2 | canopus
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c a n o p u s
juli 2021
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„Das ist mein Eis, Lottie."
„Jetzt ist es aber meins."
Gestern Nacht starb Charlotte, heute wachte sie auf. Während die Sterne am Himmelzelt leuchteten und sich Noah in ihre Arme kuschelte, da waren es Harrys Worte, die sie lebendig fühlen ließen. Es war bloß eine Illusion, das wusste sie, aber dennoch war der Brief in ihren Händen unendlich kostbar. So viel mehr wert als all die Millionen Pfund, die auf ihrem Konto schlummerten.
Liebster Noah,
Du wirst dich nicht an mich erinnern, aber vielleicht helfen dir diese Briefe dabei, ein wenig über deinen Dad zu erfahren.
Wahrscheinlich wirst du irgendwann herausfinden, dass du mich auch einfach googeln könntest (wenn es das überhaupt noch geben wird zu dieser Zeit), aber ich verspreche dir, dass die wirklich wichtigen Dinge über mich nicht im Internet zu finden sein werden. Sie sind privat und nur für deine Ohren bestimmt.
Die Welt glaubt mich zu kennen, doch sie kennen bloß eine Hülle von mir selbst. Du jedoch wirst alles über mich erfahren, was es zu wissen gibt. Das wird alleine dir gehören, Noah.
Charlottes Augen glitten über die Wörter, sie wisperte sie in die Luft und lies sie durch den Nachthimmel tanzen. Lächelnd sah sie zu ihrem Sohn herunter, der sie mit grünen Augen anstarrte, die linke Hand leicht um den Brief geschlungen, sodass das Papier unter seinen Fingern knisterte. Doch er zerriss ihn nicht, als wüsste er wie wertvoll diese Zeilen waren.
Das Mädchen mit den Sternenaugen wusste, was Harry mit diesen Sätzen ausdrücken wollte. Sie hatte ihn immer schon blind verstanden und das hatte sich selbst nach all den Monaten der Stille nicht geändert.
Sie war dabei gewesen, als Harry an den Himmel stieg und die Welt sich eine Meinung bildete. Eine Meinung, die manchmal grausam war. Sie zum Weinen brachte, wenn wieder einmal jemand behauptete, dass der Womanizer Harry Styles fremdgegangen war. Nicht, weil sie die Worte glaubte, sondern weil sie wusste, wie sehr sie sich in sein Herz bohrten.
Sie war dabei gewesen, wenn er ins Blitzlichtergewitter stürmte, ihre Hand fest in seiner und der Welt ein Lächeln vorspielen musste.
Charlotte verstand, was Harry insgeheim hoffte. Er wollte, dass Noah die richtige Version von ihm kennenlernte. Nicht die glitzernde, die unnahbare der Welt. Sondern die private.
Den Harry Styles, der nachts mit ihr in Unterwäsche durch die Küche tanzte.
Den Harry Styles, der Kuchenteig naschte, bevor sie die Chance hatte, ihn wirklich in den Ofen zu schieben.
Den Harry Styles, der sie jedes Jahr wieder zu ihrem Point Zero mitnahm, dort auf die Wiese in Holmes Chapel. Umgeben von tausend Blumen im Sommer und der kalten Luft im Winter, die ihrem Ort dennoch nie den Zauber nehmen konnte.
Charlotte verstand all dies, denn wie konnte sie auch nicht, hatten sie beide doch die meiste Zeit die Gedanken des anderen lesen können.
Sie verstand, wie sie alles über Harry Styles verstand, weswegen sie Noah nun einen sanften Kuss auf die Stirn gab.
„Ich werde dir all diese Kleinigkeiten über deinen Daddy erzählen", flüsterte sie. „Das verspreche ich dir."
Die Finger des Jungen mit den grünen Augen schlossen sich fester um das Briefpapier.
Charlotte grinste: „Willst du, dass ich weiterlese?"
Ein Gähnen löste sich aus Noahs Mund, doch dennoch war sein Blick immer noch auf die Wörter fixiert, als wüsste er, dass sie ein Geschenk an ihn waren. Natürlich tat er das nicht, aber seines Tages würde es soweit sein und bis dahin würde sie die Worte für ihn in ihrem Herzen halten.
Nun jedoch schwebten sie erst einmal durch die Dunkelheit der Nacht, als würden sie erst durch den Kontakt mit der Luft Wirklichkeit werden. Flüsternd sangen sie sich über Charlottes Lippen.
