Morgen der Entscheidung
Das erste Jahr nach Bärensteins Eroberung war das schwerste. Ich kann mich an all die neuen Regeln und Gesetze erinnern und an die Angst. Lähmende Angst, die es meinen Eltern schwer machte zur Arbeit zu gehen. Mein Vater war Schmied und wurde beinahe sofort zum Militärdienst gezwungen. Meinen Brüdern erging es nicht anders.
Mutter und ich blieben zurück. Wir arbeiteten in einer Schneiderei Tag und Nacht. Eigentlich mein Traum, aber mein Land, meine Freunde alles hatte sich verändert. In der Nähe meiner Stadt war sogar ein Henotello stationiert. Die Leute erzählten sich er habe teuflische Kräfte und nachdem jeder von Nelenias zerstörerischer Wut gehört hatte, waren zweifel ausgeschlossen. Ich habe Angst vor der Zukunft, vor den Soldaten, die unsere Stadt überschwämmen. Sie dürfen alles, es gibt keine Gesetzte für sie.
Oriana, 16 Jahre alt, ein halbes Jahr vor ihrer Vergewaltigung
Der Sonnenaufgang brauchte orangenes Licht über das Land, sorgte einen Moment dafür, dass die Krater der Erde hervorgerufen durch einen grausamen Krieg schöner wirkten als sie tatsächlich waren. Die Soldaten der Nachschicht legten sich müde, verstört und verletzt in die Betten der Tagschicht und waren schon Minuten danach eingeschlafen. Nur furchtbare Albträume hielten sie von dem dringend benötigten Schlaf ab. Die Soldaten der Tagschicht holten ihre Waffen und stürzten zur Front. Es war ein unbarmherziger Stellungskrieg.
Beerellon war geteilt. Bärensteins Armee und die Armee von OneSheep unter der Führung eines jungen Mannes namens Wolf. Beide Seiten versuchten die Moral aufrechtzuerhalten, doch nach mehr als drei Jahren herrschte immer noch ein erbitterter Krieg und keine der beiden Seiten wollte aufgeben oder verlieren.
Die Toten häuften sich und das Leid war greifbar. Mit der Tagschicht stieg auch Brandon aus seinem Bett, streckte sich und ging zum Fenster. Sein Zimmer in Ohama, der größten Industriestadt Beerellons und der Hauptsitz OneSheeps, befand sich in einem unscheinbaren Gebäude in der Mitte der Stadt. Außer einem einfachen Bett, einem großen runden Tisch und einer kleinen Kommode gab es nichts im Zimmer.
Alle unwichtigen Holzmöbel wurden im letzten Winter verheizt worden. Es war ein furchtbarer Winter gewesen, von dem sich seine Leute nur schwer erholt hatten. Nur mit einer dunkelgrünen Hose bekleidet stellte sich Brandon ans Fenster und sah hinaus in die Stadt.
An diesem sommerlichen Morgen herrschte reges Treiben. Er konnte Kinder weinen und lachen, Mütter schimpfen und Arbeiter rufen hören. Es war ein ganz normaler Tag und wüsste er nicht, dass Krieg herrschte, so hätte er sich fast glauben lassen können, dass dies eine friedliche Stadt war. Unruhig fuhr er sich durch sein schulterlanges Haar, es war so blond wie das seiner Schwester einmal gewesen war.
Ein Bild von Kyrie tauchte in seinem Inneren auf. Und wie jedes Mal wenn er an seine verlorene ältere Schwester dachte, wurde sein Herz schwer und traurig. Seit drei Jahren war sie mit Loke Bärenstein verheiratet und beging in seinem Namen Gräueltaten. Tränkte ihre Hände in unschuldigem Blut.
Nur wenige wussten, dass Lady Nava, wie sie sich nun nannte und er Geschwister waren. Ihre Eltern waren lange tot und die kleine Schwester verschollen. Brandon hatte es nicht geschafft Coraline seinen Pflichten als Anführer vorzuziehen. So blieb sein Versagen ihr gegenüber immer in seinem Hinterkopf. Ein leises Stöhnen lenkte seine Aufmerksamkeit weg vom Fenster und hin zu der Frau mit der er sein Bett teilte.
