Boy with luv
vor 4 Jahren und 3 Monaten
Meine Worte hatten ihn nicht davon abgehalten mir auf meine Nachricht zu antworten. Viel eher schienen sie ihn zu amüsieren. Scheinbar mochte er es sogar, dass ich so verpeilt und niedlich war, was das Ganze für mich nur noch peinlicher machte. Doch das störte weder ihn noch mich.
Erstaunlicherweise schrieben wir mittlerweile über Wochen hinweg miteinander. Wir unterhielten uns über unsere Hobbys, über unsere Jobs, die Schule sowie den Jahrmarkt. Ich erzählte ihm von meinen verstorbenen Eltern, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, als ich noch recht jung gewesen war. Ich erzählte ihm auch von meinem Onkel und meiner nervigen Cousine Clara, die meinte, weil sie älter war, mich ärgern zu dürfen. Seine Empörung darüber war riesig und natürlich gespielt gewesen. Im Endeffekt hatte er mich nur ausgelacht, dieser Penner.
Natürlich blieb Hope auch meine Vorliebe für Cookies nicht verborgen, was ihn wohl mächtig amüsierte. Immerhin verriet er mir, dass er eine Schwäche für Sprite hatte. Wie genau das aussehen sollte, konnte ich mir allerdings nicht vorstellen, denn irgendwie schweiften meine Gedanken in letzter Zeit in immer zweideutigere Bereiche ab. Hope machte oft ganz spezielle Andeutungen und er fragte mich seit kurzem auch immer wieder, ob wir nicht endlich mal telefonieren wollten. Bis jetzt hatte ich mich erfolgreich davor gedrückt, weil ich einfach Schiss hatte. Ich wollte nicht, dass diese ungezwungene Stimmung zwischen uns verschwand, auch wenn sie eindeutiger wurde. Ich fühlte mich wohl, wenn ich mit ihm schrieb, total frei und dachte nicht mehr so viel über meine Worte nach. Hope zauberte mir mit jedem Wort ein breites Lächeln auf mein Gesicht. Ich wurde in den letzten Tagen oft darauf angesprochen, warum ich denn so glücklich sei, doch eine ehrliche Antwort darauf hatte niemand bekommen. Dazu war ich einfach noch nicht bereit.
Während ich Hope also besser kennenlernte, indem wir wirklich sehr intensiv miteinander schrieben, hatte der Jahrmarkt mittlerweile seit einer Woche seine Tore in Albuquerque, New Mexico geöffnet. Die im Wüstenhochland liegende Stadt der USA hatte um die 500.000 Einwohner und würde somit für einige Besucher sorgen. Ich freute mich immer wahnsinnig neue Gesichter zu sehen, Menschen zu beobachten und sie glücklich zu erleben. Das wiederum machte mich glücklich. Ich liebe die Arbeit hier.
Die Sonne schien heute in all ihrer Pracht auf uns herab und sorgte dafür, dass viele Menschen den Jahrmarkt besuchten und auch ordentlich viel kauften – vor allem Getränke aufgrund der Hitze. Ich selbst hatte gerade Pause, lehnte mit meinen Ellbogen auf dem Stehtisch vor dem Wagen in dem ich arbeitete und hielt mein Handy in den Fingern. Mein Blick lag gebannt auf dem Bildschirm, wo drei tanzende Punkte verrieten, dass Hope wohl gerade am Antworten war. Warum dauerte denn das so lange?! Ich hatte doch nur ein Bild geschickt – oh Mann...
Ich wackelte mit dem Hintern, meine Füße scharrten über Kies und als mir das auffiel, überkreuzte ich sie rasch, um sie ruhig zu halten. Brachte auch nicht viel, denn nur wenig später ertappte ich mich selbst dabei, wie ich mit einem Fuß am halblangen Hosenbein der anderen Seite schabte und mir dabei auch noch die Schuhbänder meiner Chucks aufzog. Mist. Mittlerweile waren meine Finger schon ganz verschwitzt und ich wischte sie an meinem Hemd ab. Die drei Punkte tanzten immer noch – was trieb der Kerl?!
Vor mir auf dem Stehtisch stand jene eisgekühlte Flasche Sprite, die ich als Fotoobjekt ausgewählt hatte, um Hope ein wenig zu ärgern. Zumindest erhoffte ich mir, dass ich ihn ein wenig damit necken konnte, dass ich gerade eine viel zu süße Sprite hatte und er eben nicht, obwohl er das Zuckerwasser doch so sehr liebte.