Da ich dir all diese Dinge leider nicht persönlich erzählen kann, wird es diese Briefe für dich geben und ich hoffe, dass das zumindest besser ist als nichts. Bis du alt genug bist, wird deine Mum sie dir vorlesen müssen, Noah. Aber ich bin mir sicher, dass du so intelligent sein wirst wie Lotte, also kannst du sicherlich schon mit vier lesen.
Wusstest du, dass deine Mum das konnte? Es war so nervig, wie sie mir das immer vorgehalten hat, wenn die Buchstaben für mich keinen Sinn ergaben und sie ganze Welten damit erschaffen konnte. Unter uns, ich bin mir bis heute nicht sicher, ob Lottie die Sätze in den Büchern nicht bloß erfunden hat, um mich zu ärgern. Aber verrate das bloß nicht deiner Mum.
Deine Mum kann übrigens auch überhaupt nicht verlieren, absolut gar nicht. Sie ist der schrecklichste Verlierer überhaupt, aber ich bin sicher, dass du schneller als sie lesen kannst, also streng dich an und mach mich stolz. Wenn du es nicht hinbekommst, dann bin ich natürlich trotzdem stolz auf dich, Noah. Das werde ich ohnehin sein.
Zurück zu den Briefen, die du irgendwann alle lesen kannst, denn sie gehören bloß dir. Ich werde dir zu jedem wichtigen Ereignis einen Brief schreiben. Vielleicht hilft dir das dabei zu wissen, dass ich immer bei dir sein werde. Auch wenn ich nicht neben dir stehen kann, werde ich doch immer da sein. Das darfst du nie vergessen, Noah. Dein Daddy ist immer bei dir.
„Das ist er wirklich, Großer. Hazza ist immer hier, okay? Wir müssen bloß genau hinschauen", flüsterte das Mädchen mit den Sternenaugen.
Charlotte streichelte sanft über die Hand ihres Sohnes, der immer noch das Papier umklammert hielt und schob seine Hand ein wenig weiter nach unten, damit sie die Worte darunter vorlesen konnte.
Wenn du den Brief rechtzeitig bekommst, dann ist diese Woche dein erster Geburtstag und vielleicht habe ich sogar das große Glück, dass du diesen Brief am richtigen Datum erhältst. Bitte erinnere deine Mum daran, das die Briefe der zweiten Juliwoche für deinen Geburtstag gedacht sind, okay? Dann kann sie sie dir an dem richtigen Tag vorlesen.
Heute ist also dein Special Tag. Der erste von so vielen, doch das erste Mal ist immer etwas Besonderes, weswegen ich hoffe, dass du einen wundervollen Tag hast.
Herzlichen Glückwunsch zum ersten Geburtstag, Noah Styles.
Hat deine Mum dir übrigens erzählt, dass sie deinen Namen ausgesucht hat? Ihrem Argument, dass du schon meinen Nachnamen hast, konnte ich nicht wirklich widersprechen. Aber ich habe auch erst gar nicht diskutiert, denn ich war mir sicher, dass Lottie was Gutes aussuchen würde. Das tut sie immer, also kannst du deiner Mum ruhig vertrauen, wenn sie eine Wahl für dich trifft.
Jedenfalls immer, außer wenn es um die beste Eissorte geht. Lass dir bloß nicht einreden, dass die orangenen Popsicles besser sind als die roten, denn das sind sie überhaupt nicht, Noah. Erdbeergeschmack ist so viel besser, vertrau mir da.
Du bist jetzt also schon ein Jahr alt und das ist super, Großer. Denn das bedeutet, dass du bereits Eis essen darfst (Notiz an deine Mum: Habe ich gegooglet, also widersprich mir da jetzt nicht) und deswegen hoffe ich, dass du morgen erst einmal ein Popsicle zum Frühstück isst. Natürlich Erdbeere, aber das ist ja klar. Also lass dir von Lottie bloß nicht eines dieser gruseligen mit Orangengeschmack andrehen. Und sag mir dann bitte, dass du das Eis magst. Denn sonst wird Daddy wirklich traurig.
Lachend legte Charlotte den Brief beiseite, vorsichtig auf die Bettseite, die schon so lange niemand Erwachsenes mehr eingenommen hatte, dass es in ihren Augen mittlerweile die Normalität war, den kleinen Noah dort schlafen zu sehen. Heute jedoch schlummerte er noch nicht, sondern blickte sie bloß aus müden grünen Augen an.
