❥ Chapter 15
Lyas POV
"Ist alles okay mit dir?", fragt Maddie mich am nächsten Tag, als wir beim Mittagessen sitzen.
Gedankenverloren schüttle ich meinen Kopf. "Nein, ja, alles okay. Ich war nur in Gedanken."
Sie mustert mich musstrauisch mit zusammengezogenen Augenbrauen, doch wendet sich wieder ihrem Essen zu.
Immer wieder muss ich an die Aufgabe von Mrs Jensen denken. Mich öffnen und vertrauen. Soll ich Maddie wirklich erzählen, dass nicht Nicks Mom sondern ich ihn gefunden habe? Dass ich seine Leiche doch gesehen habe? Einerseits kann ich ihr vertrauen, sie ist schließlich meine beste Freundin, aber andererseits wird sie mich dann noch mitleidiger angucken als sie es sowieso schon tut. Es scheint keine große Sache zu sein, aber ich denke, dass e sanders wäre, wenn ich seine Leiche nie gesehen hätte.
Das Klingeln der Schulglocke holt mich aus meinen Gedanken und wir gehen gemeinsam zum Englischunterricht.
"Heute ist Mrs Anderson wohl wieder da", stellt Maddie fest, da unser Klassenraum schon aufgeschlossen ist.
"Ja. Sie ist aber auch ziemlich anfällig was Krankheiten angeht." Die letzen Tage war unsere Englischlehrerin krank, weshalb wir nur Vertretung hatten.
"Allerdings." Wir lassen und auf unsere Plätze fallen und warten auf den Rest unseres Kurses, der nacheinander auch seinen Weg in den Raum findet. Als nun auch der Letzte sitzt, beginnt Mrs Anderson mit ihrem Unterricht.
"Tut mir leid, dass ich die letzten Tage nicht hier war, aber ich hatte mir eine ziemlich üble Grippe eingefangen und wollte niemanden damit anstecken. Doch heute geht es mir wieder viel besser und wir können weitermachen mit den Partnerarbeiten von letzter Woche Freitag", verkündet sie fröhlich.
"Was?!", rufen Maddie und ich gleichzeitig aus.
"Ja, damit waren wir noch nicht fertig. Dazu kommen noch ein paar weitere Aufgaben. Also kommt nach vorne, holt euch eure Materialien von letzter Stunde und noch zwei weitere Blätter, die daneben liegen."
"Ich gehe es schon holen", teilt Alec mir mit und steht auf. Mit unseren Sachen in der Hand, tauscht er mit Maddie den Platz und sitzt nun rechts neben mir. Er legt die Blätter vor uns hin und ich bedanke mich, was er mit einem kleinen Lächeln abtut. "Mrs Anderson schien wohl zufrieden mit unseren Ergebnissen gewesen zu sein, sieht du", er deutet auf ihren Kommentar. "Wir sind wohl ein gutes Team, Lya." Ich sehe zu ihm auf und erkenne wieder die gleiche Freundlichkeit in seinem braunen Augen, wie Dienstag.
Schnell wende ich mich ab. "Ja, also... welche Aufgaben müssen wir machen?"
"Hmm.. ich glaube die hier."
"Aufgabe c, okay."
Alecs POV
Carter würde mich als peinlich bezeichnen, wenn er wüsste, was mir geade durch den Kopf geht, aber ich kann es nicht ändern. Eigentlich bin ich kein Mensch, dem Äußerlichkeiten so ungemein wichtig sind, aber bei Lya ist das irgendwie anders. Noch nie habe ich so ein hübsches Mädchen gesehen. Na gut, Allyson Tylers aus meiner alten Schule war auch ziemlich hübsch, aber extrem arrogant, weswegen ich meine Aufmerksamkeit irgendwann von ihr abgewendet habe. Doch bei Lya ist es nicht so. Sie wirkt kein bisschen arrogant, sondern sogar recht nett und lustig, wenn sie sich öffnet und sich nicht versteckt und verschließt, was sie jedoch ziemlich oft zu machen scheint, warum auch immer. Ich weiß nicht, ob ich die einzige Person bin, die das bemerkt oder ob sie schon immer so war, aber niemanden sonst scheint das zu beschäftigen. Vielleicht nehme ich das auch anders wahr, weil meine Mutter Therapeutin ist und sie uns immer sehr viel über ihre Arbeit erzählt hat. Vielleicht ist es auch genau das, was mein Interesse so sehr weckt. Vielleicht, weil ich gelernt habe, dass hinter einer Fassade ein toller Mensch stecken kann, den man auf den ersten Hinblick nicht zu erkennen scheint.