Hope_on_the_street:
>>:D :D :D Du denkst an mich. :3 Ich wusste es. Trink nicht alles auf einmal Kleiner, nicht, dass du dich verschluckst, weil du den Mund zu voll genommen hast.<<
Doch da hatte ich wohl nicht mit Hopes Schlagfertigkeit gerechnet und jetzt zog er mich auch noch damit auf, dass ich offenbar an ihn dachte. Ja gut, das hatte ich. Als ich die Sprite in dem großen Kühlschrank gesehen hatte, musste ich sie mir einfach für mein Mittagessen herausnehmen. Trotzdem! Der Mann machte mich noch ganz verrückt, vor allem, weil seine blöde Anspielung schon wieder so dermaßen zweideutig war, dass ich mich tatsächlich an meiner eigenen Spucke verschluckte und wie blöde husten musste. Als ich mich wieder beruhigt hatte, zog ich einen Schmollmund und begann ihm endlich zu antworten.
Kookie:
>>Ha Ha sehr witzig. Blödmann. :,( Da will man dich mal ärgern und stattdessen ärgerst du mich. Das ist eine Frechheit. Du bist viel zu frech für dein Alter, alter Mann!<<
Pah! Jetzt hatte ich es ihm voll gegeben. Ich zog aber immer noch einen fetten Schmollmund, weil man ihn so schwer aus der Reserve locken konnte. Oft fand er es einfach nur lustig, lachte mich aus, oder er drehte den Spieß einfach um. So wie jetzt. Das war ziemlich gemein und brachte mich immer wieder zum Schmollen. Brummend und ein wenig frustriert, griff ich nach den Pommes und stopfte sie mir in den Mund. Frustessen musste jetzt sein!
Hope_on_the_street:
>>Oho :O Entschuldige Kleiner, aber ich kann einfach nichts daran ändern, dass ich mich darüber freue, dass du an mich denkst, sobald du eine Sprite siehst. Du bist einfach zu süß... Sei mir nicht böse, Kooks.<<
Tzz und jetzt begann er auch noch Süßholz zu raspeln. Wo kamen wir denn da hin, wenn ich jetzt einfach nachgeben würde? Das konnte er sowas von vergessen. Sobald ich ihm verziehen hatte, würde er doch direkt weitermachen und... ach verdammt. Ich konnte ihm ja doch nicht lange böse sein...
Kookie:
>>Na schön... Du hast dich gerade noch so gerettet, alter Mann. Versaue es nicht wieder, sonst muss ich zu dir kommen und dir den Popo versohlen.<<
Hope_on_the_street:
>>Ist das ein Versprechen?<<
Verdammt! Verdammt! Verfluchte Scheiße! Ich sollte still sein. Einfach aufhören ihm zu schreiben. Die Hitze stieg mir sofort in die Wangen, während ich bereits den Kopf senkte und diesen unter einen meiner Arme vergrub. Dieser blöde Kerl sorgte aber auch ständig dafür, dass ich mich total vergaß und einfach frei Schnauze schrieb. Was machte dieser Mann mit mir?
Leise seufzte ich auf, bevor ich meinen Kopf wieder aus dieser schutzsuchenden Haltung nahm und meinen Frust einfach an Hope ausließ. Na ja zumindest rief ich ihn mal gepflegt zur Ordnung.
Kookie:
>>Verflucht! HOPE! Du alte Drecksau. Lass das!<<
Hope_on_the_street:
>>Du hast angefangen Q__Q<<
Na klar. Jetzt gab er auch noch mir die Schuld. So nicht mein Freund. Nein, nicht mit mir. Grummelnd wuschelte ich mir durch mein Haar, stopfte mir anschließend noch mal einige Pommes in den Mund und begann dann wieder eifrig in mein Smartphone zu tippen.
