30 | mirfak

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m i r f a k

juni 2037

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„Dein größter Traum, Harry?"

„Ich lebe ihn bereits."

Während Noah Styles über die Bühne schritt, sein Abschlusszeugnis entgegen nahm und dann wieder nach unten verschwand, da wusste er nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Manchmal wünschte man sich etwas, nur um dann am Ende festzustellen, dass man den Weg dahin besser hätte genießen sollen.

Er hatte es nicht erwarten können, endlich die Schule abzuschließen, der unendliche Weg in die Freiheit. Doch manchmal konnte Freiheit überwältigend sein, manchmal konnte sie einen ersticken mit all den Möglichkeiten, all den Herausforderungen, all dem Glück.

Noah fühlte sich verloren unter all den Chancen, wusste nicht, wie er wieder Fuß fassen sollte, und all das Risiko zog ihn hinab in den Abgrund. Doch der Fall stoppte, als er Willow lächelnd auf ihn zukommen sah, ihr eigenes Zeugnis sicher in ihren Händen, ihre Haare elegant in die Höhe gedreht. Sie trug ein Kleid, das ihm den Atem rauben konnte und er konnte nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern.

Denn solange seine beste Freundin glücklich war, war er es ebenfalls. Sie waren nicht zwei Seiten einer Münze, waren nicht das Licht und der Schatten. Sie waren so viel mehr als das. Ein Ganzes, was sich nie verloren und trotzdem gefunden hatte.

„Wir haben es geschafft", strahlte das Mädchen, während sie ihrem besten Freund die Arme um den Hals schlang. „Wir haben es echt geschafft. Wir sind frei."

Lachend wirbelte Noah sie durch die Luft, bevor er ihr einen sanften Kuss gab. „Wir haben es geschafft."

Der Saum ihres Kleides flog hinauf in den Himmel, drehte sich, immer schneller, bevor er sich wieder im tiefen Fall nach unten befand. Doch manchmal war fallen gar nicht schlimm, solange einen jemand wieder auffing. Und ihr bester Freund würde immer geduldig auf sie warten, bereit, sie in seine Arme zu schließen.

„Was sind die weiteren Pläne?", fragte Willow, während sie ihre Hände miteinander verschränkte.

„Ich glaube, dass wir alle zum Inder gehen werden. Es sei denn, du verlässt mich vorher noch", scherzte der Junge.

Noah zog sie mit sich durch die Menge, während sie beide nach ihren Eltern Ausschau hielten, die vorhin vor Begeisterung bei ihrer Zeugnisübergabe den Saal zusammengeschrien hatten. Willow hatte ihren Vater mit Blicken erdolcht, als dieser es gewagt hatte, begeistert klatschend auf seinen Stuhl zu steigen und Eleanor hatte ihn daraufhin eilig wieder nach unten gezogen.

Bei dem Gedanken daran legte sich ein trauriges Lächeln auf seine Lippen, denn er selbst hätte alles dafür gegeben, um seinen Vater heute dabei zu haben. Dieser jedoch war verschwunden in den Sternen.

„Wenn du weiter so einen Schwachsinn redest, mache ich das vielleicht", entgegnete Willow mit einem frechen Grinsen und sprang lachend zur Seite, als Noah sie zu kitzeln versuchte.

Schließlich fing er sie doch noch ein, zog sie in seine Arme und sah sie lächelnd an. „Ich liebe dich, Willow Tomlinson."

„Ich liebe dich mehr. Zumindest solange du nicht wieder deine dreckigen Socken einfach in meinem Zimmer liegen lässt", grinste sie.

Noah verzog das Gesicht. „Habe ich das schon wieder gemacht? Tut mir leid."

„Hast du und ich konnte sie gerade noch verstecken, bevor meine Mum heute Morgen ins Zimmer geplatzt ist", erzählte Willow. „Einen Augenblick später und wir wären erwischt worden."

„Ich war zumindest leise, als ich mich rausgeschlichen habe", merkte Noah grinsend an.

„Aber wahrscheinlich hat dein Schnarchen uns trotzdem verraten und wir dürfen uns gleich erneut einen Vortrag darüber anhören, dass gemeinsame Übernachtungen während der Woche verboten sind. Dafür bleibt das Wochenende, blablabla."

Noah schnaubte. „Ich schnarche nicht."

„Tust du wohl", lachte Willow. „Aber es stört mich nicht."

Gemeinsam gingen sie weiter durch die Menschenmenge, durch einen Strom voller Glückwünsche und Begeisterung, Tränen und Lachen. Es lag ein Hauch Freiheit in der Luft, gemischt mit einer ordentlichen Prise Abschied.