Reina.
Die dunkelhaarige Schönheit, der seine ganze Liebe galt. Verschlafen setzte sie sich auf, bekleidet nur mit einem leichten T-shirt. Viel gebräunte Haut zeigte sich seinem neugierigen Blick.
"Du bist schon wach.", flüsterte sie und stolperte aus dem Bett in seine Arme. Er war noch ein wenig gewachsen und überragte Reina nun mit einigen Zentimetern. Seine muskulösen Arme schlossen sich um ihren Körper.
"Wieder ein neuer Tag.", erwiderte Brandon und küsste ihren Scheitel. Selbst er konnte die Niedergeschlagenheit in seiner Stimme ausmachen. Schwermut hatte sich in seinem Herzen breit gemacht.
Die ewigen Kämpfe, der Hunger und das Leid in seinem Land sowie die große Verantwortung für seine Leute drückten ungemein auf sein Gemüt. Er hätte nie gedacht, dass der Krieg so lange dauern könnte. Reina seufzte lang. Auch ihr war die Schwere ihrer Aufgaben bewusst und dies hatte in den letzten Jahren viel von ihnen gefordert.
In zahllosen schlaflosen Nächten mussten sie Entscheidungen über das Schicksal hunderter Menschen treffen. Schwieriger jedoch war es mit den Konsequenzen zu leben. Dieses Pflichtgefühl hätte ihre Beziehung beinahe zerbrochen. Im letzten Moment hatte eine Nachricht ihnen eine andere Möglichkeit geboten. Eine Möglichkeit zu entkommen und Zweisamkeit zu finden. Vor etwas mehr als einem Monat war ein Spion mit einer Information zu ihnen gekommen. Ein Hinweis auf ein verborgenes Labor. Es wurde gesagt, dass sich dort verschleppte Henotello-Kinder aufhielten.
Coraline, Brandons kleine unschuldige Schwester könnte dort sein. Zunächst war die Aussicht seine Stadt zu verlassen für Brandon undenkbar gewesen, doch der Gedanke Coraline aufzugeben machte ihn unglaublich traurig. Reina verstand seine Gefühl nur zu gut, sie täte alles darum einen Teil ihrer Familie wiederzusehen. Aus diesem Grund war auch keine große Überredungskunst von Nöten gewesen. Brandon und Reina beschlossen Coraline zu suchen und ihre Beziehung mit dieser Reise neu zu überdenken. Beide wussten um die Probleme die sie hatten und wollten versuchen zusammen eine Lösung zu finden. Mit einem schiefen Lächeln sah ihn Reina an.
"Wollen wir uns fertig machen und uns dann auf den Weg machen?" Brandon nickte und schweigsam zogen sie sich an. Brandon erhoffte sich so viel von dieser Reise. Er wollte nicht enttäuscht werden. Als sie ihre übliche Militäruniform angezogen hatten, ging das Paar Hand in Hand durch die kühlen Flure des Gebäudes. In dem Zimmer neben ihnen schliefen Cassandra und Nate. Allerdings würde Cassandra wie immer auf der Krankenstation sein.
Sie lebte dort praktisch, was bedeutete das Nate dort ebenfalls ständig war. Selbst nach drei Jahren verbrachten sie jede nur mögliche Minute miteinander. Nate der Frauenheld, Brandon lächelte über diese Wandelung seines Freundes. Er freute sich für sie. Und gleichzeitig hoffte er das seine Beziehung zu Reina auch wieder so werden konnte.
Er wusste, dass er sie emotional weggestoßen hatte. Der Druck seiner Verantwortung hatte ihn zu einem furchtbar kalten Mann erstarren lassen. Umso mehr wünschte er sich diese Auszeit um wieder er selbst werden zu können. In den restlichen Zimmern des Gebäudes wohnten andere wichtige Personen ihrer Rebellenstadt.
