14. Geduld und Normalität

Ich bin Schriftsteller für unseren Meister Bärenstein. Er hat mich aus einem Kloster geholt und dieser Berufung zugeführt. Mit ihm bereise ich die Welt und verfasse seine Memoiren wie er es wünscht. Manchmal bin ich nicht einer Meinung mit ihm, aber widersprechen fiele mir nicht ein. Ich bin ihm so dankbar. Das Kloster war nicht meine Wahl. Ich habe zwei ältere Brüder und mein Vater hat mir keine Wahl gelassen. Es hieß Kloster oder Straße und ich bin nicht für die Straße gemacht. Meine Familie ist wohlhabend und ich bin mit diesem Privileg aufgewachsen. Armut wäre mir nicht bekommen. Also Kloster und wie sich herausgestellt hat, war es die richtige Wahl. Ich bin endlich so frei wie ich es immer wollte und Meister Bärenstein ist ein guter Arbeitgeber. Danko, 28, ein Jahr bevor die Pocken ihn sein Leben kosteten

BRANDON
Bercelona. Die kleine Stadt am Meer. Sie war alt und beherbergte eine Menge Geschichte. In Brandons Geschichtsbüchern wurde sie die heilige Stadt genannt. Als der erste Lothar von Bärenstein seine Eroberungen machte, waren die Länder in seinem Weg wenig über seine Attacken erfreut. Anders Bercelona. Die Stadt änderte freiwillig ihren Namen um ihrem neuen Herrscher Tribut zu zollen.

Die Machthabenden der Stadt schickten Truppen, Geld und Vorräte um Meister Bärensteins Vormarsch in Europa zu begünstigen. Aus diesem Grund wurde das kleine Städtchen am Meer mit den niedrigen Häusern und den staubigen Straßen, die heilige Stadt genannt. Der Name war Jahrhunderte später mehr eine Verhöhnung als Preisung. Die nachfolgenden Bärensteins waren Bercelona nicht so freundlich gesinnt gewesen und hatten die reichen Bewohner ausbluten lassen. Brandon saß am Steuer des Autos und beobachtete die Straße vor ihm.

Giselle neben ihm sah staunend aus dem Wagen. Clark und Reina saßen hinter ihm. Reina hatte seit ihrer Flucht nicht mit ihm geredet. Ihre Distanz machte Brandon unruhig und führte dazu, dass er an seiner Entscheidung zweifelte. Der Gedanke seine Leute sowie Diana und Anna möglicherweise in große Gefahr gebracht zu haben, lastete schwer auf seinem Herzen. Seufzend rückte er die Sonnenbrille auf seiner Nase zurecht. Sie hatten diese unterwegs an einer Tankstelle gestohlen. Alles was er sich wünschte war ein bisschen Zeit um mit Reina über alles zu reden. Er wollte nur ihre Stimme hören, seine Beweggründe erklären und die Gründe ihrer Wut erfahren. Seit den Smiths schien sie sich selbst einzusperren, sie sah ihn nicht mehr.

"Da! Da ist das Haus von dem der Arsch erzählt hat!", rief Giselle erfreut und griff nach Brandons Arm. Es war nur eine leichte Berührung, doch Brandon sah Reinas Gesicht im Rückspiegel. Die Mordlust war ihren normalerweise sanften Augen deutlich anzusehen.

Eifersucht passte gar nicht zu ihr. Brandon lenkte den Wagen in die Richtung in die Giselle zeigte und erkannte ebenfalls das Haus von dem Offizier Fuchs gesprochen hatte. Die wenigen Menschen auf der Straße machten einen großen Bogen um die Fremden und gingen lieber nach Hause als sich mit dem möglichen Ärger den Brandon und seine Truppe bedeuten könnten, zu beschäftigen. Es war kurz vor Sonnenuntergang, die Schatten waren lang und unheimlich. Das große, rote Backsteinhaus thronte über ihnen wie ein gefräßiges Monster. Es wartete auf sie.