Holly Priwett brach in Tränen aus, als sie gerade an ihr vorbeischritten, weil der heutige Tag ebenfalls den Abschied ihrer Beziehung bedeutete und Willow strich ihr tröstend über die Schulter, bevor sie weiter durch die Menge schritten.

„Wir trennen uns doch nicht, oder? Wir versuchen es?", fragte Willow plötzlich ernst, all den Witz von den Augenblicken davor vergessen. „Auch wenn du es als Musiker versuchst, wir bleiben trotzdem zusammen?"
Noah blieb stehen, zog sie in seine Arme und hob leicht ihr Kinn an. Strich über ihre Mundwinkel, die leicht gerunzelte Stirn, bevor er seine Hand an ihre Wange legte.

„Wir bleiben zusammen", versprach er. „Egal was wir auch in Zukunft machen, wir bleiben zusammen. Du bist meine beste Freundin, Willow, ich kann nicht ohne dich leben."

„So dramatisch am frühen Morgen", entgegnete sie mit einem Grinsen im Gesicht, das sich langsam in ein Lächeln wandelte. „Aber du hast recht. Ich könnte auch nicht ohne dich."

„Dann werden wir das auch nicht tun", flüsterte er und schluckte, als er daran dachte, was seine Mutter vor all den Jahren verloren hatte. Mittlerweile verstand er wirklich, was das Mädchen mit den Sternenaugen durchmachen musste, als es ihre große Liebe in die Sterne verabschiedete.

„Lächele, Noah", murmelte Willow. „Das steht dir so viel besser."

Er bemühte sich, seine Mundwinkel nach oben zu ziehen. „So?"

„Nein, nicht ganz."

Willow zog eine Grimasse, rollte ihre Augen nach hinten und wackelte dann spielerisch mit der Zunge, sodass das Gelächter ohne sein Zutun über die Lippen ihres besten Freundes flog.

„So ist es richtig", grinste das Mädchen.

Noah legte seinen Arm über ihre Schulter, während sie weiter auf die Suche nach ihren Eltern gingen. Es dauerte nicht lange, da fanden sie ihr Ziel und Willow verdrehte die Augen, als sie sahen, dass Louis von einigen Damen belagert wurde.

„Die sind doch mindestens alle Vierzig und benehmen sich wie Teenager", sagte sie so laut, dass die Frauen sie garantiert verstehen konnten. Hastig stupste Noah sie an, doch Willow war sich keiner Schuld bewusst und schob bloß euphorisch eine der Frauen zur Seite, deren Hand gerade ein wenig tief auf Louis Tomlinsons Rücken lag.

„Schön euch zu sehen, ich hätte meinen Dad dann gerne wieder", meinte die Absolventin mit einem zuckersüßen Lächeln, das ihr jeder als echt abgekauft hätte, der sie nicht kannte.

Mit leisem Lachen stellte Noah sich neben sie und wurde direkt von seiner Mutter in eine tränenreiche Umarmung gezogen. Immer wieder versicherte das Mädchen mit den Sternenaugen wie stolz sie auf ihn war.

Als nächste drückte ihn Adam an sich. „Herzlichen Glückwunsch, Noah. Danke dass du mich eingeladen hast."

„Natürlich habe ich dich eingeladen. Du gehörst jetzt irgendwie zur Familie, oder?", lächelte der Junge.

„Auch dafür Danke", entgegnete der Ältere. „Das ist bestimmt nicht einfach für dich und ich werde auch nicht versuchen, deinen Dad zu ersetzen."

„Das weiß ich. Und keine Sorge, solange du Mum glücklich machst, bin ich total dafür."

Daraufhin zog Charlotte ihren Sohn in eine weitere Umarmung und hielt ihn eine Sekunde lang stumm fest.

„Ich muss jetzt leider wieder zur Arbeit, aber ich komme Morgen vorbei und dann essen wir ordentlich Kuchen, um deinen Abschluss richtig zu feiern. Versprochen", meinte Adam entschuldigend und wuschelte Noah durch die Haare, woraufhin dieser gespielt entsetzt die Lippen verzog.

„Danke, dass du gekommen bist", entgegnete er dann.

Adam lächelte, dann küsste er Charlotte schwungvoll zum Abschied, bevor er in Richtung Parkplatz verschwand.

Zum ersten Mal im Leben verstand Noah, warum Willow immer angeekelt das Gesicht verzog, wenn ihre Eltern sich küssten und er begann zu lachen.