Kookie:
>>Und ich kann nichts für deine versauten Gedanken. Hast du irgendwie Druck oder so? Also ich meine... Wenn ich schon lange nicht mehr, du weißt schon... Dann gehen meine Gedanken auch in so eine Richtung...<<
Hope_on_the_street:
>>Oh auf einmal wieder so schüchtern, Süßer. <3 Aber ich weiß was du meinst, Kleiner. Um auf deine Frage zu antworten: Ich habe keinen Druck, ich hole mir regelmäßig einen auf dich runter. :P<<
Mit einem dumpfen Geräusch fiel das Handy aus meiner Hand, während ich einfach nur fassungslos auf den Bildschirm starrte. Das war nicht sein verdammter Ernst? Er hatte mir gerade nicht wirklich gestanden, dass er sich auf mich einen runterholte und das auch noch regelmäßig? Hallo? Hatte ich ihm das erlaubt?
„Verdammt..." Völlig von dieser Offenbarung überfahren, fuhr ich mir mit beiden Händen durch mein Haar und befeuchtete mit meiner Zunge meine viel zu trockenen und salzigen Lippen. Dieser Mann machte mich noch wahnsinnig. Ehrlich. Was sollte ich nur tun? Diese Offenherzigkeit Hopes machte mich so nervös. Wie konnte man so direkt und gleichzeitig so versaut sein? Ein Schamgefühl besaß dieser Mann jedenfalls nicht und ich wusste ganz genau, wenn wir uns wirklich eines Tages mal im realen Leben treffen würden, dann würde – oh Gott daran sollte ich wirklich nicht denken.
Ein aufgeregtes Zittern durchfuhr bei dem Gedanken meinen Körper und so biss ich mir auf die Unterlippe, zog meine Zähne darüber und ließ sie flitschen. Ich fischte mein Handy vom Tisch, um diesem Flegel zu antworten.
Kookie:
>>Alsooo~ Das wollte ich nicht wissen.<<
Hope_on_the_street:
>>Bist du dir sicher ;) Willst du nicht lieber sogar noch mehr hören? Wissen was ich mir vorstelle, wenn ich es mir selber mache? Gott wie gerne ich jetzt deine Stimme hören möchte... Lass uns telefonieren. Bitte Kleiner.<<
Ernsthaft? Ehrlich jetzt? Wollte er mich verarschen? Wollte er, dass ich ihn löschte und blockierte? Verdammt, warum machte er das mit mir? Warum sagte er mir so etwas total Verruchtes und unterstellte mir, dass ich sogar noch viel mehr wissen wollte? Okay, jetzt mal die Fakten auf den Tisch. Der Kerl war heiß! Unbeschreiblich heiß und er konnte auch ein richtiger Gentleman sein. Er war intelligent, war talentiert. Er hatte Charme und verdammt er war so heiß! Seine Bauchmuskeln wollte ich unbedingt mal anfassen und...
„Okay Kooks! Reiß dich zusammen verdammt!", ermahnte ich mich selbst und schlug mir dabei mit beiden Händen gegen die knallroten Wangen, nachdem ich mein Handy vor mir abgelegt hatte. Ich atmete hektisch ein, hielt dabei meine Augen geschlossen und versuchte diese verdammt erotischen Gedanken aus meinem Kopf zu bekommen.
„Verflucht Hope ich bin ein pubertierender Teenager – tu mir das nicht an!" Flehend sah ich bei den gemurmelten Worten in den Himmel und machte mich schließlich endlich an eine Antwort.
Kookie:
>>Hope du bist echt eine Marke... na schön. Heute Abend. Ich muss arbeiten, das weißt du. Heute Abend, okay? Gegen 23 Uhr? Wie viel Uhr ist es gerade bei dir?<<
Hope_on_the_street:
>>Ja! :D Bei mir ist es 18 Uhr und bei dir?<<
Sofort legte sich ein Lächeln auf meine Lippen, als ich sah wie sehr er sich freute, dass ich ihm endlich erlaubte mit mir zu telefonieren. Trotzdem gab es noch das Problem, dass wir uns nicht in der gleichen Zeitzone befanden. Amerika war ein riesiges Land und Hope hatte mir erzählt, dass er selbst viel reisen musste wegen seiner Arbeit. Er arbeitete irgendwie freiberuflich als Chirurg oder so etwas. So ganz hatte ich das nicht verstanden, weil ich auch noch nie davon gehört hatte, dass es Ärzte gab, die keinem Krankenhaus unterstellt waren, sondern eben nur zu Notrufen geholt wurden und somit im ganzen Land aushelfen konnten. Irgendwie stellte ich mir das ja ziemlich stressig vor, vor allem, weil er meinte, dass manche Aufenthalte nur wenige Tage dauerten.
