Nacht des Sterbens - Nacht des Lebens

Der Dolch auf ihrer linken Seite war zur Hälfte von ihrem Pullover verdeckt, ihre Haare waren vollkommen zerzaust und alles tat ihr weh, aber sie musste weiter gehen. So lange sie konnte, würde sie den Menschen, die sie brauchte, helfen.

Sie kam an dem Auto vorbei, das ihr und Nickolas das Leben gerettet hatte. Davor lag immer noch der Tihgna. Er bewegte sich nicht mehr. Langsam ging sie auf ihn zu. Sobald sie in seinem Sichtfeld war, fing er wieder an, zu zappeln. Er versuchte, vergebens, sich auf seine Beine zu stellen und ihr nachzulaufen. Er konnte nicht. Entweder war er so schwer vom Auto getroffen worden, dass er nicht mehr aufstehen konnte, oder er war einfach zu unkoordiniert. Sie hatte nicht die Absicht das herauszufinden. Zum Glück war genug Platz außen herum und so konnte sie mehr oder weniger gefahrlos an dem Drachen vorbei gehen. Er drehte seinen Kopf so weit mit, bis es nicht mehr ging.

Jedem anderen Tier oder Menschen hätte sie geholfen, aber für dieses Ungeheuer hatte sie keine Gnade übrig. Sie liefen durch die Straßen und töteten ihresgleichen. Keiner von ihnen ließ Gnade wallen und das würde sie auch nicht tun.

Sie fing wieder an, zu laufen. Je schneller sie wieder in der Stadt war, desto mehr Menschen würde sie retten können. Oder zumindest hoffte sie das. Sie hatte schon mehrere Straßen hinter sich gelassen, als sie auf den ersten Tihgna traf, der sie angriff. Er stand am anderen Ende der Straße, in die sie gerade eben eingebogen war. Er rannte auf sie zu.

Sie hatte nicht mehr genügend Kraft, zu kämpfen. Den Dolch würde sie nur im Notfall benutzen. Sie setzte mehr auf Tricks. Diese Tiere töteten blindlings alles, was mit Magie verbunden war. Sie achteten wenig auf ihre Umgebung. Das hatten ihr die letzteren Angriffe gezeigt.

Sie hatte bemerkt, dass sie direkt vor einer Straßenlaterne stand, als der Drache sie entdeckt hatte. Das wollte sie nutzen. Er kam immer näher und seine Zähne funkelten im orangenen Licht der Laterne. Wieder sah sie die roten Augen, nur dieses Mal konnte sie sich schnell genug davon losreißen, bevor sie eine solche Wirkung hatten, wie bei ihrem letzten Zusammentreffen mit einem dieser Art.

Der Tihgna war nur noch wenige Meter von ihr entfernt und brüllte plötzlich laut. Das Brüllen war so laut, dass sich Emila die Hände auf die Ohren pressen musste. Beinahe wäre sie deswegen nicht rechtzeitig genug weggesprungen. In letzter Sekunde merkte sie, wie knapp es bereits war und warf sich von der Laterne weg auf die Straße. Der Tihgna hatte keine Chance so früh zu reagieren und knallte direkt in den Pfosten. Er taumelte und sankt dann zu Boden.

Die Laterne hatte unter der Wucht des Aufpralls ganz schön leiden müssen. Sie war schief und fiel fast um, man konnte Kabel sehen und das Licht war auch ausgegangen.

Emila war mittlerweile wieder auf ihren Beinen und sah sich den Schaden kurz aus der Entfernung an. Sie hatte keine Ahnung, ob und wann der Tihgna wieder aufwachen würde, deswegen lief sie schnell weiter in Richtung Stadtmitte.

Sie kam an Häusern vorbei, bei denen die Türen und bei manchen sogar die Fenster eingedrückt oder zerschlagen waren. Sie wollte sich nicht ausmalen, wie es drinnen aussehen musste. Sie lief weiter.

