16 | pollux

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p o l l u x

mai 2027

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„Vielleicht sollten sie die Hoffnung aufgeben."
Zum zweiten Mal zerbrach das Leben zwischen ihren Fingern.

Die Ruhe im Inneren ihres Autos kam Charlotte beinahe unheimlich vor. Es passierte nicht oft, dass sie ganz alleine durch die Gegend fuhr, normalerweise war Noah immer dabei. Doch die letzten zwei Tage hatte sie in Birmingham verbracht, ganz alleine bei einem Fotoshooting und die Stunden Ruhe des Rückwegs waren so still, dass sie selbst das Knattern ihres immer älterwerdenden Wagens nicht mehr ignorieren konnte.

„Komm schon, halte durch, so weit ist es wirklich nicht mehr", meinte sie aufmunternd zu ihrem Auto und tätschelte vorsichtig das Lenkrad, während sie langsam die Kuppel trat, um den Gang zu wechseln.

Der Wagen schnaufte einmal, gab ein lautes Rattern von sich und begann dann erneut zu schnurren, während Charlotte das Dorfschild ihrer Wahlheimat der letzten Jahre passierte.

Kurz lauschte sie dem Motor, der daraufhin wieder ruhiger lief und drehte schließlich das Radio an, während sie die letzten Meter bis zum Grundstück der Tomlinsons fuhr.

Dort stellte sie den Motor ab und ließ die Autotür mit einem Knall hinter sich zufallen, um die Stille der vergangenen Stunden zu vertreiben. Sie war zurück in ihrer Realität, mit all dem Lärm von Noah und Willow, und nichts wünschte sich das Mädchen mit den Sternenaugen mehr.

Sie liebte ihren Job, liebte es, auf Dienstreisen zu gehen und endlich wieder ordentliche Fotos schießen zu dürfen, aber am meisten liebte sie es, danach wieder nach Hause zurückzukehren und ihren Sohn in die Arme schließen zu können.

Charlotte schellte, ganze zwei Mal, weil sie wusste, dass Eleanor die Klingel ansonsten über all den Kinderlärm sicherlich nur schwer hören würde. Noch eines dieser Kleinigkeiten, über die sie nie nachgedacht hatte, bevor Noah geboren wurde. Nun verpasste sie oft beinahe den Postboten, weil Noah während des einmaligen Schellens in Weinen ausgebrochen oder vor Begeisterung mit seinem Bobbycar durch die Wohnung gereist war.

Ihr Leben war lauter geworden, seitdem ihr Sohn auf der Welt war und das Mädchen mit den Sternenaugen liebte es, weil all die Lautstärke ihr gerade anfangs dabei half, zu vergessen, dass doch gleichzeitig so viele Geräusche von Stille verschluckt worden waren. Harrys Lachen, sein schiefes Singen unter der Dusche oder seine angestrengte Stimme, wenn er seiner Mum versichterte, dass schon alles wieder gut werden würde. Mit seinem Tod verschwanden auch all seine Töne und Schweigen überwältigte Charlotte oft in den Stunden, in denen Noah friedlich schlummerte.

Sie hatte lange gebraucht, bis sie das erste Mal wieder ein Lied von ihrem Sternenjungen hören konnte, doch sobald sie es einmal schaffte, wurden Harrys Songs zu ihrem ständigen Begleiter. Sie hörte sie pausenlos. Während Noah endlich schlafen sollte, wenn er so sehr weinte, dass sie völlig übermüdet war und einfach in den Momenten, die gar nicht so besonders waren. Die Stimme ihres Sternenjungen verzauberte selbst die alltäglichsten Augenblicke in Magie.

Eleanor riss schwungvoll die Haustür auf und schenkte Charlotte Styles ein Lächeln. „Dachte ich mir doch, dass ich etwas gehört habe. Wie war das Shooting, Lottie?"

Das Mädchen mit den Sternenaugen winkte grinsend ab. „Frag lieber erst gar nicht. Das Model war eine absolute B-I-T-C-H", erzählte sie und buchstabierte das Wort den Kindern zuliebe, die sie durch die offene Glastür im Wohnzimmer der Tomlinsons beim Seilspringen beobachten konnte. Noahs Gesicht war vor Anstrengung bereits rot angelaufen, doch nie im Leben würde er aufgeben, wenn Willow noch nicht dazu bereit war.

