XVIII
Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zugemacht.
Ich hätte ihn im Auto nicht ignorieren sollen, ich hätte ihm antworten sollen. Vielleicht hätten wir die Sache geklärt und er hätte seine Position erklären können. Ich hasste es zu streiten. Egal mit wem, aber mit Felipe war es ein ganz anderes Thema.
Ich hatte aus unerklärlichen Gründen ein schlechtes Gewissen und hätte am liebsten geweint.
Müde trank ich meinen Kaffee, zog mich an, putzte meine Zähne und kämmte durch meine leblosen Haare.
Danach machte ich mich daran mich durch die ganzen Rechnungen zu arbeiten.
Ich schluckte als ich die Krankenhausrechnung sah.
Zwar verdiente ich dank Felipe sehr viel mehr aber im Endeffekt reichte das Geld nur knapp aus.
Ich öffnete das Kuvert und scannte die Summe, die ich bezahlen musste.
Mein Hals schnürte sich zu.
Was würde ich nur dafür geben wieder ein Kind zu sein. Sorglos zu sein.
Ich sah auf mein Handy.
06.32 Uhr.
Erschöpft rieb ich über meine Augen.
Ich nahm mir vor, dass ich zur Bank gehen würde, um das Geld zu überweisen bevor ich meine Mutter besuchte, doch davor legte ich mich auf die Couch, schaltete den Fernseher an und versuchte mich für wenigstens eine Stunde von dem Scheißhaufen, das ich Leben nannte, abzulenken.
Ich wusste nicht wie aber irgendwann war ich eingeschlafen und mein klingendes Handy hatte mich geweckt.
"Ja?", nuschelte ich ins Telefon.
"Hey Babe", grüßte mich Lillian fröhlich und automatisch zuckten meine Mundwinkel nach oben.
Es war eine gefühlte Ewigkeit her in der wir geredet hatten.
"Na alles klar im BH?", fragte sie nach, weshalb ich aufseufzte.
"Also nein. Gut, wir treffen uns heute Abend um acht in der Bar und dann kannst du dir die Sorgen vom Leib labern während wir uns besaufen. Tüdelü Sugarbabe", redete sie unglaublich schnell und legte auf bevor ich registrieren konnte, dass wir gerade etwas ausgemacht hatten.
Okay, wieso nicht. Lillian war eine willkommene Ablenkung und ich hatte das gestörte Mädchen vermisst.
Ich lief zur Bank erledigte die Überweisungen und musste mich beherrschen beim Anblick meines Kontostands nicht zu kotzen.
Es war schon immer so, dass mir regelrecht übel wurde, wenn ich zu gestresst war. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen und ich spürte ein Stechen an den Rippen.
Seufzend verließ ich die Bank und machte mich auf den Weg zur U-Bahn-Station.
Ich konnte es kaum abwarten meine Sorgen in Litern von Alkohol zu ertränken.
"Hey Mum", grüßte ich meine Mutter und zwang dabei ein Lächeln auf meine Lippen.
"Hey", gab sie so sanft von sich, dass ich sie fast nicht gehört hatte.
"Ist Felipe heute nicht bei dir?", war die erste Frage die sie stellte.
Ich schüttelte nur meinen Kopf und schluckte.
"Ich öffne mal das Fenster. Ist ziemlich stickig hier", teilte ich ihr mit und öffnete es daraufhin.
Wir schwiegen als ich mich auf den Stuhl, neben ihrem Bett setzte.
Ihre Haut wurde mit jedem Mal bleicher und man konnte die blauen Adern durchstechen sehen.
Sie trug ein geblümtes Tuch auf ihrem kahlen Kopf. Ihre Augen waren geschlossen als ihre Atmung immer ruhiger wurde.
"Ich bin müde, Rena. So, so müde", atmete sie zart aus.
Es schien als würde ihre Lebenskraft mit jedem Tag nachlassen und Tränen sammelten sich in meinen Augen.
Ich nahm ihre fragile Hand in meine und küsste ihre Knöchel während mir warme Tränen die Wange runterrollten.
"Ich liebe dich Mama", hauchte ich mit bebender Stimme an ihre Hand.
Ihre Mundwinkel zuckten schwach nach oben.
"Ich dich auch Rena", antwortete sie bevor sie langsam einschlief.
Die Sekunden wurden zu Minuten und die Minuten zu Stunden in denen ich einfach nur da saß und in die Leere starrte.
Gegen 17.00 Uhr verließ ich die Klinik.
Ich checkte zum tausendsten Mal mein Handy doch Felipe hatte sich nicht gemeldet.
Traurig steckte ich es in meine Tasche und lief über den Parkplatz.
Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah ich zurück und mein Blick kreuzte sich mit dem eines Mannes, den ich zuvor noch nie gesehen hatte.
Er stand an einem schwarzen Auto und starrte mich direkt an. Im Wagen saßen zwei weitere Männer die mich ebenfalls beäugten.
Ich schluckte, drehte mich weg und eilte schnell davon, wobei sich ein ungutes Gefühl in meinem ganzen Körper ausbreitete und ein Schauer meinen Rücken durchlief.
Ich redete mir ein, dass es nur irgendwelche Perverslinge waren, die nur zufällig da waren.
Doch ich konnte keinen rationalen Gedanken fassen. Wie sie mich angesehen hatten, war einfach nur Gänsehauterregend.
Daheim, duschte ich mich, aß etwas Nudelsuppe und machte mich fertig. Ich trug sogar etwas Schminke auf, was ich seit Monaten nicht mehr gemacht hatte.