"Ich habe Rami gebeten uns mit den nötigsten Materialien zu versorgen. Wir bekommen ein kleines Auto und Camping Ausrüstung. Waffen und Vorräte. Und du bist sicher, dass wir alleine fahren sollen? Bran, was ist wenn wir auf Probleme stoßen?"
Probleme waren immer eine Option, doch Brandon glaubte, dass sie als einfaches Paar schneller und unscheinbarer durchs Land kämen. Mehrere schwer bewaffnete Menschen würde aufsehen erregen.
"Werden wir schon nicht. Außerdem sind wir beide ziemlich gut im Kämpfen, falls es darauf ankommt.", er legte einen Arm um ihre Schulter, "und ansonsten verlassen wir uns einfach auf unsere Schauspielkünste. Das kriegen wir hin."
Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch. "Naja unscheinbarer wären wir schon. Aber ich weiß nicht.."
Brandon öffnete die Haustür für Reina und trat nach ihr ins Freie. Die Sonne strahlte schon warm und die frische Luft ließ ihn tief durchatmen. Er liebte die Zeit wenn der Tag noch frisch und ungenutzt war.
Als sie die Straße hinunter, vorbei an kaputten Häuserfassaden und müden Menschen gingen, rannte ihnen ein rothaariger Wirbelwind entgegen. Wie eine Kanonenkugel warf sich Honora in Brandons Arme und ließ sich hängen. Reina lachte amüsiert und strich Honora über die langen erdbeerfarbenen Haare.
"Ihr könnt nicht gehen! Wir brauchen euch hier. Ich brauche euch!", flüsterte Honora in Brandons Halsbeuge. Brandon umarmte das vierzehnjährige Mädchen fest und stellte sie dann auf den Boden. Sie trug einfache schwarze Kleidung, wie die meisten Menschen hier.
Es waren Kriegszeiten und niemand hatte Zeit schöne Kleidung zu designen oder zu nähen. Liebevoll sah Brandon Honora an. Sie war in so vieler Hinsicht Familie für ihn geworden und stolz sah er wie sie jeden Tag mehr zu einer selbstbewussten, klugen Frau heranwuchs.
"Nori, wir haben darüber geredet. Unsere Entscheidung steht fest." Schmollend verschränkte sie die Arme.
"Na komm, kleines, begleite uns zu Rami. Dann kannst du uns gleich erzählen, wie es dir geht.", versuchte Reina, das Mädchen zu beschwichtigen. Doch wie jedes pubertäre Mädchen, konnte Honora eines besonders gut: sich beklagen. Während also Honora die gesamte Welt beklagte, lächelte Brandon über ihren Übermut und das Vertrauen, dass sie ihnen entgegenbrachte. Coraline würde sicher genauso werden.
Allerdings war sie erst elf Jahre alt und damit vielleicht noch ein wenig mehr Kind. Viel zu schnell erreichten sie Ramis Lagerhaus. Wie bereits sein Arbeitsplatz im Bunker, war auch diese Lagerhalle nach seinem expertenwissen sortiert und überwacht. Rami wusste wo sich jedes noch so kleine Ersatzgerät befand. Als er sie sah, begrüßte er sie überschwänglich. Reina war eine alte Freundin von ihm und auch Brandon gehörte in Ramis Herz.
"Flower, Wolf, ach wie schön euch zu sehen. Ihr kommt mich besuchen. Mich alten Mann. Was bin ich nur für ein Glückspilz."
"Wir freuen uns auch.", erwiderte Reina lächelnd und harkte sich bei dem alten Mann unter. Strahlend brachte Rami sie in sein Büro. Honora blieb schmollend vor dem Eingang zurück. Nur schweren Herzen schloss Brandon die Tür vor ihrer Nase. Es fiel ihm nicht leicht Honora etwas abzuschlagen oder sie zurückzulassen. Natürlich würden seine Freunde ein Auge auf sie haben, doch ihre primären Bezugspersonen waren nun mal er selbst und Reina. Sobald die Türe geschlossen war, erlosch Ramis Lächeln und er war der erfahrene Soldat.
