17. Es wird die Zeit kommen

Ich bin Dienerin. Schon mein ganzes Leben lang. Leid tun muss ich niemandem. Meine Herren sind die Bärensteins und sie würden nicht glauben was ich alles höre und sehe. Ich kenne Geheimnisse, die selbst Bärenstein niemals erraten würde. Aber das ist ja immer so. Auf Spione achtet man, aber niemand schenkt dem Personal Aufmerksamkeit. Ob ich je was ausgeplaudert habe? Nein, niemals. Ich bin kein besonders großer Fan von Bärenstein und wie er seine Frau Briana Henotello behandelt. Sie ist freundlich. Gut. Sie hat die Gewalt dieses Schweins nicht verdient. Deshalb bleibt alles was sie tut oder eben nicht tut, verschlossen in meinem Kopf.
Ich nehme ihre Geheimnisse mit ins Grab, ebenso wie sie.
Ingrid, 28, würde jederzeit ein unschuldiges Leben retten

LOKE
Tief in seiner Brust loderte Hass. Tiefer Hass gegenüber diesem General Washington, der es sich in seiner Stadt, in seinem Land langsam gemütlich machte. Jeden Tag trafen sie sich, redeten, tranken und taten so als wären sie freundliche Verbündete. Und jeden Tag brachten Lokes Spione neue beunruhigende Nachrichten. An der Westküste Beerellons landeten Schiffe der NKS und mit ihnen Truppen, Waffen und eine Bedrohung für sein ganzes Land. Dennoch log der General ihm dreist ins Gesicht. Versprach ihm, sofort zu berichten, wenn seine Truppen ankamen. Loke war wütend über diesen Kontrollverlust und wünschte sich Nava herbei.

Bei ihr fühlte er sich niemals als hätte er keine Kontrolle über das Geschehen. Nava allerdings war weit weg, versteckt mit seinem Sohn. Alle paar Tage rief sie bei ihm an und erzählte ihm von dem Wachstum seines Kindes und das es ihr in Silny Syn gut ginge. Alleine diese Nachricht ließ ihn zumindest ein wenig besser schlafen. Es fühlte sich gut an seine Frau und Kind weit weg von diesen heuchlerischen NKS zu wissen. Trotzdem machte ihm die schwerfällige Kommunikation mit Silny Syn und dessen Kommandeur zu schaffen. Es sollte bessere Verbindung geben, doch selbst Offizier Samael hatte sich seit ihrem Ankommen in dem weit entfernten Stützpunkt nicht mehr gemeldet. Unzufrieden biss Loke die Zähne zusammen und sah aus dem Fenster. Draußen lachte die Sonne und machte aus seiner Großstadt einen Hochofen.

Seit Tagen herrschte die Sommerhitze wie eine ungerechte Göttin über Sankt Sandrina. Was sollte er nur mit den NKS tun?, fragte Loke sich zum hundertsten Mal. Er hatte von ihnen bekommen was er wollte. Die Truppen der NKS waren mit seinen zusammengeschlossen worden und nun auf dem Vormarsch auf Terra Calda, der Südflanke der Rebellen.

Mit so vielen Waffen und Männern würde es zweifellos keinen großen Kampf geben. Terra Calda würde wieder ihm gehören, diese fruchtbare, schöne Gegend würde wieder ihm gehören. Gleichzeitig störte es Loke das Oberkommando der vereinigten Armeen mit einer anderen Person teilen zu müssen. General Washington beteuerte stets, dass er nicht mehr Autorität als Loke selbst hätte, doch Loke wusste, dass dies eine weitere Lüge war. Seine Truppen wurden als Kanonenfutter missbraucht. Seine Henotellos Stück für Stück ausgegrenzt. Es schien als hätte der General eine deutliche Abneigung gegen die Henotellos in seinem Regime und für Loke war dies die einzige erkennbare Schwachstelle.

"Meister Bärenstein. Das Essen ist serviert.", sagte ein zurückhaltender Diener bei der Tür und verschwand sofort danach. Lächelnd trat Loke den Weg zum Speisesaal an. Das Hauspersonal war immer noch sehr ängstlich ihm gegenüber. Nava hatte sie tief erschreckt und Loke liebte ihren Einfluss selbst in ihrer Abwesenheit.

