❥ Chapter 34
Lyas POV
Dieses Jahr fällt Halloween auf einen Freitag, was ich persönlich, und die andneren wahrscheinlich auch, viel besser finde, als an irgendeinem anderen Tag in der Woche. Da die letzten beiden Stunden Englisch für Maddie, Jonah, Alec und mich ausfallen, haben wir uns auf den Weg in die Stadt gemacht, um einige Einkäufe für unseren Filmabend zu erledigen. Draußen regnet es in strömen, weshalb ich froh bin, dass wir mit Jonahs Auto fahren können. Er wohnt von uns allen am weitesten von der Schule weg, weshalb er jeden Tag mit dem Auto kommt.
Als wir den Weg zum Auto gemeinsam zurücklegen, erzählt Alec mir, wie sehr seine Schwester sich über das Parfüm gefreut hat und lächelt mich erleichternd an. Es freut mich, dass ich ihm behilflich sein konnte.
Auf dem Weg zum Einkaufszentrum erzählt Maddie begeistert von ihrer Idee, Kürbisse zu schnitzen. "Das haben wir noch nie gemeinsam gemacht", argumentiert sie.
"Ja, wegen Nicks Allergie." Zum Ende hin spricht Jonah immer leiser und wirft mir im Rückspiegel einen kurzen Blick zu, den ich jedoch nicht erwidere, da ich stur aus dem Fenster gucke.
Danach herrscht erstickende Stille im Auto, woraufhin Jonah das Radio anschaltet und der typische Radio-Mix abgespielt wird, den niemand leiden kann, man aber trotzdem hört. Langsam lasse ich meinen Blick wieder ins Auto wandern und sehe, wie Maddie auf dem Beifahrersitz ebenfalls aus dem Fenster schaut, Jonah sich auf die Straße konzentriert und Alec neben auf seinem Handy herumtippt. Ich tue so, als würde ich meine Nägel inspizieren und versuche, Alecs Gesicht aus meinem Augenwinkel zu erkennen. Er sieht aus, als müsste er ein Lachen unterdrücken und ich frage mich, mit wem er da gerade schreibt, als Maddie die Stille unterbricht und die Lautstärke des Radios runterdreht. "Also... kaufen wir jetzt Kürbisse oder nicht?", fragt sie in die Runde und dreht sich zu uns nach hinten. Alec steckt sein Handy weg. "Ich wäre dafür, weil ich das auch noch nie gemacht habe und mich dafür schon etwas schäme. Mit 17, finde ich, sollte man schonmal mindestens einmal einen Kürbis an Halloween geschnitzt haben", verkündet er und bekommt dafür ein Lächeln von Maddie. Daraufhin dreht sie sich wieder nach vorn, jedoch nicht, ohne mir noch einen Blick zuzuwerfen. "Sieht aus, als hätten wir eine klare Antwort", grinst Maddie Jonah an, der sie ebenfalls kurz anlächelt, bevor er seinen Blick wieder auf die Straße wendet. Er würde sowieso alles machen, damit sie glücklich ist.
*
"Ich bezweifle, dass dein Dad begeistert sein wird, wenn seine Küche voller Kürbis ist", sagt Jonah, als wir unsere vier Kürbisse in den Kofferraum seines Wagens legen.
Maddie klappt die Kofferraumklappe wieder runter und wendet sich ihm zu. "Ach, solange wir alles wegräumen geht das schon in Ordnung. Außerdem habe ich ihn schon vorgewarnt, dass es eventuell etwas chaotischer wird."
"Super. Ich bin zu ersten Mal dabei und du sagst ihm sowas. Ich hoffe, er sieht da keine Verbindung", sagt Alec halb amüsiert, halb besorgt.
"Nein, ich habe ihm alles erklärt. Er wird dann sowieso nicht da sein."
Verdutzt sehe ich meine beste Freundin an. "Gar nicht?" Maddie nickt. "Wieso das? Ich dachte, er würde uns nie allein lassen?"
Die vergangenen Jahre war Maddies Dad immer entweder in seiner Garage mit irgendwelchen Reparaturen beschäftigt oder hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen. Er wollte nie, dass zwei Mädchen mit zwei Jungs allein im Haus sind, weil man ja nie wisse, was passieren könne. Und dass er ausgerechnet jetzt damit einverstanden ist, kommt mir komisch vor.
"Er hat ein Date", antwortet Maddie mit einem Augenrollen. "Erinnerst du dich noch an unsere neue Nachbarin von Gegenüber, Eden McCarrel?"
"Ja." Am Anfang des Jahres ist eine alleinstehende Frau in das Haus gegenüber von Maddie eingezogen, die im Alter ihres Dads ist. Er hat ihr beim Umzug geholfen, weil er gut in allem ist, was mit Reparaturen zutun hat und er einmal bei einem Umzugsunternehmen gearbeitet hat. Da Maddies Mom die beiden verlassen hat, als sie drei war, ist ihr Vater seitdem nicht mehr mit einer Frau aus gewesen.
"Tja, scheint wohl was ernstes zu sein. Aber so wie Dad nunmal ist, würde er uns nie ganz allein lassen. Er wird bei ihr sein, also trotzdem ganz in der Nähe."
"Oh. Klingt so, ja. Es hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre."