"Ich habe alles vorbereitet für eure Reise. Hinter der Ostwand der Stadt wartet euer Auto. Es ist leicht zu bedienen, Standard schwarz, unauffällig. Die Camping-Ausrüstung ist schon etwas älter aber ihr solltet damit keine Probleme haben. Außerdem ist es besser wenn ihr mehr wie Flüchtlinge und weniger wie Touristen ausseht. Habt ihr die Pläne?"
Brandon nickte und nahm den Rucksack von seinem Rücken. Er enthielt alles was man zum überleben bräuchte und die Pläne zum geheimen Labor sowie eine Landkarte Beerellons, mit den momentanen Territorialkämpfen. Beerellon war in der Mitte geteilt und wurde von drei wesentlichen Fronten so gehalten. Im Norden verhinderte Kommandeur Killian Plam im Stützpunkt Zimne Jezioro ein weiteres vorstoßen Bärensteins Armeen und im Süden hielt Anna Henotello im Stützpunkt Terra Calda die Stellung. Beiden vertraute Brandon blind. Seit gut einem Jahr hatte sich nichts mehr an diesen Fronten verändert.
"Wissen alle was sie zu tun haben, solange wir weg sind?", fragte Reina nervös. Für sie war es besonders schwer ihre Pflichten anderen zu übertragen. Rami nickte.
"Natürlich. Keine Sorge, mein Kind. Jeder weiß was er zu tun hat. Viktoria hast du selbst sehr gut angelernt und auch Zack und Nasreen haben die Henotellos gut unter Kontrolle. Cassie und Nate führen die Krankenstation und ihr Spionagenetzwerk wie alte Profis. Unsere Stadt steht seit zwei Jahren sicher wie ein Berg. Wir können auch ohne euch für ein paar Wochen überleben. Allerdings," etwas verhalten holte Rami ein altes Funkgerät aus seiner Schreibtischlade," wäre es mir lieber wenn ihr euch regelmäßig meldet. Einmal am Tag, kurz hallo sagen und wir würden uns alle weniger Sorgen machen."
Ramis Lächeln und seine Sorge waren ehrlich. Brandon hatte diesen Ausdruck nun schon in so vielen Gesichtern seiner Freunde gesehen. Jedem von ihnen war klar, welche Rolle Brandon und Reina in Ohama einnahmen und wollten sie nicht verlieren. Langsam nickend nahm Brandon das Funkgerät entgegen und verabschiedete sich mit einer festen Umarmung von seinem Freund. Reina tat es ihm nach. Als sie die Türe zum Büro wieder öffneten war Honora verschwunden. Kopfschüttelnd lächelte Reina Brandon an. Sie dachten wohl dasselbe.
"Dieses Mädchen.", flüsterte Brandon und griff nach der Hand seiner Freundin. Sie mussten sich beeilen um zur Ostmauer der Stadt zu kommen. Dort gab es einen geheimen Durchgang. Er wurde Rund um die Uhr überwacht, nur wenige kannten ihn und er würde ihr Fluchtweg sein. Ohne sich noch einmal umzusehen rannten sie durch die engen Gassen und metallenen Fabriken der stählernen Stadt. Und als die Bewohner langsam erwachten, schlüpften deren Anführer durch den schmalen Gang in der brüchigen Mauer und verschwanden mit dem dort geparkten schwarzen Wagen. Rami hatte nicht zu viel versprochen. Schnell setzte Brandon sich ans Steuer, warf seinen Rucksack auf die Hinterbank und wartete auf Reina.
Als sie angeschnallt und bereit waren, fuhr er los. Es gab viele Straßen die von Ohama zu allen Städten Beerellons führten. Ohama hatte früher jedes Geschäft mit Gütern versorgt und daher ein gut funktionierendes Straßennetzwerk. Ihr erstes Ziel war der etwa acht Stunden entfernt gelegene Militärstützpunkt Terra Calda. Bis dahin sollten sie keine Probleme haben und erst danach auf feindlichem Gebiet weiterfahren.