„Wie war es mit den beiden Monstern, Ellie?"

„Ich habe so das Gefühl, dass sie jedes Mal mehr Chaos verbreiten. Was wahrscheinlich vor allem Willow zu verdanken ist." Seufzend fuhr Eleanor sich durch die Haare. „Die beiden haben sich aus Protest geweigert, sich gestern Abend die Zähne zu putzen, weil sie nicht länger Fernsehen durften. Sie haben mich so nah an den Rand der Verzweiflung getrieben, dass ich sie schließlich einfach so ins Bett gesteckt habe. Tut mir leid."

„Muss es dir nicht. Es ist toll, dass du überhaupt auf Noah aufgepasst hast, weil Anne nicht konnte", versicherte ihr Charlotte ehrlich. „Nächstes Wochenende nehme ich die beiden. Dann können Lou und du auch mal durchatmen."

Eleanor schnaubte tonlos. „Das ist momentan auch nicht so einfach. Lou und ich tun in letzter Zeit kaum noch etwas anderes, als uns gegenseitig die Schuld zu geben."

Charlotte zog ihre Freundin in eine Umarmung und hielt sie einen Moment lang fest, in dem Versuch, wenigstens für einen Augenblick etwas tun zu können.

„Also immer noch kein Erfolg?", fragte das Mädchen mit den Sternenaugen leise.

„Glaubst du nicht, dass du die erste wärst, der wir erzählen würden, wenn ich schwanger wäre?", entgegnete Eleanor mit einem traurigen Lächeln.

„Also bist du es nicht", seufzte Charlotte.

Ihre Freundin schüttelte den Kopf und lehnte sich kraftlos gegen den Holzrahmen ihrer Holztür. „Nein. Und ehrlich gesagt glaube ich langsam auch nicht mehr daran."

„Was hat denn die Ärztin gesagt, Ellie?", fragte das Mädchen mit den Sternenaugen. „Lou hat erzählt, dass ihr letzte Woche noch einmal bei der Spezialistin in London gewesen seid."

„Dass wir es einfach weiter versuchen sollen. Ich muss so viele Pillen schlucken, das ist schon nicht mehr normal. Ich komme mir jeden Morgen beim Frühstück vor, als wäre ich schwer krank", scherzte Eleanor und sah Charlotte dann entschuldigend an. „Tut mir leid, Lottie. Ich habe nicht nachgedacht."

„Nein, schon okay. Ich weiß ja, was du meinst." Das Mädchen mit den Sternenaugen lächelte traurig. „Harry hat jeden Morgen gescherzt, dass er wohl bis zum Abend Tabletten schlucken müsste, weil es so viele waren und er gar nicht mehr hinterherkommen würde."

„Schlechter Scherz", grinste Eleanor.

Ein leichtes Lachen löste sich aus Charlottes Kehle. „Natürlich. Wir reden hier über Harry."

„Man hätte meinen sollen, dass seine Witze irgendwann mal besser geworden wären."

Charlotte grinste. „Die Hoffnung habe ich schon früh verloren bei ihm, aber da war es bereits zu spät und ich habe ihn bereits zu sehr geliebt."

„Wen hast du geliebt, Mummy?", fragte Noah neugierig, der mittlerweile in seine Schuhe schlüpfte, während Willow sich neben ihm an die Wand lehnte.

„Deinen Dad", erklärte Charlotte ihrem Sohn lächelnd.

„Ich habe Daddy auch lieb."

Lächelnd fuhr das Mädchen mit den Sternenaugen durch Noahs Locken. „Das ist schön. Hast du all deine Sachen, Großer?"

„Ja."

Der Kleine drückte ihr seinen Rucksack in die Hand und hüpfte dann zum Auto herüber. Charlotte gab Willow ein Highfive, bevor sie sich mit einer langen Umarmung von Eleanor verabschiedete.

„Nicht die Hoffnung verlieren", flüsterte sie ihrer Freundin ins Ohr und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Ich hole Willow dann Freitagabend hier ab."

