07 | detention
pretending everything's alright is detention
🅱︎🆁🅸🅳🅶🅴🆃'🆂 🆁🅴🅶🅴🅻🅽
#7: Sei brav genug, um nicht Nachsitzen zu müssen. Sonst wird Ma (schon wieder) von der Schuldirektorin angerufen.
BRIDGET
Eigentlich hätte ich um die Runden rennen müssen, aber ich musste aussetzen und zusehen. Die Direktorin wollte mir anordnen, wie gewöhnlich nachzusitzen, aber Coach Winters hatte sich vehement dagegen gewehrt und behauptet, dass wir heute wichtige Theorie für den Wettkampf durchnehmen würden und ich als momentane Nummer eins des Teams auf keinen Fall aussetzen durfte. Also saß ich am Spielfeldrand des Rugbyfelds mit Charlie und Graham auf einem Bänkchen. Sie waren ebenfalls als Strafe vom Training verbannt worden, nur sahen sie auf die andere Seite des Bänkchens.
„Wusstet ihr, dass neunzig Prozent von Geld Kokain-Rückstände aufweist?", brach Charlie die Stille zwischen uns dreien. Graham schwieg noch immer. Vielleicht war er noch etwas zu überrumpelt von meinem kleinen Ausbruch im Badezimmer. Naja, nicht zu beginnen vom großen Ausbruch, den ich hatte, als ich der Direktorin vehement erklärt hatte, dass ich mir nicht ein neues Hemd kaufen würde, nur weil sie sich nicht für ihre Schülerschaft einsetzen und aktiv etwas gegen das Mobbing tun wollte. Das war noch nicht so schlimm gewesen, denn die Situation war erst eskaliert, als Graham sich eingemischt und ebenfalls auf sie losgegangen war, weil sie nichts tun wollte, um Wynona zu helfen. Scheinbar waren Scarletts Eltern wichtige Leute für den Elternrat. Er war ausgerastet und weil das scheinbar nicht das erste Mal war, dass er die Nerven verlor, war auch die Direktorin in die Luft gegangen und hatte uns beiden Nachsitzen aufgebrummt. Ich konnte nicht einmal mehr die Mitleidkarte ausspielen, die sonst immer so hervorragend funktionierte.
„Charlie, ich denke, dass du nicht so viel Tee trinken solltest", seufzte ich und deutete auf die Thermosflasche, die er in den Händen hielt. Nun, der Geruch, der daraus zu mir herüberschwappte, hatte lediglich wenig mit Kräutern am Hut.
„Du hast meinen Punkt missverstanden, Bridget. Stell dir vor, wir würden das ganze Kokain sammeln-..."
„Nein, danke. Wie viel hast du schon getrunken?"
„Zu viel", brummte Graham, der zum ersten Mal seit der halben Stunde, die wir schon hier saßen, etwas sagte. Charlie hatte eine Menge unnötiger Fakten von sich gegeben und weil ich nichts Besseres zu tun hatte und ihn amüsant fand, antwortete ich ihm darauf. Graham grunzte ab und zu, äußerte sich sonst aber nicht.
„Hat sich da die Verhaltenspolizei gemeldet?", sinnierte Charlie.
„Nein, deine Vernunft."
„Mein Fehler. Manchmal vergesse ich, dass ich mit meiner Mutter unterwegs bin."
Graham schüttelte nur seinen Kopf. Vermutlich bereute er, sich überhaupt zu Wort gemeldet zu haben.
„Wieso bist du überhaupt im Rugby-Team, Charlie? Ich habe dich diese Woche schon zweimal aussetzen sehen." Grahams blonder Freund sah zu mir, während ein breites Grinsen an seinen Lippen zupfte.
„Weil es auch ein paar schöne Kerle im Team braucht."
Er zwinkerte mir zu und ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
Graham drehte sich überrascht zu mir. „Das findest du witzig?"
„Natürlich findet sie mich witzig, G. Oder soll sie vielleicht über deine schlechte Laune lachen? Wusstest du, dass er früher einen Stressball mit ins Training genommen hat?", fragte Charlie, diesmal an mich gewandt. Überrascht sah ich zu Graham.
