XLI

Wir alle, bis auf Felipe, saßen am Esstisch und probierten von Xaviers französischer Zwiebelsuppe. Er hatte heute extra gekocht, da ich beim Arbeiten war und er mir diese Last abnehmen wollte. Das Mädchen, welches ihn später mal heiraten würde, hatte unglaublich viel Glück, denn so einen wie Xavier fand man nicht oft.
"Schmeckt köstlich", lobte ich ihn nachdem ich einen Löffel probiert hatte, woraufhin er mir ein süßes Lächeln schenkte.
"Mhmm", kommentierte auch Alec, der nebenbei an seinem Handy tippte.
"Alec Handy weg. Wie oft muss ich sagen, dass keine Mobiltelefon am Esstisch erlaubt sind?", schimpfte ich ihn nicht all zu streng.
"Noch einhundert Mal bis ich es kapiere?", antwortete er schmunzelnd und ich schüttelte gespielt genervt meinen Kopf. Schließlich legte er sein Handy weg und konzentrierte sich auf das Essen.
"Und Jay? Wie gefällt es dir Privatunterricht zu haben?", fuhr ich mit dem Gespräch fort, weil von den Jungs heute nichts kam. Nicht mal Caleb ließ seine Kommentare ab. Aber zu seiner Verteidigung: Er war müde, weil ich ihn gezwungen hatte sein ganzes Zimmer aufzuräumen. Er dachte, dass ich nicht darauf kommen würde, wenn er alles einfach in seinen Schrank warf, aber ich war darauf gekommen und er durfte deswegen auch seine Klamotten nochmal ordentlich zusammenlegen und alte Sachen aussortieren.
Jup, ich würde später einmal die perfekte Mutter abgeben.
"Es ist definitiv cooler als in die Schule zu gehen", kam es schulterzuckend von Jay.
"Bist du krank? Ich würde viel lieber in eine Schule gehen. Da sind wenigstens Mädchen", mischte sich Alec ins Gespräch.
"Nein würdest du nicht. Staatliche High-Schools sind das beschissenste überhaupt und Mädchen können wir auch so kennenlernen", antwortete Jay ihm. Das hieß wohl, dass ich aus dem Gespräch war...
"Ja genau, weil wir so oft raus gehen. Erst Privatunterricht, dann Training und in Bars können wir noch nicht, da uns Felipe köpfen würde", beklagte sich Alec.
"Und weil ihr nicht reinkommen würdet, da ihr noch zu jung seid", warf ich ein. Und...ich war doch nicht ganz aus dem Gespräch.
"Es gibt sowas wie gefälschte Ausweise", argumentierte Alec, weshalb ich meine Augenbrauen hochzog.
"Hast du etwa einen?", hakte ich nach.
"Nein", gab er schnell von sich. Etwas zu schnell...
Gerade als ich darauf zu sprechen kommen wollte, hörten wir Felipes Eintreten.
"Bin Daheim", rief er ins Haus und sofort schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen.
"Küche", rief ich glücklich zurück.
"Hallo Familie", grüßte er uns müde als er eintrat und mir einen Kuss auf die Stirn drückte.
Caleb, Jay und Alec grüßten ihn zurück während Xavier und ich ihm nur ein Lächeln schenkten.
"Und wie war dein Tag?", fragte ich ihn während er sich Suppe in seinen Teller tat.
"Anstrengend, deiner?", kam es knapp von ihm zurück.
"Anstrengend aber gut. Ryan und ich haben heute zum ersten Mal Bubble Tea probiert und außer, dass ich mich verschluckt habe und dabei fast gestorben wäre, war es lecker", antwortete ich lächelnd. Er wollte gerade den Löffel zu seinem Mund führen als er mitten in der Bewegung hielt.
"Wer ist Ryan?", hakte er dann verwirrt nach.
"Herr Cooper", antwortete ich. Ich hatte ganz vergessen, dass Felipe ihn nicht bei seinem Vornamen kannte.
"Und wieso nennst du ihn Ryan?", fragte er und ab da verging mir mein Lächeln und ich sah ihn stattdessen, wegen seines Tonfalls, perplex an.
"Seit Samstag?", beantwortete ich die Frage.
"Ist da was vorgefallen oder wieso bist du plötzlich mit ihm auf Vornamen-Basis?", fragte er weiter und sein bissiger Ton gefiel mir gar nicht.
"Ist bei dir was vorgefallen oder wieso bist du plötzlich so zickig?", konterte ich herausfordernd. So ließ ich nicht mit mir reden. Seine Stimme klang voller Vorwürfe und ich verstand nicht warum. Eifersucht hin oder her.
"Nein alles war bis jetzt blendend bis ich erfahren habe, dass meine Freundin ihrem Boss so nah steht", antwortete er mit gespielter Gleichgültigkeit, weshalb ich ironisch auflachte.
