fünfzehn

L E V O N


Fuck.

Fuck, Fuck, Fuck. Was zum Teufel war das eben gewesen? Was in aller Welt hatte ich mir dabei gedacht, mit Velvet zu spielen? Ich hatte sie verdammt noch mal zum Weinen gebracht - und das war das aller letzte, was ich gewollt hatte. Wäre mir dieser eine, dumme Kommentar nicht rausgerutscht.

Wütend aufgrund meiner eigenen Dummheit, schüttelte ich den Kopf, um meine Gedanken loszuwerden und setzte meine Verfolgungsjagd fort. Verzweifelt versuchte ich, Velvet durch die Menschenmenge einzuholen, was sich als schwerer herausstellte, als gedacht. Wie schaffte sie es nur sich in dieser Geschwindigkeit durch die Leute durchzuschlängeln? Und das trotz ihres Betrunkenheitsgrats. Erstaunlich.

Ich musste sie einholen, bevor sie es schaffte, ein Taxi zu bekommen, denn dann war sie weg und das konnte ich nicht zu lassen, ohne die Sache von eben zu klären. Diese Sturheit, das Geschehene wieder gut zu machen, war neu für mich. Normalerweise wäre es mir egal gewesen, dass ich ein Mädchen verletzt hatte, doch bei Velvet wollte ich mich um jeden Preis entschuldigen. Wieso ich das so dringend wollte, wusste ich selber nicht.

Während ich dem Mädchen mit den blaugrauen Augen hinterher rannte, rempelte ich aus Versehen immer wieder jemanden an, der mir im Weg stand und jedes Mal hatte ich das Gefühl, dass Velvet einen noch größeren Vorsprung bekam.

Ich schaffte es nicht, sie zu erwischen, bevor sie aus dem Club lief, weswegen sie mit einem Mal komplett aus meiner Bildfläche verschwand. Mein Puls raste, als ich ihr aus dem Club hinterher stolperte und sofort hektisch um mich sah. Mein Atem ging schnell, ich schwankte ein wenig. Zuerst konnte ich sie nicht entdecken, weswegen ich mir verzweifelt die Haare raufte, keine Sekunde später jedoch, sah ich sie auf der anderen Straßenseite, wie sie bereits suchend um sich blickte.

„Velvet!"

Keine Reaktion. Gerade, als ich anfing, mich in Bewegung zu setzen, sah ich, wie sie sich mit dem Handrücken über ihre Wange fuhr. Mein Herz zog sich auf eine mir unbekannte, schmerzliche Art und Weise zusammen, was mich Aufkeuchen ließ. Ein leises Verdammt verließ meinen Mund, während ich erneut los rannte.

„Velvet!", brüllte ich dieses Mal um Einiges lauter, weswegen sich mehrere Leute, die vor dem Club standen, zu mir umdrehten, doch das war mit egal. Einzig und allein das Mädchen, was in diesem Augenblick so unfassbar verloren aussah, war wichtig.

Ohne mich zu vergewissern, ob Autos fuhren, lief ich über die Straße, während ich erneut ihren Namen schrie. Dieses Mal zuckte sie merklich zusammen, drehte mir allerdings ihren Rücken zu und entfernte sich weiterhin vom Club. Wenn ich mich ganz täuschte, dann wurde ihr Gang noch schneller, sodass sie nun mit großen Schritten davon wankte.

Jedoch nicht schnell genug, da es mir nicht schwer fiel, den Abstand zwischen uns beiden endlich zu verringern.

„Verdammt, jetzt bleib' doch stehen!"

„Verpiss' dich!", hörte ich sie rufen. Bei dem Klang ihrer weinerlichen Stimme legte ich noch einen Zahn zu.

Sie war mittlerweile nur noch ein paar Meter entfernt. Fünf Meter. Drei Meter. Ein Meter.

Schwer atmend fischte ich nach dem Arm des Mädchens, was immer noch nicht aufhörte, vor mir wegzulaufen, und umfasste ihn kräftig, sodass sie stehen bleiben musste.

„Velvet", mein Hals war plötzlich unheimlich trocken, „bitte hör' mir doch zu." Ruckartig fuhr sie herum stand mir nun endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber.