Es war etwas, dass er sich selbst auch wünschte. Gemäßigten Schrittes ging er den Flur entlang zu dem Aufzug in dem sein Vater sein unweigerliches Ende gefunden hatte und fuhr zwei Stockwerke nach unten. Als sich die Aufzugtüren wieder öffneten sah er dort, an der gegenüberliegenden Wand eine junge Frau warten. Sie hatte langes dunkelrotes Haar und Sommersprossen in dem weißen Gesicht. Ihre dunkelgrünen Augen lächelten ihn ebenso an wie der dunkelrot geschminkte Mund.

"Ruby.", begrüßte er sie knapp und reichte ihr die Hand. Sie war seine Begleitung und eine hervorragende noch dazu. Loke hatte sie in einem Bordelle kennengelernt, eine Edelprostituierte mit erstaunlichen Fähigkeiten. Trotz seinem Versprechen niemals ein Kind außerhalb seiner Ehe zu zeugen, erschienen ihm die Nächte zu lange ohne seine Nava.

Ruby hatte diesen mondbeschienenen Stunden Freude gebracht. Ihr enges schwarzes Kleid und die roten Schuhe zeigten ihre Vorzüge ungemein und Loke wusste, dass er sie heute Nacht wieder zu sich holen würde. Gemeinsam betraten sie das Speisezimmer und fanden General Washington und einer seiner Kameraden bereits dort sitzend. Der General stand gemächlich auf und kam Loke entgegen.

"Es freut mich dich zu sehen, Loke. Ruby, welch eine Freude. Kommt, kommt wir haben vieles zu bereden."

"Gerne, James." Wie der Gentlemen der er gerne zu sein vorgab zog Loke Ruby den Sessel hervor und half ihr ihn zurecht zu rücken. Danach setzte er sich ebenfalls und nahm sich ein Stück von dem Brot, das bereits griffbereit am Tisch lag.

"Ich habe wunderbare Nachrichten von meinen Truppen. Sie kommen gut voran. Wenn alles klappt, sollten sie in weniger als einem Monat angriffsbereit vor Terra Calda sein. Wunderbar, nicht wahr?", ergötzte sich Washington und lächelte ihm offen zu. Loke nahm einen Schluck von seinem Wein und nickte.

"Stimmt, dass sind wundervolle Nachrichten. Wusstest du, dass diese Gegend einen vorzüglichen Wein herstellt?"

"Wirklich. Nun, das ist gut zu hören. Sobald Terra Calda uns gehört, gibt es Wein in aller Fülle."

"Sobald Terra Calda mir gehört.", verbesserte Loke mit versteinerter Miene und versteckte seinen Zorn nicht. Der General nickte entschuldigend und lächelte verlegen.

"Es tut mir leid. Natürlich. Sobald Terra Calda wieder unter deiner Kontrolle steht." Loke konnte dieses Lächeln nicht ertragen, sah er doch ganz deutlich das zufriedene feixen in den Augen dieses Bastards. Er sagte nie etwas ohne nachzudenken, dass er sich einfach nur versprochen hatte, war undenkbar. Der General wollte ihm damit unbewusst etwas klarmachen, wollte den Kontrollverlust offensichtlich darstellen. Wut rumorte in Lokes Bauch und ließ nur wenig Platz für das vorzügliche Essen.

"Wie geht es der Familie, General?", fragte Ruby lächelnd um die Stimmung wieder etwas aufzulockern. Tatsächlich erwiderte Washington das Lächeln.

"Es geht ihnen gut. Ich habe erst heute Morgen mit ihnen gesprochen. Meine Frau und die Jungs sind gesund und können es nicht erwarten mich hier in Beerellon besuchen zu kommen." Loke nahm diese Aussage mit gespielter Höflichkeit hin.

"Planst du schon ihre Reise, James?", fragte er und biss von dem Brot ab. Washington nickte langsam.