Anna Henotello würde sie mit neuen Vorräten ausstatten und auf mögliche Gefahren hinweisen. Die Zeit verging und lächelnd sah Brandon zu wie die Sonne immer höher stieg und das Land erhellte. Das orangene Licht wärmte ihn und ließ die Blumen am Straßenrand blühen.
Menschen sahen sie kaum. Teils weil sie darauf achteten keine Hauptstraßen zu nehmen und einen weiten Bogen um Städte zu machen, teils auch weil viele Städte in den Grenzgebieten verlassen waren.
Erica kümmerte sich bei OneSheep um die Kriegsflüchtlinge, brachte sie tief ins Innere des OneSheep- Territoriums. Zwar konnte sie Jillian nie ersetzen, doch fehlte von dieser seit dem schicksalhaften Anschlag auf ihren Bunker jede Spur. Jeder der Unterstützen konnte wurde dazu gebeten, doch zwang Brandon niemanden zu kämpfen. Trotz all der furchtbaren Dinge die geschehen waren, wollte er nicht wie Loke Bärenstein werden. Die Menschen sollten an seiner Seite kämpfen um sein ebenso wie ihr Ziele der Freiheit zu erreichen.
"Ich kann nicht glauben, dass wir das tatsächlich tun.", flüsterte Reina ehrfürchtig. Brandon nickte, auch für ihn war es schwer vorstellbar, dass sie nun beinahe ohne Verantwortung einen Roadtrip machen würden. Er lächelte seine Geliebte offen an.
"Nur wir beide." Reina beugte sich verheißungsvoll vor und küsste seine mit Bartstoppeln bestückte Wange.
"Stimmt. So viel Zeit für uns selbst. Wie werden wir sie wohl nutzen?"
"Hatschi!", hörten sie es plötzlich aus dem Kofferraum. Erschrocken sah sie sich an. Als blinder Passagier würde nur eine Person in Frage kommen. Genervt seufzend hielt Brandon am Straßenrand und wappnete sich für ein anstrengendes Gespräch mit einem störrischen Teenager.
"Was hast du dir dabei gedacht?", donnerte Brandon und sah das Mädchen vor ihm wütend an. Honora verzog den Mund und sah auf den staubigen Boden. Reina schüttelte enttäuscht den Kopf.
"Wir haben dir gesagt, du sollst in Ohama bleiben, weiter trainieren und auf uns warten. Was war daran falsch zu verstehen?" Honora zuckte mit den Schultern.
"Gar nichts. Aber,.."
"Nichts aber! Wir haben dir eine Aufgabe übertragen und du hast sie ignoriert. Du hast uns ignoriert! Wie können wir dir vertrauen wenn du nicht mal die einfachsten Befehle befolgen kannst?", fuhr Brandon dazwischen und verschränkte die Arme. Sie waren schon zu weit von Ohama entfernt um nun noch einmal umkehren zu können. Honora würde bei ihnen bleiben müssen. Wütend fuhr er sich durch die langen Haare und schirmte seine Augen vor der hoch stehenden Sonne ab.
Je weiter sie in den Süden fuhren umso wärmer und trockener wurde es. Der blinde Passagier vor ihm erwiderte nichts auf seine Frage, zog nur die Schultern hoch und sah dadurch noch kleiner aus. Mit wachsendem Unwohlsein, beobachtete Brandon wie Honora anfing leise zu weinen. Stille Tränen rannen ihre bleiche Haut hinunter, doch sie sagte kein Wort. Brandons Wut verrauchte so schnell wie sie gekommen war und zurück blieb die Scham ein Kind angeschrien zu haben. Es war ihm unfähig dieses Mädchen weinen zu sehen und nachgebend schloss er sie in die Arme. Reina streichelte ihr über den Rücken.
"Was hast du dir gedacht, Nori?", fragte Brandon, ließ sie los und küsste ihre Stirn, "Warum bist du nicht in Ohama geblieben?" Honora wischte die Tränen von ihren Wangen und antwortete leise.
"Ihr seid meine Familie."