Daraufhin zuckt Maddie nur mit den Schultern und lächelt. "Mir soll's egal sein. Sie ist nett, er mag sie und das reicht mir." Ich glaube, dass Maddie irgendwann einmal gehofft hat, eine richtige Mutter zu haben, aber nie eine bekam. Zwar sagte sie mir immer, dass ihre Tante für sie wie eine Mutter sei, aber das ist nicht das Gleiche, auch, wenn sie eine sehr gute Beziehung mit ihrem Dad hat, der wirklich alles für sie tut. Außerdem hat sie nie die Hoffnung aufgegeben, dass ihr Dad mal wieder jemanden finden würde. Ob da die Romantikerin in ihr zum Vorschein kommt oder die Sehnsucht, weiß ich nicht genau, aber das werde ich sie irgendwann in einer ruhigen Minute mal fragen. Wieder einmal ein erneuter Beweis, dass Maddie ein Mensch mit einem großen Herzen ist.
"Wie auch immer. Jetzt können wir ja auch mal nach Filmen und Snacks gucken", schlägt sie als Nächstes vor. Zum Glück hat es mittlerweile aufgehört zu regnen, sodass wir nicht mehr laufen müssen und nass werden.
Also gehen wir zuerst in die Videothek, in der wir immer die Filme ausleihen und suchen in der Halloweensection nach passenden Filmen. Es nicht voll hier und immer wieder wundert es mich, wie dieser Laden schon so lange bestehen kann, wo doch die meisten Leute heutzutage die Filme streamen und kaum noch jemand Filme wirklich ausleiht. Theoretsich hätten wir auch Filme auf Netflix gucken können, aber in einem Laden rumzustöbern macht viel mehr Spaß und es gehört für mich einfach dazu.
Als ich noch ein Kind war, bin ich oft mit Mom in die Videothek gegangen und habe irgendwelche Filme und CDs ausgeliehen. Ich war schon damals von diesem Konzept fasziniert, dass man in einem Laden alle möglichen Filme finden und nur für wenige Dollar für eine bestimmte Zeit ausleihen kann. Zwar gab es damals bereits Netflix, aber das war da noch nicht so weitverbreitet wie heute. Außerdem macht es viel mehr Spaß, durch die Gänge der Videothek zu streufen und Filme zu suchen. So hat man einen viel besseren Überblick und die Videotheken haben die neusten Filme meistens immer zuerst. Halloween ist eine alte Tradition, also warum sollten wir dann nicht ebenfalls auf ältere Mittel zurückgreifen?
Alecs POV
"Ich bin dann weg", gebe ich Mom Bescheid. "Morgen im Laufe des Tages werde ich dann wieder da sein."
"In Ordnung. Ich brauche das Auto in den nächsten Tagen sowieso nicht. Viel Spaß und, äh, übertreib's nicht, ja?", sagt sie mir mit einem freundlichen Lächeln, jedoch auch etwas Nachdruck in der Stimme.
Ich verkneife mir ein Augenrollen. "Das ist nur ein Filmabend und keine Party, Mom."
"Schon klar. Das sagen die meisten am Anfang und dann stellt sich heraus, dass sie drogenabhängig sind", sagt sie trocken.
"MOM", rufe ich empört aus. "Ich bin kein Junkie und meine Freunde auch nicht. Ehrlich, vertrau mir doch einfach." Skeptisch zieht sie die Augenbrauen hoch. Ich seufze. "Das damals war keine richtige Droge, nur ein Aufputschmittel und das war nur ein verdammtes Mal", gebe ich zu. Diese Frau wird das wohl nie vergessen. "Wie auch immer, ich bin dann jetzt weg. Einen schönen Abend noch", verabschiede ich mich entgültig und mache mich mit meinem Gepäck auf dem Weg zum Auto. Auf noch eine weitere Standpauke habe ich jetzt wirklich keine Lust mehr. Ich verstaue meine Sachen im Kofferraum und setze mich hinters Steuer.
Bevor ich losfahre, schreibe ich Lya noch eine Nachricht, dass ich in wenigen Minuten bei ihr bin, um sie mitzunehmen. Natürlich hätte sie auch selbst fahren können, aber ich konnte sie überreden, bei mir mitzufahren, da es ein Weg und besser für die Umwelt ist, mit einem Auto zu fahren. Der eigentliche Grund aber ist, dass ich gern in ihrer Nähe bin und all die Situationen annehme, ohne irgendwie ausfdrindglich zu wirken.
Lyas POV
"Tschüss", werfe ich ins Wohnzimmer, bevor meine Eltern noch etwas sagen können. Als ich die Tür schnell hinter mir zuziehe, höre ich noch ein gedämftes "Viel Spaß" und stelle mich auf den Bürgersteig. Gerade biegt Alecs Wagen in unsere Straße und kommt vor mir zum Stehen. Schnell schmeiße ich mein Zeug in den Kofferraum zu seinen Sachen und setze mich danach auf den Beifahrersitz neben ihn.
"Hey."
"Hey", begrüßt er mich ebenfalls mit einem freundlichen Lächeln und fährt langsam an. "Maddie hat mir zwar ihre Adresse geschickt, aber das Navi meiner Mom funktioniert nicht wirklich." Mit gerunzelter Stirn drück er auf dem Navi rum, doch es tut sich nichts.
"Nicht schlimm, ich kenne den Weg und allzu weit ist es sowieso nicht. Ich sag dir, wo du langfahren musst." Schließlich ist es das Mindeste, das ich tun kann, wenn ich schon bei ihm mitfahre.