"Nun du weißt ja wie das ist, Loke. Es ist schmerzhaft von den Lieben getrennt zu sein und ich hoffe doch das dieser kleine Rebellenaufstand bald vorbei ist und meine Familie dein wunderschönes Land sehen kann." Zutiefst beunruhigt strich Loke über sein Kinn.

"Nun sie können die Irische Insel besuchen, doch ich kann ihnen unmöglich Zugang zum Festland gestatten. Du kennst ja meine Politik."

"Oh ja, aber für mich kannst du doch sicherlich eine Ausnahme machen.", erwiderte der General und lächelte schmallippig. Und wo es eine Ausnahme gab, würden mehr folgen. Wieder demonstrierte er seine Macht und Loke musste tief durchatmen um seinen Zorn in Schach zu halten.

"Aber genug von mir. Wie geht es deiner Frau, Loke.", sagte Washington mit einem folgenschweren Blick auf Ruby, dessen Hand zweifellos auf Lokes Oberschenkel ruhte. Die junge Frau räusperte sich und zog ihre Hände zurück auf ihren Schoss. In diesem Moment kamen die Diener mit dem Hauptgang und bewundernd wurden einige Sätze über die vorzügliche Kulinarik des Landes gesprochen. Zwischen zwei Bissen zwang sich Loke auf Washingtons Frage zu antworten.

"Es geht ihr wunderbar. Sie genießt die frische Landluft. Versucht dabei den Kriegsgeschädigten beistand zu geben."

"Sie scheint sehr mitfühlend. Leider ist das gar nicht was ich über sie gehört habe." Stutzig hob Loke die Augenbrauen hoch.

"Ach und was hast du über sie gehört, James?" Washington wischte sich einen Mund an einer Serviette ab und schmunzelte.

"Viele der Menschen in Sankt Sandrina, die Soldaten und deine Henotellos halten sie für eine Mörderin. Gewissenlos und ungemein Mächtig." Loke tat diese Aussage mit einem Handwink ab.

"Oh Mörderin, das ist doch etwas hart. Sie hat in den ersten Wochen der Rebellion gekämpft und sich einen Ruf als furchtlose Kämpferin erarbeitet." "Aber sie ist eine erstgeborene Henotello. Eine mit starken Gaben.", versuchte Washington mehr Informationen zu bekommen. Interessiert beugte er sich vor stützte die Hände auf den Tisch. Loke spiegelte die Bewegung seines Gegenübers und lächelte.

"Sie ist etwas besonderes ohne Frage."

"Dann erlaub mir die Frage: Wieso kämpft sie nicht für dich?" Lachend lehnte Loke sich in seinem Sessel zurück.

"Weil sie meine Frau ist! Ich liebe sie und möchte sie nicht einer solchen Gefahr aussetzten! Das ist doch sicherlich nachvollziehbar." Zumindest würde er sie nicht an die Front schicken bevor er den heißersehnten Erben in den Armen hielt, beendete Loke den Satz in seinem Kopf. Washington nickte wissend.

"Das kann ich durchaus verstehen. Ich würde meine Frau auch in Sicherheit wissen wollen."

"Darauf sollten wir anstoßen." Lächelnd hob Loke sein Sektglas und wartete auf Washingtons Reaktion. Dieser hob ebenfalls gespielt lächelnd sein Glas und zusammen stießen sie auf ihre Familien an. Auf das Wissen ein gefährliches Spiel zu spielen.

NAVA
Nava träumte, das erkannte sie an dem Frieden. An der Ruhe. Als sie die Augen aufschlug saß sie auf dem Bett einer Fremden. Im Zimmer eines Hauses das sie nicht erkannte. Alles schien alt und abgenutzt. Das Bett quietschte als sie aufstand und der Boden knarrte unwillig als sie zur Tür schritt. Außer dem Bett stand kein Möbelstück in dem kleinen Zimmer. Eine Gitarre lehnte am Bettpfosten, ungenutzt und ungeliebt.

