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„Nicht von hier", antwortete die Kreatur und stieß ein ärgerliches Zischen aus.

Die Flammende wartete. Das war keine geltende Antwort.

Das Wesen knurrte. „Es gibt nicht nur diese eine Welt", fuhr es schließlich fort und wenn Blicke töten könnten, wäre die Flammende jetzt nichts weiter als ein toter Drache. Aber Blicke konnten nicht töten.

„Ihr kennt nur eure Welt, Nyrathur, so nennt man sie unter euch. Die wenigsten von euch spüren überhaupt Magie und die, die es tun, spüren sie nicht in vollem Maße."

Die Flammende lachte. „Ich bin dabei, das mächtigste Wesen dieser Welt zu werden. Ich werde meinen Bruder ersetzen und das Amt der Drachenkaiserin einnehmen. Und doch bin ich schon jetzt so mächtig, dass ich wenigstens dich besiegen könnte."

Das Geschöpf schaute auf und diese hinterlistigen Augen glitzerten bösartig. „Nein", antwortete es und bei diesem einzigen Wort ergriff eine kalte Angst die Flammende. Hinter dieser Aussage steckte so viel mehr. Dieses Wort war mit solch einer besitzergreifenden Macht gesprochen worden, dass sich die Rote kurz sammeln musste.

„Das stimmt ganz und gar nicht", fuhr das Ding fort und senkte wieder den Blick. „Es gibt eine zweite Welt. Eine Welt, von der du nichts weißt. Es ist eine Welt, die nicht so ist wie eure. Es ist eine Welt, in der nur die stärksten überleben.

Blut wird dort mit Blut vergolten. Ein Tod mit gleich mehreren gerächt. Dort wo ich herkomme gibt es keine Freunde, keinen Schutz und kein Mitleid. Es gibt nur Hass und Tod, eine ewige Spirale aus Leben und Sterben. Und du hast selbst durch meine Worte keine Vorstellung davon, wie es dort aussieht."

Die Flammende musterte das Wesen vor ihr genauer.

„Ich darf Teil dieser von Hass und Wut gezeichneten Welt sein. Ich darf die sein, die sich dem Land jenseits eurer Sichtweite geopfert hat, um ihm das Beste zu geben. Ich darf mich die Dienende nennen, die uns unsere Kraft beschaffen soll."

„Woher erhaltet ihr diese Kraft, die ihr doch so fürs Überleben braucht?", fragte die Flammende. Sie schämte sich für jede neugierige Frage, aber sie musste alles wissen, was sie erfahren konnte.

„Von euch", wieder sah die Dienende sie mit diesen unheimlichen, weißen Augen an. Bei den Worten flackerte etwas in ihnen auf.

„Es scheint dir nicht aufzufallen, aber niederen Kreaturen von eurem Lande schon: beim Wirken von Magie werdet ihr schwächer. Mit jedem Zauber, den ihr zu verantworten habt, gebt ihr einen Teil eurer Selbst. Dieser Teil ist unser Überleben. Wir geben Magie im Gegenzug von Leben."

Die Flammende horchte auf. „Wärst du bereit, mit mir einen Pakt einzugehen?", fragte sie und nun lag es an ihr, die Dienende anzusehen.

„Was für einen Pakt meinst du?", antwortete das Wesen und hielt den Augenkontakt aufrecht.

„Ihr verleiht mir Macht, Macht, die mich noch mächtiger werden lässt. Im Gegenzug liefere ich dir, oder deinem Land wie du es nennst, regelmäßig Opfer. Viele Opfer. Opfer, von denen ihr euch lange nähren könnt."

„Inwieweit darf ich auf dein Wort vertrauen?", fragte die Dienende.

„Ich schwöre es", brachte die Flammende hervor.

Langsam hoben sich die Mundwinkel der Dienenden zu einem schaurigen Lächeln. Die langen Zähne schimmerten tödlich und standen weit vor.

„Einverstanden", entgegnete sie. „Bring mir Opfer. Erst will ich das Leben von Männern und Frauen haben, um dir dann einen Teil unserer Macht zu geben. Sie hält nicht ewig. Nur so lange, wie du mir Opfer bringst. Aber schenk mir keine Trolle oder Zwerge. Gib mir Elfen, Kobolde, Hexen, Drachen. Ihre Magie ist die ausgeprägteste. Ich warte auf dich."

Mit diesen Worten war die Dienende verschwunden.

Die Flammende schluckte. Sie suchte in den sich zurückziehenden Schatten nach dem fremden Wesen, aber es war verschwunden und schon bald war das Eis getaut und die Sonne schien wieder. Aber obwohl sie heiß niederbrannte, spürte die Rote nichts von ihrer Wärme.

-

Diese Begegnung war nun schon viele, viele Monate her. Und die Flammende und die Dienende waren Bekannte geworden.

Keine guten, aber immerhin. Die Macht der ‚Anderswelt', wie die Flammende sie nun nannte, hatte sie deutlich gespürt. Mit jedem Opfer, das sie der Dienenden brachte, wurde sie stärker. Wurde das Feuer in ihr tödlicher, ihre Erscheinung eindrucksvoller, der Respekt vor ihr größer.

Doch die Dienende war mit der Zeit dreist geworden. Sie wusste genau wie sehr sich die Flammende nach jedem Treffen sehnte, wie viel sie dafür geben würde, und nutzte diese Schwäche gnadenlos aus. 

Als die Flammende Yascaena erreichte, knurrte sie schon jetzt. Dieses Mal hatte sie von der Dienenden wenig Zeit bekommen. 

Während sie seit vielen Monaten mit der Dienenden zusammenarbeitete, hatte die Rote herausgefunden, dass die Magie nicht nur in lebenden Körpern vorhanden war. Sie war überall dort, wo es eine Hülle gab, in der sie sich einnisten konnte. Es war also nicht schlimm, dass die Flammende der Dienenden bereits tote Elfen darlegte.

Allerdings mussten es dann mehr Elfen sein, die sie abzugeben hatte. Die Magie, so hatte die Rote gelernt, wanderte stetig. Sie suchte sich Schutzhöhlen, Körper, und weilte dort, bis es keinen mehr gab, der von ihr zehrte. Denn das war die Bestimmung der Magie: da zu sein, um auf andere Objekte oder Lebewesen übergeleitet zu werden - in welcher Form auch immer.

Egal ob es in einer Art Heilzauber oder unsichtbarer Schlag war: Magie verschwand nie. Sie wechselte nur ihren Standort.

Passiert dies lange Zeit nicht, dann ging die Magie von alleine. 

Das war der Grund, warum die Flammende nun nach toten, magiefähigen Elfen suchte. 

Der beißende Qualm krazte sogar in dem Schlund der Roten. Sie schlug mit ihrem Schwanz große, im Weg liegende Steine weg und untersuchte die Umgebung nach Leichen. Überall lagen sie: Kinder, Männer, Frauen. 

Die Gesichter vor Schreck verzerrt, die Angst in ihren Augen auf immer festgebrannt.

Aber die Flammende spürte kein Mitleid. Das war der Preis, den sie zu zahlen hatte, um über Nyrathur zu herrschen.

Durch die Dienende war sie bereits Drachenkaiserin geworden, wozu sie noch fähig war, würde sich erst noch in Zukunft herausstellen.

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