„Ehrlich?"
Er murmelte nur eine unverständliche Antwort und warf Charlie einen Blick zu, der Hundebabys ums Leben hätte bringen können.
„Der Ball war klein und hell und unbeh-..."
„Bist du endlich fertig?", unterbrach Graham ihn scharf. Dabei sah er so ernst und irgendwie auch süß aus, dass ich ein Kichern nicht unterdrücken konnte. Aber er hatte wohl gespürt, worauf Charlie ausgehen wollte und dass die Aussage sehr vulgär geworden wäre, wenn er nicht dazwischengefunkt hätte, denn seine Ohren wurden rot. Graham stöhnte auf, als er meinen belustigten Gesichtsausdruck sah. „Oh Gott, ihr zwei seid solche Kleinkinder."
„Sagt derjenige, der so rot wird wie eine Tomate."
Charlie zwinkerte mir zu und ich biss mir auf die Lippen, um ein Lachen zu unterdrücken.
„Zurück zum Thema-..."
„Nein!"
„Er ist nur so schlecht drauf, weil ihm jemand ans Bein gepisst hat."
Graham fuhr sich gestresst durch die Haare. „Nicht wahr", knurrte er.
„Oh doch. War es wieder deine Katze?"
„Meine-...ich habe gar keine Katze!"
„Katzen sind süß", warf ich dazwischen.
„Bevor sie versuchen, dir die Augen auszukratzen."
Charlie schnaubte. „Das sagt er nur, weil er Angst vor Katzen hat. Du hättest sehen müssen, wie er vor meiner Katze weggerannt ist."
„Ich habe wegen ihr noch immer Narben", widersprach Graham.
Charlie schnaubte wieder. „Gar nicht wahr. Sie wollte nur gestreichelt werden."
Graham drehte sich zu mir um. „Das ist nicht wahr. Ich schwöre es." Er krempelte sein Hemd nach oben und hielt mir seinen gebräunten Unterarm entgegen. Dann deutete er auf zwei verblasste Striche, die sich von seinem Handgelenk bis zu seinem Ellbogen zogen. „Sie hat versucht, mich umzubringen und Charlie hat mich eiskalt ausgelacht."
„Du hast auch geheult wie ein Baby."
Grahams Mund klappte auf und er sah aus, als würde er gerne etwas darauf erwidern, als ich mir die Freiheit nahm, die verblassten Streifen mit den Fingernägeln nachzufahren. Sein Blick lag plötzlich auf mir und ich spürte, wie Charlie die Situation interessiert beobachtete. Aber das war das Problem, wenn ich eine Narbe zu sehen bekam. Ich fragte mich, wie Graham sie mir einfach so zeigen konnte, obwohl ich ihn kaum kannte und bisher überhaupt nicht nett zu ihm war. Er hatte mich zur Therapie und zurückgefahren und er hatte im Büro der Direktorin auch versucht, mich zu verteidigen, aber ich hatte mich gar nicht wirklich bei ihm bedankt. Und dann zeigte er mir so etwas Intimes, so etwas unendlich Bedeutendes wie eine Narbe. Für ihn schien es keine große Sache zu sein, aber ich wusste, dass ich ihm auf keinen Fall meine Narben zeigen konnte. Ich konnte nicht einmal darüber reden, was passiert war, geschweige denn die Konsequenzen davon erdulden.
Aus einer witzigen Situation wurde derartig schnell etwas Ernstes, dass es mir wortwörtlich den Boden unter den Füssen wegzog. Ich wollte nicht schon wieder daran denken. Ich konnte nicht wieder zu diesem Punkt in meinem Leben zurückkehren. Ich musste mich damit auseinandersetzen, aber ich brachte es nicht über mich. Ende der Geschichte. Schneller, als ich es mir überlegen konnte, erhob ich mich vom Bänkchen und entfernte mich einige Schritte vom Bänkchen. Meine Hände zitterten und ich ballte sie zu Fäusten, ehe ich sie mir unter die Achseln quetschte. Gott, wieso konnte ich nicht einfach normal sein? War das zu viel verlangt für mich? Tränen drohten mir in die Augen zu treten, aber ich weigerte mich, meine Fassung zu verlieren. Ein Nervenzusammenbruch bedeutete, dass meine Mutter in Kenntnis darüber gesetzt wurde. Das bedeutete wiederum, dass ich noch mehr Konfrontationstherapie über mich ergehen lassen musste. Aber ich konnte ehrlich nicht einschätzen, wie viel davon ich noch ertragen konnte, bis ich vollends auseinanderbrach. Ich starrte auf die Läuferinnen, die einen Drill übten, während Coach Winters ihnen Dinge zubrüllte.