„Danke. Bis dann", entgegnete Eleanor und winkte Noah zu, der die Verabschiedung euphorisch erwiderte. „Ciao ihr beiden."

Die beiden Styles stiegen in das alte Auto und fuhren vom Hof. Noahs gerade noch so gute Laune verabschiedete sich mit jedem Meter, während Charlotte beunruhigt dabei zusah, wie er immer stiller wurde. Als sie schließlich in ihr eigenes Haus gingen, schwieg er gänzlich und folgte ihr langsamen Schrittes in die Küche, wo sie das Abendessen zubereitete.

„Willst du nicht noch kurz spielen gehen?", fragte das Mädchen mit den Sternenaugen. „Es dauert noch ein bisschen."

Noah schüttelte bloß stumm den Kopf und blieb auf seinem Stuhl sitzen. Nach einiger Zeit legte Charlotte ihm seine Nuggets auf den Teller und gab ihm zur Feier des Tages ein paar Pommes dazu, die er ansonsten voller Begeisterung kommentierte. Heute verzog er nur die Lippen zu einem kleinen Lächeln.

Noah Styles liebte es, jeden Abend sein Essen zu einem Kunstwerk zu verformen. Ein lächelndes Gesicht, ein Halbmond, eine Blume. Unzählige Kreationen waren bereits zustande bekommen und Charlotte brachte es jedes Mal zum Lächeln, ihm dabei zuzusehen.

In diesen Momenten der Kreation entstanden zwei Falten auf Noahs Stirn, eine ein wenig ausgeprägter als die andere, und eigentlich hätte es ihm einen mürrischen Ausdruck verleihen müssen, doch ihn ließ es nur wunderschön aussehen. In Augenblicken wie diesen erinnerte er so sehr an seinen Vater, dass Charlottes Herz einen Schlag aussetzte, bevor es umso schneller weitereite. Dieser Gesichtsausdruck war so sehr ihr Sternenjunge, dass sie manchmal von den Emotionen überwältigt wurde.

Doch Noah war nicht Harry und das war auch gut so, denn ihr Sohn war das größte Wunder ihres Lebens. Größer noch als ihr Sternenjunge, auch wenn sie das nie für möglich gehalten hätte. Damals, als es bloß sie und Harry gab, die gemeinsam gegen diese grausame Welt ankämpften.

Weil Noah nichts so sehr liebte, wie jeden Abend sein Kunstwerk zu erstellen, tat er es auch ausnahmslos zu jeder Nachtzeit. Immer, außer an dem heutigen Tag.

Mit müden Augen sah er auf seine Erbsen herunter, die er im Laufe der letzten Minuten zu einem Hügel geformt hatte, nur um sie dann mit mürrischem Ausdruck wieder zum Einsturz zu bringen. So vergänglich und verletzlich.

In Momenten wie diesen wusste Charlotte nicht, wie genau sie ihn aus seiner Laune herausreißen sollte. Bei Harry wäre es einfach gewesen, sie hätte ihn angestupst, wäre ihrem Sternenjungen ein wenig auf die Nerven gegangen, bis er gar nicht mehr anders konnte als zu lächeln.

Doch wagte man dasselbe bei Noah, so starrte er einen nur finster an und verschwand schweigend in sein Zimmer.

Denn so ähnlich Harry und er auch aussahen, so viele Eigenschaften sie auch teilten, sie waren dennoch zwei gänzlich verschiedene Personen.

Mit der Zeit hatte Charlotte gelernt, dass es besser war, ihren Sohn erst einmal Schweigen zu lassen, ihn seine Gedanken alleine drehen zu lassen, bis er schließlich bereit genug war, darüber zu reden. Doch bis sie diesen Punkt erreicht hatte, war sie oft genug verzweifelt und hatte sich einfach so sehnlichst gewünscht, dass ihr Sternenjunge bei ihr wäre, damit sie all dies nicht alleine herausfinden musste. Harry jedoch war nicht da, war es nie gewesen und würde es auch nie sein. In den schwierigsten Momenten war sie auf sich alleine gestellt und nichts schmerzte ihrem Herzen mehr.

