XXIX

Ich legte die Blumen nieder auf ihr Grab und für einen Moment fiel es mir schwer wieder aufzustehen, jedoch zwang ich mich genau das zu tun.
Ich schluckte als ich die Beschriftung ihres Grabsteins las, obwohl ich es seit zwei Wochen täglich getan hatte und genau wusste was darauf stand.
Victoria Troypes
1972-2012
Warme Tränen liefen meine Wange runter.
Ihr ganzes Leben hatte sich in diesem Bindestrich zwischen ihrer Geburt und ihrem Tod abgespielt und das alles wurde zu einem einzelnen Strich zusammengefasst, was zwei Daten verband.
Es war nicht fair. Zu früh hatte man sie aus dem Leben gerissen.
Aber dann stellte sich die Frage, was denn schon fair war?
Menschen verhungerten, Kinder, die noch nicht mal ein Viertel ihrer Lebenszeit erreicht hatten starben, Mütter konnten ihre verlorenen Babys nicht im Arm halten, Familien verloren ihre Väter im Krieg, Jungen, Mädchen, Frauen und gar Männer wurden durch Vergewaltiger ihres Lebenswillens beraubt.
Ich schätze das Leben war doch fair, denn irgendwie war es unfair für jeden.
Mein Blick wanderte zu Felipe der mehrere Meter von mir weg stand, um mir die nötige Privatsphäre zu geben.
Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinen Lippen als ich mir wieder zum Graben meiner Mutter wandte.
"Wenigstens hast du den Mann kennengelernt, den ich mal heiraten möchte", atmete ich leise aus und konnte mir fast schon vorstellen wie sie schelmisch grinste und sagte: "Endlich gibst du es zu, dachte schon dein Gehirn wurde stärker beschädigt als gedacht, nachdem ich dich ausversehen als Baby fallen gelassen hatte."
Jup, das war ihre Antwort auf so gut wie alles früher gewesen.
Ich steckte schweren Herzens meine Hände in meine Lederjacke und machte mich auf den Weg zu Felipe.
"Bist du soweit?", hakte er besorgt nach und ich nickte mit einem schwachen Lächeln.
Er erwiderte es bevor er meine Hand aus meiner Jackentasche zog und sie in seine nahm.
"Lass uns etwas essen gehen. Ich habe Hunger", sprach er und führte uns zu seinem Wagen.

Ich blickte schweigend aus dem Fenster bis mein Mund trocken wurde, mein Herz schneller gegen meinen Brustkorb schlug und in meinem Gehirn alles drunter und drüber lief.
Olivia?!
Doch bevor ich irgendwas sagen oder mich vergewissern konnte, dass es wirklich meine Schwester war, waren wir an ihr vorbeigefahren.
"Hey alles gut?", hakte Felipe mit gerunzelter Stirn nach und strich dabei über meinen Oberschenkel um mich zu beruhigen.
"Ja...", antwortete ich.
Amelie hatte Olivia am selben Tag noch, an dem Mama starb, angerufen und es ihr mitgeteilt.
Ich hatte mich geweigert mit ihr zu sprechen. Sie war bei mir unten durch, vor allem als sie keine Anstände machte zu ihrem Begräbnis zu kommen.
Ich wollte es zwar nicht zugeben aber in meinem Unterbewusstsein wollte ich sie so sehr sehen, dass mein Gehirn mir deswegen angefangen hatte Streiche zu spielen.

