fanart - sarah tregay
Triggerwarnung: Homophobie, Alkoholmissbrauch, Tod, Fetischisierung
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2,5 von 5 Sternen – Eine mittelmäßige Umsetzung mit toxischen Tropes
Wisst ihr, ich hätte es besser wissen sollen. Ich bin es ja nicht leid, darüber zu ragen, wie sehr es mich aufregt, dass weiße, heterosexuelle Frauen über schwule Männer/Jungs schreiben und daraus einen seltsamen Fetisch machen. Deswegen meide ich doch überhaupt jede Geschichte hier, die BoyxBoy im Titel hat, weil das schon der größte Indikator ist, dass es von einem hetero-Teenie-Mädchen geschrieben wurde. Noch schlimmer ist dann der „Dont like dont read"-Sticker, den sie alle raufklatschen, als wäre es nicht schon offensichtlich genug, dass sie kein Problem damit haben, dass Menschen homophobisch sind, solange es ihre kleine Fantasie des schwulen Pärchens nicht kaputt macht, die sie sich in ihrem pinken Regenbogenzimmer ausgedacht haben.
Vielleicht übertreibe ich. Vielleicht nicht. Wer weiß das schon. Jedenfalls hätte ich es besser wissen sollen, als Fanart von Sarah Tregay zu lesen. Allein der Titel in Kombination mit dem Genre hätte mich abschrecken müssen, aber ich musste es ja wagen und hoffen. Dumm, wie ich bin. Und ich muss sagen, ich bin tatsächlich zwiegespalten, denn eigentlich war das Buch an vielen Stellen wirklich süß und ich mochte die meisten der Charaktere auch, aber dann hat es wieder so Stellen, bei denen ich mir sicher bin, die Autorin hat ihr YA-Trope-Bingo rausgeholt und erstmal fett abgesahnt, weil sie gefühlt alle Reihen voll hat. Nicht nur, dass sie als heterosexuelle Frau einmal mehr eine Geschichte über zwei Jungs schreibt, die sich ineinander verlieben, nein, sie kombiniert es auch mit dem widerlichen Trend, dass genau diese Sache – zwei Jungs die sich lieben – ein kranker Fetisch von vielen jungen Mädchen ist. Romance Mangas, Smut Fanart, Fanfictions, you name it. Sobald etwas ansatzweise (männlich) gay ist, kann man sich sicher sein, dass eine ganze Reihe an hetero-Mädels daraus eine Traumwelt spinnen werden.
Oder, um es lose übersetzt mit den Worten einer der Charaktere zu sagen: „Eine fluffige Fantasiewelt, ein Happily Ever After für euch, was ihr verdient habt, was wir sehen wollten."
Wer das Problem dahinter immer noch nicht sieht, dem ist nicht zu helfen und mit dem werde ich auch nicht diskutieren.
Anyway.
Das letzte Jahr ist für Protagonist Jamie und seinen besten Freund Mason ein ganz schöner Trip. Prom steht vor der Tür, College droht in der Ferne, Jamie muss ein Konzert spielen und ein Selbstportrait fertig zeichnen und dann verliebt er sich auch noch in Mason. Und die kichernden Mädchen aus seinem Kunstkurs setzen alles daran, dass er und Mason ihr Happy Ever After bekommen.
Zumindest soll das passieren, hab ich mir von der Kurzbeschreibung sagen lassen. Es hätte so sweet sein können, so simpel. Eine ganz einfache best friends to lovers Geschichte, ohne viel Drama. Aber natürlich nicht. Denn was dieses Buch mit seinen fast vierhundert Seiten zwar eine gute Länge gibt, ist auch das, was es unnötig macht, überhaupt so lang zu sein: Misskommunikation. Man möchte mir weiß machen, Mason und Jamie seien beste Freunde seit Kindheitstagen, aber dann hat keiner von denen den Arsch in der Hose, und sagt dem anderen, dass er eigentlich schwul ist, oder keiner von beiden hat auch nur ansatzweise genug Logik im Hirn um zu erkennen, dass es nicht die beste Idee ist, wochenlang nicht miteinander zu reden, weil??? Gründe??? Glaube ich???