Traurig sah sie auf das Instrument und fragte sich wer es wohl hier vergessen hatte. Ohne weiter über das Zimmer nachzudenken, schritt sie durch die offene Tür in den Flur. Die Wände waren kahl, doch an weißen Stellen erkannte man, das hier früher Bilder gehangen hatten. Neugierig strich sie über die leeren Stellen, verwundert über die Kulisse ihres Traumes. Mit klopfenden Herzen folgte sie dem Flur entlang zu einer Treppe. Diese führte zu einem offenen Wohnraum mit einem großen Esstisch und mehreren Stühlen. An diesem Tisch saß Green, tief versunken in melancholische Gedanken. Erfreut ihn zu sehen hüpfte Nava die Stiegen hinunter und fühlte ein Déjà-vu. Als wäre sie diese alten, holzstufen bereits hundertmal hin abgelaufen.

"Hallo Green.", flüsterte sie und trat auf ihn zu. Der junge Mann vor ihr hob langsam den Kopf und blickte sie lächelnd an.

"Nava. Schön, dass du da bist." Glücklich setzte sie sich ihm gegenüber an den Esstisch und nahm seine Hand. Sie war rau und schwielig, aber warm und langsam sickerte diese Wärme durch ihren Körper.

"Ich hab dich lange nicht mehr gesehen. Dachte schon du hättest mich vergessen." Schmunzelnd sah Green sie an und drückte ihre kalten Hände.

"Ich würde dich nie vergessen. Aber du mich." Nava schüttelte sofort den Kopf.

"Nein, niemals. Warum würdest du sowas sagen?", fragte sie schockiert. Green war ihr Freund, der einzige dem sie wahrlich vertraute, der sie verstand und ihr halt gab. Sie könnte ihn niemals vergessen.

In Greens Augen schimmerte Kummer und angespannt biss er sich auf die Lippen. Einem Impuls folgend stand sie auf und kam auf ihn zu. Unwirsch setzte sie sich auf seine Schoß und drückte seinen Kopf an ihre Brust. Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass sie die Nähe einer anderen Person suchte und es fühlte sich gut an. Green nutzte die Situation nicht aus, er hielt sie lediglich im Arm, atmete zittrig in das weiße Sommerkleid, dass ihren geschwollenen Körper bedeckte.

"Du bist mein Freund. Ich vergesse dich nicht." In Greens Augen schimmerten Tränen als er sie wieder ansah und auch sie bemerkte, dass leise Tränen ihre Wangen hinunterliefen. Irritiert griff sie sich auf die Wange und fragte sich warum sie weinte.

"Nava, du hast mich schon vergessen. Es ist dasselbe wie mit diesem Haus. Weißt du wem es gehört." In Nava breitete sich Panik aus, sie...sie kannte das Haus. Aber sie wollte es nicht kennen. Konnte es nicht kennen. Vor dem Haus begann ein Sturm zu wüten. Zornig schlugen die Bäume ihre Äste gegen die Fensterscheiben. Der Frieden war vorbei.

"Es ist mir egal.", erwiderte sie unsicher und stand auf. Green folgte ihr, hielt ihr seine Hände entgegen als wollte er sie auffangen wenn sie fiele. Doch Nava wollte nicht fallen, wollte nicht wissen was er zu sagen hatte.

"Es sollte dir nicht egal sein. Das hier war das Haus deiner Familie. Der Menschen, die du geliebt hast." Widerwillig schüttelte sie den Kopf, umfasste ihren Oberkörper und spürte wie sich kälte in ihrem ansonsten schönen Traum ausbreitete.

"Ich habe niemanden geliebt und niemand hat mich geliebt. Ich weiß nicht was du von mir willst." Verzweifelt trat Green näher, umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen und sah ihr in die Augen. Nava verlor sich in dem intensiven Grün. Der Strum um sie herum ebbte ab. Da waren nur noch seine vor Liebe und Kummer übergehenden Augen und das Gefühl eines schrecklichen Verlustes.

"Ich will das du dein Herz wieder spürst. Ich will das du lebst." Nava atmete zittrig ein versuchte zum ersten Mal seit diese Träume begonnen hatten sein Gesicht zuzuordnen. Versuchte herauszufinden woher sie ihn kannte. Ein heftiger Schmerz presste sie zurück in die Unwissenheit und gequält schrie sie auf.