Der Schaden, den die Drachen angerichtet hatten, war schon viel weiter ans Stadtende gekommen. Sie konnte nur hoffen, dass sie nicht zu früh entdeckt oder überrascht wurde. Bis jetzt hatte sie immer Glück gehabt, aber sie wollte nicht wissen, wie es weiter gehen würde.

Ihre Mutter sagte ihr immer wieder, wie stur sie war und nie an sich dachte. So würde sie es ihr auch dieses Mal sagen. Sie hätte die Chance dazu gehabt, zu fliehen, sich in Sicherheit zu bringen, aber sie hatte es nicht getan, weil sie anderen helfen wollte.

Bei der nächsten Straßenkreuzung bog sie links ab. Wenn sie geradeaus weitergelaufen wäre, wäre sie zu ihrer Familie gekommen. Aber sie konnte sie unmöglich in Gefahr bringen. Die Tihgna und Zhyqix würden sie irgendwann durch ihre Magie aufspüren. Zwar würden sie ihre Familie nicht angreifen, aber sie würden die Wohnung verwüsten und hätten keine Rücksicht auf unbeteiligte Opfer. Sie würden ihre Familie vielleicht nicht aktiv töten, aber Emila könnte es sich nie verzeihen, wenn einer wegen ihr verletzt oder sogar getötet werden würde.

Sie rannte den Weg zurück, den sie gekommen war. Allein war sie schneller, aber sie vermisste die kleine Hand, die sich an ihre geklammert hatte, obwohl sie wusste, dass es dort, wo Nickolas jetzt war, viel sicherer für ihn war.

Allmählich kam sie wieder in der Stadtmitte an. Sie konnte wieder Schreie und Gebrüll, Kreischen und Hilferufe hören. Und genau deswegen musste sie dort hin. Ihr waren einige Tihgna und Zhyqix auf ihrem Weg begegnet, aber glücklicherweise oder unglücklicherweise waren die alle gerade mit anderen Menschen beschäftigt, als dass sie ihr Aufmerksamkeit schenkten. Wenigstens hatte sie dadurch gelernt, dass sich die Drachen immer nur auf den Menschen fixierten, der gerade leichtere Beute für sie war. Das hatte sie bei dem Zhyqix am Stadtrand auch bemerkt.

Sie bog um die letzte Ecke vor dem Park und wollte ihren Augen nicht trauen. Es war noch viel mehr zerstört, als zu dem Zeitpunkt, an dem sie mit dem kleinen Jungen geflohen war. Die Häuser rund um den Park waren allesamt mindestens zur Hälfte zerstört, Feuer brannte in mehreren Häusern, aber keiner war da, um es zu löschen. Die meisten magischen Menschen mussten hier gewesen sein.

Das Gebäude, aus dem sie Nickolas gerettet hatte, war beinahe vollkommen zerstört, von der Glasfront war beinahe nichts mehr übrig und an mehreren Stellen brannte es. Sogar im Park daneben lagen Teile von Häusern. Tihgna und Zhyqix jagten hilflosen Menschen nach und alles war erfüllt von Schreien und Brüllen.

Emila wollte helfen, aber sie wusste nicht, wie. Da fiel ihr auf, dass auf der rechten Straßenseite alles voller Glassplitter war. Das musste der Glasgang sein, aus dem sie geflohen waren. Dort musste noch die Eisenstange liegen. Die hatte ihr schon einmal das Leben gerettet und bestimmt konnte sie sie noch einmal gebrauchen. Aber dafür würde sie zu den beiden Drachen zurück müssen. Sie wusste nicht, ob sie noch lebten, ob sie aufwachen würden und sie angreifen würden. Sie würde improvisieren müssen. Aber ihr Entschluss stand fest.

Sie vergewisserte sich, dass keines der Monster sie gesehen hatte und ging dann schnell zum Eingang des Ganges, der nur noch zu einem Viertel intakt war. So leise wie möglich öffnete sie die Tür und steckte vorsichtig ihren Kopf durch den Spalt. Sie konnte den Zhyqix sehen, der sich anscheinend keinen Millimeter bewegt hatte. Links daneben war die Glaswand durchgebrochen, so wie der komplette Gang dahinter, der eigentlich nicht mehr existierte. Auch im Hinterhof schien sich nichts bewegt zu haben. Direkt vor dem Schnabel des Zhyqix lag die Eisenstange.