Nein, ernsthaft, da gabs eine Passage, da wurde einfach gesagt, die beiden hätten wochenlang nicht miteinander geredet, weil A) Prüfungen anstehen und B) Jamie sich vielleicht-quasi-geoutet hat und??? Was zum Arsch. Ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber ich melde mich schon bei meinen Freunden, auch wenn ich Prüfungen habe, weil wenn ich weiß, die haben auch Prüfungen und sind ebenfalls im Stress, dann kann eine kleine Ablenkung ganz gut tun. Und dann kann man auch mal reden. Oder sich treffen. Wenn man praktisch schon im Haus des anderen wohnt. Aber was weiß ich schon. Sind ja nur beste Freunde, die sich eigentlich lieben. Da kann man schon mal Wochen nicht reden, weil die Autorin unnötiges Drama kreieren wollte.
Also, das Buch an sich war ganz sweet. Es hatte nette Szenen dabei, bei denen ich auch mal gedacht habe, die würden zusammen echt gut aussehen. Aber dann hatte es eben auch genau so viele Szenen dabei, bei denen ich einfach cringend das Buch weglegen wollte. Zum Beispiel:
A) Mason fragt natürlich ein Mädchen zum Prom und Jamie macht das dann auch und das Mädchen, OBWOHL SIE LESBISCH IST UND OBWOHL SIE WEISS/AHNT, DASS JAMIE SCHWUL IST, KÜSST IHN!!! Und Mason küsst natürlich das andere Mädchen mit der er aus ist. Denn wie sonst könnte Jamie denken, Mason wäre straight. Haha, so ein witziger Trope. Wird dann damit erklärt, dass Mason das Küssen üben wollte. Ja. Klar. Und mein Kater pinkelt in die Ecke, weil er mir damit seine Liebe zeigt. FUCK YOU MASON!
B) Das Mädchen mit dem Jamie zum Prom war, zeichnet ein hottes, spicy Fanart von Mason und Jamie, wie sie nachdem Prom miteinander schlafen und zeigt das ihren Freundinnen, während Jamie im Raum ist, damit sie ein Mädchen beeindrucken kann, was sie mag. KJBVZHVBZKJBH Excuse me, what the fuck. Nicht nur, dass Fanarts von echten Personen fucking disgusting ist, nein, es ist auch noch von Personen, die sie persönlich kennt, von denen sie genau weiß, dass da tiefe Gefühle hinterstecken, von denen sie weiß, dass Person A die größte Angst überhaupt hat, dass Person B ihn als Freund löschen wird, wenn seine Gefühle rauskommen würden, aber klar. Zeichne ruhig deinen Smut über Gays. Egal, ob die Gefühle haben und echte Menschen sind und du ihr Leben damit ein bisschen ruinieren könntest. Hauptsache der Fetisch ist bedient.
C) Oder auch die Szene, in der Jamie darüber sinniert, dass er ja nie mit Puppen gespielt oder die Klamotten seiner Mum anhatte, sodass sie hätte wissen können, dass er gay ist, denn, ahahaha, wie wir alle wissen, machen schwule Jungs sowas immer, die ziehen immer Sachen an, die von der Gesellschaft als Mädchenkleidung definiert ist, weil, haha, das ist ja soooo süß, wenn sie in Mummys High Heels rumrennen und ein Kleidchen tragen. Haha. Mega witzig. Kann man echt gut nen Witz draus machen. An alle, die das lustig finden, oder diesen hässlichen Stereotyp verbreiten wollen: Fickt euch.
Das waren nur drei Szenen von so vielen mehr, die einfach nur Cringe pur waren, aber das Buch hat noch mehr Probleme, als Cringe und Misskommunikation. Toxische Darstellung von Freundschaften, einfaches Abschütteln von tiefem Trauma, verankert in Homophobie und außerdem die absolute Unlogik, die dieses ganze Buch hätte 300 Seiten kleiner hätte sein lassen können. (Deutsch? Verben? Richtig nutzen? Kann ich das? WAS WEISS ICH!!)