"Nein, ich kann nicht. Ich kann nicht!", bettelte sie in seinen Armen. Green hielt sie fest, gab ihr Halt während sie sich langsam wieder beruhigte.

"Es tut mir leid, es tut so weh." Sanft strich er über ihr Haar und küsste ihren Scheitel.

"Ich weiß, aber es wird die Zeit kommen da wirst du dein Herz brauchen."

"Und wenn ich nicht stark genug bin?", flüsterte sie unsicher in sein T-shirt. Eine Antwort bekam sie nicht mehr. Schluchzend erwachte sie in ihrem Bett und griff sich an den schmerzenden Kopf. Greens Gesicht blieb in ihren Gedanken hängen. Sie war sich nun ganz sicher. Sie kannte ihn.

"Danke Dorothea.", flüsterte Nava bedrückt und sah sich im Spiegel an. Dorothea hatte wahre Wunder gewirkt, sie geschminkt und gestylt.

Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren kaum noch zu sehen, der stetig wachsende Bauch dafür deutlich. Sie trug eines dieser fließenden, weichen Gewänder, das ihren Körper an den richtigen Stellen betonte. Es hatte die Farbe eines wolkenlosen Himmels. Die schwarzen Haare fielen ihr offen über den Rücken. Sie war schön, zumindest beteuerten dies sowohl Dorothea als auch die Henotellos Azura und Ragnar.

Warum also fühlte sie sich nicht schön und mächtig als sie über den Stützpunkt spazierte um nach über einer Woche ihren Gefangenen wiederzusehen. Wenn sie ehrlich war, hatte Angst sie von einem früheren Besuch abgehalten. Das Grün in Killian Hayes braunen Augen ließ sie an ihrer Zurechnungsfähigkeit zweifeln.

"Lady Nava. Ich müsste dringend mit Meister Bärenstein sprechen.", unterbrach Offizier Samael ihre Gedanken. Er hatte sich breitbeinig und mit unverkennbarer Wut in den Augen vor sie gestellt und erwartete nun offensichtlich ihre Aufmerksamkeit. Seufzend strich Nava über ihren dicken Bauch und wartete auf eine Erklärung des Offiziers. Dieser war auf eine solche Reaktion nicht vorbereitet gewesen und stammelte:

"Ähm, es geht um die Eroberung Kochaj Nowes. Meister Bärenstein sollte auf jeden Fall davon erfahren und von den Fortschritten der Schwangerschaft. Bitte öffnen Sie die Kommunikationswege der Basis." Navas Herz setzte einen Moment aus als sie an ihren Ehemann dachte. Gleichzeitig begann das Kind in ihrem Bauch zu treten und festigte die Angst die sie gegenüber Loke empfand. Er würde dieses Kind nicht wollen. Er würde ihrer Tochter wehtun. Mit in Blei gegossenen Gesichtszügen sah Nava Samael an.

"Er erfährt diese Updates von mir. Nur von mir. Keine der beiden Ereignisse gehen einen Offizier an. Wenn Sie mich nun entschuldigen würden. Ich habe einen Gefangenen zu befragen." Samael biss den Kiefer zusammen und ballte die Hände zu Fäusten.

"Bei allem Respekt, Herrin. Das sind nicht meine Befehle..", weiter kam er nicht. Wütend warf Nava ihn von sich. Benutzte dafür nur ihre Telekinese und die aufgestauten Emotionen. Samael knallte gegen die Wand eines Hauses und blieb liegen. Unbekümmert ging Nava weiter, verschwendete keinen Gedanken an den Mann. Nun zählte nur der Gefangene und die Informationen die er ihr geben konnte. Sie ging über die Basis, vorbei an alten Häusern und jungen Soldaten.

Die Sommersonne schien hell und frisch. Beleuchtete den Stützpunkt und all seine hässlichen Flecken. Killian Hayes wurde in einem besonderen kriegsgefangenen Verließ untergebracht. Er war dort nun schon seit einer Woche und immer noch nicht bereit zu reden. Davor war er in einer anderen Zelle gewesen, einer wesentlich bequemeren Zelle, doch nachdem die Telepathen keinen Weg in seinen Kopf hatten finden können, wurde auf die übliche Folter um geschwungen.