Emila war immer noch überrascht, dass Nickolas so schnell gehandelt hatte. Wahrscheinlich war die Stange vom Dach des Ganges, das nicht aus Glas bestanden hatte, nach unten gefallen, als sich der Drache befreit hatte. Genauso wie die andere Dachplatte, die letztendlich den Tihgna erschlagen hatte.

Sie hatte keine Ahnung, ob ihre Anwesenheit sie wieder aufwecken würde, aber sie musste es riskieren. Leise öffnete sie die Tür so weit, dass sie hindurchschlüpfen konnte. Sie machte kleine Schritte und kam dem Tier immer näher. Erst jetzt erkannte sie, wie groß es eigentlich war. Würde es seinen Kopf nach vorne stoßen und mit dem Schnabel richtig zielen, hätte sie keine Chance. Sie war jetzt fast nah genug, um die Stange zu erreichen, sie brauchte nur noch zwei Meter.

Sie wurde immer langsamer und bückte sich schließlich, um danach zu greifen. Ihre Hand war nur noch Zentimeter davon entfernt. Ihre Augen hatte sie immer auf das Tier gerichtet, um jede noch so kleine Bewegung zu erkennen. Endlich berührten ihre Finger das eine Ende der Metallstange und schlossen sich langsam darum. So leise wie möglich hob sie sie hoch und rutsche dabei weiter zurück. Dennoch machte das Metall in ihren Händen ein leises klirrendes Geräusch, als sie es endgültig hochhob. Alarmiert sah sie um sich, aber nichts hatte sich bewegt.

Schnell rutschte sie weiter zurück und stellte sich wieder auf ihre zwei Beine. Schritt für Schritt ging sie rückwärts, ohne den Zhyqix oder den Haufen Metall im Hinterhof aus den Augen zu lassen. Endlich drehte sie sich um und ging zur Tür. Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises Grollen. Sie machte gar keinen Versuch, sich umzudrehen, sondern riss die Tür vor sich auf, rannte hinaus und ließ sie wieder hinter sich zuschlagen.

 Endlich war sie wieder auf der Straße. Sie wollte nicht mehr alleine sein und wenn das hieß, dass sie mit anderen um ihr Leben kämpfen musste. Aber sie würde überleben müssen, sie hatte es Nickolas versprochen.

Ihre Füße führten sie näher an das Geschehen heran. Drachen kamen ihr entgegen, aber sie wich den Attacken so gut wie möglich aus. Zhyqix flogen über ihren Kopf hinweg. Ein Tihgna, der gerade ein Kind angreifen wollte, wurde von ihr aufgehalten. Sie stellte sich direkt vor den Drachen und schlug ihm mit der Stange, die sie fest umklammert hielt, von unten gegen den Kiefer. Sie wusste nicht, woher sie auf einmal diese Kraft und Willensstärke hatte, aber sie konnte nicht länger mit ansehen, wie unschuldige Menschen starben. Sie hatten mit ihrer Magie seit Jahrhunderten nichts Schlechtes mehr getan und sie konnte das alles nicht an ihr vorbei ziehen lassen.

Es war als würde plötzlich alles wie in Zeitlupe ablaufen, als wäre sie in einer Seifenblase und würde alles wie durch einen Schleier wahrnehmen. Es fühlte sich surreal an, aber sie wollte nicht aufhören.

Sie hatte ein gutes Stück Weg in Richtung des Parks zurückgelegt und dabei mehrere Drachen davon abgehalten, Menschen zu töten. Auch wenn sie nur betäubt waren, war es für sie ein Erfolg. Diese Menschen konnten sich in Sicherheit bringen. Sie hatte vielen davon schnell beschrieben, wo sie hin mussten, um auch so wie sie und Nickolas in Sicherheit zu sein. Sie warnte sie, dass die Tihgna und Zhyqix ihre Magie spürten und sie sich nicht verstecken konnten. Lieber sollten sie davon laufen oder versuchen, sich irgendwie zu wehren. Sie hoffte inständig, dass die Drachen sie nicht verstehen konnten.