„Was ist so witzig?", wollte seine beste Freundin wissen.

„Nichts", grinste der Junge. „Ich bin einfach nur glücklich."

Nachdem alle zum Schulabschluss gratuliert hatten, machten sich die Tomlinsons und Styles gemeinsam auf dem Weg zu Eleanors Minivan, wobei Aubrey von Noah getragen wurde. Die Neunjährige weigerte sich, ihn auch nur einen Augenblick loszulassen und Willow streckte ihm deswegen immer wieder amüsiert die Zunge raus.

„Brey hat mich halt lieber als dich", konterte Noah grinsend.

„Solange du sie nicht lieber hast als mich", erwiderte seine beste Freundin.

Er tat, als müsste er überlegen und musste deswegen lachend Willows Piksen ausweichen. Egal wie sehr sie auch ineinander verliebt waren, ihre Freundschaft blieb dabei nie auf der Strecke und sie wünschten es sich nicht anders.

„Ab in den Wagen", meinte Charlotte, während sie die beiden Teenager lächelnd ansah. „Es wird Zeit, euren Schulabschluss zu feiern."

Das Mädchen erinnerte sich noch zu gut an ihren eigenen, der Tag damals gefüllt mit Liebe und Begeisterung, Aufregung und Euphorie. Doch am besten war der Überraschungsbesuch ihres Sternenjungen gewesen, der einfach in der Halle aufgetaucht war, obwohl er eigentlich in Spanien hätte sein sollen. Seinen Anblick zwischen all den bekannten Gesichtern, mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, würde sie nie im Leben wieder vergessen.

Harry hatte ihren Tag damals zu etwas Besonderem gemacht und sie hatte fest vor, den Tag für Noah ebenfalls unvergesslich zu machen. Mit einem kleinen Lächeln dachte sie an die Geschenke, die bereits den ganzen Tag lang im Wohnzimmer der Styles geduldig darauf warteten, endlich ausgepackt zu werden. Doch noch war nicht die Zeit, noch mussten sie noch eine Weile in den Schatten der Welt auf ihren Auftritt warten.

„Alle angeschnallt?", fragte Eleanor, als alle in dem Van saßen und sah mahnend zu Aubrey herüber.

„Ich mach ja schon", grummelte die Neunjährige und schloss den Anschnallgurt fester als nötig. „Du bist echt ein Diktator, Mum."

Louis fing schallend an zu lachen und presste eilig die Lippen aufeinander, als seine Frau ihn anfunkelte.

„Ich habe doch gar nichts gesagt", murmelte der Sänger unschuldig und zwinkerte seiner jüngsten Tochter zu.

Eleanor startete augenverdrehend den Wagen. „Du lernst es ohnehin nicht mehr. Meine Hoffnung, dass du irgendwann mal erwachsen wirst, ist wahrscheinlich vergeblich."
„Erwachsenwerden ist langweilig", grinste Louis und nickte dann in Richtung ihres Bauches, der sich mittlerweile eindeutig wölbte. „Außerdem bin ich eindeutig in der Lage, Erwachsenendinge zu tun."

„Ihr seid so peinlich", fluchte Willow.

„Aber echt", stimmte Aubrey zu. Halb aus Überzeugung, halb weil ihre ältere Schwester ihr größtes Vorbild war. Einer der Gründe, warum es im Hause der Tomlinson stets chaotisch war. Willow betrachtete Regeln eher als Richtlinien, nahm Aubrey es damit ebenfalls nicht so genau.

„Außerdem hat meine Lehrerin gesagt, dass alte Leute keine Kinder mehr kriegen können" erzählte die Neunjährige wissend.

Louis prustete. „Dann ist das doch ein Zeichen, dass wir noch gar nicht so alt sind, oder El?"

Er zwinkerte seiner Frau zu, die grinsend den Kopf schüttelte. „Wahrscheinlich."

„Ihr seid ja auch noch gar nicht so alt", stimmte Aubrey zu. „Höchstens sechzig."

Charlotte presste die Lippen aufeinander, um nicht laut zu lachen. „So alt sind deine Eltern jetzt auch noch nicht, Süße."

Dabei lag die junge Tomlinsontochter gar nicht so falsch, denn in Wirklichkeit hätte niemand damit gerechnet, dass Eleanor überhaupt noch schwanger werden könnte. Doch nach all den vergeblichen Versuchen in all den Jahren hatte das Leben es wohl gut gemeint und noch ein letztes Wunder geschickt.