Da Hope drei Stunden vor mir war, musste er sich irgendwo im Westen Amerikas aufhalten. Manchmal war es wirklich ein Fluch, dass dieses Land so riesig war. Ich rechnete schnell im Kopf und machte mir dann doch etwas Sorgen über meinen Vorschlag, vor allem weil ich morgen wieder die Schulbank drücken musste und Madame sicherlich nicht erfreut darüber sein würde, wenn ich ihren halben Unterricht verschlief. Das war definitiv keine gute Idee.
Kookie:
>>15 Uhr. Bist du denn um zwei Uhr noch wach? Ich habe morgen wieder Schule...<<
Hope_on_the_street:
>>Klar für dich werde ich wach sein, Kleiner. Kann eh zurzeit nicht besonders gut schlafen, weil ich Rufbereitschaft habe. Also kein Problem. Ich freue mich drauf, also überarbeite dich nicht Kleiner, iss deine Pommes auf und trink die Sprite – für mich. Bis später Kooks.<<
Kookie:
>>Okay. Okay. Okay. Wird gemacht Chef. Bis später Hope. :D<<
Lächelnd, aber kopfschüttelnd über seine Worte, ließ ich mein Handy sinken und widmete mich nun endgültig meinen Pommes, die ich in aller Ruhe verspeiste. Danach nahm ich ein paar Schlucke von der Sprite und schob mir die Flasche in meine Hosentasche. Zufrieden lächelnd entsorgte ich den Müll und trat dann wieder in den Süßigkeitenwagen in dem ich heute eingeteilt war. Im Grunde war ich Springer. Ich konnte überall aushelfen, kannte mich überall aus und die Gäste mochten mich. Vor allem, weil ich seit Tagen über beide Ohren strahlte. Das breite Lächeln war wohl anziehend genauso wie meine strahlenden Augen. Viele Mädchen flirteten mit mir, schwärmten von mir. Ich konnte sie beobachten und das machte wirklich Spaß, vor allem wenn sie begannen rot zu werden, wenn ich ihnen zuzwinkerte oder ihnen ein Lächeln zuwarf.
„Guten Tag. Ich hätte gerne eines von den Lebkuchenherzen und eine Empfehlung für den perfekten Ablauf eines Jahrmarkttages", sprach mich im nächsten Moment ein junger Mann an, was mich überrascht zu ihm hinsehen ließ. Ich legte leicht meinen Kopf schief und musste einen Augenblick über seine Bestellung nachdenken, bevor ich leicht gluckste.
„Bekomme ich noch ein paar mehr Informationen? Zum Beispiel, was Sie nicht mögen und was das Ziel ist?", fragte ich freundlich und öffnete währenddessen die Auslade in der die Lebkuchenherzen lagen.
„Nichts Adrenalinreiches – eher romantischer Natur. Das Ziel ist, dass Sie 'ja' sagt." Sofort stahl sich ein wissendes Lächeln auf mein Gesicht. Das klang wirklich romantisch. Ob er es wohl schaffen würde? Kurz rieb ich mir über das Kinn und musterte den jungen Mann noch einmal eingehend.
Er hatte ein wirklich hübsches Gesicht. Es war perfekt und würde jedem gefallen. Da war nicht eine Unebenheit, es war völlig frei von irgendwelchen Narben oder Pickeln – ganz im Gegensatz zu meinem. Ich trug auf meiner linken Wange eine kleine Narbe und hatte einige Muttermale im Gesicht, die mich laut einiger Aussagen total niedlich wirken ließen. Der Mann vor mir hatte volle, rosarote Lippen, seine Augen waren symmetrisch und hatten genau den richtigen Abstand zueinander. Seine Augenbrauen waren gepflegt, genauso wie sein wunderschönes dunkelbraunes Haar. Seine Ohren waren frei von irgendwelchen Löchern und seine Wangenknochen waren sanft, aber doch markant genug. Von seiner Nase brauchte ich nun wirklich nicht anfangen und seine dunklen Augen strahlten Glückseligkeit aus.