"Gehen wir erst mal in zweier Teams herum und schauen ob wir was durch die Fenster sehen können. Danach treffen wir uns wieder beim Auto.", meinte Brandon zuversichtlich und wollte nach Reinas Hand greifen. Angewidert zuckte sie zurück und sah ihn zornig an.

"Was ist? Ich dachte wir sind ein Team." Reina schluckte hart und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Ich gehe lieber mit Clark."

Mit diesen schmerzhaften Worten drehte sie sich am Absatz um und ging mit Clark um die Ecke des Gebäudes. Brandon blieb verwirrt mit wehem Herzen zurück, bis Giselles sanfte Berührung ihn wieder in die Gegenwart holte.

"Ich geh mit dir.", meinte sie achselzuckend. Ihr Lächeln sorgte tatsächlich dafür, dass Brandon seine Beine wieder bewegen konnte. Gemeinsam gingen sie um die Ecke des Gebäudes und versuchten durch die dreckigen Fenster ins Innere zu sehen.

"Deine Freundin scheint wütend auf dich zu sein.", Giselles Gesichtsausdruck blieb neutral, Brandons verzog sich bei diesen Worten unsicher.

"Ich weiß. Wir hatten wohl unterschiedliche Ansichten wie man die Situation bei unserer Flucht regeln sollte. Vor der Sache mit den Smiths hätte sie anders reagiert.", antwortete Brandon traurig.

"Was ist bei den Smiths passiert?"

"Wenn ich das wüsste. Alles was ich weiß, ist das sie halb nackt mit Blut überströmt überlebt hat. Ich weiß nur nicht genau was."

Giselle sah ihn kummervoll an. In ihren Augen konnte Brandon eine traurige Wahrheit sehen. "Ich denke wir können uns beide denke, was zumindest teilweise passiert ist. Und glaub mir so etwas verändert dich. Innen und außen."

Interessiert beugte Brandon sich vor.

"Ist dir das auch passiert?" Giselle zeigte ihm ein freudloses Lächeln und begann langsam entlang der Wand weiterzugehen. Er konnte nur ihren schmalen Rücken sehen, als sie die nächsten Worte aussprach.

"Viele Male. Die Reproduktion in der Akademie ist keine schöne Sache. Versteh mich nicht falsch. Nicht alle Männer dort sind Arschlöcher, die das System ausnutzen um Mädchen zu vergewaltigen, aber ein paar sind es eben doch. Mein erster Partner war nur zu glücklich alles mit mir tun zu können, was er wollte. Unseren Vorgesetzten war es nur wichtig, dass ich am Ende schwanger war.", sie blieb bei einem weiteren hohen Fenster stehen und legte ihre Arme dagegen um hineinsehen zu können.

Brandon tat es ihr gleich und konnte, doch nicht aufhören an ihre Worte zu denken. War dies Reina widerfahren. Während Zemine ihn berührte, hatte ihr Mann Reina missbraucht? Und er, Brandon, hatte es zugelassen, sie nicht gerettet. War zu spät gekommen. Die Schuld nahm im den Atem, die Wut auf sich selbst fuhr wie eine Eisenbahn über sein Selbstbewusstsein.

"mein Erstgeborener war mir reichlich egal. Ich hatte aufgrund der Dinge, die sein Vater mir angetan hat, keine Liebe für das Kind. Ich denke noch heute, dass es meine Schuld war, das es gestorben ist." Brandon sah Tränen in Giselles Augen und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. Blinzelnd sah sie ihn an, diesmal mit einem Lächeln auf den Lippen.

"Beim zweiten Mal war alles anders. Ich mochte den Mann, denn sie mir zugeteilt hatten. Er war gutmütig und liebevoll. Als ich schwanger war, fragte ich ihn ob er mit mir fortlaufen würde."

"Und. Kam er deiner Bitte nach?" Giselle zuckte hilflos mit den Achseln.

"Natürlich nicht. Die Akademie war Kens leben. Er war dort aufgewachsen und so sehr er mich auch liebte, konnte er das einzige Zuhause, dass er je gekannt hatte nicht verlassen." Brandon fühlte Giselles Kummer. Er konnte sich nicht vorstellen wie schwierig die Situation damals gewesen sein muss.