Sie rannte weiter und war mittlerweile am Eingang des Parks angekommen. Sie wollte sich gar nicht genauer umsehen, zu groß wären die Trauer und der Schreck für sie gewesen. Sie ging um einige dunkel gefärbte Stellen am Weg herum, die sie lieber als Wasserpfützen bezeichnet hätte, als das, was sie eigentlich waren.

Sie hörte ein Brüllen hinter sich und duckte sich gerade noch rechtzeitig, als ein Zhyqix über sie hinweg flog. Sie erzählte allen, die flohen, sie sollten sich auch ducken, wenn sie von so einem Tier angegriffen wurden.

Mit der Eisenstange, die ihr und anderen in den letzten Stunden so oft das Leben gerettet hatte, machte sie sich weiter auf den Weg. Glücklicherweise hatte sie den Dolch noch nicht benutzen müssen.

Mehrere Meter vor sich auf dem Boden sah sie ein Mädchen, das nicht viel älter sein konnte, wie sie selbst. Ein Zhyqix flog auf sie zu und da es schon am Boden war, würde es sich nicht ducken können. Der Zhyqix landete etwa einen Meter von ihr entfernt und Emila sah mit Horror, wie sie verzweifelt versuchte, zurück zu rutschen um ihm irgendwie zu entkommen. Doch den Drachen interessierte das wenig. Er kam immer näher. Emila kämpfte mit sich. Sie wusste, dass es zu spät war, um zu dem Mädchen zu laufen. Gerade hob der Zhyqix seinen Schnabel. Das Mädchen legte ihre Arme über ihr Gesicht und schrie. Es war eine Entscheidung von Sekunden.

Emila hob die Hand, in der sie die Eisenstange hielt, holte aus und warf sie mit aller Kraft in Richtung des Zhyqix. Sie war froh, dass das Mädchen die Augen geschlossen hatte, denn das Metall verfehlte sie nur um Haaresbreite. Sie hatte wirklich Glück gehabt. Die Stange traf den Drachen seitlich am Kopf und die Wucht musste groß genug gewesen sein, dass das Tier erst einmal zur Seite taumelte und dann zusammen sackte.

Sie hatte herausgefunden, dass die Köpfe dieser Tiere nicht die stabilsten waren. Schnell lief sie zu dem Mädchen und kniete sich neben sie. Sie beruhigte sie, sagte ihr, dass sie so schnell wie möglich zu einer der Schutzzonen gehen sollte, mitnehmen sollte, wen sie kannte und sagte ihr alles, was sie wissen musste. Sie half ihr auf und begleitet sie durch den Park nach draußen. Auf dem Weg dorthin warf sie sich und das Mädchen aus der Flugbahn eines Zhyqix und sagte ihr, sie sollte rennen. Sie sah noch, wie das Mädchen einen älteren Jungen an der Hand nahm und mit sich zerrte. Emila hoffte inständig, dass sie es schafften.

Als sie merkte, dass sie ihre nützlichste Waffe nicht mehr hatte, drehte sie sich um, um die Eisenstange wieder zu holen, musste aber mit Entsetzen feststellen, dass sie verschwunden war. Sie konnte nur hoffen, dass ein Mensch sie gefunden hatte und sich zu wehren wusste.

Sie war einen Moment lang so abgelenkt, dass sie den Tihgna, der auf sie zu rannte, erst im letzten Moment sah. Wie vom Blitz getroffen, sprang sie aus dem Weg. Zuerst dachte sie, der Tihgna würde umkehren, aber er hatte sich schnell sein nächstes Opfer ausgesucht. Sie hatte wirklich mehr Glück als Verstand.