Diese strahlten mich an, fixierten mich und ließen mich in der Bewegung, nachdenklich über mein Kinn zu reiben, innehalten. Er war wirklich wunderschön, so als wäre er nicht von dieser Welt. Sein Hals war der perfekte Übergang von seinem Kopf zu seinem Körper. Die breiten Schultern und die starke Brust. Dieser Mann, war ein Mann, den sich jede Frau wünschte. Wahrscheinlich müsste er nicht einmal seinen wundervollen Mund öffnen, damit die Frauen ihm zu Füßen lagen – oder eben 'ja' sagten. Trotzdem riss ich mich zusammen, weswegen ich einmal kräftig meinen Kopf schüttelte und dann auf die Auslade zeigte.
„Welches Herz soll es denn sein?", fragte ich mit leicht trockener Stimme, weswegen ich kurz nach der Spriteflasche griff und einen kräftigen Schluck aus dieser nahm. Ich stellte sie in den kleinen Kühlschrank unter der Theke und ließ dem Mann noch einen Moment, um seine Wahl zu treffen. Er runzelte die Stirn, deutete dann auf ein Herz und schüttelte dann doch wieder den Kopf. Das Ganze ging minutenlang so, bis ich mich räusperte.
„Entschuldigen Sie, Sir. Wenn ich etwas empfehlen darf", sprach ich ihn lächelnd an und griff nach einem mittelgroßen Lebkuchenherz auf dem mit verschnörkelter Schrift 'boy with luv' geschrieben stand. Um den Schriftzug herum waren Herzchen und Blümchen in unterschiedlichen Farben gemalt.
„Nicht altmodisch und trotzdem eindeutig, Sir", erklärte ich dem jungen Mann und hielt ihm das Herz hin, welches er aufmerksam begutachtete und dann zufrieden nickte. Ich lächelte und packte es ein, da seine Freundin es ja nicht direkt sehen sollte. Kurzerhand überreichte ich es ihm, nachdem er mir die nötigen Dollarscheine in die Hand gedrückt hatte. Ich behielt sie in der Hand, lehnte mich mit meinen Armen auf die Arbeitsfläche und beugte mich etwas zu dem Dunkelhaarigen hinunter.
„Hmm, also ich würde Ihnen empfehlen als erstes mit ihr in das Haus der Verrückten zu gehen. Lassen Sie ihre Hand dabei bloß nicht los und haben Sie ein wenig Spaß. Seien Sie dabei aber immer darauf gefasst sie auffangen zu müssen, weil eines der Hindernisse ihr das Gleichgewicht entreißen könnte. Danach gehen Sie in das Spiegelkabinett. Die Sackgassen können auch romantisch sein, wenn Sie sie richtig nutzen. Anschließend führen Sie sie wie ein Held aus dem Labyrinth. Suchen Sie danach die Show in dem großen Zelt auf. Die Vorstellungen beginnen immer zur vollen Stunde und hinterher gehen Sie mit ihr ins Gruselkabinett. Zum Abschluss empfehle ich das Riesenrad und zwar um genau 22 Uhr. Nehmen Sie Gondel 32 und wenn diese ganz oben steht, wird ein kleines abendliches Feuerwerk Sie zum Stillstand zwingen. Danach bleibt die Gondel noch ein paar Minuten am obersten Punkt, wo Sie die Zeit nutzen und ihr die wichtige Frage stellen sollten. Viel Erfolg." Während ich dem jungen Mann erklärte, was er am besten machen sollte, zeigte ich in die Richtungen, wo sich besagte Etablissements befanden. Am Ende reichte ich ihm noch einen Plan, auf welchem die Uhrzeiten der Highlights standen, so wie alle Informationen, die man über den Jahrmarkt wissen musste.
Mit einem breiten Lächeln sah ich den Mann an. Er schien sich richtig zu freuen, dass ich ihm eine so ausführliche Antwort gegeben hatte. Er erwiderte mein Lächeln und deutete dann eine leichte Verbeugung an.
„Vielen Dank, Justin. Ich bin übrigens Jin." Das Lächeln des jungen Mannes wurde eine Spur breiter, während meine Finger kurz über das filigrane Namensschild glitten, welches ich an meinem Hemd trug.
„Für Sie Jungkook. Justin ist nur mein amerikanischer Name, weil es manchen Damen und Herren schwerfällt, meinen von meiner Mutter verliehenen Namen richtig auszusprechen", lachte ich und warf meiner Kollegin neben mir ein freches Grinsen zu, weil diese empört die Luft eingezogen hatte.