Das Mädchen mit den Sternenaugen sehnte sich so verzweifelt danach, die guten Momente mit Harry teilen zu können. Doch gerade die schlechten waren es, in denen sie ihn wirklich brauchte.

„Mummy?"

Eilig ließ Charlotte die Gabel fallen, auf der sie gerade zwei Erbsen zu balancieren versucht hatte. „Ja? Was ist denn, Großer?"

Noahs Finger umklammerten das Besteck, als wäre das alles, was ihn daran hinderte, unterzugehen.

„Daddy hat mir schon wieder nicht zurückgeschrieben, oder?", fragte er mit zitternder Stimme. Die Hoffnung in dem letzten Wort bohrte sich wie tausend Nadelstiche in Charlottes Herz.

„Ich bin sicher, dass dein Dad deinen Brief bekommen hat", versicherte sie ihm und hasste sich selbst für die Lüge, denn Noahs diktierter Brief lag ganz unten in den Weiten ihres Schrankes. Vergraben unter all den teuren Kleidern für Events, die sie schon seit langem nicht mehr brauchte. Denn mit Harrys Krankheit war auch dieser Teil ihrer Leben verschwunden und hatte stattdessen Krankenhausbesuche mit sich gebracht.

Die Öffentlichkeit wurde zu Einsamkeit und schlussendlich hatten sie sich verkrochen in dieses kleine Dorf weitab von all dem Trubel, das Noah als seine einzige Heimat kannte.

„Aber er antwortet mir nicht, Mummy", murmelte der Kleine und sie konnte hören, dass die Tränen jeden Moment fließen würden. „Warum antwortet mir Daddy denn nicht?"

Seufzend hob Charlotte ihren Sohn hoch und setzte sie auf ihren Schoß, wo er ihr direkt die Arme um den Hals schlang. Noahs kalte Tränen benetzten ihre Haut und ließen sie ersticken.

Sie schluckte, während sie nach den richtigen Worten suchte, die es eigentlich gar nicht gab. Das wusste sie, dennoch versuchte sie verzweifelt, Noahs Schmerz zu mildern. Denn nichts schmerzte sie mehr, als ihre Liebsten leiden zu sehen.

„Weißt du, manchmal ist es wichtiger, dass unsere eigenen Worte überhaupt gehört werden", flüsterte sie dem Kleinen ins Ohr.

Schluchzend schüttelte Noah den Kopf und ballte seine kleinen Hände zu Fäusten, bereit, die Welt mit ihnen einzureißen. „Aber ich will, dass Daddy mir antwortet."

„Ich weiß, Großer", murmelte Charlotte mit sanfter Stimme, während sie leicht über seine Handrücken strich, um die Anspannung zu lösen. „Ich weiß. Dass will ich doch auch. Aber manchmal bekommen wir nicht das, was wir wollen. Das gehört zum Erwachsenwerden hinzu."

„Erwachsenwerden ist scheiße", verkündete Noah verzweifelt.

„Das ist es nicht immer."

Seufzend wiegte Charlotte ihren Kleinen, bis die Tränen endlich versiegten und sie sich fühlte, als würde sie wieder genügend Luft bekommen. Dennoch blieben sie noch eine Weile so sitzen, schweigend, ineinander verschlungen, klammerten sich an den anderen, waren sie beide doch die Einzigen, die den Schmerz wirklich verstehen konnten.

Irgendwann wurde Noahs Atem rüber und Charlotte trug ihn vorsichtig die Treppe hoch, auch wenn er dafür eigentlich schon zu alt war. Meistens protestierte er dagegen, doch heute klammerte er sich einfach eine seine Mutter, bis sie ihn schließlich im Badezimmer absetzte.

Schweigend sah er dabei zu, wie Charlotte eine ordentliche Portion Pasta auf seiner Zahnbürste verteilte und sie ihm dann in die Hand drückte.

„Schön ordentlich putzen und nicht schummeln", meinte sie mit einem kleinen Lächeln.

Noah lachte kurz, bevor sich wieder der traurige Ausdruck in seine Augen bahnte und dem Mädchen mit den Sternenaugen das Herz brach.