Ein Brennen in ihrer Hand machte sie wieder darauf aufmerksam. Ihr Verband war noch immer da, aber allmählich verfärbte er sich rot. Sie hatte die Hand wahrscheinlich zu stark beansprucht. Jetzt konnte sie darauf keine Rücksicht nehmen. Sie rappelte sich wieder auf und machte weiter. Sie konnte zwar keine Drachen mehr bekämpfen, aber sie konnte immerhin noch Leute warnen und sie in Sicherheit schicken.

Gerade hatte sie wieder jemandem geholfen, als sie plötzlich mit voller Wucht zu Boden gestoßen wurde. Sie knallte am Boden auf. Ächzend drehte sie sich wieder auf den Rücken und hätte beinahe einen Herzinfarkt erlitten, als sie nur Zentimeter über sich einen Tihgna sah. Dieser zögerte nicht lange und öffnete schon sein Maul.

Jetzt war es so weit, dachte sie. Sie würde ihr Versprechen an Nickolas nicht halten können und das nur, weil sie so stur war und unbedingt jedem helfen wollte. Sie hörte noch ein tiefes Brüllen über sich, bevor sie die Augen schloss.

Eine Idee flammte plötzlich in ihrem Kopf auf. Sie zögerte nicht lange, um darüber nachzudenken, ob das ihre letzte sein würde, sondern griff mit ihrer Hand nach dem Dolch, der noch immer an ihrer Gürtelschlafe befestigt war. Sie zog ihn aus der Schutzkappe und stach blindlings nach oben. Nur Sekunden später hallte ein markerschütternder Schrei durch den Park.


Emila öffnete vor Schock die Augen und sah gerade noch, wie der Tihgna auf sie zu fiel. Geistesgegenwärtig zog sie den Dolch zurück und drehte sich auf ihren Bauch. Nicht einmal eine Sekunde später, spürte sie etwas dicht neben sich aufschlagen. Sie hatte die Augen geschlossen, atmete tief ein und aus und versuchte sich zu beriuhigen. Sie war dem Tod an diesem Abend schon so oft nur um Haaresbreite entkommen, es war schon fast ein Wunder.

Aber sie konnte nicht liegen bleiben. Irgendein anderes Monster würde sie finden. Sie sah zur Seite und erblickte den Tihgna, der sich nicht mehr bewegte, sie musste direkt sein Herz getroffen haben.

Sie stand wieder auf und versuchte sich zu orientieren. Der Park hatte sich etwas geleert. Viele Menschen waren anscheinend schon geflüchtet und nicht nur Menschen, sondern auch Tihgna und Zhyqix lagen auf den Wegen und in den Grünflächen. Es war ein grausamer Anblick. Emila drehte ihren Kopf weg, um nicht noch mehr sehen zu müssen und sah sich stattdessen nach Personen um, die ihre Hilfe brauchen könnten.

„Emila!", hörte sie plötzlich jemanden ihren Namen rufen. Sie drehte sich sofort in alle Richtungen, um zu sehen, wer dort war.

„Grace?", fragte sie, als sie ein Mädchen auf sie zulaufen sah. „Du lebst noch!"

„Du auch! Man bin ich froh!" Grace war eine von ihren guten Bekannten. Wenn sie so daran dachte, hatte sie eigentlich keine wirklichen Freunde. Sie hatte nicht viele, denen sie genauso vertraute, wie sie ihr. Sie und das Mädchen waren zusammen in einem Kurs, der sie lehrte, ihr Kräfte zu perfektionieren. Grace zog sie schnell in eine Umarmung.

„Was machst du hier?", fragte sie, als sie Emila wieder losgelassen hatte.

„Ich wollte helfen."

„Wieso wundert mich das nicht. Wie auch immer, wenn du es schaffst, sollst du um sechs Uhr morgens zum Santix-Treffpunkt kommen."

„Ist es so schlimm?" Grace nickte traurig. Dieser Treffpunkt war für extreme Notfälle von ihrem Kursleiter eingerichtet worden.

