25 | question

can i ask you a question...?

🅱︎🆁🅸🅳🅶🅴🆃'🆂 🆁🅴🅶🅴🅻🅽
#23: Frag nicht.
Neugier ist weniger schlimm als Enttäuschung.

BRIDGET

Manchmal vergaß ich, wie unendlich schön Irland sein konnte. In Galway war ich ständig draußen gewesen – mit meinen Freunden, mit meiner Mom. Allein. Ich war oft spazieren gegangen und manchmal sogar gewandert. Es hatte etwas Befreiendes, die Gewalt der Natur um sich zu spüren und trotzdem ein Gefühl von Freiheit und Frieden in sich zu tragen. Aber nach dem Tag hatte ich das Haus nur noch selten verlassen, weil ich plötzlich Angst vor meinem eigenen Schatten gehabt hatte. Es war eine berechtige Reaktion gewesen, aber mein Herz brach beim Gedanken daran trotzdem ein wenig. Man konnte so viel an nur einem Tag, in wenigen Stunden, verlieren und plötzlich stand man an einem Punkt im Leben, an dem es nicht weiterging. Es war beinahe unmöglich zu atmen oder zu denken, aber die Welt drehte sich weiter und man musste funktionieren, weil man sonst unterging.

Vielleicht war ich untergegangen. Aber ich war zumindest an dem Punkt angekommen, an dem ich diese Entwicklung erkennen und analysieren konnte. Ich konnte wieder aus dem Fenster blicken und die Schönheit der Welt sehen, ohne dass meine Sicht verschwamm. Aber irgendwie hatte ich das Haus trotzdem nur selten verlassen und mich stattdessen in der sicheren Umzäunung von Dads Grundstück bewegt, während ich hoffte, dass sich meine Lage auf eine magische Art und Weise wieder einrenkte. Dass der Rest der Welt irgendwann vielleicht nicht mehr so angsteinflößend wirkte.

Wir gingen ans Meer. Graham fuhr größtenteils schweigend, mit einer Hand am Lenkrad, während er seinen anderen Arm am Fensterbrett abstützte. Er kommentierte die Landschaft nur wenig und ich spürte, dass er sich allmählich entspannte. Vielleicht beschloss ich deshalb, aufdringlich zu werden.

„Macht dich das Rugby-Spielen glücklich?", fragte ich daher. Überrascht zog er eine Augenbraue in die Höhe. „Wir können uns abwechslungsweise Fragen stellen", schlug ich vor, damit auch er die Gelegenheit hatte, etwas über mich zu erfahren.

„Teilweise ja. Ich liebe es zu spielen. Ich liebe die Sportart. Alles andere ist einfach...anstrengend", sagte er also.

„Wie meinst du das?"

„Meine Eltern unterstützen es nicht unbedingt, dass ich all meine Karten auf eine Sportart setze. Sie hätten lieber, dass ich etwas Anständiges mache. Wenn ich gewinne, ist es okay. Wenn nicht..." Graham ließ die Worte ausklingen und seufzte. „Ich möchte es ihnen recht machen, aber manchmal ist es schwierig, alle Erwartungen zu erfüllen. Und sie haben viele. Deswegen sind sie auch ständig enttäuscht von mir."

„Aber du bist einer der besten Spieler, Graham."

„Macht das einen Unterschied?"

Ich biss mir auf die Lippe. Wyn hatte nie erzählt, dass ihre Eltern ihnen Druck machten oder ihnen gewisse Ansichten oder Zukunftspläne aufzwingen wollten. „Du kannst es nicht immer allen recht machen", sagte ich schließlich.

„Oh, ich weiß. Es ist nur so, dass ich es meinen Eltern nie rechtmachen kann."

„Hast du sie darauf angesprochen?"

„Das ist deine dritte Frage, Bridge."

Ich rollte mit den Augen. „Weil wir gerade mitten im Thema sind! Du kannst deine Fragen nachher stellen."

Graham gluckste. „Ich denke nicht, dass es etwas bringen würde. Solange sie Wyn verschonen, kann es mir egal sein."

„Sie sind nicht nur ihre Eltern. Sie sollten niemanden bevorzugen."

Graham zuckte mit den Schultern. Ich glaubte, dass er froh war, zu fahren, denn so musste er meinen Augen nicht begegnen. „Sie hat es genug schwer in der Schule. Mom sagt immer, dass ich Wynonas Leben erleichtern würde, wenn es mich tatsächlich interessieren würde, dass es ihr gut geht."