*
Bei Maddie angekommen, parkt Alec den Wagen am Straßenrand vor ihrem Haus, da in der Einfahrt bereits Jonahs Wagen steht und somit kein Platz mehr ist.
Mit unseren Sachen bepackt gehen wir zur Tür und klingeln. An der Tür hängt der Hut einer Hexe mit einer Spinne oben drauf. Den hat sicher ihr Dad ausgesucht. Maddie liebt Halloween, obwohl sie nicht der größste Fan ist, was Horror und Grusel angeht und viel lieber RomComs guckt. Trotzdem liebt sie das Gefühl des Zusammenseins mit Freunden und Kürbisse. Das ist auch schon an der Deko vor der Tür zu erkennen. Neben der Haustür steht ein angemalter Kürbis mit einem breiten Grinsen, passend zu Maddie, den sie wahrscheinlich auch ausgesucht hat.
Nach einigen Sekunden öffnet Jonah uns die Tür und tritt zur Seite, sodass wir an ihm vorbeigehen können.
"Hey, Leute. Lya, du kannst deine Sachen in mein Zimmer bringen und Alec, Jonah zeigt dir, wo du deine Sachen verstauen kannst",ruft Maddie uns aus der Küche zu.
"Okay." Wir bringen unsere Sachen in die besagten Räume und begeben uns dann zu Maddie in die Küche. Mir entfährt ein "Wow", als ich sehe, dass Maddie bereits alles vorbereitet hat und die vier Kürbisse für uns bereitstehen. "Hättest du etwas gesagt, wäre ich früher gekommen und hätte dir geholfen."
"Ach, ist schon in Ordnung. So viel Vorbereitung war das auch wieder nicht", unterstützt sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. "Oh Mann, ich freue mich schon total darauf, endlich Kürbisse zu schnitzen und das mit meiner besten Freundin, meinem wunderbaren Freund", sie stoppt kurz und räuspert sich, "und Alec." Sie krazt sich nervös an der Stirn und ich kann kein Grinsen unterdrücken. "Ach, wie reizend. Und Alec."
Maddies Wangen verfärben sich zu einem leichten Rosaton. "Ich meine das nicht böse oder so, nur-", kommt es von ihr wie aus der Pistole geschossen.
"Schon gut. Ich weiß, was du meinst", unterbreche ich sie.
Alec und Jonah kommen ebenfalls in die Küche und während Jonah seinen Arm um Maddie legt, bleibt Alec neben mir stehen und reibt sich den Nacken, jedoch mit einem typischen Lächeln auf den Lippen. Mittlerweile kenne ich ihn schon etwas besser und habe schon des öfteren bemerkt, dass er sich den Nacken reibt oder sich durch die Haare fährt, wenn er sich in einer Situation unbehaglich fühlt. Und mit einem matten Lächeln auf den Lippen versucht er, diese Geste zu überspielen, was bei anderen wahrschienlich auch funktioniert, aber nicht mehr bei mir. Maddie und Jonah scheinen ja nur Augen für sich zu haben – was ich ihnen nicht verüble – aber ich nicht. Als mir bewusst wird, dass ich ihn schon zu lange ansehe, wende ich meinen Blick schnell zu den Kürbissen auf dem Tisch. "Dann können wir ja mit dem Schnitzen anfangen, oder?", werfe ich schnell ein und gehe auf einen der Kürbisse zu. Ich hoffe, niemand hat etwas bemekt und zum ersten Mal bin ich froh, dass man anderen nicht in den Kopf schauen kann, obwohl ich nicht wüsste, was man bei mir sehen könnte. Schließlich waren das nur Beobachtungen, die mir bei Alec aufgefallen sind.
*
Das Kürbisschnitzen stellte sich doch schwieriger heraus, als gedacht. Zu Beginn haben wir uns im Internet eine Anleitung rausgesucht, wie und wo man am besten das Messer ansetzt, weil man oben sozusagen einen Deckel reinschneiden muss, da im nächsten Schritt der Kürbis ausgehöhlt wird. Das ganze Innere des Kürbisses mit einem Löffel rauszuholen war eine ziemliche Sauerrei, aber trotzdem war es lustig, die ganze Masse rauszuholen. Besonders, als Maddies Inhalt, den sie mit Mühe rausgeschaufelt hat, fast auf Jonahs Hemd statt in den Eimer gefallen ist. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich in den letzten Monaten so viel gelacht habe wie heute.
Maddies Kürbis sieht am besten aus. Sie hat ihm ein klassisches Kürbisgesicht geschnitzt mit dreickförmigen Augen, einem umgedrehten Dreieck als Nase und einem Mund mit spitzen Zähnen. Alecs Kürbis ist auch gut geworden. Zwar nicht so gut wie Maddies, aber immerhin kann man ein Gesicht erkennen und den letzten Platz teilen sich Jonah und ich, da wir uns nicht einigen können, welcher Kürbis schlimmer aussieht. Beide sehen nämlich aus wie das missglückte Gesicht des Jokers auf Kürbissen. Ich weiß nicht, warum unsere so schlimm geworden sind, aber anscheinend haben wir kein Talent fürs Schnitzen.
"Wenigstens passen unsere Muster perfekt zu Halloween. Und wenn du lieber einen gruseligen Kürbis vor der Tür stehen haben möchtest, dann würde ich dir Lya und meinen vorschlagen. Dann ist eure Deko wenigestens passend", verteidigt Jonah unsere missglückten Versuche und bringt uns somit zum Lachen.
