Wiederankunft
Aufgeregt schlage ich die Augen auf. Mit einem Satz springe ich aus dem Bett, ein breites Lächeln im Gesicht. Liams und mein Spitz kommt aufgeregt mit dem Schwanz wedelnd durch die Tür gelaufen und springt an mir hoch. Ich nehme ihn auf den Arm und laufe mit ihm in unsere Küche.
"Na, du?", frage ich ihn. "Weißt du welcher Tag heute ist?" Vorwurfsvoll guckt Ace mich an, als wolle er fragen, ob ich wirklich so blöd sei, wie ich hier grade tat. Ich hatte die ganzen letzten Tage von nichts anderem mehr geredet, wie sollte er es also nicht wissen. Dennoch gucke ich glücklich zurück und halte ihn vor mein Gesicht.
"Heute kommt Liam endlich von seiner Collagefahrt zurück!", quicke ich und hüpfe aufgeregt durch die Küche. Ace scheint das ständige auf und ab nicht so zu gefallen, denn er strampelt in meinen Armen und ich lasse ihn runter. Ace ist unser Hund, den wir uns vor einem Jahr nach reichlich wenig Überlegung geholt hatten. Es war mehr eine Kurzschlussidee gewesen als ein gut durchdachter Plan, dennoch hatten Liam und ich es keine Sekunde bereut.
Liam ist mein Freund. Wir sind seit zweieinhalb Jahren ein Paar und nach einem Jahr Beziehung zusammen gezogen, da wir wussten, dass diese Beziehung für die Ewigkeit bestimmt war. Er studierte im Hauptfach BWL und war mit seinem Kurs vor einer Woche auf Collagefahrt gefahren. Heute würde er aus San Diego zurück nach Santa Monica kommen und ich konnte es kaum erwarten.
Neben mir fängt Ace an zu jaulen. Mit gerunzelter Stirn sehe ich zu ihm runter und bemerke, dass er neben seinem leeren Napf steht. Ich zucke entschuldigend mit den Schultern, ehe ich ihm sein Essen fertig mache. Sofort stürzt er sich aus sein Futter. Kurz beobachte ich ihn mit einem Lächeln auf den Lippen, ehe ich mir Musik anmache und beginne, mir singend mein Frühstück zuzubereiten. Als es schließlich fertig ist, setzte ich mich auf die Kücheninsel, lasse meine Beine baumeln und esse meine Früchtebowl. Als ich damit fertig bin, gehe ich in mein Zimmer, um mir etwas Vernünftiges anzuziehen. Da es relativ warm ist, entscheide ich mich für eine lange Jeanshose und ein dunkelgrünes T-Shirt, das farblich zu meinen schwarzen Haaren passt. Danach verdrücke ich mich ins Bad, um meine verwuschelten Haare zu bändigen. Nach 5 erfolglosen Minuten gebe ich es auf und gehe wieder zu Ace ins Wohnzimmer, der sich auf dem Sofa zusammengerollt hat und mich mit neugierigen Augen mustert. Ich setze mich zu ihm und blicke auf die Uhr. Mist! Noch 3 Stunden, bis ich Liam endlich vom Bahnhof abholen kann. Nervös wippe ich auf und ab und schnappe mir schlussendlich mein angefangenes Buch. 'The Song of Achilles' ist wirklich gut und ich habe in 2 Tagen schon die Hälfte des Buches verschlungen. Dennoch lege ich das Buch nach wenigen Minuten wieder zur Seite, da ich einfach zu hibbelig bin zum lesen. Als Ablenkung schalte ich den Fernseher an, gehe auf Netflix und klicke auf die letzte angesehene Serie. Gedankenverloren kraule ich Ace' weiches braunes Fell, der zu mir auf den Schoß gekrabbelt gekommen ist. Im Hintergrund läuft 'The Witcher', doch meine Gedanken schweifen ab. Ich stelle mir vor, wie ich freudestrahlen am Gleis warte, Liam aussteigt und ich mich ihm endlich wieder in die Arme werfen kann. Bei dem Gedanken muss ich anfangen zu lächeln. Ich träume weiter, konzentriere mich ab und zu auf die Serie, schalte die meiste Zeit aber ab. Als es endlich an der Zeit ist loszufahren, springe ich glücklich vom Sofa hoch. Ace schaut mich pikiert an, da er schnell von meinem Schoß flüchten musste. Ich ignoriere das jedoch, hopse in den Flur, wo ich mir einen Rucksack von der Wand nehme und einen Schlüssel, mein Portemonnaie, eine Flasche Wasser und mein Buch reinwerfe. Die Bahnen haben oft Verspätung und auch wenn ich nicht glaube, diesmal lesen zu können, nehme ich es trotzdem vorsichtshalber mit. Ein schneller Blick aufs Handy verrät, dass ich eine Nachricht von Liam habe, die er schon vor einer halben Stunde abgeschickt hat. Ich öffne sie und grinse.
