilfloses Jaulen, ehe sie ihre Schwingen ausbreitete und ebenfalls abhob. Sofort folgten ihr ihre Krieger und sie näherten sich zügig Yascaena.
Zu zügig.
Der Befehl der Flammenden hatte gelautet, dass die Sonnendrachin sich am nördlichen Teil positionieren sollten. Von dort aus würden sie ihr Feuer verbreiten müssen und dort würde die lichterloh brennende Stadt ihre Schuld sein.
Kaum hatten die Sonendrachen ihren Einsatzort erreicht, erkannte Srúna in der Ferne eine schwache Flamme. Der Angriff auf Nyrathur hatte begonnen.
———
Nachdem Dreniuls Besatzung größtenteils die Klippe überwunden hatte und nur noch eine Handvoll Elfen bei der Sturmflut blieben, um sie zu bewachen, schlugen Draecon mit den Seemännern den Weg zum Todesreich ein. Immer wieder passierten sie Pflanzen, deren giftige Existenz nicht anzuzweifeln war. Säuerlicher Geruch hing in der Luft, lange Dornen besetzten ihre Äste und Zweige und die Blätter waren unnatürlich grell oder fahl verfärbt.
Die Elfen blieben dicht zusammen, allesamt bewaffnet und in größter Anspannung. Ab und an blieben einige von ihnen zurück, um einen nicht giftig ausschauenden Baum zu fällen und das Holz zurückzutragen.
Immer wieder raschelte es irgendwo, es knackste wie im Unterholz eines Waldes. Aber kein Lebewesen zeigte sich, griff sie an oder versuchte sie zu töten.
Vorsichtig bahnte Draecon sich einen Weg durch die Moore, darauf bedacht, so wenig von dem schlammigen Nass zu berühren wie nur irgends möglich. Seine Gedanken rasten. Wer war hier? Wie lange würde es dauern, bis es sie angriff? Rief es gerade nach Verstärkung oder wartete es nur auf den passenden Moment für einen Überfall?
Draecons Nackenhaare stellten sich auf. Sein Blick huschte umher, analysierte seine Umgebung. Eine Stille entstand.
Eine gefährliche Stille.
Eine tödliche Stille.
Auch die anderen Elfen schienen Draecons Anspannung zu teilen, bei dem nur kleinsten Rauschen der Blätter in der Brise zuckten sie zusammen. Zwar war das Rascheln schon unheimlich genug gewesen, aber diese Ruhe, nur unterbrochen vom Rauschen der Äste, war noch schlimmer.
Neben Draecon blieb Dreniul abrupt stehen. „Ab hier musst du alleine weitergehen", raunte er leise, seine Stimme kaum lauter als das Geräusch der Bäume.
Draecon nickte. Er spürte das vertraute Gefühl der Achtsamkeit, die bei ihm oberste Priorität haben musste. Das hier war nichts weiter als eine Mission, rief er sich in Erinnerung. Er hatte genau so bedacht zu sein wie immer.
Sein Herz pumpte Energie durch seinen Körper.
„Du hast zwei Tage. Anbruch des dritten brechen wir auf", flüsterte Dreniul.
Der Assassine nickte.
Zwei Tage. Zwei Tage in dieser nervenzehrenden Welt. Zwei Tage nur, dann würde dieses beklemmende Gefühl der Gewissheit, dass man beobachtet wurde, von ihm weichen und auf immer hier in Xofori zurückbleiben.
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