Wir betrachten unsere Kürbisse noch ein wenig und beschließen dann, die Küche aufzuräumen und uns dem Filmabend zu widmen. Bevor wir mit dem ersten Film anfangen, macht Maddie uns noch Popcorn und wir stellen Getränke und Chips, die wir beim Einkauf vor ein paar Tagen gekauft haben, auf den Tisch vor dem Sofa. Als endlich alles hergerichtet ist, setzen wir uns hin und Jonah schiebt den ersten Film ein. Dieses Jahr haben wir uns für Filme entschieden, die nicht gruselig, aber dafür lustig sind. Der Einzige, der nämlich ein Fan von Horrorfilmen war, war Nick. Zwar mag Jonah diese Filme auch, kann aber Maddie zuliebe darauf verzichten. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass wir nicht die typischen Halloweenfilme gucken, weil darin nämlich immer viel Blut zusehen ist und ich genau weiß, dass ich diesen Anblick nicht aushalten könnte. Die anderen scheinen das auch zu vermuten und ich bin froh, dass wir uns einstimmung auf andere Filme einigen konnten.
Wir fangen mit Fun Size – Süßes oder Saures an. Darin geht es um den Teeanger Wren, die an Halloween mit ihrem kleinen Bruder Albert um die Häuser ziehen muss, weil ihre Mutter auf eine Party eingeladen ist. Jedoch verliert sie ihn aus den Augen und versucht ihn dann mit Hilfe ihrer Freunde wiederzufinden. Es ist zwar nicht der beste Film, den ich jemals gesehen habe, aber er ist ziemlich lustig, was Maddie, Alec und Jonah ebenfalls finden. Vielleicht ist er kein üblich gruseliger Horrorfilm, wie Saw oder Scream, aber es geht um Halloween und unterhaltsame Filme sind viel besser als gruselige.
Danach schauen wir Nightmare Before Christmas, einen Klassiker. Darin bereitet Jack Skellington, der Kürbiskönig von Halloweentown, mit dessen Bewohnern, das ganze Jahr über das Halloweenfest vor. Doch irgendwann ödet ihn das an und er versucht in seiner Stadt Weihnachtsstimmung zu verbreiten, was aber keine allzu gute Idee ist und ziemlich viel Chaos verursacht. Wir wissen nicht, ob es nicht sogar eher als Weihnachtsfilm durchgeht oder nicht, aber das ist egal, weil ich der Meinung bin, dass es sich dabei um einen Halloweenfilm handelt. Außerdem ist es bis Weihnachten auch nicht mehr ganz so lang.
Nach den beiden Filmen räumen wir noch ein bisschen auf und gehen schlafen. Die anderen sind müde und fast schon vor dem Fernseher eingeschlafen, außer ich. Und ich habe das Gefühl, dass sich das auch so schnell nicht ändern wird.
Alecs POV
Als ich gerade von der Toilette wieder zurück ins Zimmer gehen will, bemerke ich eine dunkle Gestalt vor dem Fenster im Wintergarten sitzen. Mit leisen Schritten und klopfendem Herzen gehe ich auf die Gestalt zu und da der Mond heute extra hell scheint, kann ich schon nach einigen Schritten erkennen, dass es sich bei der Gestalt um Lya handelt, was mich im ersten Moment beruhigt, dass es sich nicht um einen Einbrecher handelt, aber im nächsten besorgt. Was tut sie hier mitten in der Nacht?
Sie schaut gebannt nach oben und ich bin mir nicht sicher, ob sie mich bemerkt, also räuspere ich mich, um sie nicht zu erschrecken. Doch sie reagiert nicht. Also beschließe ich, mich vorsichtig neben sie auf den Boden zu setzen. Lya hat eine Decke um ihre Schultern geschlungen, obwohl es eigentlich gar nicht kalt ist, weil die Heizung an ist, doch sie scheint trotzdem zu frieren. Oder die Decke ist nur als Komfort da.
Ich sehe sie an, doch ihr Blick ist noch immer noch starr in den Himmel gerichtet. Sie scheint in Gedanken zu sein. Also schaue ich ebenfalls nach oben und sehe einen sternenbedeckten Himmel mit einem hell leuchtenden Mond. Wow.
"Wusstest du, dass wir gerade acht Minuten in die Vergangenheit schauen?", unterbricht Lya die Stille und vor Schreck zucke ich kurz zusammen. Ich richte meine Augen auf sie, doch ihr Blick ist nach wie vor unverändert nach oben gerichtet. Zwar leuchtet der Mond hell, doch von der Seite aus kann ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, da ihr Gesicht im Schatten liegt.
"Ja, davon habe ich gehört", gebe ich vorsichtig zurück und warte auf ihre Reaktion.
"Faszinierend, oder?", wirft sie in den Raum und es kommt mir vor, als würde sie das nicht zu mir sagen, sondern eher zu sich.
Ich möchte sie so gern fragen, warum sie um 3 Uhr nachts alleine vor einem Fenster sitzt und rausstarrt, doch mir bleiben die Worte im Hals stecken, als sie ihren Kopf langsam zu mir dreht und mir in die Augen schaut. In ihren Augen liegt eine gewisse Leere, die mich so sehr erschreckt, dass ich meinen Blick gar nicht davon abwenden kann. Das ist selbst im Halbdunklen zu erkennen. Noch nie habe ich so eine ausdruckslose Miene bei ihr gesehen. Höchstens Traurigkeit, aber das jetzt versetzt mir einen Stich.
"Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, würdest du es tun?", fragt sie und sieht mich abwartend an.
Mein Kopf ist wie leergefegt. Wieso fragt sie mich sowas mitten in der Nacht? Ich öffne meinen Mund und schließe ihn direkt wieder. Gute Frage. Würde ich das tun? Würde ich dann anders handeln oder trotzdem die gleichen Fehler machen? Und wenn ich etwas anders machen würde, würde das alles verändern und ich würde jetzt hier nicht sitzen? "Ich weiß es nicht, aber ich denke, es bringt nichts, so viel über Vergangenes zu reden. Klar, es gibt Dinge, die ich gerne anders gemacht hätte, aber ich kann es nicht mehr ändern. Und wenn ich die Chance hätte, wüsste ich nicht, ob ich mich nicht doch wieder so entscheiden würde, wie ich es zuerst getan habe. Schließlich wäre ich jetzt nicht hier, wenn alles anders verlaufen wäre. Also nein, ich glaube, ich würde die Zeit nicht zurückdrehen."
"Und du?", füge ich zögernd hinzu.
Lya schaut mir noch einen Moment in die Augen, bevor sie den jetzt nachdenklichen Blick auf ihre verschränkten Hände im Schoß senkt. Ich weiß nicht, ob ich sie mit meiner Antwort womöglich enttäuscht habe und ob sie etwas anderes hören wollte, aber ich war ehrlich. Auch, wenn ich mir wünschte, dass ich jetzt keine Probleme mit Dad hätte, wäre es bestimmt irgendwann trotzdem zu einem Streit gekommen.
Sie seufzt leise und nimmt die Decke von ihren Schultern, bevor sie aufsteht. "Ich gehe dann mal wieder ins Bett, es ist schon spät. Gute Nacht."
Lya legt die Decke zusammengefaltet auf das Sofa und geht zurück in Maddies Zimmer, während ich noch sitzen bleibe. Sie hat mir zwar nicht geantwortet, aber ich bin mir sicher, ihre Antwort auch so schon zu kennen.
"Gute Nacht", flüstere ich in die Dunkelheit obwohl ich bezweifle, dass sie das gehört hat und gehe ebenfalls wieder zurück ins Zimmer.
*
Am nächsten Morgen öffne ich langsam die Augen und nehme einen Streifen schwaches Licht wahr. Ich setze mich auf, lasse mich jedoch sofort wieder zurückfallen, weil mir kurz schwarz vor Augen geworden ist. Nach einem kurzen Moment wiederhole ich das erneut und sehe ich im Zimmer um. Ich sehe einen weißen Schrank und ein Bett mit Bettwäsche bezogen, das jedoch leer ist. Mir wird wieder bewusst, dass ich in Maddies Gästezimmer bin und Bilder des gestrigen Abends spielen sich vor meinem inneren Auge ab. Das Kürbisschnitzen, die Filme und Lyas Frage letzte Nacht. Noch immer frage ich mich, warum sie mitten in der Nacht am Fenster saß und einfach rausgestarrte. Dem ganzen Abend lang kam sie mir nicht traurig vor, sondern eigentlich sogar recht fröhlich. So oft habe ich sie noch nie lachen gesehen, aber bei ihr muss sich irgendein Schalter umgelegt haben. Anders kann ich mir das nicht erklären.
Ich höre ein Knarzen und drehe blitzschnell meinen Kopf in Richtung Tür, wo Jonah gerade versucht leise das Zimmer zu betreten. "Du bist ja doch schon wach", stellt er fest, während er sich auf das Bett gegenüber meiner Matratze fallen lässt.
"Ja, wie spät ist es?", frage ich noch halb verschlafen.
"Acht. Es ist noch recht früh, aber ich bin ein Frühaufsteher", sagt er, als wäre ihm diese Tatsache etwas peinlich.
Ich öffne den Mund und wollte erst sagen, dass ich damals auch immer ein Frühaufsteher war, da mein Training jeden Samstag um halb 9 losging und ich davor immer joggen war, doch im letzten Moment entscheide ich mich dagegen. "Ich manchmal auch, besonders wenn ich an fremden Orten bin. Dann bin ich immer früher wach als sonst." Ich stehe auf, nehme meine Sachen und gehe ins Bad, um mich fertigzumachen.
*
Jonah und ich betreten die Küche, in der wir bereits Stimmen wahrnehmen können. Maddie steht am Küchentresen, während Lya auf einem Stuhl davor mit dem Rücken uns zugewandt sitzt.
Als Maddie uns wahrnimmt, schenkt sie uns ein freundliches Lächeln. "Guten Morgen."
Daraufhin geht Jonah zu ihr, drückt ihr einen Kuss auf die Schläfe und flüstert ihr etwas ins Ohr, was sie leise kichern lässt.
"Guten Morgen", gebe ich zurück. Daraufhin dreht Lya sich blitzschnell zu mir um und ich kann die Panik förmlich in ihrem Gesicht sehen. Sie murmelt ein "Morgen".
Ich lächle, doch sie guckt mich noch immer mit großen Augen an. Vermutlich weiß Maddie nicht, dass sie letzte Nacht für eine Zeit lang gar nicht im Zimmer war und sie möchte offensichtlich auch unter keinen Umständen, dass sie es erfährt.
