❥ Chapter 1

Lyas POV

Dienstag, August

Hey Nick,
heute ist schon wieder ein Treffen mit der Selbsthilfegruppe, wie jeden Dienstag. Bisher war es ja noch relativ ertragbar, aber meine Eltern meinten, ich solle jetzt zusätzlich auch noch eine Einzeltherapie machen. Als ob das so viel bringen würde... Sie sind nämlich der Meinung, dass mir das eine nicht genügen würde. Was für ein Schwachsinn. Mal sehen, wie ich diesen Mist  überstehe.
Hoffentlich hast du es da, wo du bist, besser. 
Bis bald,
Lya

"Lyana? Kommst du?" Genervt rolle ich meine Augen. "Ja, einen Moment noch."

Dienstag, 15:30 Uhr. Der beschissenste Tag mit der beschissensten Zeit der ganzen Woche. Warum ich den Dienstag vermutlich mehr hasse als den Montag? Wegen meiner Selbsthilfegruppe. Ja, ich Lyana Healey, werde von meinen Eltern dazu gezwungen, mit fünf anderen Jugendlichen in einem Raum zu sitzen und über meine Probleme zu reden, die ich am liebsten einfach vergessen würde. Doch ein junger labiler Mensch, der viel durchmachen musste, sollte auch darüber reden und es nicht einfach unter den Teppich kehren sagt meine Mom immer wieder. Keine Ahnung, aus welchem Ratgeber sie das wieder hat, aber ich kann es nicht mehr hören.

"Lyana! Wir müssen jetzt wirklich los", ruft Mom erneut von unten, diesmal mit etwas Wut in ihrer Stimme. Jetzt muss ich aber wirklich los, bevor sie noch wütender wird. Wenn es um meine Therapie geht, wird sie sehr schnell ziemlich zickig.

Also klappe ich mein Buch zu und lege es zurück in die Schublade meines Nachtschränkchens, das neben meinem Bett steht. Ich nehme mein Handy, ziehe eine dünne Jacke an und gehe nach unten, wo meine Mutter bereits ungeduldig auf mich wartet.

"Da bist du ja endlich", sagt sie, doch ich gebe ihr darauf keine Antwort. Sie steht mit ihrer Handtasche und dem Schlüssel in der Hand bereits fertig neben der Treppe. Ungedlig klimpert sie mit dem Schlüssel und verdeutlicht mir somit, dass sie mal wieder von mir genervt ist, weil ich angeblich nicht rechtzeitig unten bin. Obwohl wir noch eine halbe Stunde Zeit haben, bis die Stunde beginnt.
Okay, ich mache das mit Absicht, aber ich habe ehrlich keine Lust auf diese blöde Gruppe. Aber das meinen Eltern zu sagen, ist wie einem Kind zu sagen, dass es nicht an den Schrank gehen soll. Man wird zwar angeschaut, aber ignoriert.

Schnell ziehe ich meine Schuhe an und gehe mit Mom zum Auto. Genervt schnalle ich mich an und starre während der ganzen Fahrt, die nicht länger als eine Viertelstunde ist, aus dem Fenster.
Als wir am Therapiezentrum ankommen, dass eigentlich nur ein Krankenhaus mit einer Station für Psychotherapie ist, sucht sie sich einen Parkpkatz und stellt den Motor ab.
Mom dreht sie sich zu mir und versucht in einem ruhigen Ton auf mich einzureden. Schon wieder. "Hör mal, Lyana. Du weißt, dass wir nur das Beste für dich wollen und..."

Ab diesen Moment schalte ich ab und höre nicht mehr zu. Ich kann es einfach nicht mehr. Es ist einfach jedens verdammte Mal das Gleiche. Nur das Beste für mich hier, wir wollen dir nur helfen da. Doch dann reißt sie mich aus meinen  Gedanken. "Hast du gehört?"

"Ja." Nein.

Sie schaut mich skeptisch an und wiederholt vermutlich noch einmal das, was sie mir vorher gesagt hat. "Vergiss nicht, wenn die Gruppe in einer Stunde zu Ende ist, warte bitte am Eingang auf mich. Ich muss noch etwas mit jemandem besprechen."

Ich weiß nicht, was sie mit wem auch immer besprechen möchte, aber das ist mir ehrlich gesagt auch egal. Ich will einfach nur die nächste Stunde hinter mich bringen und mich dann wieder in mein Zimmer verkriechen. Also nicke ich, schnalle mich ab und verlasse das Auto.

"Bis später."

"Ja, bis später", gebe ich zurück und lasse die Tür genervt hinter mir zufallen.

Das Wetter spiegelt meine Stimmung wider. Es ist bewölkt und ungewöhnlich kühl für einen Augusttag, weshalb ich froh bin, eine dünne Jacke angezogen zu haben.
Irgendwie scheint die Welt an diesem Tag genauso auch betrübt zu sein wie ich und das gefällt mir. So fühle ich mich etwas weniger allein.

Einen kurzen Moment noch bleibe ich draußen stehen und schaue mich um, bis mein Blick an dem Gebäude vor mir hängen bleibt. Schon ist das kleine Schmunzeln, welches sich in meinem Gesicht gebildet hat, verschwunden. Wieso? Das frage ich mich jedes verdammte Mal, wenn ich hierher komme. Jeden Dienstag, seit einigen Wochen und bisher habe ich noch keine Antwort darauf, die mir irgendwie hätte weiterhelfen können. Nichts hat sich seitdem geändert und wahrscheinlich wird sich auch nichts mehr ändern.

Kurz schließe ich die Augen, atme tief durch und gehe den steinernen Weg entlang zum Eingang.
Als ich gerade durch die Tür gehen möchte, höre ich, wie ein Auto gestartet wird und drehe mich um.
Wie immer hat Mom darauf gewartet, dass ich auch wirklich ins Gebäude gehe und nicht wieder daran vorbei. Seufzend drehe ich mich wieder zur Tür und betrete meinen neuen Hassort.

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