„Na, sie sind schon alt", grinste Willow und wich lachend Noahs Fingern aus, die ihr den Mund zuhalten wollten. „Und ich will nur kurz anmerken, dass das Baby nicht mein Zimmer bekommen wird. Ich ziehe noch nicht aus, nur weil ich jetzt mit der Schule fertig bin."

„Du und Noah klebt doch ohnehin andauernd aneinander", meinte Charlotte augenverdrehend. „Eins euer Zimmer ist dann frei. Es ist nicht so, als hätte ich nicht gemerkt, dass mein Sohn nicht in seinem Bett geschlafen hat."

Noah stöhnte. „Mum! Das hättest du jetzt wirklich für dich behalten können."

„Es ist nicht so, als hätten wir das nicht gewusst", warf Louis trocken ein und zwinkerte seinem Patenkind zu. „Dich reinzuschleichen solltest du wirklich noch einmal üben, Kumpel, du hast gestern Nacht fast die Vase im Flur umgeworfen."

„Aber auch nur, weil es dunkel war", warf Noah kleinlaut ein.

Grinsend küsste Willow ihn. Es war bei Weitem nicht ihr erster Kuss, es war nichts Neues, und dennoch klopfte sein Herz immer noch wie verrückt, wenn sie das tat. Er liebt sie, liebte jedes ihrer Teile und jeden ihrer Fehler.

„Nächstes Mal schleiche ich mich dann eben zu Noah. Ich kann das besser, das fällt euch allen dann gar nicht auf", kündigte Willow an. „Es sei denn, ihr erlaubt uns einfach Übernachtungen unter der Woche?"

„Guter Versuch, aber leider fehlgeschlagen", entgegnete Eleanor mit zuckenden Mundwinkeln. „Ihr schlaft unter der Woche in eurem eigenen Zimmer."

Charlotte nickte zustimmend, denn diese Regel hatte bereits seit Jahren einen Sinn. Es lag nicht daran, dass sie die gemeinsame Zeit von Willow und Aubrey einschränken wollten, nicht daran, dass die beiden nun ein Paar waren, sondern hatte den einfachen Grund, dass die beiden nie ein Ende fanden. Wenn sie bei einander übernachteten, redeten sie die ganze Nacht und daraufhin fielen ihnen dann am nächsten Morgen die Augen zu.

„Dann halt nicht", meinte Noah und seufzte theatralisch, was Aubrey zum Lachen brachte.

Neugierig stupste die Neunjährige ihn an. „Darf ich das nächste Mal bei eurer Übernachtungsparty mitmachen, Nona?"

„Auf keinen Fall", protestierte Willow, während ihr bester Freund zustimmend nickte.

Noah und Willow setzten beide einen Hundeblick auf, bis die ältere Tomlinsonschwester seufzend nickte.

„Aber nur dieses eine Mal, Brey", warnte die Absolventin.

Die Neunjährige strahlte. „Okay. Was machen wir denn auf der Übernachtungsparty?"

„Wir gucken uns einen Film an, spielen ein paar Spiele und stopfen uns mit ungesundem Zeug zu", antwortete Noah.

„Und manchmal spielen sie auch, wie sie dem anderen schnell alle Kleidung vom Leib reißen können", warf Louis grinsend ein.

„Du bist so ekelig, Dad", fluchte Willow und trat fest gegen den Beifahrersitz. „Ganz ehrlich, werde mal erwachsen."

Ihr Vater drehte sich um und streckte ihr die Zunge heraus.

„Okay, wir sind da, Leute", meinte Eleanor eilig, bevor das Familiendrama überkochen konnte und parkte das Auto auf dem kleinen Parkplatz vor dem Restaurant. „Alle aussteigen, es gibt Curry."

Gemeinsam betraten sie das Restaurant, wobei sich einige der Blicke in Louis Richtung drehten, doch es waren bei weitem nicht mehr so viele wie während seiner jungen Jahre. Er war immer noch regelmäßig auf der Bühne unterwegs, wurde um Fotos gebeten, aber es hatte nachgelassen und er war froh über die Ruhe.

„Bald wirst du dich damit rumschlagen können", murmelte der Sänger in Noahs Richtung. „Warte es nur ab, sobald du nächsten Monat mit deinem ersten Album anfängst, kommst du nicht mehr raus aus der Nummer."
Noah zuckte mit den Schultern. „Damit werde ich schon klarkommen."