Früher hatte ich es gehasst zu rennen und nur im Track-Team der Schule mitgemacht, weil ich darin wenigstens gut war, da ich in Galway jeden Morgen auf meinen Bus gerannt war und dadurch gute Übung gehabt hatte. Außerdem waren all meine Freundinnen ebenfalls Läuferinnen gewesen und ich wollte dazugehören. Mittlerweile gab es so viele Dinge, vor denen ich wegrennen wollte, so viele Gründe, um wegrennen zu wollen, dass es mir Frieden brachte, wenn ich die Schnellste war. Es war, als würde ich mich vorbereiten, dieselben Katastrophen ein weiteres Mal zu durchleben und das war bestimmt kein guter Grund, weswegen ich das meiner Mutter auch verschwieg. Sie machte sich schon so genug Sorgen um mich.
Graham bewegte sich in mein Blickfeld und warf mir einen besorgten Blick zu. Er blieb einige Schritte von mir entfernt stehen, um mir genug Freiraum zu lassen, während er sich im Nacken kratzte. „Ich-...ich weiß nicht genau, was da gerade passiert ist, aber es tut mir leid, falls es wegen Charlie oder mir war."
Ich schüttelte den Kopf stumm, weil ich meiner Stimme nicht vertraute. Es war alles meine Schuld. Alles. Er räusperte sich. „Jedenfalls dachte ich, dass ich dir vielleicht erklären sollte, wieso ich einen Stressball brauche." Er kniff die Augen zusammen. „Oh Gott, ich werde wahrscheinlich bereuen, dass ich dir das alles erzähle, aber jetzt ist es ohnehin schon zu spät." Graham atmete tief durch. „Naja, auf jeden Fall habe ich den Stressball noch immer." Er griff in seine Hosentasche und fischte einen grünen, kleinen, Plastikball heraus, den er mir reichte. „Charlie glaubt, dass er mich aus dieser Phase gehänselt hat, aber mittlerweile ist der Ball mein Glücksbringer. Die anderen haben sich immer darüber lustig gemacht, weil sie nicht wussten, dass ich mit Rugby eigentlich gar nichts anfangen konnte. Und jetzt bin ich ihr Captain, ist das nicht ironisch?"
Graham stieß ein Lachen heraus, aber es klang zu hart, als dass ich es wirklich abkaufen konnte. Ich dachte an unser Gespräch zurück, als ich ihn gefragt hatte, ob er das Rugbyspielen mochte, aber schon wieder hatte er das weder bejaht noch verneint. Vielleicht war es etwas dazwischen und er konnte sich einfach nicht entscheiden, welches von beidem es sein würde. Ich rollte den Ball zwischen meinen Händen und fokussierte mich darauf, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.
„Wieso erzählst du mir das alles?", fragte ich leise. Ich vertraute meiner Stimme nicht, vor allem, weil ich so kurz vor einer Panikattacke stand.
„Weil du so ausgesehen hast, als könntest du es brauchen. Ich kann nicht genau sagen, was der Auslöser gewesen ist, aber irgendetwas hat dich in Panik versetzt. Und ich denke nicht, dass du davor weglaufen musst." Seine Stimme klang viel sanfter und ich schluckte. Gott, wieso sagte er mir all das? Graham kannte mich kaum. Wieso interessierte es ihn, was ich tat oder ob ich zusammenbrach? Wieso war er nett genug, um sich darum zu kümmern?