"Was ist aus ihm geworden?" Für eine Weile antwortete sie ihm nicht, ging langsam weiter und sah durch die dreckigen Fenster, obwohl es beinahe unmöglich war etwas dahinter zu erkennen. Brandon war dabei sich mit dem Rätsel um Ken abzufinden als er ihre leise Stimme hörte.

"Kurz vor der Geburt unserer Tochter wurde er der Akademieleitung zu emotional und aufsässig. Sie haben ihn in den Psychoanalyse Raum gesteckt. Als er wieder rauskam, war er nur lebendes Gemüse, mehr nicht. Der Mann den ich liebte, war fort." Brandon fragte erst gar nicht was der Psychoanalyse Raum war. Die Akademie hatte furchtbare Folterkammern gehabt und in jeder davon hätten sie Ken zur Unkenntlichkeit foltern können.

"Und dein Kind gestohlen." Giselle nickte.

"Sie haben sie gleich nach der Geburt mitgenommen und ein paar Tage später kamst du. Hast uns befreit."

"All die Zeit hast du nach deiner Tochter gesucht?" Bewunderung mischte sich mit seinem Mitgefühl für diese starke Frau.

"Sie ist alles was ich noch von Ken habe.", antwortete sie niedergeschlagen. Brandon hörte Reina und Clarks stimmen und beschloss vor ihrem zusammentreffen noch letzte persönliche Worte zu wechseln. Zielstrebig fasste er Giselles Schultern und drehte sie zu sich um. Verwirrung lag in ihren Augen. Brandon schluckte.

"Es tut mir leid, was dir passiert ist. Alles. Ich wünschte ich könnte es ungeschehen machen, aber ich habe noch eine letzte Frage. Wenn du sie mir beantwortest schwöre ich, alles in meiner Macht stehende zu tun um deine Tochter zurück zu dir zu bringen." Erschrocken starrte Giselle ihn an und nickte schließlich unsicher.

"Wie kann ich Reina helfen, das Trauma zu verarbeiten. Wie kann ich es wiedergutmachen?", fragte er mit tiefster Verzweiflung in der brüchigen Stimme. Er musste ihre Schmerzen lindern, nichts anderes war in diesem Moment von Bedeutung. Giselle sollte ihm nur den Weg zeigen und er würde ihn gehen. Doch der mitfühlende Blick den Giselle ihn entgegenbrachte, zerschmetterte seine Hoffnungen bevor sie etwas sagen konnte.

"Du hast alles getan, was du tun konntest. Sie ist weg von dem Monster, ab jetzt heißt es warten und wenn sie sich öffnet, zuhören. Aber der Zeitpunkt liegt bei ihr. Dräng sie nicht. Lass sie sich nicht anders fühlen. Normalität und Geduld heilt viele Wunden."

Zittrig holte Brandon Luft und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.

"Danke, ähm Giselle. Vielen Dank."

Trotz seiner Bemühungen kullerten die Tränen aus seinen Augen über seine Wangen. Bevor er sie wegwischen konnte, umfing ihn Giselles Arme und dankbar nahm er ihren Trost an. Sie konnte zwar weder seine Schuldgefühle, seine Trauer und die Wut auf sich selbst verschwinden lassen, aber für einen Moment konnte er so tun als wäre er nicht alleine mit dieser Sache.

"Brandon!", hörte er plötzlich Reina schreien und reflexartig löste er die Umarmung von Giselle. Reinas erschrockener, verletzter Gesichtsausdruck war eindeutig. Sie missverstand die Sache vollkommen und Brandon gierte danach ihr die Wahrheit zu sagen.

"Reina warte. Bitte ich kann das erklären." Der Blick stur, die Hände zitternd lief sie an ihm vorbei und zog Clark hinter sich her. Brandon konnte nicht locker lassen und schnitt ihr den Weg ab.

"Ree, es ist nicht so wie es aussah. Bitte lass mich erklären.", flehte er verzweifelt. Der ungeheuerliche Schmerz in ihren Augen ließ sein Herz zerspringen. Er hatte sie tief getroffen.