Louis, Eleanor und Charlotte tauschten einen stummen Blick, denn sie wussten alle Drei, dass es nicht so einfach werden würde. Hatten sie doch alle selbst unter dem Druck der Öffentlichkeit leiden müssen, hatten sie sich von Gerüchten ertränken lassen und jeglichen Hauch ihrer Privatsphäre verloren. Doch sie sagten nichts, denn Noah Styles würde seine eigenen Erfahrungen machen.

Sie würden ihn dabei begleiten, auf jedem einzelnen Schritt, und ihn fangen, wenn er es nötig hatte. Sie waren sein Sicherheitsnetz, von dem der Junge bisher nicht einmal wusste, dass er es brauchte und sie waren es gerne.

Solange der Junge seinen Traum leben konnte, war alles gut.

Vielleicht, ganz vielleicht, würde er ebenfalls über Bühnen schweben und heller erstrahlen als die Sterne am Himmelszelt, während die Menge seinen Namen schrie. Vielleicht würde all das nie passieren. Sie wussten es nicht. Denn das Leben war nicht vorhersehbar, nicht planbar und gerade deswegen so wunderschön.

„Lottie hat Haz übrigens bei ihrem Schulabschluss das Herz gebrochen", erzählte Louis schließlich, als sie längst im Wohnzimmer der Tomlinsons saßen, noch nicht bereit, den heutigen Tag enden zu lassen.

„Das ist doch gar nicht war", warf Charlotte augenverdrehend ein und sah von dem Spiel hoch, das sie gerade mit Aubrey auf dem Wohnzimmerboden spielte. Ihre Knochen knackten aufgrund der ungewohnten Sitzposition, aber sie beschwerte sich nicht, weil die Neunjährige so begeistert darüber war, dass sich jemand mit ihr beschäftigte.

„Wohl war", erwiderte Louis. „Harry hat vorher stundenlang mit mir diskutiert, wie er dich fragen soll."

Neugierig sah Noah seine Mutter an, während sich Willow fester an seine Seite kuschelte. „Was genau hat Dad dich denn gefragt bei deinem Schulabschluss?"

„Ob wir zusammenziehen", erzählte sie mit einem Lächeln auf den Lippen, das sich immer dahin stahl, solange sie an ihren Sternenjungen dachte. Kurz nachdem er in den Himmel geflogen war, hatte sie Angst gehabt, all die Details über Harry zu vergessen. Aber so viele waren so sehr in ihr Gedächtnis gebrannt, dass dies unmöglich war, auch wenn sie es versuchen wollte.

Auch jetzt stahl sich eine Erinnerung an die Oberfläche, von einem jungen Harry mit verwuschelten Haaren und einem zögerlichen Ausdruck in seinen Augen, während er mit ihr über den Schulhof spazierte, lange nachdem die eigentliche Abschlussfeier bereits beendet war. Sie waren alleine dort gewesen, während die Sterne auf sie hinabsahen und dann hatte er sie an sich gezogen, sie geküsst. Kein Wort war über seine Lippen geflogen und es hatte lange gebraucht, bis Charlotte die Fragen in die Freiheit entlockt hatte.

„Und ich habe auch nicht Nein gesagt, jedenfalls nicht direkt", fügte das Mädchen mit den Sternenaugen hinzu.

Louis zog eine Augenbraue hoch, während er vorsichtig eine Decke über seiner bereits schlafenden Frau ausbreitete. „Du hast aber auch nicht Ja gesagt."

„Weil ich gerade achtzehn war", entgegnete Charlotte. „Wir hatten unser Leben noch vor uns und ich wollte während des Studierens zumindest ein wenig ganz alleine wohnen."
„Und? Hast du das?", fragte Willow neugierig.

„Hat sie. Genau vier Wochen lang", lachte Louis, bevor das Mädchen mit den Sternenaugen überhaupt antworten konnte. „Sie hat sich alle Möbel gekauft und eine Wohnung gemietet und nach einem Monat ist sie dann bei Haz eingezogen."

Charlotte grinste. „Das ist einfach bequemer gewesen. Ich war sowieso die ganze Zeit bei ihm."

„Er hat es geliebt", ließ Louis sie lächelnd wissen. „Jedes Mal, wenn wir eine Tourpause hatten oder längere Zeit nicht in England gewesen waren, hat er mir erzählt, wie sehr er dich vermisst."

Das Mädchen mit den Sternenaugen schluckte, während sich eine Träne über ihre Wange stahl. „Mir ging es nicht anders. Ich war davon überzeugt, dass ich nicht mehr als ein paar Wochen ohne Hazza überleben würde."