„Wie wäre es, wenn wir das Eis jetzt essen?", murmelte Charlotte dem Kleinen ins Ohr.
Bei den Worten quietsche er leise auf, brabbelte eine unverständliche Worte, wie schon seit einigen Tagen. Noch konnte er nicht sprechen, nicht wirklich, aber sie konnte den Moment gar nicht erwarten.
Charlotte legte die Bettdecke zurück, die wie immer ein wenig nach Sonnenstrahlen duftete und wenn sie sich anstrengte auch ein wenig nach Harry, auch wenn der Geruch eigentlich schon seit Monaten verschwunden war. Wenn sie jedoch die Augen schloss, dann konnte sie ihn wieder fühlen und es gab nichts Schöneres. Doch irgendwann musste sie sie wieder öffnen und mit dem Licht der Welt verschwand die Erinnerung erneut.
Vorsichtig schob das Mädchen mit den Sternenaugen Noah auf ihre Hüfte und lief dann mit leisen Schritten durch das Haus, das in jedem Winkel ein wenig Geheimnis ausstrahlte. Der Boden fühlte sich kalt an unter ihren nackten Füßen, doch sie begrüßte die Kühle, war sie doch eine erfrischende Ablenkung von der ausnahmsweise einmal wirklich warmen Sommernacht.
In der Küche knipste sie den Lichtschalter an und kniete sich vor die Tiefkühltruhe. Ihre Knochen knackten leicht, ein beinahe unhörbares Geräusch, doch in der Stille der Nacht ließ es sie dennoch zusammenzucken.
Noah jedoch streckte bloß die kleinen Arme nach der Truhe aus und versuchte die Schublade zu öffnen.
„Warte, Mummy hilft dir", murmelte Charlotte lächelnd.
Gemeinsam umklammerten sie den Griff, er mit seinen kleinen unschuldigen Händen und sie mit ihren, die bereits zu viel Leid ertragen mussten. Sie zogen, bis sich das Gefrierfach knarrend öffnete.
Charlotte musste nicht lange suchen, bis sie die roten Popsicles fand. Es waren viele, viel zu viele, wenn man bedachte, dass sie immer Harry gehörten. Sie hatte nicht eines davon angerührt in den letzten Monaten, nicht, wenn er selbst keines mehr essen konnte.
Sie hatte Angst davor gehabt, wie eine Barriere, die immer zwischen ihr und dem Leben stand.
Aber nun holten ihre Finger eines aus der Truhe und zogen vorsichtig die knisternde Verpackung von dem Eis, bevor sie es Noah in die Hand drückte.
Grüne Augen musterten die rote Eiscreme neugierig, als wüsste er noch nicht ganz, was er davon halten sollte. Dann steckte Noah es sich in den Mund und nuckelte daran.
Es war alles andere als verantwortungsvoll, aber heute würde Charlotte eine Ausnahme machen. Harry zuliebe, der sie ohnehin schon immer zu allen unmöglichen Ausnahmen bringen konnte.
„Schmeckt es dir, Großer?", flüsterte Charlotte Noah zu.
Er nickte mit vollen Wangen und das Mädchen mit den Sternenaugen atmete hörbar aus, ohne vorher überhaupt bemerkt zu haben, dass sie die Luft angehalten hatte. Raschelnd entwich ihr Atem in die Nachtluft, um dann zum Himmel hinauf zu schweben.
„Ihm schmeckt es, Hazza", murmelte sie vor sich hin, während sie zu den Sternen hinaufstarrte, die einen Moment lang heller zu schienen scheinten. Einen Augenblick los, nicht einmal eine Sekunde lang, aber das war genug.
Charlotte nahm sich selbst ein Popsicle mit Orangengeschmack und dann stapfte sie die Treppe wieder hoch, mit leisen Schritten, die sie sich im Laufe der letzten zwölf Monate angewöhnt hatte, um ihren Sohn nicht aus den Träumen zu reißen. Aus dem einst lauten Mädchen mit den Sternenaugen war eine leisere Version geworden, doch das Funkeln ihrer Iris würde dennoch nie erlöschen.
Wieder im Schlafzimmer angekommen, kuschelten sie sich erneut unter die Bettdecke und Charlotte hob mit einer Hand wieder den Brief hoch, während sie das Eis in der anderen hielt.