Starten wir eins nach dem anderen. Toxische Darstellung von Freundschaften. Mason und Jamie. Beste Freunde seit Kindheitstagen und immer mega unterstützend für den anderen. Streiten sich und schreien sich über ein komplett nichtiges Thema an, von dem jeder normal denkende Mensch sehen würde, dass niemand daran Schuld haben kann (das Auto ist mitten in der Nacht auf der Straße liegen geblieben, Ölschaden), aber natürlich müssen sie sich dramatisch streiten und dann anschweigen, weil wie sonst kann man als Autorin natürlich kein Drama kreieren. Denn wie wir wissen, kann man kein Drama nutzen, wenn es nicht vollkommen an den Haaren herbeigezogen ist. Den Teil, wo sie wochenlang aus irgendwelchen Gründen nicht reden, muss ich wohl nicht erwähnen.
Nächstes Ding. Trauma als Plotpoint um einen Charakter eine tragic backstory zu geben. Das Mädchen mit dem Jamie zum Prom war und die eigentlich lesbisch ist, kommt aus einer sehr religiösen Familie, die ihre Sexualität nicht akzeptieren und einfach so tun, als wäre sie hetero, während ihre ehemalige beste Freundin ein homophobisches Miststück ist, die sie nicht mehr kennen wollte, als sie sich geoutet hat. Pretty brutal, huh. Das wäre ja tatsächlich ein interessantes Stück gewesen, das man erkunden hätte können, womit man tatsächlich tiefgründig und gesellschaftskritisch hätte sein können, womit man hätte den Druck der Religion hätte beleuchten können, der viele queere Jugendliche in Wracks verwandelt – aber nö. Das wurd nur genutzt, damit man sich kurz schlecht fühlt und damit es einen weiteren unnützen Antagonisten in dieser Geschichte geben kann, der absolut nichts tut.
Jamie und Mason sind beide gay. Jamie und Mason crushen beide aufeinander. Mason weiß, dass er auf Jamie crusht, dass Jamie auf ihn crusht, dass er gay ist und dass Jamie gay ist. Hat Mason sich aber dazu entschieden, diesem elenden Dilemma ein Ende zu bereiten und einfach mal ein verdammtes Wort gesagt? Nein. Stattdessen gibt es Jamie lieber mehr als vage Hinweise, dass er ihn mag, während er im nächsten Satz erzählt, welches Mädchen er zum Prom nimmt. Like. Mason, Honey. Ich mochte dich ja, aber das? Und dann wird mir noch erzählt, er wäre so ein schlauer Typ, so mega smart und klug? Und dann macht er sowas dummes? Schaltet all seine drei Hirnzellen aus??? Einfach nein. Misskommunikation vom feinsten, nur um die Story zu strecken. Hätte Mason das nicht gesagt und einfach gemeint, dass er nicht wusste, dass Jamie auch auf ihn crusht – cool, alle sind happy, dass ihr es doch hinbekommt. Aber so? Hmhm. Klingt nach toxischer Manipulation für mich.
(Außerdem kommt der Romance-Teil in diesem Buch ziemlich kurz. Dafür, dass es als YA-Romance verkauft wird, ist nicht einmal die Hälfte davon Teil der Romance, sondern es wird mehr Wert darauf gelegt, den Charakter des Mädchen, das Jamie zum Prom nimmt und ihre Beziehung zu Jamie und dem anderen Mädchen darzustellen, in das sie verknallt ist. Was okay wäre. Wenn es nicht ein so großer, wichtiger Teil des Buches wäre, der einfach nicht mal in der Kurzbeschreibung vorkommt. Und wo ist der Teil mit der Schulzeitschrift, die der zentrale Plotpunkt für alles ist? Wo ist der schwule Comic, der über Mason und Jamie gezeichnet wird, der auch alles in Rollen bringt? Warum wird das nicht erwähnt, aber der Fakt, dass Jamie ein Selbstportrait zeichnen muss, was nicht einmal zehn Prozent Bedeutung in diesem Buch hat. Man. Ey. Sarah. Mach das nicht.)
(Außerdem-Außerdem hätte dieses Buch die wahnsinnig unterschätzten Freundschaften von schwulen und lesbischen Charakteren erkunden können, aber das wird auch nur weggeschmissen, damit alle queeren Kids ein Alibi-Date haben um ja als Straight durchzugehen. Und quasi Force-Outing. Nicht cool, Buch. Nicht cool.)