Essensentzug, Schlafentzug und Kälte waren die mittel der letzten Woche gewesen. Nava war sich nicht sicher was sie in diesem Verließ erwartete. Unbehaglich schritt sie durch die Tür des Hauses und grüßte den diensthabenden Soldaten und Azura. Die junge, blauhaarige Henotello war zum zusätzlichen Schutz im Gefängnis abgestellt worden. Der ältere Soldat öffnete sofort die Tür zum Keller und wies ihr den Weg. Azura folgte ihr leise und bekam von dem Soldaten einen Hocker in die Hand gedrückt.

"Dort unten gibt's keine anderen Sessel.", meinte er nur wissend und deutete auf Navas Bauch. Es ging eine breite, gut beleuchtete Treppe nach unten zu einem kleinen, dunklen Raum. Sobald Nava unten war, wurde von oben das Dämmerlicht der Zelle an geschalten.

Lichtentzug war ebenso grausam wie andere Foltermethoden. Was Nava sah ließ ihr den Atem stocken. Die Zelle war schmutzig, kahl und alt. In einer Ecke lag eine abgenutzte, stinkende Matratze und gegenüber eine Kloschüssel. Zwischen Gitterstäben konnte Nava den beeindruckenden jungen Mann sehen, dessen Leben sie verschont hatte. Im Schneidersitz auf kaltem Beton sitzend beobachtete er jede ihrer Bewegungen argwöhnisch. Nava biss die Zähne zusammen und trat näher. Schnell platzierte Azura den Hocker vor den Gitterstäben und ließ Nava darauf Platz nehmen.

"Danke, du kannst oben warten." Überrascht verzog Azura das Gesicht.

"Aber was ist wenn er was versucht." Nava blickte ihr lächelnd entgegen.

"Dann werde ich damit klarkommen. Jetzt geh. Ich komme hoch wenn ich fertig bin."

Widerwillig folgte Azura dem Befehl und verschwand. Mit einem Handwink zerstörte Nava auch die Sicherheitskameras im Raum und seufzte erleichtert als sie endlich sicher war alleine mit Killian zu sein. Dieser rückte näher an die Gitterstäbe und sah sie mit hungrigen Augen an. Seine Haut war bleich und er hatte schon in der kurzen Zeit deutlich abgenommen.

"Du schon wieder. Dachte ich hätte dich mir nur eingebildet." Nava lächelte ihn gutmütig an.

"Nein, Killian. Ich bin echt. Genauso echt wie dein Hunger."

"Ist die Frage wer du bist." Unsicher strich Nava über ihre Oberarme und biss sich auf die Unterlippe.

"Ich bin Nava."

"Lady Nava? Bärensteins mörderische Ehefrau?" Mit einem nicken bestätigte sie und hörte Killian daraufhin lachen. "Und ich dachte immer die Jungs von der Front haben übertrieben. Aber nein, du bist wirklich so ein mächtiges Monster."

"Keine schönen Worte." Killians Lachen verebbte und Trotz trat an seine Stelle.

"Nicht schön war, was du aus meinem Dorf gemacht hast. Meine Mitstreiter haben mir so vieles von dir erzählt." "Was haben sie erzählt?", fragte Nava ehrlich neugierig. Killian zuckte mit den Achseln.

"Alles was du so gemacht hast." "Und was habe ich gemacht?", fragte sie nun drängender. Vielleicht könnte ihr Killian etwas sagen, das Green sie selbst herausfinden lassen wollte. Doch anstatt zu antworten, schnaubte er wütend.

"Solltest du das nicht selbst wissen." Unsicher schüttelte Nava den Kopf. "Meine Erinnerung ist bruchstückhaft, als wäre da dichter Nebel." Ungläubig beugte Killian sich näher.

"Warte mal du kannst dich nicht erinnern was damals geschehen ist?" Nava zuckte mit den Achseln und versuchte Gleichgültigkeit vorzuspielen.