„Ich weiß nicht viel, aber wir verlassen die Stadt, bis sich alles beruhigt und sich die Lage geklärt hat. Die Zhyqix und Tihgna greifen ja keine normalen Menschen an, also sind die in Sicherheit."

„Ich hoffe es."

„Ich auch. Ich sehe dich später?", fragte sie noch, als sie schon am Gehen war.

„Hoffentlich."

„Pass auf dich auf." Und damit war auch sie wieder verschwunden.

Ab da verlief alles viel zu schnell. Emila konnte noch einigen Menschen helfen, bei anderen konnte sie nichts mehr tun. Sie wollte, dass das nie passiert war, aber so eine Gabe hatte keiner. Mithilfe ihres Dolchs konnte sie noch einige Drachen stoppen. Sie wollte gar nicht wissen, wie sie selbst aussah. Ihre Hand schmerzte immer mehr und sie hatte sich wahrscheinlich noch mehr Kratzer und Wunden zugezogen, aber darauf wollte sie nicht achten.

Sie sah sich um und sprang schnell nach vorne, um ein Kind aus dem Weg eines Zhyqix zu schubsen. Sie selbst warf sich flach auf den Boden. Wenig später sah sie, dass das Kind glücklich in die Arme seiner Mutter lief. Zusammen machten sich die zwei auf den Weg aus dem Park zu einer de Schutzzonen, die Emila ihnen gesagt hatte.

Der Park war beinahe leer und sie sah keinen Zweck mehr, dort zu bleiben. Sie sah zum Himmel, der sich allmählich wieder in ein helleres grau verfärbte. Es wurde wieder morgen. Bald würden sie, Grace und die anderen aus der Stadt fliehen.

Sie steckte den Dolch wieder zurück an seinen Platz und machte sich auf den Weg aus dem Park. Sie ging die Straßen entlang. Überall waren Spuren der vielen Kämpfe zu sehen. Eingerissene Wände an den Häusern, fehlende Türen, eingeschlagene Fenster. Im Zentrum der Stadt war das Ausmaß des Schadens am Größten, aber auch in den entfernteren Stadtvierteln waren die Spuren deutlich auszumachen.

Es war mehr oder weniger still geworden. Sie war auf einer kleinen Anhöhe angelangt. Von dort aus konnte sie etwas über die Stadt blicken. Sie sah in der Ferne Rauchwolken aufsteigen und nur noch vereinzelt waren Schreie zu hören. Die matten Farbtöne des neu anbrechenden Tages waren wie Ironie zu dem, was passiert war.

Emila ging die Straßen entlang, bis sie wieder vor ihrem Zuhause ankam. Einmal seit langem war sie froh, dass niemand anderes aus ihrer Familie oder ihrem Haus magisch war. Nichts dort war zerstört worden.

Sie stellte sich seitlich vor die Eingangstür unter einen Bogen aus Rosenranken. Sie wollte nicht wissen, wie sie aussah und sie wollte auch nicht ins Haus gehen. Zu groß war die Gefahr, die sie für ihre Familie darstellen würde.

Sie wartete nicht einmal fünf Minuten, als sie Schritte hörte. Sie kamen näher und bogen in die kleine Gasse zu ihrem Haus ab. Emila blieb regungslos stehen. Endlich sah sie ihre Mutter an sich vorbei gehen. Sie sah sie nicht. Kurz vor der Tür drehte sie sich doch um und sah ans Ende der Gasse. Sie sah aus, als würde sie jemandem suchen. Ihre große Tochter. Aber dort war sie nicht. Plötzlich nahm sie eine Gestalt rechts von ihr unter den Rosenranken wahr und sah hin.

„Emila!"