"Ich will von dir keine Erklärung, BRANDON. Ich will das hier hinter uns bringen und nach Hause. Wir sind fertig miteinander. Es ist aus", flüsterte sie als sie an ihm vorbei zum Auto hetzte. Clark blieb zurück und sah ihn verlegen an.

"Wir haben einen Weg rein gefunden. Wir sollten jetzt los, sonst verlieren wir den Überraschungsmoment." Brandon antwortete ihm nicht. Er blieb wie vom Donner gerührt stehen, als ihn seine eigene Wut zu übermannen drohte.

"Das willst du nicht tun.", meinte Giselle und hielt ihn fest.

"Was? Wieso nicht? Sie hat mich nicht mal ausreden lassen. Sie hat... Schluss gemacht. Wie kann sie sowas sagen? Sie hat..", hektisch atmend biss Brandon die Zähne zusammen. Giselle blieb ruhig. "nichts davon getan. Reina ist verletzt. Sie gibt sich die Schuld an dem was passiert ist und versucht dich wegzustoßen. Geduld und Normalität. Gib ihr genug Freiraum zum atmen, aber lass sie nie alleine. Sie wird merken, dass sie einen Fehler gemacht hat und zu dir kommen. Vertrau ihr."

"Was ist, wenn sie es nicht merkt?", fragte er zweifelnd und strich sich das lange Haar aus dem Gesicht.

"Vertraust du ihr?", entgegnete Giselle sanft. In Brandons Kopf spielte sich seine und Reinas Begegnung, ihre aufkeimende Liebe und der gemeinsame Schmerz ab und niemals hatte er an ihr gezweifelt. Niemals hatte er angenommen, sie wäre nicht auf seiner Seite. Seine eigenen zerstörerischen Gefühle verdeckten sein Vertrauen Reina gegenüber.

Als er sie wieder ansah, ihr zusah wie sie die Gewehre aus dem Kofferraum nahm und sich das lange Haar hinter die Ohren strich, da wusste er das es zwischen ihnen so nicht enden konnte. So nicht enden würde. Er atmete tief durch und kam Reina und Clark entgegen, nahm ihr schweigend zwei Gewehre ab und reichte eines davon Giselle. Die Munition überprüfend folgten sie Clark zu dem Hintereingang, versteckt durch Farbe. Trotz ihrer persönlicher Probleme mussten sie nun professionell und sicher handeln. Sie durften keine Fehler machen, mussten schnell die Kontrolle dieser unbekannten Einrichtungen an sich reißen und Gefahrenstellen ausschalten.

Was jeder von ihnen wusste, war die schreckliche Tatsache dass sie im Grunde keine Ahnung hatten was im Untergrund des Gebäudes auf sie lauerte. Da unten könnte eine Armee auf sie warten, aber Zeit groß Pläne zu schmieden hatten sie auch nicht. Vier Waffen, ihre Fähigkeiten und ein eiserner Wille war alles was sie besaßen. Der Überraschungseffekt war ihre einzige Chance. Brandon sah seine Mitstreiter an und vermied es dabei Reina zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Sie würde sich an Clark halten und hoffentlich unbeschadet aus dieser Mission hervorgehen.

REINA
Clark trat die Tür auf. Brandon war der erste der hineinstürmte und sofort nach einem Abgang in das unterirdische Labor suchte. Reina folgte hinter Giselle als letzte der Truppe und versuchte ruhig zu atmen. Ihr Herzschlag spielte verrückt ähnlich wie ihr Verstand.

Ein kleiner Teil von ihr wusste, dass sie sich die Sache zwischen Brandon und Giselle nur einbildete, doch der andere, weit größere Teil in ihr sah in Giselle eine Bedrohung. Sie war rein, nicht beschädigt wie Reina. Kurz blitzte das Bild von Mr. Smith in ihrem Kopf auf und sie fühlte sich wieder wie damals. Ihre Hand an das Bett gefesselt, seine Hände auf ihrem Körper.