Ihre glänzenden braunen Haare, ihre grauen Augen, die etwas ausstrahlen, was ich noch nicht zuordnen kann und wie sie ihre Augenbrauen leicht zusammenzieht, wenn sie verwirrt ist. Ja, es ist komisch, dass mir das so genau auffällt, weil ich sie erst seit zwei Wochen kenne. Aber Gefühle sind nunmal nicht zu beeinflussen und ich bin mir sicher, dass sie innerlich genau so wunderschön ist wie äußerlich, wenn man sie erstmal richtig kennenlernt.
"Alec?" Lya wedelt mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum.
"Ja, ich bin fertig mit meiner Aufgabe. Sorry, ich war in Gedanken." Klasse. Hoffentlich habe ich sie nicht die ganze Zeit angestarrt, wie ein Idiot.
"Gut, dann lass uns mal vergleichen." Nach einer halben Stunde sind wir mit den Aufgaben fertig.
"Denkst du, es hat geholfen, dass Jonah und Maddie gemeinsam arbeiten?", frage ich und schaue in die Richtung der beiden. Lya folgt meinem Blick und dreht sich dann wieder um.
Sie zuckt mit ihren Schultern. "Vermutlich. Wenigstens reden sie jetzt wieder miteinander."
"Stimmt. Die beiden passen gut zusammen, finde ich." Da ist wieder diese vielsagende Schwere in ihren Augen zu erkennen.
"Ja." Sie wendet sich ab und tut so, als würde sie nochmal unsere Aufgaben durchgehen, obwohl wir diese schon mehr als zweimal überarbeitet haben. Was ist nur los mit ihr? Letzte Woche war sie so anders und diese Woche ist wieder so abwesend mir gegenüber. Ob ich etwas falsches gesagt habe?
Am Ende der Stunde geben wir unsere Arbeiten bei Mrs Anderson ab und verlassen das Schulgebäude. Am Ende des Schhulhofes, kurz vor dem Schultor, kann ich Carter erkennen und steuere verwirrt auf ihn zu.
"Hey, kleiner Bruder", begrüßt er mich mit einem lässigen Lächeln..
"Hey. Sag mal, was machst du hier? Hast du keine Kurse oder so?", mustere ich ihn fragend.
"Nope, heute nicht. Und da dachte ich mir, heute kann ich euch einer guter Bruder sein und dich und Aurelia abholen."
"Okay, aber Aurelia müsste schon Zuhause sein, sie-"
"Tschüss Alec, bis Montag", ruft Jonah mir zu. Maddie und Lya winken mir zum Abschied, wobei Lyas Winken etwas zögerlich wirkt.
"Bis Montag", winke ich ihnen zurück.
"Sie hatte heute früher Schluss", beende ich meinen Satz.
Carters neugieriger Blick brennt förmlich schon auf mir. "Wer war das?" Und schon ist unsere kleine Schwester vergessen.
"Leute aus meinen Kursen", antworte ich kurz angebunden, weil ich mir noch nicht sicher bin, ob ich sie wirklich schon als Freunde bezeichnen kann.
"Cool. Warte, war die Blonde nicht die Kellnerin aus dem Eincafé letzte Woche?"
"Ja. Und der Junge neben ihr ist ihr Freund." Eine Halbwahrheit ist zwar trotzdem eine Lüge, aber das tut gerade nichts zur Sache.
"Verstehe. Wie auch immer, sollen wir los?"
"Ja...", stimme ich vernsichert zu und folge ihm zögerlich.
"Was ist denn, Alec? Es ist alles gut, ich wollte dir nur etwas gutes tun", sagt Carter locker.
"Ja, gut ich komme ja schon." Ein komisches Gefühl habe ich dennoch.
*
Zuhause angekommen, fällt mir sofort Zoes Auto auf. "Ich wusste nicht, dass sie wieder vorbeikommen wollte", stelle ich verwirrt fest und sehe das Auto an. Sie hat nichts davon erwähnt und das macht mich nervös. Zoe kommt nie unangekündigt vorbei, es sei denn, irgendwas war passiert. Und das hoffe ich nicht. Carter bemerkt meinen nachdenklichen Gesichtsausdruck, während er das Auto parkt und den Motor ausmacht.
"Es ist nichts passiert. Alles ist okay, mach dir keine Sorgen", sagt er in einem ruhigen Ton.
Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung und versuche seine Mimik zu analysieren. Er scheint auch nervös zu sein, das kann ich an seinen angespannten Gesichtszügen erkennen, die man eher selten zu sehen bekommt. Mein Bruder ist nämlich kein Mensch, der unsicher und nervös ist, sondern selbstbewusst und selbstsicher, sodass man ihm seine Zweifel kaum ansehen kann, aber als sein Bruder, der ihn schon sein ganzes Leben lang kennt, ist es nicht schwer, hinter seine Fassade zu blicken.
Wir steigen aus und betreten das Haus. "Wir sind im Wohnzimmer", ertönt Moms Stimme und wir folgen ihr. Am Wohnzimmertisch sitzen Mom, Aurelia und Zoe. Ein ungutes Gefühl macht sich in meinem Magen breit.
"Setzt euch. Wir haben auf euch gewartet", sagt Zoe und deute mit ihrer Hand auf die freien Stühle neben Mom und Aurelia. Wir nehmen Platz und schauen gespannt zu ihr.
"Also, direkt mal vorneweg möchte ich sagen, dass nichts schlimmes passiert ist und es allen gut geht."
Unser aller Erleichterung ist deutlich spürbar und die Luft im Raum ist sofort weniger angespannt als vorher.
"Gott sei Dank. Zoe, du hast uns einen riesen Schrecken eingejagt", sagt Mom erleichtert und legt eine Hand auf ihr Herz.
"Das wollte ich nicht, tut mir leid. Eigentlich wollte ich euch nur überraschen." In ihrem Blick sind leichte Schuldgefühle zu erkennen, die aber sofort wieder verschwinden und durch ein großes Lächeln ersetzt werden.
Gespannt schauen wir sie an und sie hebt ihre linke Hand in die Höhe neben ihr Gesicht.
"Oh mein Gott! OH MEIN GOTT!!! Herzlichen Glüchwunsch Zoe!", kreicht Aurelia immer lauter, springt auf und fällt unserer Schwester um den Hals.
"Zoe, das freut mich so sehr für dich.. Herzlichen Glückwunsch, Schatz." Auch Mom steht auf und umarmt sie.
"Mom, weinst du etwa?" Die beiden lösen sich wieder voneinander.
"Was? Nein. Ach, ich freue mich ja so sehr für dich", wiederholt sie und wischt sich mit ihrem Handrücken über die Augen.
Carter und ich tauschen Blicke aus. Ich bin ehrlich gesagt zu überwältigt, um irgendwas zu sagen. Trotzdem stehe ich auf und gehe ebenfalls zu Zoe. "Mein Gückwunsch, große Schwester."
"Danke, Alec." Sie schlingt ihre Arme um mich und zieht sich an mich. Das bringt mich zu lächeln. "Es freut mich, dass Oliver dich so glücklich macht, Zoe."
Als wir uns wieder losmachen, sieht sie zu Carter, der sich bisher noch gar nicht zu den Neuigkeiten geäußert hat. Ihre Miene ändert sich und das Lächeln ebbt ab.
"Was ist los, Carter? Freust du dich denn nicht für mich?", fragt sie enttäuscht.
Er zuckt mit den Schultern. "Na ja, wenn's dich glücklich macht, ist es doch toll. Hochzeiten sind ja nicht so mein Ding, wie du weißt." Ich weiß, dass es ihn Überwindung kostest, das zu sagen und Zoe weiß es zu schätzen.
"Ich weiß. Trotzdem danke." Ihr Lächeln gewinnt wieder an etwas mehr Stärke.
"Und jetzt erzählt uns alles. Wie und wo hat er es gemacht? Ich freue mich schon auf den Gesichtsaudruck deines Vaters." Mom und Aurelia reden aufgeregt durcheinander und ich setzte mich wieder neben Carter.
"Du freust dich nicht für sie, oder?", flüstere ich ihm zu.
"Nicht wirklich. Klar, sie glücklich zu sehen ist toll, aber ich bin auch etwas skeptisch. Ich hätte mir jemand anderes für sie gewünscht als Oliver, aber es ist nunmal, wie es ist." Ach ja, das ewige Problem zwischen Zoes Freunden und Carter, der sie alle auf irgendeine Weise nie ausstehen konnte.
"Aber hey, irgendjemand muss ja den Mann spielen, wenn Dad nicht da ist und da du noch jung bist, ist das wohl meine Aufgabe." Als ob er so viel älter wäre als ich. Nur zwei Jahre trennen uns voneinader, nicht zehn. Außerdem bezweifle ich, dass Dad so kühl reagiert hätte wie Oliver. Er mag ihn nämlich und mit seinen Töchtern ist er nie so streng wie mit Carter und mir.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top