Doch ihr Anblick ließ mich hart schlucken und meine Augen aufreißen. Die Sommersprossen überzogenen Wangen waren aufgrund der Tränen durchnässt, ihre Mascara verlaufen und ihre blaugrauen Augen glänzten glasig. Alles deutete daraufhin, dass ich sie mit meinem Handeln ein paar Minuten zuvor, schwer getroffen hatte. Nie in meinem Leben hätte ich gedacht, dass sie so empfindlich darauf reagieren würde und sogar weinen könnte.

Denn eins stand fest, Velvet war niemand, der aus einem nichtigen Grund anfing, zu flennen. Ganz im Gegenteil. Ich schätzte sie so ein, dass sie ihre Tränen niemals einer anderen Person zeigen wollen würde.

Und genau das hatte ich gerade eben geschafft, mit einer unglaublich dummen, unreifen Aktion, mit der ich mir nur selbst etwas beweisen hatte wollen.

Velvet's Reaktion auf die Tatsache, dass ich etwas mit Amba gehabt hatte, hatte ganz schön an meinem Ego gekratzt. Ich glaube noch niemand hatte mir je in meinem Leben gesagt, dass ich ihn anekeln würde. Alle Mädchen lagen mir zu Füßen und ausgerechnet dieses kleine Biest, das ich eigentlich überhaupt nicht leiden konnte, schaffte es, durch meine eiserne Mauer vorzudringen und mich kalt zu erwischen.

Die Meinungen anderer interessierten mich normalerweise nicht mal. Es ging mir am Arsch vorbei, wer was über mich dachte oder für was er mich hielt. Nur meine Freunde waren wichtig, wobei ich mir bei denen sicher war, dass sie loyal waren, meine Geheimnisse behüteten und wussten, dass ich kein schlechter Mensch war, auch wenn ich mich manchmal wie der letzte Spast verhielt.

Ich hatte meine Gründe.

Doch dieses Verhalten eben war alles andere als begründet gewesen. Nein, ich hatte eindeutig nicht gewollt, dass das hier alles passierte.

Die Augen des Mädchens vor mir funkelten mich mittlerweile wütend an. Ich war wie eingefroren, mit ihrem Anblick verschwanden plötzlich all meine Worte, alles was ich hatte sagen wollen. Ich starrte sie einfach nur an, prägte mir jede Einzelheit ihres Gesichts ein, begutachtete alle Merkmale aufs Genauste.

Mein Mund stand offen, während ich vor mich hin gaffte und mir eine einzige Frage im Kopf herum schwirrte.

Wieso zum Teufel fesselt mich dieses Mädchen so sehr? Von ihrem Charakter, bis hin zu ihrem Aussehen.

„Lass' mich los", zischte Velvet. Endlich holte mich ihre Stimme aus meinen Gedanken zurück in die Realität. Blinzelnd betrachtete ich erst erneut ihr vor Wut verzogenes Gesicht und dann meine Hand, die ihren Oberarm fest umfasst hatte.

„Nein, warte. Lass' mich das doch bitte erklären", erwiderte ich, während ich einen Schritt auf sie zu machte. Doch genau denselben trat sie zurück.

„Da gibt es nichts zu erklären, du bist ein Arsch, genau, wie ich es mir gedacht habe." Jedes einzelne Worte spukte sie nur so vor sich hin, wobei ihre Augen mich abschätzig musterten.

Doch ich konnte es sehen, diese Verletztheit, die hinter ihrer starken Fassade hervor blitzte. Und genau hinter diese Fassade wollte ich blicken, wollte mehr von ihr erfahren, da ich die Parallelen, die zwischen ihr und mir vorzufinden waren, nicht leugnen konnte.

Ihre Worte trafen mich, auch wenn ich das niemals zugeben würde, drangen sie bis ins Innere vor und hinterließen kleine Stiche in meinem Körper.

Das war neu für mich.

„Es tut mir leid, hörst du? Es war dumm, ich weiß, doch wenn ich ehrlich bin, hat mir noch nie ein Mädchen gesagt, dass ich sie anekeln würde. Ich -" Weiter kam ich nicht, denn ihre rechte Hand, die bis eben nur neben ihrem Körper herunter gehangen hatte, holte aus, kam meinem Gesicht immer näher, bis sie volle Kanne auf meiner Wange landete.