Ich trete näher an sie heran und will mich auf den Stuhl neben sie setzen. Lya lässt mich nicht einmal aus den Augen. Ich ziehe den Stuhl zurück, lasse mich darauffallen und bemerke erst jetzt, wie angespannt sie das Glas in ihrer Hand hält. Wenn sie es noch fester drückt, wird es sicher bald zerspringen. Dazu fallen mir noch dunkle Augenringe unter ihren Augen auf, was mich befürchten lässt, dass sie die ganze Nacht wohl kein Auge zugemacht haben muss.
"War ein toller Abend gestern, oder?", frage ich und ihre Anspannung fällt etwas ab. Lya stellt das Glas wieder auf den Tisch und räuspert sich. "Ja, es war gut," antwortet sie und zwingt sich zu einem Lächeln, das falscher wahrscheinlich nicht sein könnte und dazu noch ihre Müdigkeit unterstreicht.
"Hier steht Brot, und Getränke sind im Kühlschrank. Ihr könnt euch gerne bedienen", bietet Maddie an und sieht in unsere Richtung.
Ihr Blick bleibt an Lya hängen, woraufhin eine Sorgenfalte auf ihrer Stirn zum Vorschein kommt. So wie es aussieht mache nicht nur ich mir Sorgen.
Lyas POV
"In ungefähr einer Viertelstunde muss ich leider schon los, weil meine Mom das Auto doch braucht", sagt Alec, als er auf seinem Handy herumtippt. Gerade sitzen wir noch beim Frühstück am Küchentresen. Maddie und Jonah gegenüber, und Alec neben mir. Wie in der Schule.
"Okay, kein Problem. Jonah kann mir helfen, alles wieder wegzuräumen", antwortet Maddie.
"Ich kann dir auch helfen", schmeiße ich viel zu schnell in die Unterhaltung ein, woraufhin mich alle drei mit hochgezogenen Augenbrauen angucken. "Also, falls du noch Hilfe brauchst", füge ich noch hinzu.
"Brauchst du nicht. Jonah und ich schaffen das schon. So viel ist das ja nicht." Ich verstehe diesen Wink. Er ist mehr als deutlich, aber ich befürchte, dass Alec mir wieder anbieten könnte, mich nach Hause zu fahren. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte oder so, aber seitdem er mich in der letzten Nacht gesehen hat, habe ich Angst, dass er mich darauf ansprechen könnte und das möchte ich unbedingt verhindern. Ich bin schon erleichtert, dass er es bisher noch nicht erwähnt hat.
"Ich könnte dich wieder mitnehmen, wenn du möchtest", schlägt Alec vor. Na super. Manchmal würde ich ihm am liebsten in sein freundliches Gesicht schlagen, doch ich halte mich natürlich zurück.
Ich drehe mich wieder zu Maddie. "Gute Idee. Wer weiß, welche Leute sich heute Morgen noch auf der Straße herumtreiben." Na vielen Dank auch, Maddie.
Schließlich willige ich ein und versuche mich innerlich zu beruhigen. Ich glaube nicht, dass er Fragen stellen wird. Das hat er schließlich noch nie gemacht, also habe ich doch nichts zu befüchten, oder? Aber andererseits scheint er einer dieser stillen Beobachter zu sein, die Dinge sehen, die sonst kaum jemand richtig wahrnimmt und einen guten Augenblick abwarten und diese dann ansprechen.
Das Auto mit unserem Gepäck beladen, setzten wir uns hinein und Alec lässt den Motor an. Als er losfährt, winken wir Maddie und Jonah noch einmal und dann sind es nur noch er und ich. Alec stellt das Radio an und ich bin froh über eine Hintergrundmusik, auf die ich mich konzentrieren kann.
"Alles in Ordnung?", fragt er, als wir an einer roten Ampel halten. Er hat die Augenbrauen zusammengezogen und seine braunen Augen mustern mich aufmerksam. Es fällt mir schwer, Worte zu finden, so durchdringend wie er mich ansieht. Plötzlich hubt das Auto hinter uns und reißt uns aus diesem Moment. Sofort wendet Alec sich wieder zum Lenkrad und fährt weiter.
"Ja, alles okay", bringe ich dann schließlich über die Lippen. Diese Lüge schmeckt gerade noch ekelhafter als sonst. Vielleicht, weil ich weiß, dass Alec mir nicht glaubt und weil es eine offensichtliche Lüge ist.
Vorsichtig gucke ich, ob sich etwas in seinem Gesicht verändert, doch nichts regt sich. Er hält seinen Blick einfach nur starr auf die Straße. Gerade möchte ich erleichtert aufatmen, als er doch etwas sagt. "Wenn du darüber reden möchstest, höre ich dir zu." Er hält an einer Kreuzung und sieht zu mir herüber, doch ich schaffe es nicht, seinen Blick zu erwidern und gucke weiter aus dem Fenster. "Zu jeder Zeit, Lya", fügt er noch leise hinzu und fährt weiter.
Ich kneife meine Augen zusammen, damit ich nicht noch anfange zu weinen. Das Zittern ist mir auch schon genug. Ich balle meine Hände zu Fäusten und lasse sie wieder los. So hoffe ich, meine innere Anspannung etwas unter Kontrolle zu bekommen, was jedoch nicht viel hilft.
Alecs Worte bleiben noch den ganzen Weg nach Hause in der Luft hängen. Je länger wir gemeinsam in diesem Auto sitzen, desto mehr habe ich das Gefühl, als würden sich diese Worte um meinen Hals legen wie eine Schlinge und mir immer mehr die Luft zum Atmen nehmen. Natürlich meint er das nur nett, aber das ist eine Bestätigung, dass er etwas weiß. Und unausgesprochene Worte liegen einem immer schwer im Magen.