„Hör auf zu schnacken und hilf mir lieber", motzte sie, was mich dazu verleitete, leicht das Gesicht zu verziehen. Ich schüttelte kurz den Kopf und sah noch einmal zu Jin.
„Viel Erfolg. Ich bin mir sicher, dass sie 'ja' sagen wird." Lächelnd hob ich meine Hand und zeigte ihm, dass ich ihm die Daumen drücken würde. Er verbeugte sich noch einmal, bedankte sich und lief dann mit einem breiten Grinsen zu seiner Freundin, die wohl in der Zwischenzeit die Toilette aufgesucht hatte. Ich selbst wandte mich zufrieden dem nächsten Kunden zu.
Ich liebte es einfach, wenn ich andere Menschen glücklich machen konnte mit nur so wenigen und kleinen Dingen. Zwar nervte das meine Kollegen manchmal, weil ich mir eben viel Zeit für unsere Besucher nahm, aber davon ließ ich mich nicht stören. Vor allem nicht, wenn es Besucher mit asiatischer Abstammung waren. Da war man direkt auf einem Nenner und irgendwie fühlte ich mich dann auch einfach wohler. Genauso wie mit Hope, der ebenfalls halb Koreaner war, so wie ich selbst.
Allerdings hatte mir der Ältere verraten, dass er fließend Koreanisch sprach, ganz im Gegensatz zu mir. Ich konnte nur noch bruchstückhaft verstehen was meine Landsleute so sprachen, weil meine Mutter einfach viel zu früh gestorben war und ich somit absolut keinen Bezug mehr zu meinen Wurzeln hatte. Mein Onkel hatte auch nie eingesehen mich irgendwie koreanisch lernen zu lassen, weil ich eh genug mit der Schule und dem Jahrmarkt zu tun hatte.
Ein leises Seufzen verließ meine Kehle, als es langsam endlich dämmerte. Ich streckte mich einmal ausgiebig und griff dann nach der Flasche Sprite, aus der ich nun den letzten Schluck nahm. Die leere Flasche landete im Mülleimer, aber nicht ohne, dass ich noch ein Foto von ihr gemacht und es an Hope verschickt hätte. Ich musste schmunzeln, als er mir ein Bild zurückschickte auf dem er selbst gerade einen Schluck aus einer Spriteflasche nahm. So ein Idiot.
Kopfschüttelnd schob ich mein Handy wieder in meine Hosentasche, lehnte mich mit beiden Armen auf die Arbeitsplatte und sah über den Platz. Der Höhepunkt des heutigen Abends näherte sich langsam und so beobachtete ich die Menschen, wenn ich sie nicht gerade mit heißen Mandeln oder süßen Zuckerstangen und dergleichen versorgte.
Als das kleine Feuerwerk startete, von dem ich Jin erzählt hatte, war es bereits dunkel. Die Raketen flogen mit einem zischenden Laut in den Himmel und explodierten dort, nur um sich in wunderschönen Farben und Formen am dunklen Himmel zu verteilen. Jeder neue Knall und jedes neue Kunstwerk wurde mit einem 'Ohh' oder einem 'Ahh' willkommen geheißen und direkt wieder verabschiedet. Die Lichter glitzerten noch etwas am Himmel nach, bevor sie endgültig im Stillen wieder hinabregneten. Das Feuerwerk wurde mit einem hellen Finale am Himmel beendet, welches die Besucher fasziniert und begeistert jubeln ließ.
Doch mir schoss in diesem Moment nur eine Frage durch den Kopf – hatte sie 'ja' gesagt?
Langsam löste sich das Spektakel auf und die Menschen schlenderten in Richtung Ausgang. Ich sah über die Menge, suchte regelrecht nach diesem Mann, der mir gerade einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte und bediente noch den ein oder anderen Kunden.
„Jungkook?!" Ich horchte auf, suchte mit meinem Blick den Vorplatz vor dem Wagen ab und da sah ich ihn, wie er mir freudestrahlend zuwinkte. Sofort legte sich ein breites Grinsen auf meine Lippen und ich rechnete noch schnell den Kunden ab, bevor ich mich entschuldigte und aus dem Wagen sprang. Ich lief zu den beiden und blieb in einem kleinen Abstand zu ihnen stehen. Abwartend sah ich zu dem Pärchen, wobei mein Blick natürlich zu ihr glitt. Sie trug das Lebkuchenherz um ihren Hals, hielt ihre Hand verflochten mit seiner und streckte dann ihre freie Hand aus, um mir den Ring zu zeigen. Sie strahlte über beide Ohren und ihre Augen funkelten vor Glück.