Das hatte ich eindeutig nicht kommen sehen.

Erschrocken riss ich meine Augen auf und starrte entsetzt auf das Mädchen vor mir herunter, in dessen Augen sich Genugtuung widerspiegelte. Automatisch griff ich mit meiner freien Hand an die Stelle, auf welcher sich bestimmt langsam aber sicher, die Haut rot färbte. Auch der Schmerz setzte Stück für Stück ein. Verdammt noch eins, das Mädchen hatte Kraft.

Ja, vielleicht verdiente ich diese Schelle.

„Wurde aber mal Zeit, dass dir jemand sagt, dass du ein ekliger Egoist bist, der nur so zum Spaß mit Frauen spielt. Das was ich vorhin gesagt habe, meinte ich auch so", Velvet reckte ihren Kopf und hob ihn herausfordern an, während sie ihre Fingerspitzen auf meiner Brust ablegte und mich nach hinten schubste, „du. Ekelst. Mich. An." Sie betonte jedes einzelne Wort mit einer Schärfe, die erneut an meiner Mauer vorbei kam und Schnitte hinterließ.

Ich wollte nicht, dass sie mich hasste. Wollte, dass sie sich mir öffnete und ich ihr helfen konnte. Auch wenn meine Mauer Risse bekam, wollte ich vor allen Dingen eins.

Nicht aufgeben.

Nachdem ich einen kleinen Schritt nach hinten torkeln musste, griff ich erneut nach ihrem Arm, dieses Mal jedoch nach beiden und hielt sie fest.

„Okay, ja, ich bin ein Arsch. Die Aktion da drinnen eben war unnötig und tut mir wie gesagt, unfassbar leid. Ich weiß nicht, was mich dazu geritten hat, doch ich wollte dich wirklich nicht zum Weinen bringen, das kann ich mir nicht mit ansehen, wenn ich Schuld daran habe." Noch bevor ich weiter reden und dem Gewusel in meinem Kopf Luft machen konnte, unterbrach Velvet mich.

„Dir tut es wohl eher leid, dass du mich zum Weinen gebracht hast und dich jetzt um mich kümmern musst, hm? Schließlich soll dein Ruf ja keinen Kratzer bekommen. Der ach so tolle, einfühlsame Levon kümmert sich um das verletzte Mädchen." In ihrer Stimme schwang so viel Ironie und Sarkasmus mit, dass man einen gesamten Raum damit hätte füllen können.

„Nein, nein, das war nicht das, was ich damit sagen wollte", setzte ich an, nicht in der Lage das, was ich ihr eigentlich hatte erklären wollen, auszusprechen und in vernünftige Sätze zu formen.

In meinem Kopf herrschte ein Chaos, was ich nicht schaffte zu ordnen. Im Inneren wusste ich, was ich sagen musste, um es ihr zu erklären, doch aus meinem Mund kam einfach nur geschwollene Kacke.

„Ach ja? Was wolltest du denn dann sagen?", funkelte sie mich erneut an.

Ich vermisste es, wie sie mich noch vor ein paar Stunden angesehen hatte. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie sie mich andauernd angelacht hatte. Dieses Lächeln stand ihr so viel besser, als der verachtende Ausdruck, der nun ihr Gesicht zierte.

„Verdammt, Ich -", Pause. Verzweifelt versuchte ich eine Reihenfolge für die Wörter in meinem Kopf zu finden. Erfolglos. Ich löste meine linke Hand von ihrem Arm und raufte mir damit die Haare.

„Ich weiß nicht - nein, ich kann nicht...." Plötzlich unterbrach eine hohe, unangenehme Stimme meinen kläglichen Versuch, Velvet zu erklären, wieso ich so ein beschissener Arsch war.

„Levon! Baby!" Alleine bei dieser Stimme überkam mich mittlerweile ein Würgereiz. Velvet schien es genau so zu gehen, denn sie riss sich plötzlich aus meinem gelockerten Griff und machte ein paar Schritte nach hinten.