Weitere von Harrys Worten flüchteten in die Freiheit.
Es war eine kalte Septembernacht, als ich beschloss, dass du alles warst was mir im Leben noch fehlte, Noah. Ich hatte Angst, dass deine Mum es als einen meiner verrückten Pläne abtun würde. So wie ich mit sieben beschloss, dass wir nach Amerika auswandern würden, bloß deine Mum und ich und ein gepackter Rucksack mit Crackern. Oder als ich mit fünfzehn davon überzeugt gewesen bin, dass es sich lohnen würde, bei diesem Freizeitcamp teilzunehmen.
Aber als ich deiner Mum in dieser Nacht von meinem Wunsch, von dir, erzählte, da lachte sie nicht, sondern küsste mich bloß. Das kann sie übrigens wirklich gut, Noah. Egal ob die unschuldigen Küsse oder die, die mir den Atem rauben, während mein Herz so schnell schlägt, dass ich manchmal Angst habe, dass sie es zum Explodieren bringt durch all die Liebe, die ich für sie habe.
Wahrscheinlich willst du das nie von deinen Eltern hören, Noah, und ich will deine unschuldigen Ohren auch nicht verletzen, aber ich schätze, dass du in deinem Alter ohnehin nicht wirklich verstehst wirst, worüber dein Dad gerade überhaupt redet. Irgendwann einmal werden wir uns über das Küssen unterhalten, zumindest indirekt, denn einen Brief für deinen ersten Kuss werde ich auch schreiben. Aber gerade kann dich das sicherlich nicht weniger interessieren.
Wahrscheinlich denkst du eher an den weißen Plüschhasen, den ich dir gekauft habe, als ich wusste, dass du dich wirklich im Bauch deiner Mum befandst, mein großes Wunder, oder an die Brüste deiner Mum, die mir übrigens auch sehr gut gefallen.
Charlotte schnaube lachend, während sie die Worte erneut flüsterte, all den Ernst und all die Liebe zwischen ihnen fühlen konnte. Und Harrys schrägen Humor, den er selbst in den dunkelsten Tagen nie verloren hatte. Immer wenn sie gedacht hatte, dass sie nicht mehr konnte und die Welt zusammenbrach, dann hatte ihr Sternenjunge einen schlechten Witz gerissen. Es hatte sie nicht immer zum Lachen gebracht, meistens sogar zum Weinen, aber sie war ihm so dankbar gewesen, dass er es für sie tat.
Aber ich komme vom Thema ab, Noah. Wie so oft. Wahrscheinlich verdreht deine Mum gerade die Augen, während sie mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen nickt.
Erst jetzt bemerkte Charlotte wirklich das Lächeln, dass sich wie durch Magie auf ihre Lippen gelegt hatte. Ihre Munwinkel wanderten weiter nach oben, während sie aus dem Fenster starrte, hinauf zu all den leuchtenden Punkten am Himmelszelt. Ihrem Licht, selbst in der tiefsten Dunkelheit der Nacht.
„Ich weiß eben, wie sprunghaft du warst, Hazza", flüsterte das Mädchen mit den Sternenaugen grinsend, während sie Noah davon abhielt, den Brief mit seinen klebrigen Eisfingern zu umklammern.
„Warte, Großer. Erst müssen wir dich sauber machen, okay", murmelte sie lächelnd und wischte ihrem Sohn mit einem Feuchttuch die Finger ab.
Dann stupste sie ihn lächelnd gegen die Nase. „So, jetzt bist du wieder vorführbereit."
Noah kicherte leise und stupste ihr ebenfalls ins Gesicht, ein wenig am Ziel vorbei. Dann kuschelte er sich in ihre Arme und gähnte leicht, während weitere Worte über ihre Lippen kamen.
Es war also in einer Septembernacht in den frühen Morgenstunden, dass ich nicht wirklich schlafen konnte. An einem dieser Tage, an denen das Atmen deinem Daddy bereits schwerer fiel und ich dennoch nicht in den ersehnten Schlaf fallen konnte. Die Dunkelheit der Nacht wurde nur durch den Mond durchbrochen und ich musste daran denken, dass Lotties Mum, deine Oma Mary, uns immer diese Geschichte vom Mann im Mond erzählt hatte, der dort oben am Himmel wunschlos glücklich ist.