"Hey, wo bist du mit deinen Gedanken? Wir müssen weiter.", hörte sie Clarks Stimme und versuchte sich aus dem Flashback zu ziehen. Sie wollte nicht an diesen Moment denken, konnte es nicht. Bedrückt folgte sie den anderen eine enge, dunkle Wendeltreppe nach unten.
Surrend ging die karge Deckenbeleuchtung an und offenbarte Spinnennetzte und Mäusekot.

"Das kann aber kein großes Labor sein, wenn das der einzige Ausgang ist?", wunderte sich Giselle und hielt sich mit einer Hand am rostigen Geländer an. Tatsächlich sah die Wendeltreppe mit den Betonstufen und dem alten eisengeländer nicht sehr modern aus.

"Vielleicht ist es nur ein Notausgang?", fragte Brandon achselzuckend und bemühte sich sie nicht anzusehen. Reina schluckte hart und erinnerte sich an ihre furchtbaren Worte außerhalb des Gebäudes. Sie musste ihn verletzt haben, aber alles woran sie denken konnte, war ihren inneren Schmerz zu teilen. Die emotionalen Qualen drohten sie zu ersticken und Brandon weh zu tun schien der einzige Weg zu überleben.

Vor ein paar Stunden, vor ihrer Flucht hatte sie noch anders gedacht. Sie hatte gar nichts gefühlt. Leere hatte alle Gefühle und Schmerzen verdrängt, doch nach ihrer Flucht kamen die Zweifel und der Hass auf sich selbst. Die Wut war unbesiegbar. Und mit Brandons Entscheidung Gnade walten zu lassen, hatte er ihr den perfekten Grund gegeben jemand anderen zu hassen als sich selbst.

"Es kann nicht mehr weit sein.", flüsterte Clark beinahe ehrfürchtig und zeigte auf ein Schild. >Ebene 1< stand in großer, leicht lesbarer Schrift auf einem Schild. Nervös kontrollierte Reina noch einmal ihr Gewehr.

Sie hatte bei weitem nicht so viel Munition wie sie gerne hätte, aber es musste reichen. In ungleichmäßiger Formation schlichen sie durch die nun hell erleuchteten Flure. Es gab nur wenig Beschilderung und nummerierte Türen, doch keine Möglichkeit zu wissen was sich hinter den Türen verbarg. Ihre Truppe wurde unruhig. Vor ihnen erstreckte sich ein Labyrinth.

"Wir müssen jemanden finden.", flüsterte Brandon und lauschte an einer Tür. In diesem Moment trat ein bebrillter Mann mit weißem Kittel, einer Kaffeetasse in der einen und einer Akte in der anderen Hand auf den Flur. Erschrocken blieben sie stehen, doch der Wissenschaftler schien sie gar nicht zu bemerken.

Tief versunken, mit offenem Mund las der junge Mann die Akte. Clark sah Brandon an und stürmte auf den Fremden zu sobald er von Brandon das Okay bekam. Der Fremde bemerkte die Attacke erst als es schon zu spät war. In wenigen Sekunden und vollkommender Stille hatte er Clarks Messer an der Kehle und starrte in die Augen eines sehr wütenden Rebellen. Reina rannte ihm nach und nahm die Akte und die Tasse aus den Händen ihrer Geisel.

"Was wollt ihr? Wer seid ihr?", fragte dieser hektisch atmend und hob die zitternden Hände. Reina schätzte ihn auf Ende zwanzig, die kurzen blonden Haare begannen schon etwas dünner zu werden und die dicken Augenringe zeugten von einer schlaflosen Arbeit.

"Wir stellen hier die Fragen.", zischte Clark bedrohlich. Sofort schloss der Fremde den Mund und sah sie ängstlich an. Reina schüttelte nur den Kopf und überließ es Brandon die Antwort auf seine Fragen zu finden. Statt sich einzumischen, lehnte sie sich an die Wand, nahm einen Schluck von dem Kaffee und begann die Akte zu lesen.

