III

"Noch einen", kam es von Vincenzo, der die ganze Nacht der Wand vor sich finstere Blicke zugeworfen hatte.
"Ich denke das reicht für heute", antwortete ich ihm unsicher und hoffte darauf, dass er nicht ausrastete.
Er hatte sich ein Glas nach dem anderen gekippt und ich wollte keine Alkoholvergiftung verantworten.
Vor allem nicht wenn die Bar leer war. Na ja bis auf einen Mann und eine Frau die gerade mit ihrem Vorspiel beschäftigt waren.
Es kam zunächst keine Antwort.
Er sah mich nur so an als hätte ich ihm gerade gesagt, dass ich ein Alien wäre der versucht die Weltherrschaft an sich zu reißen.
"Gut. Dann eben keinen mehr", gab er nach. Ich nickte verblüfft, weil er es so gut aufgenommen hatte und nahm ihm das Glas ab.
"Wie heißt du?", fragte er mich dann nach einiger Zeit.
Überrascht sah ich vom Abwaschen auf.
"Lorena", antwortete ich leise, geschockt, dass er zum ersten Mal mit mir geredet hatte ohne sich einen Whiskey zu bestellen.
"Lorena", testete er meinen Namen auf seiner Zunge bevor er sich vorstellte.
"Ich bin Felipe"
Verdammt! Jetzt musste ich mir abgewöhnen ihn in meinen Gedanken Vincenzo zu nennen.
Ich nickte nur und machte mich weiter an die Arbeit.
"Darf ich fragen was du hier machst?", sprach er weiter.
"Arbeiten?"
Was zur Hölle? Was dachte er was ich mache? Schauspielern?
"Nein ich meine wieso du ausgerechnet hier arbeitest? Du scheinst viel zu intelligent-", erläuterte er seine Frage wobei er gegen Ende immer leiser wurde und dann abbrach.
Was zum? Der Typ war eindeutig betrunken. Obwohl... Er hatte zwar unermesslich viel getrunken und roch zuvor schon nach Alkohol aber irgendwie sprach er ganz normal. Ich konnte nicht mal ein lallen heraushören.
Er sah wohl meinen verdutzten Gesichtsausdruck weshalb er sich gegen seine Stirn klatschte.
"Ich meine also...ich habe gesehen wie du in deinen kurzen Pausen Bücher über die menschliche Psychologie liest und du rechnest alle Beträge in Sekundenschnelle im Kopf aus-", er brach wieder ab.
"Ich sollte jetzt gehen", er stand auf und als er gerade den ersten Schritt machen wollte flog er mit dem Gesicht voran auf den Boden.
"Fuck", fluchte er atemlos.
Erschrocken schlug ich meine Hände vor meinen Mund ehe ich hinter dem Tresen hervorkam und zu ihm rannte.
Ich kniete mich neben ihn.
"Ist alles okay?", stellte ich ihm die unnötigste Frage aller Zeiten.
"Ja alles Top", murmelte er.
"Gut dann kann ich ja lachen", antwortete ich bevor ich in lautes Gelächter ausbrach.
Minuten vergingen während ich auf dem Boden saß und wie eine Geisteskranke lachte. Ich wurde erst wieder leise als ich Felipes melodisches Lachen hörte. Meine Augen scannten unwillkürlich sein ganzes Gesicht und ich musste zugeben, dass er nun noch attraktiver aussah.
Seine dunklen Augen funkelten förmlich und seine weißen Zähne strahlten als er lachte.
Gott, was für eine Zahnpasta benutzt der Typ?
Er verstummte als er bemerkte, dass ich ihn anstarrte. Peinlich berührt klärte ich meinen Hals und stand auf.
"Ehm willst du denn nicht auch aufstehen?", fragte ich, weil er immer noch auf dem Boden lag.
"Doch will ich", antwortete er doch machte keine Anstände aufzustehen.
"Also...stehst du nun auf oder...?", hakte ich skeptisch nach.
"Ja ein Moment", gab er von sich weshalb ich mit meinen Schultern zuckte und zurück hinter den Tresen ging um weiter aufzuräumen.
Ich trocknete das letzte Glas ab als ich wieder Felipes Stimme hörte.
"Lorena?", kam es vom Boden.
"Ja?", fragte ich zurück.
"Ich weiß nicht wie", antwortete er nur und ich presste meine Lippen zusammen um nicht zu lachen.
"Du weißt nicht wie du aufstehen sollst?", versicherte ich mich amüsiert.
"Richtig...", kam es leise von ihm.
"Das ist wirklich ein Jammer...aber hey du würdest einen guten Fußabtreter abgeben", ermunterte ich ihn.