Die Jungs sahen dabei nur unbehaglich auf ihre Teller und schwiegen, weswegen ich ein schlechtes Gewissen bekam. Es war nicht richtig vor ihnen zu streiten.
"Vielleicht sollten wir das nach dem Essen besprechen. Solange kannst du ja nochmal überdenken, was du mir hier indirekt vorwirfst", beendete ich die Diskussion in einem kalten Ton und nahm ein Schluck von meinem Wasser. Felipe legte seinen Löffel auf den Tisch und sah mich dann abwartend an.
"Ich bin fertig, dann lass es uns mal besprechen", gab er stur von sich und ich schüttelte nur angepisst meinen Kopf.
"Du willst es wirklich vor den Jungs bereden?" hakte ich mit hochgezogenen Augenbrauen nach.
"Jungs nach oben", sagte er daraufhin und die vier machten gerade Anstände aufzustehen als ich mich einmischte.
"Jungs sitzen bleiben."
Nun sahen sie uns verwirrt an, nicht wissend, was sie tun sollten.
"Lass sie essen. Wir beide gehen hoch", gab ich von mir und stand auf.
Felipe folgte mir schweigend die Treppen hoch, jedoch konnte ich seinen hitzigen Blick meinen Hinterkopf durchbohren spüren.
Als wir im Zimmer waren schloss er hinter uns die Tür während ich ihn mit verschränkten Armen musterte.
"Was zur Hölle ist los mit dir?", fragte ich und bemühte mich dabei nicht zu laut zu werden.
"Gar nichts. Die Frage ist eher was mit dir und Ryan los ist", sprach er bitter.
"Wirfst du mir vor, dass ich dich betrügen würde?", ging ich nochmal sicher, ob ich seine Absicht richtig verstanden hatte.
"Nein. Ich werfe dir gar nichts vor. Ich lege nur meine Befürchtung dar, dass da eventuell später mal was laufen könnte", kam es provokativ ruhig von ihm zurück. Ich sah wütend auf die Decke und atmete tief aus.
"Diese Unterredung, die wir gerade führen, ist mehr als nur lächerlich. Entschuldigung, dass ich ein gutes Verhältnis zu meinem Chef habe und ich auch männliche Freunde haben kann", sagte ich bereits erschöpft von diesem unnötigen Streit.
"Ich habe nichts gegen männliche Freunde solange ich weiß, dass sie nichts von meiner Freundin wollen! Aber dieser scheiß Bastard ist mir nicht geheuer, verstanden?!", wurde er nun lauter und ich bemühte mich nicht zusammenzuzucken. Das war das erste Mal, dass Felipe laut mit mir geworden war und obwohl er noch nicht mal richtig am Brüllen war, wirkte er mehr als nur einschüchternd.
"Du vertraust mir somit also auch nicht. Sonst würde das nämlich kein Thema sein", stellte ich mit fester Stimme klar.
"Das hat nichts damit zu tun, dass ich dir nicht vertraue. Ich vertraue ihm nicht!", schoss es aus ihm, wobei er kurz darauf versuchte sich zu beruhigen. Ich konnte ihm daraufhin nur ein enttäuschtes Lächeln schenken.
"Ich bin zu müde für das hier. Gute Nacht Felipe", gab ich zuletzt von mir bevor ich aus dem Raum lief und in mein eigenes Zimmer ging. Niemals hätte ich gedacht, dass ich den Raum nutzen würde aber siehe da, es erwies sich doch als praktisch. Ich sperrte die Tür zu und setzte mich niedergeschlagen auf das Bett. Und kaum war ich allein bildeten sich Tränen in meinen Augen. Ich hasste es zu streiten.
Vor allem mit Felipe. Dies war unser erster richtiger Streit und lasst mich euch sagen, es fühlte sich mehr als nur beschissen an.

Irgendwann im Laufe der Zeit klopfte es an der Tür. Ich hatte das Zimmer seit dem Streit nicht mehr verlassen.
"Ehm Alec und Xavier hier...ist alles gut bei dir?", sprach Alec an die Tür als von mir nichts kam.
"Ja danke, bin nur grad am einschlafen", log ich in die Dunkelheit.
"Okay, wir gehen auch schlafen. Wollten nur kurz nach dir sehen. Gute Nacht", antwortete er unsicher.
"Gute Nacht ihr beiden", sprach ich mit einem traurigen Lächeln.

Es war schon fast Mitternacht als ich noch immer hellwach auf dem Bett saß und in den dunklen Raum starrte. Ich konnte nicht schlafen und ich wusste, dass man nicht wütend aufeinander ins Bett gehen sollte. Man wusste nie, was der nächste Tag so mit sich brachte.
Ich musste die Sache einfach klären, sonst würde ich keine Ruhe bekommen. Also stand ich auf und lief leise an die Tür, die ich zaghaft aufsperrte. Etwas zögerlich lief ich den Gang entlang. Ich wollte das Licht nicht anschalten, um die anderen nicht zu stören und außerdem hatte ich keine Lust geblendet zu werden. Auf dem halben Weg erkannte ich eine Statur, die ich sofort Felipe zuordnen konnte.