„Mache ich immer, Mummy."

Sie zog eine Augenbraue hoch. „Wirklich? Tante Ellie hat mir da nämlich was anderes erzählt."

„Das war Willows Idee! Nicht meine", entgegnete Noah, wobei Charlotte die Worte eher erahnen konnte, weil er bereits anstrengend seine Zähne schrubbte. „Und ich habe auch wirklich geputzt, das Willow nur nicht gesagt, weil ich sie nicht enttäuschen wollte. Sie ist meine beste Freundin."

Das Mädchen mit den Sternenaugen konnte sich nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen, weil sie sich etwas Ähnliches bereits gedacht hatte. Sie kannte den Kleinen, der ohne seine beste Freundin nie auf irgendwelchen krummen Ideen kommen würde. Willow war der Antrieb für seine Abenteuerlust und eigentlich fand sie das ganz gut so, auch wenn sie das natürlich niemals aussprechen würde.

Eltern sein war schwerer, als sie mal gedacht hätte, denn man musste grundsätzlich die Vernunft in Person vortäuschen. Auch wenn sie selbst sicherlich mehr als einmal das Zähneputzen hatte ausfallen lassen oder sich mit Harry anstatt eines richtigen Abendessens den Magen mit so viel Kuchen vollgeschlagen hatte, bis ihnen beiden schlecht geworden war.

Als Charlotte jedoch sah, dass Noahs Augen schon wieder verdächtig glitzerten, verschwand jeder Reiz dazu, in Gelächter auszubrechen und wurde von dem Gefühl der Hilflosigkeit ersetzt, dass sie schon immer mehr hasste als alles andere. Während Harrys Krankheit hatte sie sich so oft so gefühlt und es hatte nichts Schlimmeres gegeben, als ihm beim Leiden zuzusehen zu müssen, in dem Wissen, dass sie nichts tun konnte, um ihm zu helfen.

Sanft nahm das Mädchen mit den Sternenaugen Noah die Zahnbürste wieder ab und stellte sie wieder zurück in die Stelle des Schrankes, die er noch nicht ganz erreichen konnte, während er sich den Mund ausspülte.

„Fertig?" Fragend sah sie ihren Sohn an, der bloß stumm nickte und mit langsamen Schritten in sein Schlafzimmer herübertrotte. Mit ungutem Gefühl im Magen folgte Charlotte ihm.

Sobald sich die Türen seines Reiches öffneten, blitzten ihnen unzählige Leuchtsterne von den Decken entgegen, die einen ein bisschen fühlen ließen, als befände man sich hoch ihm Himmel. Normalerweise zählte Noah sie –  oder versuchte es zumindest, denn irgendwann gab er immer auf, weil es schlichtweg zu viele waren – doch heute hatte er nicht einmal einen kurzen Blick für die leuchtenden Sterne über, sondern ließ sich einfach in sein Bett fallen.

Vorsichtig deckte Charlotte ihn zu und setzte sich dann auf die Bettkante. Mit sanften Fingern strich sie ihm durch die Haare, während sie zu dem Bücherstapel auf dem Nachtisch herübersah.

„Was sollen wir denn heute Abend lesen? Irgendwelche Wünsche, Großer?"

Noah zuckte bloß mit den Achseln und sah jämmerlich verloren aus in dem großen Bett, in dem er ohnehin immer nur die halbe Nacht schlief, bevor er sich zu Charlotte ins Schlafzimmer stahl. Es störte sie nicht, denn auch sie konnte besser schlafen, wenn sie ihn in ihrer Nähe hatte. Außerdem war es nicht so, als würde sonst irgendwer mit ihr in dem Doppelbett schlafen, dass ihr viel zu groß vorkam.

„Wie wäre es mit dem ‚Mann im Mond'?"
„Nein", stieß Noah so heftig aus, dass sie zusammenzuckte.

„Dann vielleicht ‚Weißt du eigentlich wie lieb ich dich habe'?"