Louis Tomlinson ließ sich neben ihr auf den Wohnzimmerfußboden fallen, der in all der Zeit bereits so unendlich viel erlebt hatte.

„Und jetzt hast du es siebzehn Jahre lang geschafft, Lottie", flüsterte Louis, so leise, dass niemand außer Charlotte ihn hören konnte, und drückte ihre Hand. „Du bist die stärkste Person, die ich kenne. Das wollte ich dir immer schon einmal sagen."

Stumm ließ das Mädchen mit den Sternenaugen sich von ihm umarmen, klammerte sich an ihn fest, während ihr stille Tränen aus den Augen liefen. Dann ließ sie los und war endlich wieder bereits für das Leben. „Danke, Lou. Für alles."

„Für dich immer", lächelte er. „Und jetzt wird es Zeit, für noch ein Stück Kuchen. Das Leben ist zu kurz, um damit zu warten."

Mit einem Lächeln auf den Lippen verdrehte Charlotte die Augen. „Aber wirklich nur eines. Sonst platze ich gleich."

Nachdem Essen verabschiedeten sich die Styles und fuhren in dem klapperigen roten Auto, was bereits fast auseinanderfiel, zurück zu ihrem Haus. Der Sternenhimmel erstrahlte über ihnen ein wenig heller, als sie schließlich eintraten und eine Sekunde lang schweigend im Flur stehenblieben.

„Ich habe noch ein Geschenk für dich", sagte Charlotte leise. „Nun, genau genommen ist das Geschenk nicht wirklich von mir."

Stumm folgte Noah ihr ins Wohnzimmer und setzte sich aufs Sofa, während seine Mutter etwas aus der Kiste zog. Er wusste sofort, dass es ein Brief war, der allerletzte Brief und schluckte lautstark.

Das Mädchen mit den Sternenaugen ging langsam die wenigen Meter zu dem Sofa herunter, als würde sie gegen die ganze Welt ankämpfen und setzte sich dann neben ihren Sohn. Mit leicht zittrigen Händen reichte sie ihrem Sohn den Umschlag.

„Noch nicht öffnen", bat sie ihn und legte sanft ihre Finger über seine. „Ich habe erst noch etwas anderes für dich."

Charlotte Styles öffnete ihre eigene Hand, ließ die Kette mit dem Kreuz baumeln, sah dabei zu, wie sie ihre Kreise durch die Luft zog, in ständiger Bewegung, nicht bereit, zu fliegen und nicht bereit, zu landen. Sie war stets im Zwischenreich, gefangen im Universum und befreit in der Welt.

„Die Kette hat deinem Dad gehört. Er hat sie jeden Tag getragen", erzählte das Mädchen mit den Sternenaugen leise, dabei musste sie es gar nicht. Das wusste Noah bereits, war der Anhänger doch auf jedem Foto zu sehen gewesen, das seinen Vater zeigte. „Sie gehört jetzt dir."

Noah schluckte. „Bist du sicher? Willst du sie nicht haben?"

„Ich würde sie unheimlich gerne haben", lächelte Charlotte. „Aber es ist deine. Ich bin mir sicher, dass Hazza das so gewollt hätte."

„Danke", flüsterte der Junge und strich einmal über den Anhänger, bevor er sich die Kette umlegte. Zuerst war das Metall kalt auf seiner Haut, doch dann wurde es immer wärmer und verwandelte sich in eine stumme Umarmung, die dem Strahlen der Sterne Konkurrenz machte.

Stumm sahen sie dann auf den Umschlag in Noahs Händen herab. Ein blaues und ein grünes Paar Augen, die beide bereits zu viel Schmerz in dieser Welt hatten ertragen müssen.

„Mum, darf ich dich mal was fragen, bevor wir den Brief öffnen?"

Charlotte sah ihn an. „Du kannst mich alles fragen."

„Hättest du gerne mehr Kinder gehabt?", fragte Noah leise. „Ich weiß, dass das nicht wirklich möglich war, aber –"

„Ja, hätte ich. Weißt du, dein Dad und ich haben nie wirklich über Kinder gesprochen", erzählte sie leise. „Wir wussten immer, dass wir welche haben wollten, aber wir haben nie wirklich darüber geredet. Wir haben gedacht, dass wir noch alle Zeit der Welt gehabt haben und dann kam Hazzas Diagnose. Plötzlich haben wir unser Leben im Schnelldurchlauf gelebt und auch wenn wir vieles während der Zeit verflucht haben, gab es doch eines, wofür wir immer dankbar waren. Und das bist du."