Ich kniff meine Augen zusammen. „Das ist nicht fair von ihr. Du tust doch schon alles, was möglich ist! Und ich finde es übrigens auch nicht fair, dass du mit Scarlett ausgehst, nur um Wyn und mich zu beschützen. Falls du das wegen deiner Eltern tust, solltest du damit aufhören. Du kannst dein Leben nicht mit Dingen füllen, die dich unglücklich machen, nur weil jemand es von dir verlangt. Du musst dich nur um dein Glück kümmern."

Seine Mundwinkel zuckten. „Was würde mich denn glücklich machen?"

Meine Wangen erröteten. Ich versuchte nicht daran zu denken, dass ich eine Menge Ideen hatte, aber keine davon angebracht war. Ich dachte nicht daran, wie weich seine Haare aussahen oder wie gerne ich seine Hand gehalten hätte. Wie gerne ich so viele Dinge aus unserer Kindheit mit Graham nachgeholt hätte, weil ich wusste, dass es für ihn genauso befreiend war wie für mich auch. „D-das musst du wissen."

Graham warf mir einen Blick zu. „Ich denke, dass ich da schon eine Idee hätte." Und er zwinkerte mir zu. Er. Zwinkerte. Mir. Zu. War es eine angemessene Reaktion, hier und jetzt zu hyperventillieren? „Auf jeden Fall bin ich jetzt dran mit Fragen." Ich war so durch den Wind, dass ich ihm gar nicht widersprechen konnte. „Charlie hat mir erzählt, was in Galway passiert ist."

Mein Herz hörte auf zu schlagen. „Das ist keine Frage."

„Ich weiß, Bridge. Aber er wusste es wegen seiner Cousine und er hat mir von der Schießerei an deiner alten Schule erzählt. Ich denke nicht, dass es fair von mir wäre, dir nicht zu sagen, dass ich davon gehört habe."

Mein Atem stockte und ich grub meine Finger, deren Nägel glücklicherweise kurzgeschnitten waren, sodass ich mich damit nicht verletzen konnte, in meine Handfläche. In letzter Zeit hatte die ganze Geschichte mit der Therapie sogar funktioniert, weil ich die Stunden in den hintersten Winkel meines Kopfs geschoben hatte und mir nicht erlaubte, auch nur eine Sekunde länger daran zu denken als ich tatsächlich dort war. Aber trotz allem breitete sich auch ein winziges Stückchen Wärme in mir aus, weil Graham mir die Wahrheit gesagt hatte.

„Gehst du deswegen zweimal wöchentlich in die Therapie?"

Ich nickte.

„Ist es mittlerweile besser?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich. Aber ich kann die Stunden mittlerweile relativ gut verdrängen, daher zählt das doch auch schon als Fortschritt?"

Grahams Kiefer zuckte. „Ich bin mir nicht sicher, Bridge. Ich will dich nicht entmutigen, aber der ganze Punkt ist doch, dass die Therapie dir hilft mit alltäglichen Problemen umzugehen. Wenn du sie verdrängen musst, bedeutet das nicht unbedingt, dass sie dir helfen."

„Vielleicht. Ich bringe den Mut nicht auf, etwas zu sagen und meinen Eltern davon zu erzählen. Dad hat seine perfekte kleine Familie und es stört ihn schon, dass wir sein Poolhaus blockieren, aber ich will gar nicht erst wissen, für wie undankbar er mich halten würde, wenn ich ihm sage, dass die Therapie, die empfohlen wurde und für die er bezahlt, nicht wirksam ist." Eigentlich hätte mich dieser Gedanke traurig stimmen sollen, aber es war befreiend, mit jemandem darüber reden zu können. Ich war beinahe dankbar, dass ich diesen Fakt nicht mehr vor Graham verstecken musste. Dann gab es wenigstens eine Person, die mich endlich verstehen konnte.

„Ich denke, dass du es dann wenigstens deiner Mom sagen solltest, Bridge. Vielleicht kann sie dir dabei helfen, eine Lösung zu finden."

„Ich denke, dass sie noch immer in Dad verliebt ist."

Graham stockte und blinzelte einige Male, während er mir einen kurzen Blick zuwarf. „Wieso glaubst du das? Hat sie es gesagt? Irgendwie darauf hingedeutet?"