Als wir nun endlich vor unsere Haus zum Stehen kommen, muss ich mich zusammenreißen, dass ich nicht laut erleichtert aufatme. Ich schnalle mich schnell ab und bedanke mich bei ihm für die Fahrt. "Kein Problem, weißt du ja", gibt er daraufhin mit einem warmen Lächeln zurück und irgendwas in seinem Blick lässt mich flacher atmen. Verdammt, warum muss er so nett zu mir sein?
Ich zwinge mich ebenfalls zu einem Lächeln. "Bis Montag." Daraufhin schmeiße ich die Tür zu und laufe mit meinem Gepäck zur Haustür, die auch schon sofort von Tessa geöffnet wird.
"Hey, wie war's? Oh..." Ich stelle meine Sachen auf den Boden und drehe mich zu meiner Schwester um. "Du siehst müde aus", stellt sie fest. Als ob mir das noch nicht aufgefallen wäre. Das hat Maddie mir heute morgen auch schon gesagt und ich habe es auf die Filme des letzten Abends geschoben, was natürlich wieder eine Lüge war. In Wirklichkeit hatte ich Angst, wieder einen Albtraum zu haben. Die letzten Nächte hatte ich keine, also war es für mich naheliegend, dass genau in dieser Nacht wieder einer auftauchen würde. Ich wollte nicht, dass ich nachts schreiend oder weinend aufwache und somit Maddie und vielleicht sogar die anderen noch aufwecke. Sie hätten nur Fragen gestellt und mich mitleidig angesehen, was ich auf keinen Fall wollte. Deshalb saß ich auch irgendwann am Fenster und habe in den Himmel gesehen. Den Sommer über habe ich das ständig gemacht, als ich nicht schlafen wollte oder nicht konnte. Es hat immer etwas beruhigendes und der Anblick ist einfach immer wieder so atmenberaubend und wunderschön, dass ich all meine Probleme für eine kurze Zeit vergesse. Doch dann saß plötzlich Alec neben mir und ich wusste, dass er Fragen hatte, die er jedoch nicht gestellt hat. Aber ihm war klar, dass irgendwas nicht stimmt. Ist ja leider auch zu offensichtlich.
"Vielen Dank, liebe Schwester. Das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen", gebe ich sarkastisch zurück.
"Tut mir leid, aber... hast du denn gar nicht geschlafen?", fragt sie mit besorgter Miene.
Ich presse meine Lippen aufeinander und senke meinen Blick, was ihr wohl als Antwort genügt. Tessa anzulügen hat keinen Sinn, schließlich hat sie meine Albträume schon mehrmals mitbekommen, und die Wahrheit auszusprechen fühlt sich wie eine Niederlage an. Es ist nicht gerade toll, wenn man zugeben muss, dass man sich nicht traut zu schlafen, wenn andere Leute im Zimmer sind, weil man sie vielleicht durch sein Angstgeschrei aufgrund eines Albtraums aufweckt. Auch, wenn Maddie von meinen Albträumen weiß, wollte ich nicht auch noch, dass Jonah und Alec davon Wind bekommen. Besonders Alec nicht.
"Ist es, weil ihr zu viele Filme geguckt habt oder wegen deinen Albträumen?" Ich antworte darauf nicht, sondern nehme nur meine Sachen in die Hand und gehe zur Treppe.
"Ich ruhe mich etwas aus. Der Abend gestern war ziemlich lang." Damit verabschiede ich mich von Tessa und gehe in mein Zimmer, wo ich mich sofort aufs Bett fallen lasse.
Alecs POV
"Alter, du hast echt 'ne riesen Party verpasst."
Gerade skype ich mit Spencer und er erzählt mir von der jährlichen Halloweenparty des Baseballteams. Meines ehemaligen Baseballteams. Jedes Jahr findet in der Turnhalle der Schule eine von dem Baseballteam und den Cheerleadern organisierte Party statt, um den Teamgeist zu stärken und ein bisschen Werbung für sich selbst zu machen. Als ich noch im Team war, war es ein Muss, dorthin zu gehen und ich tat es sogar gern, weil eine tolle Zeit eigentlich immer vorprogrammiert war. Außerdem gehörte man automatisch zu den Coolen, wenn man Teil des Teams war und damals fand ich dieses Gefühl noch toll. Jetzt sind mir diese Denkweisen nur noch peinlich.
"Dieses Jahr hat wirklich alles übertroffen. Schade, dass du nicht da warst."
Kurz zieht mein Magen sich zusammen. Ich wäre schon gern dabeigewesen, aber ich weiß auch, dass die mich wahrscheinlich eigenhändig aus der Halle wieder rausgeschleppt hätten. Außerdem hatte ich trotzdem einen schönen Abend, auch ohne irgendeine Party.
"Na ja, mich wird wohl niemand vermisst haben." Meine Teamkollegen waren damals so wütend auf mich, dass sie mich keines Blickes mehr gewürdigt haben und den Raum verließen, als ich reinkam.
