XXXIII
Die restlichen Tage vergingen so schnell wie sie da waren.
Olivia hatte sich nicht gemeldet und ich war zu stolz um nachzugeben. Zumindest bei diesem Thema.
Ich war den Tag vor dem Vorstellungsgespräch und heute Morgen ein einziges Nervenbündel und hätte mich fast übergeben aber nachdem mir Xavier eine selbstgemachte 'Du schaffst das'-Karte geschenkt hatte, fühlte ich mich wie Superman.
Felipe hatte mich vor Bloomingdales abgesetzt bevor er selbst zur Arbeit gefahren war.
Ich wurde von der netten Dame die mich auch angerufen hatte begrüßt und zu Herrn Cooper geleitet, der wie sich herausstellte, ein ziemlich attraktiver und charmanter Typ war.
Ich hätte mit einem schwulen modebewussten Typen oder einem metrosexuellen hochnäsigen Pfosten gerechnet aber Herr Cooper war genau das Gegenteil.
Er war ungefähr 30, groß, blond und gut gebaut.
Und das tolle war, wir verstanden uns auf Anhieb prächtig.
Es war nicht erzwungen und auch nicht ganz so professionell, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Ich war umsonst so nervös gewesen.
"Also wann können Sie anfangen Ms. Troypes?", fragte er plötzlich als wir beide aufstanden um Hände zu schütteln.
"Wie bitte?", fragte ich schockiert während er meine Hand noch in seiner hielt.
"Wann Sie anfangen können? Wäre Montag schon gut? Dion könnte Sie einarbeiten", sprach er gleichgültig, wobei er mich anlächelte.
"Ich-ich bin eingestellt? So schnell? Ohne Wartezeit?", stammelte ich verwirrt.
"Ja, ich finde Sie passen hier sehr gut rein", antwortete er.
"Wow...okay...wow...ehm ja Montag ist perfekt. Um wie viel Uhr würde ich anfangen?", fragte ich perplex.
"Seien Sie um 08.00 Uhr hier. Wir öffnen zwar erst um 10.00 Uhr aber so können wir noch das Wichtigste besprechen", kam es von ihm.
"Okay. Vielen, vielen Dank. Ich werde da sein", versicherte ich ihm euphorisch.
"Das will ich auch hoffen", antwortete er und ließ meine Hand los.
Ich nickte lächelnd und verließ das Zimmer nach einer angemessenen Verabschiedung.
Ich konnte es immer noch nicht fassen.
Es war unglaublich, dass ich direkt nach einem einzigen Vorstellungsgespräch eingestellt wurde.
So etwas passierte so gut wie nie.
Freudestrahlend rief ich Felipe an um ihm die frohe Kunde mitzuteilen, jedoch ging er nicht ran also schrieb ich ihm einen Text und dasselbe machte ich bei Lillian, da sie um die Uhrzeit wahrscheinlich noch am Schlafen war.
Ich hatte so langsam mein Leben wirklich im Griff, es fehlte nur noch die Aussprache mit meiner Schwester. Also entschied ich mich in die Wohnung zu gehen. Es war mir egal, wenn sie noch nicht bereit war. Ich würde es ruhig angehen und sie nicht wieder anschreien, denn mir lag es wirklich am Herzen mit ihr Frieden zu schließen.
Immer noch gut gelaunt kam ich außer Atem an der Wohnungstür an. Man sollte meinen ich wäre die Treppen schon gewohnt aber daran würde ich mich nie gewöhnen, vor allem nicht, wenn ich sie hinaufrannte.
Mit dem Schlüssel sperrte ich die Tür auf und trat ein.
"Olivia?", rief ich in die Wohnung.
"Aufstehen. Wir haben noch etwas zu bereden", sprach ich und trat in unser altes Zimmer, sicher dass sie darin schlafen würde aber ich hatte mich getäuscht.
"Olivia?", fragte ich nochmal, doch es kam keine Antwort.
Vielleicht war sie Frühstück holen gegangen?
Sie war schon immer zu faul sich selbst etwas herzurichten.
Seufzend ließ ich mich auf die alte Couch im Wohnzimmer nieder bis mir ein Brief auffiel, welches auf dem Tisch lag.
Ein ungutes Gefühl stieg in mir auf und meine Hand fing an zu zittern als ich nachdem Blatt griff.