„Gott, nicht die auch noch. Ich hatte heute genug. Hör' zu Levon, ich will deine Entschuldigung oder Rechtfertigung nicht hören. Es geht mich schlichtweg nichts an, genauso wenig wie mein Leben dich etwas angeht, also tu' uns beiden den Gefallen und lass' mich einfach in Ruhe." Mit diesen Worten drehte Velvet sich um und ließ mich mit offenem Mund stehen.

Noch nie in meinem Leben war mir so etwas passiert wie jetzt gerade mit diesem Mädchen. Sie machte mich unsicher und schaffte es, dass mir die Worte fehlten. Verursachte, dass meine Mauer bröckelte und mich nicht wie sonst, komplett nach außen von den Gefühlen abschottete.

Hinter mir nahm ich das schnelle Klackern von High Heels wahr, die sich mir gefährlich näherten.

„Oh Gott, was wollte die denn schon wieder hier?" Eine Hand legte sich auf meinem Rücken und keine Sekunde später stand eine mit kurzem Kleid ausgestattete Rachel vor mir, die ihren Körper an meinen presste.

Grob fasste ich sie an ihren Schultern und drückte sie weg. Wütend und aufgebracht durch meine Gefühle machte ich kehrt und lief ein zweites Mal an diesem Abend auf das Three Sixty zu.

„Was ist denn nur los mit dir?", kreischte Rachel hinter mir.

„Ich will einfach nichts mehr von dir, das ist los Rachel. Nur weil meine Freunde dich anscheinend noch tolerieren, akzeptiere ich dich weiterhin in meiner Nähe, aber glaub' mir, sobald auch die anderen genug von dir haben, solltest du dich schnellstmöglich von uns fern halten", brüllte ich ihr zu, während ich weiterhin zügig auf den Club zu marschierte.

Ich nahm noch wahr, wie Rachel entsetzt auf quietschte und mir anscheinend hinterher eilte, doch zum Glück erreichte ich die Menschenmenge bevor sie mich und verschwand in dieser.

Ich hatte nur ein Ziel vor Augen: die Bar. Denn das einzige, was ich jetzt brauchte, war Alkohol. Und davon eine ganz schön große Menge. Vielleicht half dieser ja dabei, die Gefühle und Gedanken in meinem Kopf zu ordnen.

Hatte auch schonmal bessere Ideen.

Aber egal wie ich es drehte und wendete, ich konnte nicht leugnen, dass Velvet mich interessierte.

Sie war so anders, als all die anderen Mädchen, die ich bis jetzt kennen gelernt hatte. Im Vergleich zu ihr, waren sie alle langweilig, flach, inhaltlos.

Doch bei ihr war es, als sei da mehr. Als ginge es tiefer, als wäre sie gefangen in der Dunkelheit ihrer Gedanken.

Es machte mich neugierig, ließ mich nicht los, denn ich wollte sie verdammt noch mal verstehen, verstehen und durchschauen. Eintauchen in die Tiefe, Einblick bekommen in die schwärzesten Ecken ihrer Seele.

Hinter dieser Fassade befand sich eine Geschichte, eine Geschichte, in der der Geist und Körper eines Mädchen brutal, animalisch und ohne Rücksicht gebrochen wurde.

-

hallo,
zuerst einmal sorry, dass so lange nichts kam, aber ich bin momentan ziemlich busy. wie es ausschaut, wird das vielleicht ab nächster woche wieder weniger, sodass ich mehr schreiben kann, mal sehen.

ein wenig verspätet, aber trotzdem noch: happy easter, meine lieben. ich hoffe ihr hatte schöne feiertage und habt paar ostereier gefunden höhö

unnötige info, aber ich hatte eigentlich einen so geilen schluss geschrieben für das kapitel, den ich auch schon mega lange bei meinen notizen auf dem handy hatte und gerade, als ich das kopieren und einfügen wollte, hab ich's gelöscht. hätte heulen können, jetzt ist es nur dreck geworden, weil ich mich nicht mehr daran erinnern konnte und unbedingt heute noch updaten wollte. sorry dafür.

wie auch immer, ihr hört bestimmt bald wieder von mir.

xx
S

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