Der Kaffee war schwarz mit ein wenig zucker, leider so gar nicht Reinas Geschmack, doch die Akte war interessant. Sie handelte von den letzten Forschungsergebnissen. Reina hatte sich immer gefragt wofür man Coraline und offensichtlich auch Giselles Tochter, beide Henotellos ohne aktive Gabe, überhaupt untersuchen wollte. Das aktivieren schlummernder Henotello-Gene war schon vor vielen Jahren als unmöglich bewiesen worden. Wofür also diese Einrichtung. Fasziniert las sie weiter.

"Haben Testgruppen U-Z höhere Dosis an N13 gegeben. Die Testgruppen A-D haben dagegen N09 bekommen. Sie alle wiesen danach Fieber auf, doch nur bei einigen Subjekten stellten sich körperliche oder geistige Veränderungen ein. Und selbst das erst nach Wochen der Behandlung. In der Regel gilt je jünger die Subjekte umso erfolgreicher wirkt das Serum. Überlegung Säuglinge für die Testung zu ordern war von essentieller Bedeutung für die spätere Forschung. Wir müssen.."

"Reina. Komm. Wir haben eine Richtung.", flüsterte Giselle ihr zu und ohne wirklich auf die Richtung zu achten folgte sie ihrem Team durch die verwinkelten, weißen Flure bis sie schließlich zu einer schwarzen Tür kamen. Ihre Geisel nickte zittrig und zeigte auf die Tür.

Brandon entsicherte sein Gewehr und wartete auf die anderen. Schnell stellte Reina die Kaffeetasse und die Akte auf den Boden und griff nach ihrer Waffe. Sie fühlte sich kalt und schwer in ihren Händen an. Fast so kalt wie Mr. Smiths Hände, als er ihr den Rock von den Hüften riss. Schnell schüttelte sie den Kopf um die Bilder daraus zu vertreiben. Sie wollte nicht daran denken, wieso verstand ihr Gehirn das nicht.

Die Identifikationskarte ihrer Geisel wurde gescannt und sanft drehte Brandon am Türknauf um einzutreten. Ein Kontrollraum erwartete sie im inneren. Schwarze Computer, eine riesige Leinwand und hunderte von Kontrolllampen leuchteten ihnen entgegen.

Der Raum an sich war nicht groß. Es standen vielleicht zwanzig Computer und die dazugehörigen Schreibtische darin. Der schwarze Boden und die schwarzen Wände bildeten einen krassen Kontrast zu dem weiß der Flure und schluckten jegliche Farbe. Die Männer und Frauen an den Maschinen sahen nicht einmal auf. Zu versunken in ihrer Arbeit, starrten sie in die leuchtenden Bildschirme.

Reina seufzte und lehnte sich wieder mit Kaffee und Lesestoff gegen die Wand. Sie ließ die aggressiveren Teammitglieder ihren Neigungen nachgehen und würde sich wieder zurückmelden wenn das erledigt wäre. Verwirrt schnaubend trat Clark in die Mitte des Raumes und schoss wütend zwei Kugeln in die Luft. Es knallte und rauchte und Schreie wurden ausgestoßen. Genau die Reaktion auf die Clark gehofft hatte.

Reina verstand ihn, er wollte die Aufmerksamkeit der Leute, doch das war eine blöde Idee gewesen. In diesem Raum liefen so viele Kabeln zusammen. Er musste nur eines Treffen und- in diesem Moment begann sich eine gläserne Sicherheitstür von oben über die normale Eingangstür des Kontrollraumes zu legen.

Reina sah es in Zeitlupe und wusste genau, dass weder sie noch Clark schnell genug waren um hindurch zu sprinten. Brandon und Giselle auf der anderen Seite, standen näher an der Tür und reagierten sofort.

Schnell hechteten sie hindurch und fanden sich auf der anderen Seite der Sicherheitstür wieder. Perplex trat Reina zu dem Glas und sah ihren Geliebten auf der anderen Seite stehen.
Brandon blickte ihr traurig entgegen. Als die Alarmanlage anging wussten sie beide, dass ihr Plan nicht so lief wie sie sich das vorgestellt hatten.

Anmerkung der Autorin: Es tut mir so leid um Reina.

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