Meine Paranoia hatte aber immer noch nicht nachgelassen, weshalb ich mir ein Taxi bestellte statt zur Bar zu laufen.
Ich hoffte darauf Richard, meinen Ex-Boss, nicht sehen zu müssen, da es nämlich ein unangenehmes Gespräch werden würde. Vor allem wenn Lillian ihren Mund aufmachte.
"Hey Owen", begrüßte ich ihn als ich die Bar betrat.
Es war nicht viel los, da es Mittwoch war.
"Oho was für eine Ehre, dass du dich mal wieder hier hin verirrt hast", grüßte er mich amüsiert zurück.
"Ich weiß, ich weiß. Brauchst dich aber nicht zu verbeugen", spielte ich mit und entledigte mich meiner Jacke.
"Sehr Aufmerksam. Mein Rücken bringt mich nämlich um. Also was darf's sein?", hakte er lächelnd nach.
"Zwei Malibu Kirsch", sprach ich, weshalb er seine Augenbraue hochzog.
"Ist nicht beides für mich. Eine Freundin kommt gleich", erläuterte ich sofort.
"Na dann. Kommt sofort."
Gerade als er mit den zwei Drinks fertig wurde, trat Lillian in einem pinken Faux-Fur Mantel in die Bar.
Ein Lächeln zog sich über meine Lippen. Sie war schon immer so extra.
"Hey Love", grüßte sie mich herzlich und zog mich in eine feste Umarmung.
"Hey", sprach ich an ihre Brust.
"Damn. Neue Brüste?", hakte ich nach als sie mich losgelassen hatte.
"Yes Bitch. Ab jetzt heiße ich Lilly - Miss Double-D", antwortete sie grinsend und fasste sich stolz an ihre Brüste.
Ich fing an zu lachen und schüttelte meinen Kopf.
Glücklich setzte sie sich neben mich und zog ihren Mantel aus.
"Darling hängst du bitte meine Jacke auf", forderte sie Owen auf und reichte ihre Jacke über die Bar.
Owen atmete genervt aus und sah mich mit einem 'Wieso zur Hölle bist du mit ihr befreundet?'- Blick an.
Ich zuckte nur mit den Schultern ehe ich mich an Lillian wandte.
Sie nippte an ihrem Getränk.
"Und was gibt's neues?", hakte ich nach.
"Eine neue Prada und meine ersten Louboutins", sprach sie grinsend, weshalb ich auflachte.
"Gönn dir", antwortete ich und freute mich für sie, dass ihr Leben nun so gut lief.
"Bei dir?", kam die Gegenfrage, weswegen ich erst mal einen großen Schluck nahm.
"Mum ist im Krankenhaus aber ich habe einen neuen Job", sagte ich grob.
"Oh nein... Lorena...das tut mir so leid", kam es ehrlich traurig von ihr als sie mich in den Arm zog.
Ein Kloß breitete sich in meinem Hals aus als ich mich zwang nicht zu weinen.
Sie strich mir sanft über den Rücken bis sie sich schließlich wieder von mir trennte.
"Aber neuer Job, huh? Das ist doch gut. Wo arbeitest du jetzt?", wechselte sie zum Glück das Thema.
"Ehm..."
Aus irgendeinem Grund wurde ich rot als ich an Felipe dachte.
"Du weißt doch, der Typ der dich immer gekorbt hat oder?", fing ich an.
Lillian zog ihre Augenbrauen hoch bevor sie anfing zu lachen.
"Bitch welcher? Ich wurde so oft gekorbt, dass mich Michael Jordan letztens gefragt hat, ob ich ein Ersatz- Basketballkorb im nächsten Spiel sein wollen würde", kam es belustigt von ihr.
"Der Typ der mit dem Armani Anzug in die Bar gekommen ist. Südländisch, groß, dunkle Haare, braune Augen, Bart, böser Blick, hat immer Whiskey bestellt", beschrieb ich Felipe als sich Lillians Augen weiteten.
"Nein!", kreischte sie schon fast bevor sie mich wie wild an meiner Schulter rüttelte.
"Sag mir bitte, dass er seinen Schwanz in dich gesteckt hat!", sprach sie so laut, dass sich ein paar der wenigen Gäste zu uns drehten.
"Lillian!", quiekte ich peinlich berührt.
"Nein! Nein hat er nicht. Das zwischen uns ist rein geschäftlich!", antwortete ich ihr.
Genau rein geschäftlich...weil ja jeder mit seinem Arbeitsgeber kuschelt und flirtet...
"My ass Alter. Und jetzt erzähl, was genau machst du da? Bist du seine sexy Assistentin? Ist zwischen euch eine sexuelle Spannung und ihr wollt euch am liebsten die Klamotten vom Leib reißen?!", bombardierte sie mich mit vulgären Fragen.
Natürlich wollte ich ihm am liebsten die Klamotten vom Leib reißen, aber das würde ich nicht zugeben.
Ich fing also an Lillian alles zu erklären, wobei ich paar Details ausließ.
Gegen halb zwölf nachts, hatte ich so viel getrunken, dass ich kaum noch aufrecht sitzen konnte und über jede Kleinigkeit lachte.
"Oh oh", flüsterte Lillian auf einmal bevor sie ein Feuerwehrauto imitierte.
"Mister Hot-Shit is in daaa house!", grölte sie.
Lachend wandte ich meinen Blick zur Bartür, was aber sofort verging.
Mir blieb die Luft weg als Felipe direkt auf mich zulief.
Er sah unglaublich angepisst aus.
Oh oh.
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