Beim Essen war ich zunächst leise.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen Felipe das zu sagen, welches mir seit ein paar Wochen immer mal wieder durch den Kopf ging aber die Vorstellung das Olivia hier sein könnte, benebelte meine Gedankengänge.
"Ich habe einen Vorschlag zu machen."
"Ich muss dir etwas sagen", fingen wir plötzlich beide gleichzeitig an.
Überrascht sahen wir uns in die Augen und obwohl es ziemlich lustig war, lachte keiner von uns beiden. Wir beide waren zu angespannt.
"Schieß los", sprachen wir wieder synchron.
"Nein, fang du an", sagten wir erneut gleichzeitig.
"Ich will, dass du bei mir einziehst", kam es zur gleichen Zeit von ihm in der ich, "Ich will nicht mehr bei dir arbeiten", sagte.
"Was?!", ertönten beide unserer Stimmen synchron.
Gosh, langsam wurde das nervig...
"Du willst, dass ich bei dir einziehe?!", fragte ich schockiert, um mich zu vergewissern, dass ich richtig gehört hatte.
"Ja. Und wieso zur Hölle willst du kündigen?!", schoss er zurück.
Oh Gott, diese Situation war eindeutig zu stressig für mich.
Ich rieb mir meine Schläfen und sah runter auf den Tisch.
"Lorena? Wieso?", hakte er nochmal ungeduldig nach.
"Weil es sich falsch anfühlt Geld dafür zu bekommen mit Xavier Zeit zu verbringen", antwortete ich und als er nichts dazu sagte fuhr ich fort.
"Ich sehe euch als Familie und ich will kein Geld für sowas. Natürlich werde ich versuchen Xavier weiter zu helfen aber weil ich es möchte und nicht, weil ich im Gegenzug dafür Geld bekomme."
Felipe nickte langsam.
"Ich verstehe und was willst du sonst machen?", hakte er ruhig nach.
"Zurück zu Bar oder etwas anderes...keine Ahnung. Aber jetzt mal zurück zu dem was du gesagt hast: Du willst zusammenziehen?!", wechselte ich das Thema auf seinen Vorschlag. Immer noch ungläubig, dass diese Wörter seinen Mund verlassen hatten.
"Ja was ist so schockierend daran? Du hast selbst gesagt, dass du uns als Familie siehst und ich habe es mit den Jungs abgesprochen, sie freuen sich auf dich", antwortete er verwirrt, wegen meiner Reaktion.
"Mag sein aber ist es nicht etwas zu früh? Oder lass es mich anders formulieren. Es ist zu früh. Wir sind gerade mal ein Monat zusammen", argumentierte ich.
"Na und? Das spielt doch keine Rolle. Ich weiß was ich will und das bist du. Also wieso sollte ich noch länger warten? Außerdem kennen wir uns schon länger."
Ich schüttelte stur meinen Kopf.
"Felipe, die meisten Leute die zusammenziehen, trennen sich genau aus diesem Grund", sprach ich.
"Wir sind aber nicht wie die meisten Leute und bevor ich mich von dir trenne, reiße ich mir lieber mein Arm aus", antwortete er amüsiert. Es fühlte sich wirklich so an als würde ich gegen eine Wand sprechen...
"Felipe...es ist noch zu früh und wer sagt denn, dass du nicht nach einer Zeit genug von mir hast?", versuchte ich rational zu bleiben, da Felipe es offensichtlich nicht war.
"Weil das auch passieren würde...", antwortete er augenrollend.
"Und falls du keine Lust mehr auf mich hast, hast du ein eigenes Zimmer und das Haus ist groß genug, so dass du mir aus dem Weg gehen kannst. Zu dem bin ich eh kaum daheim und wenn du auch einen anderen Job hast, hängen wir ja nicht ständig aneinander", versuchte er mich zu überzeugen.
"Ich weiß nicht...", antwortete ich unsicher.
"Ich sag ja nicht, dass du von heute auf morgen bei mir einziehen sollst, obwohl ich nicht mal dagegen abgeneigt wäre... aber überlege es dir einfach."
Ich seufzte und nickte nur.
Ich wusste bereits, dass ich eventuell irgendwann nachgeben würde, denn wenn dieser Mann sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann würde er nicht aufgeben bis er sein Ziel erreicht hatte.

Ich hab morgen meine Theorie Prüfung und ich bin so nervös, weil ich mich mega unvorbereitet fühle 😖

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