Sanft umfasste sie seine Hand, ihre kleine in seiner großen, und fragte sich, wann genau ihr kleines Baby so erwachsen geworden war.

„Du bist alles Glück in unserem Leben. Du bist mehr als genug gewesen, Noah. Du bist unser großes Wunder und dein Dad und ich hätten darüber nicht glücklicher sein können."

Charlotte strich über den Brief, das Papier sicher und sanft unter ihren Fingerspitzen. Stumm folgte Noah der Bewegung, bis er schließlich ebenfalls seine Hand auf den Umschlag legte.

„Öffnen wir ihn zusammen?", schlug der Junge vor.

„Der Brief ist für deinen Schulabschluss gedacht."

Er drückte ihre Hand. „Ich will, dass wir ihn zusammen öffnen."
Einen Augenblick lang sahen sie sich an, tausend stumme Worte wechselnd und dann nickte Charlotte leicht. Vorsichtig zerrissen sie den Umschlag, zerstörten das letzte Geheimnis, das Harry Styles je gehabt hatte und zogen gemeinsam die beschriebenen Seiten heraus.

Es waren bloß Worte. Aber Worte hatten die Macht, Kriege zu beenden Leben beginnen zu lassen.

Das Papier knisterte, als Noah es vorsichtig öffnete und dann wurden all die Buchstaben ein letztes Mal in die Freiheit entlassen.

„Liest du ihn vor, Mum?", fragte er leise.

Das Mädchen mit den Sternenaugen nickte und einen Augenblick fühlte es sich an, als wären die letzten siebzehn Jahre nie passiert. Als wäre das hier Harrys erster Brief und Noah würde sich in ihre Arme kuscheln, noch nicht in der Lage, die Worte überhaupt verstehen zu können. Doch seitdem waren Welten vergangen und sie war glücklich.

Charlotte atmete tief ein, dann ließ sie die ersten Worte fliegen.

Lieber Noah,

Wenn du diesen Brief lesen wirst, dann bist du ganz offiziell erwachsen. Du wirst mich nie wirklich kennengelernt haben, aber ich bin überzeugt davon, dass ich dich kennen werde. Egal, wo ich auch sein werde, ich werde immer ein Auge auf dich haben. Wie könnte ich auch nicht, bist du doch das Beste, was mir je im Leben passiert ist.

Es gab eine Zeit, da befand ich mich am höchsten Himmel/ in den Sternen. Ich lebte meinen Traum und war der Junge in den Sternen. Dann kam der Knall und mein Traum verbrannte unter meinen Händen. Doch ich möchte, dass du weißt, dass ich keinen Augenblick meines Lebens bereue, Noah. Ich hätte mir alles wieder ganz genau so gewünscht, solange es dich am Ende gibt. Also sei bitte nicht traurig, sondern freue dich für mich.

Herzlichen Glückwunsch zu Schulabschluss, Großer. Heute ist ein ganz besonderer Tag für dich und ich möchte, dass du weißt, wie stolz ich auf dich bin. Auch wenn deine Mutter das garantiert für uns beide ist.

„Das bin ich wirklich, Noah", lächelte Charlotte mit Tränen in den Augen und drückte ihn an sich, bis ihr Sohn protestierte. Sie hielt ihn dennoch noch ein wenig fest. „So verdammt stolz."

Sie blinzelte, bis sie durch den Tränenschleier wieder etwas sehen konnte und sah wieder auf die Worte herunter, die zittrig auf dem Papier verewigt worden waren. Insgeheim wusste sie, dass es die allerletzten Sätze waren, die ihr Sternenjunge je geschrieben hatte. Sein allerletzter Abschied.

Deswegen gab sie sich Mühe, ihnen all die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdienten.

Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, die Schule zu beenden, denn das Leben kam irgendwie dazwischen und das bereue ich auch nicht. Doch genau aus dem Grund werde ich dir nun keine Ratschläge mehr geben können.

Stattdessen bleibt mir nur, dir ein paar Wünsche für dein weiteres Leben zu geben.

Ich wünsche dir, dass du dich von all den Möglichkeiten im Leben nicht abschrecken lässt und stattdessen genau das findest, was du immer schon einmal machen wolltest. Hör nicht auf deinen Verstand, sondern hör auf dein Herz. Egal, ob du nun Balletttänzer, Banker oder Pianist werden willst. All das ist möglich, wenn du nur fest daran glaubst und ich werde in den Sternen sitzen und dich anfeuern.