In dieser Septembernacht starrte ich also zu den Sternen hinauf, während die Minuten langsam schlichen und einen Marathon rannten, während ich stets den ruhigen Atem deiner Mum in den Ohren hatte.
Von Zeit zu Zeit habe ich zu ihr herübergesehen, wie sie neben mir friedlich schlief, die braunen Haare aus dem Kissen ausgebreitet und die Gesichtszüge so wunderbar entspannt. Deine Mum sah jünger aus in dieser Nacht, so viel jünger als in all den harten Wochen davor, in denen die Sorgen sie oft traurig machten, auch wenn sie das vor mir verbergen versuchte.
Ich habe dich ohnehin durchschaut, Lottie, denn ich kenne dich besser als irgendeiner sonst und ich weiß nicht, ob es mich ärgern sollte, dass du trotzdem versucht hast mich zu täuschen, mein kleiner Dickkopf. (Hinweis an Noah: Das war für deine Mum gedacht, Noah, also keine Sorge. Ich habe dich gerade nicht als Dickkopf beleidigt, wobei ein Teil von mir dennoch wirklich hofft, dass du genauso stur sein wirst wie deine Mum und ihr das Leben ein wenig schwer machst.)
Charlotte strich sich lächelnd eine Träne aus den Augenwinkeln und drückte Noah einen Kuss auf die Stirn. „Hör bloß nicht auf deinen Daddy, Noah. Du bist ein ganz lieber Junge."
Deine Mum sah so jung aus in diesen Augenblicken und sie erinnerte mich in diesen Momenten an die Fünfjährige, die mich angelächelt und mir dann die Schaufel über den Kopf gezogen hat. Bevor sie das unschuldigste Gesicht machen konnte, als wäre nie etwas passiert. Ich habe sie nicht gehasst, Noah, auch während meine Schläfe pochte, weil sie meine beste Freundin war.
"Er hat mir aber nachmittags keinen bissen von seinem Eis abgegeben, also keine Sorge, Noah, ich musste auch leiden", erzählte Charlotte ihrem Sohn flüsternd.
Ich hätte deine Mum in dieser Nacht stundenlang anstarren können und mir wäre nicht langweilig geworden. Doch irgendwann öffnete sie ihre Augen, die mich immer an den Sternenhimmel erinnern, so funkelnd und blau, und betrachtete mich besorgt. ‚Kannst du nicht schlafen, Hazza? Hast du Schmerzen?', hat sie mich gefragt. Und bevor ich überhaupt nachdenken konnte, habe ich die Worte ausgesprochen, die mich schon den ganzen Abend beschäftigten. Ich will ein Baby, hatte ich ausgespuckt, denn ich wollte dich, Noah. Ich wollte dich so sehr.
Die Sorge in den Augen deiner Mum verschwand, aber sie lachte auch nicht, sondern hatte bloß dieses Lächeln auf ihren Lippen, das mich über jeden Abgrund stürzen kann. Statt einer Antwort küsste sie mich bloß (wirklich gut, das kann ich nicht oft genug betonen) und den Rest der Nacht sollte ich nun lieber nicht erklären, damit du nicht völlig verstört wirst, Noah.
Charlotte erinnerte sich an diese Nacht. Sie erinnerte sich, wie sie aufgewacht war, mit verschlafenen Augen und doch voller Panik, als sie sah, dass Harrys Augen in die Ferne starrten. Sie erinnerte sich daran, wie seine Finger abwesend durch ihre Haare streichelten. Und sie würde nie vergessen, wie er ihr sagte, dass er eine Familie mit ihr wollte.
Nicht weil Eleanor schwanger war oder seine Schwester bereits zum zweiten Mal Mutter wurde. Nicht weil es erwartet wurde, sondern einfach weil er es sich wünschte.
Charlotte hatte bloß stumm genickt, während sie seine Worte verdaute und dann hatte sie ihn küssen müssen, bis ihnen beiden keine Luft mehr zum Atmen blieb.
Harry hatte danach angefangen zu husten, so herzzerreißend laut in ihren Ohren und sie hatte ihm bloß stumm die Hand halten können, während die Welle über ihn lief. Doch als sie dann vorgeschlagen hatte, vielleicht etwas zu warten mit ihrer Familie, da hatte er bloß lächelnd den Kopf geschüttelt. Denn er wollte sie nicht irgendwann, nicht bald, nicht in einer Woche, sondern genau an diesem Abend.