"Hey Lexi, kannst du mir von unserem Bäcker Quarkbällchen mitbringen? Ich sterbe vor Hunger und ich hab mein Essen schon aufgegessen. Freu mich auf dich! Love you, Li ❤"
Schnell schreibe ich ihm zurück, dass wir natürlich nicht wollen, dass er stirbt und ich mich auch auf ihn freue. Dann stecke ich das Handy wieder weg, schnappe mir Ace Geschirr und seine Leine und binde ihm alles um. Ich hebe den gepackten Rucksack vom Boden hoch, setzte ihn auf und trete dann mit Ace ins Treppenhaus. Nachdem ich die Tür abgeschlossen habe, laufe ich schnell die wenigen Stufen zur Haustür hinunter und öffne sie. Ein warmer Sommerwind weht mir ins Gesicht und ich wende mich nach links zu der Straßenbahnstation. Ace flitzt vorne her, schnuppert an jedem Baum und hebt alle paar Meter das Bein, um allen anderen Hunden in der Gegend zu sagen, dass er da war. Wir haben fast die Haltestelle erreicht, als er sein großes Geschäft verrichten musst. Als er fertig ist, hebe ich es auf und werfe ihm einen schnellen Blick zu. "Und das konnte jetzt nicht warten, bis Liam wieder da ist?" Natürlich kann ich ihn verstehen, er war den ganzen Vormittag noch nicht draußen, trotzdem musste ich das die ganze Woche machen und nun ist Liam wirklich wieder dran. Als Antwort dackelt Ace jedoch einfach weiter.
"Dann eben nicht", entgegne ich und folge ihm. Vermutlich erscheint es manchen Menschen komisch, wenn ich mit meinem Hund rede, doch so ist es eben. Außerdem fehlt mir Liam zum reden und da bleibt mir nur ich oder mein Hund. Und da die Leute es noch seltsamer finden würden, wenn ich mit mir selbst reden würde, rede ich eben mit Ace. Endlich haben wir die Haltestelle erreicht und ich werfe einen Blick auf die Anzeige. 5 Minuten, geht ja noch. Ich stelle mich mit Ace an die Seite, hocke mich zu ihm und gebe ihm ein Leckerli. Dafür werde ich mit schwanzwedeln belohnt und lachend wuschle ich ihm durch durch das Fell. Wenig später kommt die Bahn, wir steigen ein und ich ergattere sogar einen freien Sitzplatz. Ein Blick auf Ace verrät mir, dass er sich brav hingesetzt hat, also ziehe ich mein Handy hervor und gucke, ob Liam mir nochmal geschrieben hat. Hat er nicht. Seufzend stecke ich es wieder weg und fange im nächsten Moment aber wieder an zu lächeln, als ich daran denke, dass ich ihn gleich wiedersehen werde.