Olivias Handschrift zierte die Zeilen und ich atmete tief aus ehe ich anfing zu lesen.
Ich wusste, dass dieser Brief nichts Gutes zu bedeuten hatte.
'Hey Rena,
ich weiß nicht genau wann du wieder Heim kommen und diesen Brief finden wirst aber bis dahin habe ich die Stadt und die Staaten wahrscheinlich schon verlassen. Du fragtest wieso ich zurückgekommen bin und ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung.
Was habe ich hier schon verloren, wenn ich nicht den Mut hatte früher zu kommen?
Aber genau das ist der Grund, weshalb ich nicht früher gekommen bin. Mir fehlte der Mut.
Der Mut, wovon du so viel hast.
Du bist die tapferste Person die ich kenne. Du hast dich um mich gesorgt und um Mama. Du hast alles aufgegeben nur um für uns da zu sein. Du hast all das gemacht, wofür ich zu feige war.
Ich konnte nicht länger dableiben. Nicht länger zu sehen wie der Krebs ihr das Leben nahm, wie sehr der Schmerz von Vaters Abwesenheit sie auffraß, wie viel du aufgabst.
Es war leichter euch den Rücken zuzukehren und eine Zukunft weit weg von all dem Kummer anzufangen. Ich weiß, dass es egoistisch von mir war und ich weiß, dass auch dieser Brief egoistisch ist aber wie kann ich dir in die Augen sehen und dir, der mutigsten Person, gestehen, dass ich es nicht in mir habe?
Aber selbst in Australien wart ihr die einzigen in meinen Gedanken. Ich lebte in meiner Fantasiewelt. Hier konnte ich so tun als ob es euch gut ginge. Dass Mama wieder gesund wäre und du dein Studium abgeschlossen hättest.
Ich tat so als würde ich euch nicht fehlen, nur um mein schlechtes Gewissen zu unterdrücken und doch wusste ich, dass es nicht so war.
Als du mich zum ersten Mal angerufen hast, war ich schockiert, am Boden zerstört, denn meine Utopie zerbrach vor meinen Augen. Und als ich dann Mamas Stimme hörte und über ihre Lage wusste, ertrank ich förmlich an Selbsthass. All meine Züge waren durch meinen Egoismus geprägt. Natürlich hätte ich es wieder gut machen können und sofort in einen Flieger steigen können um ihre letzten Momente auf Erden mitzuerleben aber ich hatte das Gefühl, dass wenn ich sie sah, ihren Zustand sah, dass ich mich zu sehr hassen würde um weiterzuleben.
So kann ich mir ausmalen, wie sie friedlich ging. Ohne Schmerz und Leid.
Ich hoffe du vergibst mir irgendwann Lorena, denn nur so kann auch ich mir vergeben.
Und ich wünsche dir unglaublich viel Glück für den Rest deines Lebens.
Auch wenn du mir nicht vergeben solltest, ist das okay. Ich hoffe nur du kannst deinen Weg gehen und ich meinen und ich hoffe du weißt wie sehr ich dich und Mama liebe und immer werde.
In liebe
Olivia'
Tränen tropften unaufhörlich auf das Papier und verschmierten die Tinte.
Meine Hände zitterten und der Schmerz in meiner Brust erschwerte mir das Atmen.
Das Blatt rutsche aus meinen Fingern als ich endgültig zusammenbrach.
Die letzten Tage waren eine einzige Achterbahn aus Gefühlen gewesen und ich wusste nicht wie lange ich das noch aushalten würde.
Meine Sicht war verschwommen als ich auf die Nummer am Ende des Papiers sah.
Ohne groß darüber nachzudenken nahm ich mein Handy aus meiner Tasche und wählte die Nummer.
"Ihr gewünschter Gesprächspartner ist zurzeit leider nicht erreichbar, bitte versuchen Sie es später noch einmal oder hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton", ging die Mailbox dran und ich wartete bis ich das 'Piepen' hörte.
"H-hey Olivia... Rena hier..."
Ich atmete aus und schloss meine Augen bevor ich weitersprach.
"Ich liebe dich auch. Sehr sogar. Bitte ruf zurück, wenn du kannst."
Mit einem zitternden Atemzug legte ich auf und ließ mich auf meine Seite fallen.
Meine Augen starrten auf das Bild von meiner Mutter, welches an der Wand hing bis ich irgendwann in die warmen Arme des Schlafes willkommen wurde.
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