„Nein, das nicht. Aber in Galway hatte sie einen Freund und er war die exakte Kopie meines Vaters – dieselbe Statur, ähnliche Haare, selbst ein ähnlicher Name. Und er war auch reich und ein Macho. Ich mag Dad ja, weil wir biologisch verbunden sind und all das, aber ich denke, dass er lieber hätte, wenn ich einfach vollkommen aus seinem Leben verschwinden würde – und so war Moms Freund auch. Habe ich schon erwähnt, dass mein Vater vollkommen vergessen hat, dass ich existiere, während ich in Galway war? Mom sagt, er sei zu beschäftigt gewesen. Aber das glaube ich nicht, denn jetzt ist er ebenfalls nicht zu beschäftigt und irgendwie macht das alles nur noch schlimmer. Wieso kann ich dem Menschen, dem ich sowieso egal bin, nicht sagen, dass seine dilettantischen Versuche, mein Leben zu verschönern, nichts bewirken?"

Graham schluckte tief. „Ich denke, dass du ihn nicht enttäuschen möchtest und das Gefühl hast, dass du genau das bewirken würdest, wenn du nicht tust, was er von dir verlangt. Ich denke, dass du dir wünschst, einmal seine Aufmerksamkeit zu haben, ohne dass er nur deine Fehler sieht oder den Fakt, dass die Dinge, die er dir aufzwingt, nicht helfen."

„Weil ich die größte Versagerin bin?", fragte ich, denn Graham hatte all die Dinge, die ich mir nicht eingestehen wollte, auf den Punkt gebracht. Innerhalb von einer Minute.

Grahams Mundwinkel zuckten. „Hoffen wir es mal nicht, denn das ist genau das, was ich bei meinen Eltern versuche und es wäre unendlich tragisch, wenn wir beide Versager wären."

„Ist es nicht traurig, dass wir uns über diese Dinge unterhalten? Sollten wir nicht das Wetter genießen oder so?"

Er schnaubte. „Ich vermute nicht, dass dein Bruder das Wetter genießt, während Kennedy ihm erzählt, dass er bald Vater wird."

„Vielleicht hätte er gerne ein Kind?"

„Was ist mit seiner Karriere?"

„Hätte er mit einem Kondom haben können." Ich zuckte mit den Schultern. „Es ist seine Verantwortung, Graham. Er kann nicht durch die Gegend gehen und Mädchen schwängern und dann das Gefühl haben, dass er auf der ganzen Welt Rugby spielen kann."

Er brummte zustimmend. „Das denke ich auch. War nicht beabsichtigt, das so klingen zu lassen. Ich wollte eher sagen, dass er sich seine nahe Zukunft vermutlich anders vorgestellt hätte."

Ich kicherte. Graham sah so überrascht aus, dass ich für einen Moment befürchtete, dass er in die nächste Anzeigetafel fahren würde. „Was war das?", fragte er verwundert. Meine Wangen fingen Feuer und ich vergrub meine Hände in ihnen.

„Nichts. Ich habe mich gerade nur gefragt, ob du das möchtest. Auf der ganzen Welt Rugby spielen."

„Vielleicht – ich meine, ganz bestimmt nicht in der Sahara, ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort angenehm wäre, aber ein bisschen außerhalb von Aeddale wäre nicht schlecht."

„Würdest du Aeddale vermissen?"

Graham zuckte mit den Schultern. „Ich hänge nicht sonderlich an der Stadt. Aber die Menschen darin? Ich denke, es wäre schwierig, sie nicht zu vermissen." Grahams Gesichtsausdruck wurde sanfter, aber er sah nicht in meine Richtung. Ich wollte ihn fragen, wen er am meisten vermissen würde. Wynona vermutlich. Oder Tenn, obwohl er momentan vorgab, wütend auf ihn zu sein. Ich hatte nämlich eine Tüte mit Essen für alle auf der Rückbank erspäht, obwohl ich diesen Fakt nicht weiter kommentiert hatte. Und ein klitzekleiner Teil von mir hoffte, dass Graham auch mich vermissen würde, wenn er einmal ein berühmter Rugbyspieler war. Ich wagte es nicht, die Frage laut auszusprechen, denn ich war mir nicht sicher, ob ich mit einem Nein umgehen konnte.

Soooo wieder mal ein bisschen B&G-Content 🤭

Wart ihr schon mal am Meer?

Oder in Irland allgemein?

Ich hoffe, dass ihr schöneres Wetter habt, denn hier regnet es bereits seit zwei Wochen non-stop 😭😭😭😭

Naja, genießt das Wochenende & bis bald ❤️

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top