"Und wenn schon? Es war bis jetzt nicht wichtig." "Nicht wichtig? Das ist ein Teil deines Lebens." Nava lehnte sich seufzend zurück, während Killian näher rückte und sprach weiter ohne ihr die Möglichkeit auf eine Antwort zu geben.

"Mir wäre es wichtig. Ich weiß, dass als der Krieg begann alle von dir gesprochen haben. Du warst der schöne Tod. Alle hatten Angst vor dir, auch Bärensteins Leute und die anderen Henotellos. Ich würde mich fragen wie du so geworden bist." Irritiert runzelte sie die Stirn.

"Wie ich wie geworden bin?" Killian räusperte sich. "Eine gewissenlose Mörderin."

"Ist das jetzt noch überhaupt von Bedeutung? Ich kann den Tod nicht von meinen Händen waschen, selbst mit all der Seife in der Welt nicht." Interessiert lehnte Killian sich gegen die Gitterstäbe und sah sie von unter an.

"Aber du hattest doch mal eine Familie oder nicht?" Vor Navas geistigem Auge sah sie das Haus von dem Green behauptet hatte, es habe ihrer Familie gehört. Er hatte behauptet Menschen hätten sie geliebt, doch wieso konnte sie diese Liebe dann nicht mehr spüren, wieso fühlte sich ihr Herz so... leer an. Wieso war da kein Gefühl außer Wut und Verzweiflung? Die Zähne zusammen beißend, versuchte sie die Kopfschmerzen zu unterdrücken und zuckte mit den Achseln. Killian nahm ihr Schweigen mit einen leisen lachen entgegen.

"Ist sowieso egal. Jetzt bist du nur noch ein Schmuckstück ohne eigenen Willen."

"Das bin ich nicht!", rief Nava empört aus. Aus irgendeinem Grund kränkte sie die Behauptung eine nutzlose Galionsfigur zu sein mehr als eine Mörderin geschimpft zu werden.

"Deine Taten zeigen dich in einem anderen Licht! Seit du Bärenstein geheiratet hast, warst du nichts anderes. Davor kann ich dir immerhin noch ein bisschen Eigennutz vorwerfen. Du hast tatsächlich getan was DU wolltest, aber danach...ein Marionette." Wütend stand Nava auf und verschränkte die Arme vor der sich schnell hebenden Brust.

"Ich bin keine Puppe. Ich habe entschieden dein Dorf anzugreifen und ich entscheide über dein Schicksal. Du solltest also wesentlich netter sein." Killian stand ebenfalls auf und lehnte sich gegen die eisernen Gitterstäbe. Er war ruhig, zeigte keinerlei Reaktion auf ihre Drohung. Die plötzliche Nähe irritierte sie ungemein.

"Wenn du mich tot sehen wolltest, wäre ich es schon. Bis dahin sage ich dir meine Meinung. Meine Wahrheit." Telekinetisch griff sie nach seinem Hals, hob ihn hoch und sorgte dafür das seine Sauerstoffzufuhr eingeschränkt war. Sie war wütend, angestachelt und wollte ihm zeigen dass sie nicht die Marionette war für die er sie hielt. Vielleicht sollte sie ihn einfach töten, sich die Probleme ersparen. Es wäre zweifellos einfacher, aber..

zögerlich sah sie in seine Augen und erkannte wieder dieses verheißungsvolle Grün in ihnen. Heftig ausatmend ließ sie ihn zu Boden fallen. Greens sanftes Lächeln versperrte ihr die Sicht. Er wäre traurig noch einen Mord an ihren Händen zu sehen und aus irgendeinem Grund konnte sie es ebenso wenig ertragen.

Sie wollte nicht das Killian starb, er sollte genau dort bleiben und mit dieser furchtbar, schmeichelnden, gnadenlosen Stimme seine Wahrheiten heraus posaunen.

Anmerkung der Autorin: Eigentlich hab ich nichts zum anmerken. Ich mag das Kapitel, ist mir tatsächlich ganz gut gelungen und ich hoffe es kommt bei euch genauso gut an. Schreibt mir doch was ihr davon haltet?

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