"Ach was. Megan hat nach dir gefragt", erwidert er mit wackelnden Augenbrauen. "Jetzt guck doch nicht so überrascht, Alec. Ihr wart schließlich einige Monate zusammen." Ja, aber nachdem das mit dem Doping rauskam, war endgültig Schluss. Nicht, dass mich das irgendwie getroffen hätte oder so. Eine richtige Beziehung war das sowieso nie. Sie war Cheeleaderin und ich war im Baseballteam. Irgendwie ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass man als Spieler eine Freundin braucht, vorzugsweise eine Cheeleaderin. Also kam eins zum anderen und Megan hing oft mit meiner damaligen Baseballclique ab, sodass wir immer mehr Zeit miteinander verbrachten. Sie war nett und hübsch, aber ich hatte immer wieder das Gefühl, sie würde mich gar nicht verstehen können und überhaupt hatten wir so gut wie nichts gemeinsam. Im Endeffekt könnte man sagen, dass wir den Status des jeweils anderen gegenseitig ausgenutzt haben.
"Na ja, mehr oder weniger", sage ich etwas abfällig. "Was wollte sie denn?"
"Sie meinte auch, dass es schade sei, dass du nicht da warst." Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue hoch. "Und später hat sie mit Adam rumgemacht." Das überrascht mich kein bisschen. Sie hatte schon immer ein Auge auf ihn geworfen und gehofft, ihn mit mir eifersüchtig zu machen. Tja, anscheinend hat sie es nun auch ohne meine Hilfe geschafft.
"Was auch sonst." Darafhin lacht er nur trocken.
"Und, was hast du so getrieben?", fragt er neugierig.
"Ich... äh, nichts besonderes." Was keine Lüge ist, aber auch nicht ganz die Wahrheit. Den Part mit dem Kürbisschnitzen lasse ich raus, weil ich diese Erinnerung für mich behalten möchte. Das war die beste Zeit des ganzen Abends und da wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, dass Jonah, Maddie und Lya nun meine neuen Freunde sind. Das war besser als jede Halloweenparty, aber das will ich Spencer nicht auf die Nase binden.
"Ich... äh, nichts besonderes", äfft er mich nach. "Komm schon, Mann. Lügen konntest du auch schonmal besser.
Ich lehne mich zurück an meine Stuhllehne und fahr mir durch die Haare. "Gut, ich habe mit ein paar Freunden Filme geguckt."
Er mustert mich skeptisch. "Warum sagst du das denn nicht gleich? Ich werde schon nicht eifersüchtig," sagt er lächelnd. "Ehrlich Alec, manchmal verstehe ich dich nicht."
Daraufhin muss ich auflachen. Da ist er nicht der Einzige.
"Mit diesem Jonas?", fragt er.
"Jonah, aber ja, seiner Freundin Maddie und Lya." Unwillkürlich kommt mir wieder das Bild des gestrigen Abends in den Sinn, als wir mit dem Schnitzen unserer Kürbisse fertig sind und Lya lachend ihren missglückten Kürbis ansieht. So unbeschwert habe ich sie bisher noch nie gesehen. Sie hatte ein wunderschönes Lächeln im Gesicht und ihre grauen Augen strahlten zum ersten Mal kein Regenwetter aus, sondern die Vorhersage, dass sich die Wolken verziehen würden und die Sonne sich nach langer Zeit wieder zeigen würde. Am liebsten hätte ich diesen Moment festgehalten. Ohne, dass ich es merke, fange ich an zu lächeln.
"Wow Mann, dich hat's ja echt erwicht", höre ich eine Stimme von Weitem sagen und kurz habe ich vergessen, dass ich immer noch mit Spencer rede. Kaum merklich schüttle ich den Kopf und wende mich wieder unserem Gespräch.
"Was meinst du?", frage ich mit schiefgelegtem Kopf.
Sein Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen, was mich an an die Grinsekatze aus Alice im Wunderland erinnert. Wenn er so guckt, weiß ich, dass er mich mit irgendwas aufziehen will und muss ich mich immer wieder zurückhalten, mich nicht von ihm zu wenden und einfach zu gehen. "Alter, lass dieses dämliche Grinsen", sage ich genervt, doch er macht sich daraus nichts und wackelt dabei auch noch mit den Augenbrauchen.
"Du stehst auf sie." Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung.
Mein Mund wird ganz trocken und plötzlich fühle ich mich erwicht. "Was? Nein! So ein Qutasch", schnaube ich.
"Alec, ich wünschte, ich hätte das Gespräch gerade aufzeichnen können, dann hätte ich dir gezeigt, wie verliebt du gegrinst hast, nachdem du ihren Namen gesagt hast."
"Nein, Spence. Klar, ich mag sie. Wir sind schließlich Freunde", rechtfertige ich mich, doch ich höre selbst, wie unglaubwürdig das klingt.
"Mann, das ist doch kein Weltuntergang. Dann bist du halt in sie verknallt. So ist das Leben. Du erinnerst dich doch bestimmt noch an die Zeit, in der ich auf Mary Thompson stand und an nichts anderes mehr denken konnte und die ganze Zeit davon gesäuselt habe, wie toll sie ist, oder? Genau daran erinnerst du mich gerade. "
Ich will es erst abstreiten, doch dann trifft es mich wie ein Schlag ins Gesicht. "Scheiße", erwidere ich darauf nur. Es ist genauso wie bei Spencer und Mary damals. Er hat recht. Ich bin in Lya verliebt. Warum ist mir das nicht schon vorher klargeworden? Irgendwie wusste ich es ja schon, aber die Erkenntnis trifft mich trotzdem. Ich lasse mich tiefer in meinen Sitz rutschen.
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