Ich will auch eigentlich gar nicht mehr über den toxischen, krankhaften Fetisch reden, den schwule Jungs für (heterosexuelle) Mädchen oftmals sind, weil „uhh, ein schwuler bester Freund, mit dem kann ich über Jungs und Shopping reden!!" (so schon oft genug selbst abbekommen) oder auch „man das wär einfach so süß mit A und B, ihr solltet echt einfach zusammenkommen!!" oder auch Stereotypen von schwulen Jungs von heterosexuellen Mädchen geschrieben, die stereotypischen schwulen Stuff machen, weil das alles nur eine Fantasiewelt von einem Mädchen ist, dass etwas sieht, was sie nie haben kann und sich das deshalb aneignen will, obwohl es nicht ihr Recht ist. (Und nein. Keiner darf jetzt ankommen mit „Aber Männer machen das mit Lesben auch!!" Das hier ist nicht das Thema. Das hier ist nicht All Lives Matter Bullshit und wer so denkt, kann gleich abhauen.) Schwule Jungs und deren Liebesbeziehungen sind kein süßer, lustiger Fanfiction-Trope den man mal schnell einbauen kann. Sie sind auch keine Models für spicy Fanart oder krankhaftem Wunschdenken. Sucht euch Hilfe, echt. Ich kann eigentlich nicht glauben, dass ich das in 2020 immer noch erklären muss.
Und ja, ich als schwuler Mann fühle mich davon angegriffen. Es ist mir auch egal, welche guten Absichten dahinter stecken. Hört auf schwule Jungs als eigene Spezies zu sehen und akzeptiert einfach mal, dass ein schwuler Junge genau wie eine schwarze Trans-Frau oder eine Non-Binary Person oder eine lesbische Frau oder eine bisexuelle Frau einfach nur eine Person ist. Ein Mensch, der nicht von seiner sexuellen Orientierung ausgemacht wird. Schreibt es euch meinetwegen auf die Stirn. Und sagt es all euren kleinhirnigen Freundinnen, die BoyxBoy Stories schreiben.
Um kurz aufs Buch zurückzukommen: Fanart von Sarah Tregay hätte vieles sein können, aber wurde letzlich doch nur der gleiche Mix aus (toxischen) Tropes, die wir schon alle oft genug gesehen haben. Es hätte das Potenzial gehabt, wirklich etwas zu sein, was spannend gewesen wäre. Es hätte mehr Fokus auf das Mädchen legen können, dessen Bruder wenige Jahre zuvor in einem tödlichen Fall von Alkohol am Steuer gestorben ist, aber stattdessen wurde sie komplett liegen gelassen. Es hätte auch den Fokus auf den wirklich outen und prouden schwulen Typen legen können, der allem Anschein nach sogar einen Crush auf Jamie hatte, was aber nur in den letzten Zeilen angedeutet wird und der nur drei Mal insgesamt vorkommt und sonst keinen Nutzen hat. Es hätte auch den Fokus darauf legen können, wie eine Freundschaft zwischen einem schwulen und einem hetero Jungen ist. Denn das traut sich auch keiner. (Und in welcher Welt, kommentieren bitte Kleidungsverkäufer zu zwei Jungs, die zusammen Anzüge für den Prom kaufen gehen, dass sie ein gutes Paar abgeben?? Bitch, where. Diese Welt ist hetero und alles wird hetero gesehen, so dumm es auch ist. Wenn man schon eine Wunschwelt erstellen will, in der schwul cool ist, dann soll man Homophobie auch bitte gänzlich weglassen, ok?? Ok.)
Roiben hat wieder geranted und Roiben hat sich wieder verquatscht, aber das ist ja nichts Neues. Lest nicht Fanart von Sarah Tregay, wenn ihr eine süße, nicht toxische Romance haben wollt. Lest lieber mein Buch. Das ist besser und hat eine süße Romance im Vordergrund, die auch mehr als 50 Prozent des Buches einnimmt und sie dealt sogar mit der toxischen Verleumdung von Familie und den daraus resultierenden psychischen Schäden am Menschen. Los. Lest mein Buch!
Also dann, man liest sich.
- Roiben.
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