Nach 5 Stationen sind wir endlich am Bahnhof und ich gehe in die Ankunftshalle. Es herrscht reger Betrieb, überall rennen Leute rum, rufen sich Dinge zu oder hetzen zu ihren Bahngleisen. Ich gehe zu der Anzeige mit den Ankunftszeiten und gucke nach Liams Zug. Bisher hat er nur 5 Minuten Verspätung, ich hoffe, es bleibt dabei.
Da ich noch jede Menge Zeit habe laufe ich zur Simonsbäckerei zwei Straßen weiter. Sie ist Liams und meine Lieblingsbäckerei, da die Verkäufer total nett sind und das Essen dort einfach fabelhaft.
"Hey, Alexander", begrüßt mich der Inhaber Simon. "Wie geht es dir? Kommt Liam bald wieder?" Ich strahle ihn an.
"Hi! Mir gehts super und Liam kommt in genau..." Ich schiele auf die Uhr an der Wand. "...34 Minuten an, wenn nicht noch mehr Verspätung dazukommt."
"Das freut mich, ich hoffe, ihr kommt dann bald mal wieder zum Frühstück! Ihr wart lange nicht mehr da."
"Klar machen wir das, wenn Liam wieder da ist frag ich ihn. Fürs erste hätte ich jedoch gerne 10 Quarkbällchen, Liam meinte, er verhungert sonst." Simon lacht schallend und fängt an, Quarkbällchen in eine Tüte zu tun.
"Das wollen wir natürlich nicht. Ich tu dir 13 rein, die anderen 3 gehen aufs Haus, dann kannst du auch ein paar essen!" Ich lächle ihn dankend an, reiche ihm das Geld über den Tresen und nehme die Tüte von ihm entgegen. "Schönen Tag dir noch!", wünscht er mir und ich verabschiede mich auch von ihm, ehe ich wieder durch die Tür auf den überfüllten Bürgersteig trete. Ace hatte ich draußen angebunden, nun entwirre ich seine Leine, die durch sein Rumgehopse verheddert ist und gehe mit ihm wieder zurück zum Bahnhof. Ein weiterer Blick dort verrät, dass der Zug bei 5 Minuten Verspätung geblieben ist. Mir bleiben noch 15 Minuten, daher gehe ich schonmal zum Bahnsteig, krame dort mein Buch aus der Tasche und fange an zu lesen.
Auch wenn ich nicht erwartet hatte, mich wirklich auf die Geschichte konzentrieren zu können, verliere ich mich nach kurzer Zeit in den Seiten. Aufgeschreckt werde ich erst dadurch, als Ace beginnt, an der Leine zu ziehen. Verwundert blicke ich auf. Mit seinen großen braunen Augen sieht er mich an und fragend gucke ich zurück. Dann bemerke ich die Stimme, die über das Gleis schallt.
"Achtung, Ankunft vom Pacific Surfline auf Gleis 3!" Ich werfe Ace einen dankbaren Blick zu, da ich es ohne ihn vermutlich überhört hätte. Danach stopfe ich schnell mein Buch wieder in den Rucksack, trinke einen Schluck aus meiner Wasserflasche, ehe ich aufstehe und mich aufgeregt weiter vorne am Gleis postiere. Ungeduldig warte ich. Ich hasse es, dass die Züge immer 3 Minuen vor der wirklich Ankunftszeit angesagt werden. Doch dann sehe ich ihn. Der Zug in weiter Ferne kommt immer näher und fährt endlich in den Bahnhof ein. Mit einem lauten quietschen beginnt er zu bremsen und ich hopse vor Aufregung förmlich in die Luft. Ace scheint genauso aufgeregt zu sein wie ich, denn er springt freudig mit dem Schwanz wedeln um meine Beine herum. Dann endlich. Der Zug hält und die Türen gleiten mit einem Zischen auf. Die ersten Menschen strömen auf den Bahnsteig und ungeduldig drehe ich mich um die eigene Achse. Ich bin mir ziemlich sicher, circa an der richtigen Stelle zu stehen, da ich vorher nachgeguckt habe, wo sein Wagon halten soll. Immer mehr fremde Person werden aus dem Zug gespült und plötzlich steht die Zeit still.