Es war, als wäre ihr ein Stein vom Herzen gefallen, als sie sah, dass ihre Tochter noch lebte. Sie hatte gesehen, was passiert war und hatte die ganze Nacht durch gebangt, dass sie ihr Kind lebendig wieder sehen würde. Ihre Tochter versuchte ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen zu bringen. Sie sah aus, als hätte sie viel durchgemacht, aber obwohl sie sich riesige Sorgen machte, wollte ihre Mutter sie nicht danach fragen. Sie kannte ihre Tochter in und auswendig. Sie wusste, was das Beste für sie war, aber sie wusste auch, dass sie mit dem Besten oft nicht Freundschaft schließen konnte.

Emila trat aus dem Garten zurück auf die Straße. Sie nickte ihrer Mutter einmal zu und sie verstand. Es war eine besondere Beziehung zwischen den beiden. Es war, als könnten sie sich ohne Worte verstehen. Emila drehte ihrer Mutter den Rücken zu, vergrub ihre Hände in ihren Taschen und machte sich langsam auf den Weg, weg von ihrem Zuhause. Sie drehte sich nicht um, sie wusste, dass das das Beste für sie alle war.

Sie war am Ende der kleinen Straße angekommen, als ihre Mutter ein Geräusch über sich hörte. Sie sah nach oben und erblickte ihre Familie, die aus den beiden Fenstern ihrer Wohnung sah.

„Werden wir sie wieder sehen?", fragte Nelly leise.

„Ich weiß es nicht", antwortete ihre Mutter und sah gerade noch, als Emila um die Ecke bog. „Sie ist stark, ich habe Vertrauen in sie. Irgendwann werden wir sie wieder sehen, ich weiß nur nicht, wann."


 Emila ging weiter auf den Straßen, die Hände in ihren Taschen, ihre Haare zerzaust, ihr Verband an vielen Stellen rot und ihre Haut mit mehreren Wunden durchschnitten. Aber sie sorgte sich nicht darum. Sie wusste, sie hatte Menschen retten können, sie wusste es würde irgendwann alles wieder gut werden. Sie würde das schaffen.

Endlich kam sie am Santix an. Dort standen einige Autos und ein Kleinbus, in den der Leiter ihres Kurses gerade seine Gitarre einlud. Egal, was war, ohne seine Gitarre ging er nirgendwo hin. Mehrere andere Personen standen dabei. Sie musste mit Schmerzen feststellen, dass anscheinend nicht alle überlebt hatten. Endlich kam sie dort an.

„Emila! Ich freue mich, dass es dir gut geht!", begrüßte sie der Leiter. Sie lächelte ein bisschen. „Mach dir keine Sorgen, alles wird gut werden." Dieser Mann war immer zuversichtlich. Immer.

Emila sah Grace und lächelte auch ihr zu. Sie erwiderte es. Ein paar Minuten später stiegen alle zusammen in den Kleinbus.

„Sie dürfen nicht wissen, dass wir magisch sind", begann der Lehrer, sobald alle sicher saßen. Niemand musste nachfragen, wen er mit „sie" meinte. „Wir müssen unsere Magie verstecken."

Das hatten sie schon öfters geübt, es ging nur, wenn sie zusammen waren und nur wenige beherrschten diese Art von Magie. Alle legten ihre Hände zusammen und verschränkten sie miteinander. Der Leiter musste deshalb nur mit einer Hand fahren. Sie konzentrierten sich darauf, ihre Magie zu tarnen und kurz darauf waren sie bereit.

Der Kleinbus fuhr langsam vom Platz und aus der Stadt heraus. Gerade als sie am Ortsschild vorbei fuhren, ging die Sonne auf. Sie tauchte alles in ihr warmes Licht und die angerichteten Schäden wurden nur noch deutlicher. Emila wusste nicht, wohin sie fuhren. Wahrscheinlich weiter weg. Egal, wohin, sie würde Nickolas suchen und ihn finden. Sie hatte es ihm versprochen.

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Also... was haltet ihr davon? Ich hab ja gesagt es wird kurz. Ein Kapitel, sozusagen als Abrundung, hab ich noch geschrieben, das lade ich noch hoch, aber die eigentliche Geschichte ist fertig. Lasst doch Votes und Kommis da, damit ich weiß, ob es euch gefallen hat :)

Eure

moontosun <3

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