Ich wünsche dir, dass du deine große Liebe im Leben findest. Die Person, die dein Herz zum schlagen und schweigen bringen kann. Die Person, die mit einem Lächeln deinen ganzen Tag zum besten deines Lebens machen kann, auch wenn du vor einem Augenblick noch geschworen hast, noch nie so einen beschissenen gehabt zu haben. Die Person, mit der Nichts tun das allergrößte Abenteuer im Leben sein kann. Die Person, die sich wie zuhause anfühlt. Für mich ist das deine Mum gewesen und ich weiß, dass du genau so einen Menschen ebenfalls finden wirst.

„Das habe ich bereits", meinte Noah und sah lächelnd aus dem Fenster, hinaus in den mittlerweile schwarzen Himmel, der tausend Sterne zum Leuchten brachte. Denn manchmal brauchte man die Dunkelheit, um die Schönheit des Lebens sehen zu können.

„Ihr Name ist Willow und sie ist das tollste Mädchen der Welt, Dad. Du würdest sie bestimmt lieben. Ich jedenfalls liebe sie wirklich sehr und ich wünschte, du hättest sie kennenlernen dürfen."

Lächelnd legte Charlotte ihm einen Arm über die Schulter und drückte ihn an sich. „Ich bin mir sicher, dass dein Dad Willow bereits liebt."

Noah nickte stumm, während eine einsame Träne aus seinen Augen schwamm. Schweigend kuschelte er sich enger an seine Mutter und lauschte den Worten seines Vaters.

Ich wünsche dir, dass du eine eigene Familie haben wirst und Kinder, falls du das denn willst. Falls nicht, dann ist das auch okay.

Ich habe noch so viele Wünsche für dich, aber der größte ist einfach, dass du glücklich bist. Ich schicke dir alles Glück der Welt von den Sternen herunter.

Ich habe nie einen Schulabschluss gemacht, weswegen ich nun lügen müsste, wenn ich behaupten würde, dass ich wüsste, wie es sich anfühlt. Aber ich hoffe, dass du dich fühlst, als würde dir die Welt zu Füßen liegen, denn das tut sie. Du hast alle Möglichkeiten, also nutze sie, Noah. Lass dir von niemandem einreden was du im Leben machen sollst, selbst von deiner Mum nicht, sondern vertraue einfach auf dein Herz.

Das hier wird mein letzter Brief sein, weil meine Kraft nicht mehr ausreicht. Aber ich bin mir sicher, dass du dein Leben ohnehin erfolgreich leben wirst, ohne das dein Dad dir andauernd unwichtige Ratschläge gibt. Vielleicht haben dir immerhin einige davon weitergeholfen, das wäre schön.

Bitte pass auf dich auf, bitte sei glücklich. Ich liebe dich so unfassbar sehr, dass ich es nicht in Worte fassen kann. Denn alle Worte der Welt könnten meiner Liebe für dich nicht genügen. Du bist das Beste, was mir je passiert ist. Vergiss das bitte nie, Noah Styles. Ich bin so stolz auf dich und liebe dich so sehr.

In Liebe

Dein Dad

PS: Zeig die nächsten Zeilen bitte deiner Mum, ja?

Lottie? Ich liebe dich, bis zum Himmel und immer wieder zurück. Scheiße, tausend Mal hin und zurück. Weißt du, manche reden davon, dass man vom Mond und wieder zurück liebt. Ich liebe dich durch das ganze Universum. Leb dein Leben und sei glücklich. Ich warte auf dich. Das hier ist kein Abschied, sondern nur eine Auf Wiedersehen, mein Mädchen mit den Sternenaugen.

„Auf Widersehen, Sternenjunge", flüsterte Charlotte mit tränenerstickter Stimme und klammerte sich an Noah, als wäre er ihr Rettungsseil. Auf eine Weise war er das auch, war er doch der Grund, warum sie das Glück der Welt immer noch sehen konnte.

Gemeinsam weinten Noah und Charlotte, bis keine Tränen mehr kamen. Dann schlossen sie langsam den Brief und sahen mit einem Lächeln hinauf zu den Sternen.

Es waren Harry Styles letzte Worte gewesen, doch Noah und Charlotte wussten, dass er dennoch den Rest seines Lebens aus dem Himmel auf sie herabschauen würde.

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Ihr Lieben,

Das war Harrys letzter Brief und damit auch das letzt Kapitel dieses Buches. Der Epilog folgt in den nächsten Tagen.

Ich danke euch vielmals für eure Votes und Kommentare!

Bis zum nächsten (und letzten) Mal.

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