"Genau deshalb wollten wir, dass du in Ohama bleibst. Diese Reise ist gefährlich und ich könnte es mir nie verzeihen wenn dir etwas passiert.", erwiderte Brandon aufgeregt.
"Ich hab niemanden in Ohama.", kam Honoras kleinlaute Antwort. Reina seufzte und schloss das Mädchen ebenfalls in die Arme. Sie hatten gewusst, dass es ein schwerer Abschied werden würde, doch mit so einer Aktion hatten sie dann auch wieder nicht gerechnet. Kopfschüttelnd lehnte Brandon sich an die Kofferraumtür, beobachtete die Umgebung und die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben.
Gegen jede Vernunft war ein Teil von ihm froh Honora dabei zu haben. Er hatte sie bereits vermisst, als sie losgefahren waren. Natürlich wünschte er sich, dass sie sicher und behütet war, doch hatte er das Mädchen auch gerne bei sich und in Terra Calda angekommen würde Honora sie sowieso verlassen. Niemals würde Brandon die Teenagerin mit auf feindliches Gebiet nehmen.
"Wir können nicht mehr umdrehen. Dafür haben wir schon zu viel Benzin verbraucht."
"Das heißt ich darf mitkommen?", fragte Honora hoffnungsvoll und löste sich von Reina. Diese verschränkte resigniert die Arme. Es gab keinen anderen Ausweg. Brandon nickte und deutete mit dem Kopf auf die Hinterbank. Honora hüpfte glücklich lächelnd ins Auto.
"Na gut also doch nicht alleine.", flüsterte Reina als sie an Brandon vorbei ging. Dieser schnappte sich ihre Hand und zog sie zu sich, küsste sie leidenschaftlich. Ihren Körper an seinen gepresst hauchte er, "Das hat uns noch nie gestört. Lass uns einfach die Zeit, die wir haben genießen. Als Familie." Das letzte Wort bedeutete für sie beide so viel. Reinas Lippen verzogen sich zu einem zittrigen Lächeln, die Augen tränenfeucht drückte sie sich an ihn.
"Familie." Dies war der Moment an dem Brandon mit hundertprozentiger Sicherheit wusste, dass egal was zwischen ihnen geschehen war oder noch geschehen würde, sie würden aufeinander achtgeben, einander verzeihen und lieben. Nur widerwillig lösten sie sich voneinander und stiegen wieder ins Auto.
Honora wartete geduldig, kommentierte weder ihre Stimmung noch die zerzausten Haare oder geröteten Wangen. Dafür besaß sie zu viel Taktgefühl. Der sich senkenden Sonne entgegenfahrend schwiegen sie.
"Gibts hier drin Musik?", fragte Honora von der Rückbank.
"Nur was von Blind-drunk. Wem immer das Auto vorher gehört hat, hatte offenbar eine Vorliebe für diese Band. Ich kenne sie nicht.", antwortete Reina und zeigte ihnen fragend das Coverbild der Band. Es sah nach einer Mischung aus Rock und Punk aus. Die Flammen und Totenköpfe waren ein deutlicher Fingerzeig.
Brandon zuckte die Schultern und Honora bejahte die Frage ob sie sie abspielen sollten. Sobald die CD im Radio verschwunden war, dröhnte wilder Metal aus den Boxen. Das Geschrei war ohrenbetäubend und die Bass war intensiv spürbar. Irritiert verzog Brandon das Gesicht und wollte nach dem Radio greifen um es wieder abzustellen, doch den Damen im Auto schien dieser Lärm zu gefallen.
Reina und Honora wackelten mit den Köpfen und wiegten sich im ausgearteten Beat der Musik. Sie lächelten und schienen die Musik ehrlich zu genießen. Bei diesem Anblick wurde Brandons Herz überschwämt mit Liebe.
Die Sonne ging unter als sie ihr Ziel erreichten und nur durch die großen Flutlichter der Festung konnte Brandon herausfinden wo sich dessen Eingang befand. Terra Caldas Basis war ein altes Schloss auf der Halbinsel die früher Italien geheißen hatte. Erstaunt sah er dem großen Gebäude entgegen.
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