Kapitel 9

Erschrocken stand ich auf, ging einen Schritt auf Hes zu und nahm sie in den Arm. Wie schon am Vorabend drückte sie sich an mich, während sie leise anfing zu schluchzen. Besorgt streichelte ich ihr über den Rücken, und murmelte: „Nein, du bist kein Freak, du kannst doch nichts dafür!"

Immer wieder sagte ich ihr, dass ich es nicht schlimm fand, wie sie aussah und irgendwann schien sie es mir zu glauben. Behutsam hob ich sie hoch und setzte sie mir auf den Schoß. Jetzt war sie etwas größer als ich und lehnte ihre Wange gegen meine Stirn.

„Was ist dann passiert?", fragte ich sie, nachdem sie sich beruhigt hatte. „Ich bin gewachsen", antwortete Hes, „und das fand mein Vater nicht gut. Er war der Meinung, eine Katze müsste klein sein, also hat er mir Hormone verabreicht, die mein Wachstum verlangsamt und schließlich gestoppt haben. Jetzt bin ich nur knapp einen Meter sechzig groß obwohl ich eigentlich viel größer sein müsste. Und deswegen hab ich total oft Rückenschmerzen.

Naja, das hat meine Eltern herzlich wenig gekümmert, die wollten mich eher dazu erziehen, nur noch auf allen Vieren zu laufen. Da war ich aber schon dreizehn und hab mich gegen die Beiden gewehrt. Ab dem Zeitpunkt hab ich auch keine Hormone mehr genommen, das hat aber auch nicht rückgängig gemacht, was meine Eltern schon mit mir angestellt hatten.

Irgendwann hab ich angefangen, mich zurück zu ziehen und nicht mehr mit meinen Eltern zu reden. Ich bin immer seltsamer geworden und schließlich haben die Beiden dann eingesehen, dass ich Kontakt zu anderen Menschen brauche. Ich habe einen Laptop geschenkt bekommen und durfte mit dem ins Internet gehen.

Natürlich waren da viele Seiten gesperrt und ich hab die Welt aus einem sehr stark gefilterten Blickwinkel betrachtet, aber es war für mich trotzdem etwas wunderbares, Kontakt zu anderen Menschen zu haben.

Irgendwann hab ich dann dich kennen gelernt und mich so toll mit dir verstanden wie mit noch niemandem zuvor. Das haben meine Eltern irgendwann mit bekommen und natürlich hatten sie Angst, ich könnte dir von mir erzählen, davon wie ich aussehe und dass ich noch nie draußen war.

Das wollten sie nicht und deswegen haben sie mir erzählt, dass sie alle unsere Gespräche abhören und alles lesen, was wir uns so schreiben. Und wenn ich irgendwas abnormales über mich erzählt hätte, dann hätten sie mir den Laptop wieder weggenommen. Und die Vorstellung, nie wieder mit dir reden zu können war so schlimm, dass ich mich daran gehalten habe."

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