„Ich werde dich jetzt in Ruhe lassen, aber...es tut mir wirklich leid. Ich wollte dich nicht verschrecken. Manchmal denke ich nicht nach, wenn ich gewisse Dinge tue, und dann löse ich Reaktionen aus, die ich gar nicht auslösen wollte." Graham sah auf seine Schuhe und kaute einen Moment lang auf seinen Lippen herum, die so unendlich weich aussahen. Dann schenkte er mir ein zusammengepresstes, entschuldigendes Lächeln und wollte schon an mir vorbeigehen, als ich ihn ihm letzten Moment am Handgelenk packte.
„Warte!"
Er blieb stehen und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Ja?"
„Willst du deinen Stressball nicht mitnehmen?" Ich wedelte mit dem Ball vor seinem Gesicht herum, aber er umschloß meine Hand schnell mit seiner, ehe er sich umsah. Dann beugte er sich ein wenig zu mir, während seine Augen funkeln.
„Du darfst den doch nicht so öffentlich vor Charlie herumwedeln, Bridget. Er würde mich das niemals vergessen lassen. Der Kerl hat versucht, mich aus dieser Phase zu hänseln und sich dann als Retter der Gesellschaft bezeichnet, als ich den Ball nicht mehr an die Öffentlichkeit gebracht habe. Er behauptet, dass es unsere Gegner ermutigen würde, wenn ich meine Schwächen so mit mir herumtrage."
Ich biss mir auf die Lippe, um nicht über Charlie zu lächeln. Er war auf jeden Fall ein Mensch für sich. „Nun, es ist trotzdem noch dein Ball. Ich wollte ihn dir nur zurückgeben."
Graham trat einen Schritt zurück und zuckte mit den Schultern. „Ist schon okay, Bridget. Sieh es als Dankeschön dafür, dass du für Wyn einstehst. Es ist nur fair, dass ich dir dann auch helfe. Außerdem siehst du aus, als würdest du den Stressball eher brauchen als ich."
Ich hätte den Fakt gerne abgestritten, aber während ich den Ball zwischen meinen Fingern rollen ließ, konnte ich nicht leugnen, dass ich schon ein wenig ruhiger war als zuvor. „Ich habe es dir schon einmal gesagt, Graham. Ich helfe Wyn gerne."
„Und ich helfe dir gerne."
Ein müdes Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. Ich war mir manchmal nicht sicher, ob es überhaupt möglich war, mir zu helfen, aber ich wollte seine Hoffnungen nicht zerstören, deswegen legte ich nur den Kopf schief.
„Kann ich darauf zurückkommen?" Ja, ich hatte gesagt, dass ich aus Prinzip nichts von Graham verlangen wollte, aber die Chance war einfach zu verlockend.
„Ja, Ma'am." Er stockte und sah neugierig zu mir herunter. „Hast du etwa schon eine Idee?"
„Ich habe eine Menge Ideen", rutschte aus mir heraus, wofür ich mich am liebsten geschlagen hätte, aber wenn meine Nerven blank lagen, dann konnte ich nicht mehr kontrollieren, was ich sagte, und ich tendierte dazu, mich zu blamieren. Graham legte aber nur seinen Kopf in den Nacken und lachte lauthals los.
„Du musst nur sagen, wann und wo."
Ich biss mir auf die Lippen und klimperte mit meinen Wimpern.
„Also würdest du mich heute nach der Schule wieder zur Therapie fahren?"
Grahams Lächeln wurde eine Spur trauriger, aber er nickte.
„Was auch immer du willst, Bridget."
Dann zwinkerte er mir zu und ging zurück zu Charlie, der sich noch immer auf dem Bänkchen betrank, während ich Grahams grünen Stressball zwischen den Fingern hin und her rollte. Das war wohl die ereignisreichste Stunde Nachsitzen gewesen, zu der ich jemals verpflichtet gewesen war.
Unnnnd damit melde ich mich wieder mit B, C und G 😂
Was halten wir von Charlie?
Oder von Graham?
Von Bridge?
Habt ihr Vermutungen, was mit ihr geschehen ist?
Hat euch das Kapitel gefallen?
Ciao Kakao und bis bald 💘
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