Der Kleine schwieg bloß, aber immerhin richtete er sich ein  wenig in seinen Kissen auf, als Charlotte das Buch zur Hand nahm und die erste Seite aufschlug. Mittlerweile hatten sie das Buch so oft gelesen, dass sie es auswendig konnte, aber Noah Styles war jemand, der die gleichen Geschichten immer wieder hören wollte. Es war ein wenig wie bei ihrem Sternenjunge, der am liebsten dieselben Filme andauernd sah, weil er so keine Angst vor Veränderungen haben musste.

Bevor das Mädchen mit den Sternenaugen allerdings auch nur den ersten Satz über ihre Lippen gleiten lassen konnte, stieß Noah einen herzzerreißenden Schluchzer aus. Hastig ließ sie das Buch fallen, unbeachtet und so unwichtig, während sie ihren Sohn in ihre Arme zog.

Beruhigend strich sie ihm über den Rücken, doch das Weinen wurde bloß immer heftiger. „Was ist los, Großer? Tut dir etwas weh? Bitte rede mit mir", fragte sie panisch, während sie seinen Körper nach Verletzungen absuchte.

„Nein, mir tut nichts weh", weinte er, die Worte immer wieder durch Schluchzer unterbrochen.

Ihre Finger strichen vorsichtig durch seine Haare. „Was ist es dann?"

Es dauerte, bis Noah endlich redete. Doch als er es dann tat, wünschte Charlotte sich, dass sie diese Worte nie von ihm hätte hören müssen.

„Ist Daddy wirklich weggelaufen, weil ich so schrecklich bin?"

Schockiert sah sie ihm in die grünen Augen, denen ihres Sternenjungens so ähnlich, die durch die ganzen Tränen glitzerten wie der Sternenhimmel vor dem Fenster. „Nein, natürlich nicht. Dein Daddy wäre nie vor dir weggelaufen. Wie kommst du darauf?"

„Daniel hat gesagt, dass sein Dad immer bei sich zuhause lebt", erzählte Noah schluchzend. „Seine Mum aber nicht, weil sie weggelaufen ist vor seinem Dad. Sie ist einfach gegangen."

„Dein Daddy wäre nie freiwillig gegangen." Charlotte stützte ihr Kinn auf seinen Kopf auf, damit er die Tränen in ihren Augen nicht sehen konnte. Stumm liefen sie über ihre Wangen, in Strömen, die die ganze Welt ersticken konnten. „Er liebt uns doch. Dich sogar noch mehr als mich."

„Aber warum ist er dann nicht hier?"

„Er wäre es gerne, Großer. So unheimlich gerne", flüsterte sie leise, während sie ihm durch die Locken strich.

„Aber alle anderen Daddys sind hier! Lou ist immer bei Willow! Nur meiner ist nicht hier!"

Charlotte schluckte. „Aber manchmal ist Lou auch auf Tour, oder? Er ist auch nicht die ganze Zeit bei Willow."

Noahs ganzer Körper wurde von Schluchzern geschüttelt, während er seine Fäuste in ihrem Pullover vergrub. „Aber Lou kommt wieder und Daddy nicht. Er liebt mich nicht."

„Doch, das tut er. Dein Daddy liebt dich so sehr", murmelte Charlotte mit brechender Stimme. „Soll ich dir ein Geheimnis verraten, Großer? Dein Daddy ist viel cooler als all die anderen Dads."

„Weil er in den Sternen wohnt?", fragte Noah mit leiser Stimme.

„Und weil er dich von dort aus liebt", flüsterte sie. „Das sind Millionen Kilometer Liebe."

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Ihr Lieben,

Erst einmal vielen Dank für eure lieben Worte!

Ich weiß, ich sagte, dass ich diese Geschichte erst einmal nicht weiterschreiben werde und das stimmt theoretisch auch, weil ich dazu momentan noch nicht in der Lage bin. Aber irgendwann werde ich es sein, ich brauche nur noch ein wenig mehr Zeit.

Es ist jedoch so, dass ich noch ein paar Kapitel vorgeschrieben habe, weswegen es dennoch noch ein paar Updates geben wird. Und wer weiß, hoffentlich kann ich dann auch wieder schreiben, sodass die Pause nicht allzu lang sein wird.

Danke für euer Verständnis!

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