Sofort griff ich nach ihrer Hand und besah mir den Ring, der wirklich unglaublich schön war. Er war schmal, war in einem zarten Rosegold gehalten und besaß eine Reihe funkelnder Steine. Mein Mund klappte einen Spalt auf, weil ich so erstaunt war, während mir ein „wooow" über die Lippen glitt, dicht gefolgt von einem „der Ring ist wunderschön!"
„Herzlichen Glückwunsch ihr beiden. Ich freue mich wirklich riesig für euch." Strahlend und breit Lächelnd sah ich das Paar an und dann entschied ich mich einfach dazu mich zwischen die beiden zu quetschen. Ich legte meine Arme um ihre Schultern und winkte meine Kollegin zu uns, der ich mein Handy in die Hand drückte. Sie schoss ein paar Fotos für uns, tat das gleiche natürlich auch noch mit Jins Handy und auch mit dem seiner Verlobten. Dankend nahmen wir unsere Handys wieder an uns und lösten uns voneinander.
„Wehe ich bin nicht zu eurer Hochzeit eingeladen", scherzte ich und klopfte Jin kumpelhaft gegen die Schulter, der mich dann doch etwas überrascht ansah. Sein Blick glitt zu seiner Verlobten, die nur leicht nickte und schließlich zuckte er mit den Schultern? Okay? Verstanden sich die beiden schon ohne Worte via Gedanken oder was? Fragend blickte ich zu dem Älteren, der mich freundlich anlächelte.
„Na klar wirst du eingeladen Jungkook. Wie könnten wir dich nicht einladen? Dank dir ist dieser Tag einfach perfekt geworden", erklärte der junge Mann, der sich im nächsten Moment den Flyer, den ich ihm heute Nachmittag gegeben hatte, in seine Hemdtasche schob. Ich lächelte und verabschiedete mich von den beiden mit einer herzlichen Umarmung. Glücksgefühle waren übertragbar und ließen die Hemmschwelle sinken. Ich winkte ihnen noch hinterher und verschränkte zufrieden meine Arme hinter dem Kopf. Das war ein wirklich erfolgreicher Tag gewesen.
Ich genoss noch ein wenig den kühlen Wind, der über den Platz wehte und half meiner Kollegin beim Aufräumen, nur um dann völlig geschafft zu meinem Onkel in unseren Wohnwagen zu gehen. Wir hatten zwei abgetrennte Zimmer, was auch wirklich besser so war, aber dafür waren die Wände echt dünn. Im Wagen angekommen, schnappte ich mir mein Duschzeug und meine Schlafsachen und machte mich auf zum Waschcontainer. Dort duschte ich in aller Ruhe und putzte mir die Zähne. Ich erleichterte mich noch und machte mich umgezogen auf den Weg zurück. Meine getragene Kleidung landete in der Wäschetonne, während ich mich selbst auf mein Bett sinken ließ und auf den Rücken drehte. Ich sah einen Augenblick an die Decke, bevor ich nach meinem Handy griff und die Nummer wählte, die mir Hope in diesem Moment zugeschickt hatte. Ich hörte es lediglich einmal Tuten, bevor der Ältere auch schon dranging.
„Hey Kleiner", drang die Stimme, des mir noch immer viel zu fremden Mannes, an mein Ohr. Sie klang etwas höher, als ich sie mir vorgestellt hatte. Man hörte aber deutlich das Lächeln in ihr. Man hörte auch, wie er sich freute, wie aufgeweckt er war. „Wie war dein Tag?"
„Hey Hope. Mein Tag war richtig gut. Ich habe dabei geholfen, dass ein Pärchen heute ihren perfekten Tag hatte und wurde zu ihrer Hochzeit eingeladen. Ich liebe es Menschen glücklich zu sehen. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich ihnen dabei helfen konnte. Ich fühle mich echt total beflügelt", erklärte ich immer noch mit einem breiten Lächeln auf meinen Lippen. Ich konnte nicht gut in Worte fassen was ich gerade alles empfand, aber es fühlte sich einfach großartig an. Ich wollte nicht, dass mich dieses Gefühl wieder verließ. Nie wieder...
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