Und da Charlotte und Harry doch ohnehin immer das gleiche gewollt haben, zumindest in den wichtigen Momenten, hatte sie bloß mit glitzernden Augen gelächelt. Dann hatten sie ihr ganz eigenes, persönliches Glück kreiert. Ihr größtes Wunder, das Harry nie wirklich hatte erleben dürfen.
Auf jeden Fall funktioniert es irgendwie und es dauerte nicht lange bis sie schwanger war. Mit dir, Noah. Plötzlich gab es da dieses Wunder, unser gemeinsames, und ich habe dich seit der ersten Sekunde geliebt. Das ist eine meiner glücklichsten Erinnerungen und glaube mir, deine Mum hat mir unzählige glückliche gegeben.
Ich wollte eigentlich immer eine Tochter haben, doch dann kamst du und ich werde den Moment nie vergessen, wie ich weinend neben deiner Mum im Zimmer des Arztes saß, als dieser uns erzählte, dass wir einen Sohn haben werden.
Deine Mum fragte mich mal, ob ich unser Baby genauso sehr lieben würde, wenn es ein Junge und kein Mädchen wäre. Die Wahrheit ist, dass ich nie jemanden so sehr lieben werde, wie ich dich liebe, Noah. Du wirst so perfekt sein, das weiß ich jetzt schon. Du bist das Beste, was je in meinem Leben passiert ist. Und glaub mir, dass bedeutet eine Menge, denn ich habe so viel Glück im Leben gehabt. Aber du bist das größte von allen.
Ich hoffe so sehr, dass ich dich einmal festhalten darf, doch selbst wenn mir das nicht mehr vergönnt sein wird, will ich, dass du weißt, wie unendlich sehr ich dich liebe. Noch mehr als deine Mum und ich dachte immer, dass das gar nicht möglich wäre. Aber du bist ohnehin ein Wunder, unser Wunder, und Wunder überraschen einen immer wieder.
Es kann sein, dass ich dich gar nicht mehr kennenlernen darf. Aber ich will es wirklich, also beeil dich bitte und warte bitte nicht zu lange. Ich weiß, dass es im Bauch deiner Mum sicherlich total bequem ist, aber hier draußen ist es auch ganz schön. Das wirst du mittlerweile ja bereits wissen, mein großer Kleiner. Wahrscheinlich wirst du dich selbst dann nicht mehr an dich erinnern, Noah. Aber ich verspreche dir, dass ich dich jetzt schon liebe, bevor ich dich überhaupt in den Armen gehalten habe und das werde ich eine Ewigkeit lang tun.
In Liebe,
Dein Daddy
Charlotte flüsterte die letzten Worte in Noahs Ohren, bevor es die vollkommene Stille sie überwältigte.
Sie legte den Brief vorsichtig auf dem Kopfkissen ab, ihren Sohn sanft unter die Bettdecke, die einmal Harry gehörte und nun seinem Jungen mit den gleichen grünen Augen, die ganze Welten enthielten.
Dann weinte Charlotte stumme Tränen, während ihr Herz sich so sehr nach Harry sehnte, dass es wehtat. Doch unter den Tränenschleiern lächelte sie, denn wusste sie durch den Schmerz doch immerhin, das sie am Leben war.
Ihr ging es gut, Noah ging es gut und Harry hatte ihr das größte Geschenk von allen gemacht.
Er hatte ihr Worte gegeben, auf die sie sich freuen konnte, wenn die Welt sie an manchen Nächten zu überwältigen drohte.
Diese Briefe waren ihre Waffe.
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Ihr Lieben,
Da ist nun also Harrys erster Brief. Er wird zu jedem besonderen Ereignis einen schreiben und ich hoffe, dass er Noah und Charlotte somit zumindest ein wenig nah bleiben wird.
Tausend Dank für eure unglaublichen Rückmeldungen! Ich habe mich so wahnsinnig gefreut und werde alle gleich direkt beantworten. Aber auch hier schon einmal ein ganz großes Dankeschön, eure Worte motivieren mich immer so sehr, hier weiterzuschreiben.
Wie ihr wahrscheinlich bereits festgestellt habt, wird Freitag bei BITS der Uploadtag werden, was mir ganz gut gefällt, weil wir dann immer gemeinsam ins Wochenende starten können.
Bis zum nächsten Mal.
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