"Lorena", sagte er in einem 'Noch so ein Satz - Zahnersatz' Ton.
"Ja?", fragte ich immer noch amüsiert nach.
Gott, so viel Spaß hatte ich seit Monaten nicht mehr...
"Bitte", flehte er.
"Bitte was?", stellte ich mich dumm.
Ach war das schön.
"Hilf mir bitte hoch", kam es genervt von ihm.
"Wenn es denn sein muss...", scherzte ich weiter und lief zu ihm.
Ich kniete mich wieder neben ihn.
"Okay dreh dich auf den Rücken dann versuche ich dich hochzuziehen", wies ich ihn ein.
"Okay", antwortete er doch er bewegte sich nicht mal einen Millimeter.
"Ehm kannst du mir vielleicht auch dabei helfen?", fragte er schließlich.
Ich konnte mir mein Schmunzeln nicht verkneifen als ich nickte.
"Na gut also...", ich packte seinen linken Arm und versuchte ihn über seine rechte Seite umzudrehen.
Holy Shit war der Typ schwer.
Ich hielt die Luft an als ich versuchte ihn umzudrehen, doch ich bekam es einfach nicht hin.
"Du solltest es wirklich mit einer Diät versuchen", scherzte ich.
"Und du mit Krafttraining", bekam ich zurück.
True.
"Okay ich versuche etwas Anderes", redete ich eher mit mir selbst.
Ich steckte meine Hände, mit der Handinnenfläche nach oben gerichtet, unter seinen Bauch und genau in dem Moment weiteten sich meine Augen.
Holy Doppel-Shit.
Er hatte ein Sixpack!
Wow das war der beste Tag meines Lebens...
Hitze schoss mir in die Wangen als ich mich dabei erwischte wie ich darüber nachdachte wie es wäre meine Hände über seinen Sixpack gleiten zu lassen.
Wieder bei klarem Verstand mobilisierte ich all meine Kräfte und schaffte es ihn erfolgreich umzudrehen.
Na ja wie man erfolgreich eben so definiert...
Ich lag halb auf ihm. Ein wirklicher Erfolg wäre es, wenn ich ganz auf ihm läge und diese lästigen Klamotten nicht da wären.
Meine Augen weiteten sich bei meinen Gedanken und ich widerstand dem Drang mir eine zu klatschen.
Felipe war unter mir wie eingefroren. Er hatte sogar aufgehört zu atmen. Erst als ich mich wieder aufrecht neben ihn setzte konnte ich sehen wie er tief ausatmete.
Ich lächelte ihn zwanghaft an und stand auf um ihn hochzuziehen.
Nachdem das mit körperlicher Anstrengung geschafft war, standen wir beide uns gegenüber. Eine unangenehme Spannung lag in der Luft.
"Ich sollte jetzt wohl gehen", verabschiedete er sich zum zweiten Mal. Ich nickte als ich ihm zusah wie er dieses Mal ohne fallen zur Ausgangstüre lief, zwar taumelte er etwas aber die Hauptsache war, dass er keine weitere Bekanntschaft mit dem Boden machte.
"Oh und ich arbeite hier, weil ich keine andere Wahl habe", antwortete ich grob auf seine vorherige Frage. Ich wusste nicht was in mich gefahren war als ich das sagte.
Felipe blieb in der Bewegung stehen und drehte sich langsam zu mir.
"Und die Bücher?", hakte er nach.
"Sind noch von meinen abgebrochenem Psychologie Studium", gab ich mit einem nostalgischen Lächeln von mir.
Es war komisch, dass ich ausgerechnet mit ihm darüber sprach. Ich mein er war nichts als ein Fremder der sich in einer Bar betrank aber es fiel mir unheimlich leicht mich mit ihm zu unterhalten.
Zumindest wenn er betrunken war.
Er nickte gedankenverloren.
"Psychologie studiert...", murmelte er vor sich hin bevor er endgültig aus der Bar lief.
Ich starrte ihm noch eine Weile hinter her bis ich meinen Kopf schüttelte und mich in der Bar umsah.
Und erst jetzt viel mir auf, dass sie nun komplett leer war und ich sie vor einer Stunde hätte schließen sollen.
Ich checkte nochmal ob alles am rechten Fleck war bevor ich meine Jacke und meine Schlüssel nahm.
Nachdem ich das Licht ausgeschalten und die Türe abgeschlossen hatte,  machte ich mich auf den Heimweg.
Das merkwürdige war, dass ich die Arbeit zum ersten Mal mit einem Lächeln verließ.

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