"Hi", flüsterte ich als er näher zu mir kam.
"Hi", kam es von ihm zurück.
"Ich konnte nicht einschlafen", sagte er, wobei ich vergeblich versuchte seine Mimik zu erkennen.
"Geht mir genauso", antwortete ich leise.
"Ich...ehm können wir reden? Ich kann ansonsten kein Auge zu machen", sprach er mit Reue in seiner Stimme, weshalb sich mein Herz zusammenzog.
"Lass ins Zimmer", stimmte ich zu und folgte ihm in unser gemeinsames Schlafzimmer, wo er das Licht anschaltete und ich dann doch geblendet wurde.
"Sorry aber ich will dich ansehen können, wenn ich mich entschuldige", gab er von sich und schloss hinter mir die Tür. Er setzte sich auf das Bett und nickte auf den Platz neben sich, wo ich mich dann hinsetzte. Er seufzte erschöpft bevor er anfing zu reden.
"Es tut mir leid, wie ich heute reagiert habe und wie ich mit dir umgegangen bin. Es war respektlos und ehrlich gesagt war ich nicht mal wirklich sauer auf dich. Heute in der Arbeit war leider nicht alles so blendend wie ich gesagt habe. Ich war bereits schlecht gelaunt als ich Nachhause gekommen bin und als die Sache mit deinem Boss aufgekommen ist, habe ich meine Wut an dir ausgelassen, was falsch war."
Ich wollte gerade etwas dazu sagen als er weitersprach.
"Natürlich vertraue ich dir und ich würde niemals von dir erwarten, dass du mich betrügst. Du bist nicht so ein Mensch und ich wäre nicht mit dir zusammen, wenn ich so über dich denken würde. Es ist nur so...okay, ich bin eifersüchtig, dass du so gut mit deinem Chef bist aber nicht, weil ich denke, dass von dir aus was laufen würde, sondern, weil ich mir vorstellen kann was er für Gedanken über dich hat. Ich mein sieh dich an...aber wie auch immer. Ich habe überreagiert und von mir aus kannst du mit ihm befreundet sein, da ich weiß, dass du mich niemals hintergehen würdest und du intelligent genug bist, um auf dich selbst Acht zu geben", beendete er seinen Monolog. Die Reue war ihm ins Gesicht geschrieben und er blickte dabei traurig auf seine Hände, die ich kurz darauf in meine nahm. Ich platzierte einen kleinen Kuss auf seinem Knöcheln und lächelte ihn dann an.
"Ist schon gut und jetzt sag mir, was in der Arbeit vorgefallen ist. Du weißt, dass ich immer für dich da bin und ich will nicht, dass du all deine Sorgen in dich reinkehrst", antwortete ich bevor ich ihm über seine Wange strich und ihn küsste. Er atmete erleichtert aus.
"Ich liebe dich", kam es von ihm.
"Dito und jetzt schieß los. Ich, dein persönlicher Kummerkasten, stehe dir zu Diensten", versuchte ich die Stimmung zu lockern und es funktionierte. Er schenkte mir ein kleines Lächeln.
"Ein, wie ich dachte, Freund von mir und gleichzeitig Angestellter hat mich verraten und ist zu der Konkurrenz übergelaufen. Ich will nicht wissen, was er ihnen für Informationen bereitstellt...", erzählte er gestresst und fuhr sich dabei mit seiner Hand über sein Gesicht.
"Ich mein, ich habe ihn aufgenommen und ihm alles beigebracht, was er wissen muss und das ist der Dank. Verrat."
Jetzt konnte ich seine Reaktion von vorhin besser nachvollziehen. Ich umarmte ihn seitlich und spürte wie sich sein Körper in meiner Berührung entspannte.
"Es ist nicht dein Fehler, dass er sich als ein schlechter Mensch entpuppt hat. Das gehört zum Leben dazu. Man trifft eben hier und da mal auf solche Personen. Du solltest froh sein so jemanden los zu sein und wenn du willst kümmere ich mich um den Idioten und schlitz ihm die Kehle auf", gab ich von mir, weshalb er auflachte.
"Ich würde niemals wollen, dass du deine Hände in Blut tränkst", sprach er dann wieder ernst bevor er mir einen Kuss auf meine Schläfe gab.
"Für dich würde ich es sogar machen", gab ich ehrlich zu, was mich selbst schockierte. Sowas hätte ich früher nur für meine Mutter oder meine Schwester gemacht aber so wie es jetzt stand, würde ich für diese Familie mein Leben geben oder eines nehmen.
"Lass uns hoffen, dass es niemals soweit kommt", atmete er aus und zog mich enger zu sich.
Somit gehörte der Streit der Vergangenheit an und irgendwie fühlte ich mich ihm dadurch verbundener.

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