Meine Augen treffen auf die eines großen blondhaarigen Jungen. Er trägt schwarze Shorts und ein lila Shirt, darüber eine luftige blaue Jacke. In einer Hand hält er eine große Reisetasche und in seinen indigoblauen Augen strahlt die Freude. Ace' Bellen reißt mich zurück in die Gegenwart und ich stürze los. Liam ist noch nicht mal ein paar Schritte auf mich zu gekommen, da werfe ich mich ihm schon in die Arme. Er lacht und taumelt 2 Schritte zurück, dann fängt er sich wieder und drückt mich an sich. Mit einem Rums höre ich, wie seine Tasche auf dem Boden aufkommt, als er mich mit beiden Armen fest umschlingt. Ich klammere mich an ihn, vergraben mein Gesicht an seinem Hals und atme seinen Duft nach Hollunder ein. Die Außenwelt blende ich völlig aus, es zählen nur Liam und ich. Er drückt mir einen Kuss aufs Haar, dann noch einen. Ich halte ihn noch fester umklammert und spüre seinen schnellen Puls.
"Hey, na du", raunt Liam in mein Haar.
"Ich hab dich sooo vermisst", flüstere ich zurück und löse mich endlich von ihm, um ihm in die Augen zu schauen.
"Und ich dich erst!", entgegnet Liam schmunzelnd, beugt sich zu mir und legt seine weichen Lippen auf meine. Ich seufze auf und spüre sein Lächeln. Habe ich das vermisst, alles an ihm. Seine surferboy Frisur, seine blauen Sternenaugen, seine Vorliebe für lila Klamotten und seine Küsse und Umarmungen, die sich wie nach Hause kommen anfühlen. Sanft küsst er mich, lässt seine Hände in meine Haare wandern und verwuschelt sie. Ich verschränke meine Hände in seinem Nacken und ziehe ihn noch näher zu mir.
Plötzlich löst sich Liam von mir und guckt nach unten. Ich tue es ihm gleich und erst jetzt registriere ich Ace, der aufgeregt an uns hochspringt. Lachend beugt Liam sich zu ihm runter und Ace überfällt ihn direkt. Seine Zunge schleckt jeden erreichbaren Zentimeter von Liams Gesicht ab, während der ihm das Fell zerzaust. Ich beobachte die beiden grinsend von oben, hole mein Handy raus und schieße schnell ein Foto von den Beiden. Dann stecke ich es wieder weg und gebe Liam die Leine. Mit der freien Hand ergreift er meine, ich nehme seine Tasche und wir schlendern vom Bahnsteig.
"Na, Lexi, erzähl mal, wie war es ohne mich?", fragt Liam.
"Oh, ganz toll, es war super, jeden Tag alleine ohne seinen Freund aufwachen, den Tag verbringen und abends allein einschlafen zu müssen!", entgegne ich ironisch und er stößt mir spielerisch den Ellbogen in die Seite. Ich tue so, als hätte er mich lebensbedrolich verletzt und während ich mich vor imaginären Schmerzen winde, lacht er nur.
Ich gucke ihn ungläubig an.
"Was haben sie bloß aus dir gemacht?", stoße ich entsetzt hervor und bin kurz davor, selbst loszulachen.
"Ein böses, gemeines, herzloses Wesen, wie du siehst", entgegnet er und ich nicke wild mit dem Kopf als Zustimmung.
"Das vorhin am Bahnsteig, die Freude, wahr alles nur Fake. Ich wusste es es!" Bekümmert schüttel ich den Kopf. Liam lacht wieder und ich tue es ihm gleich.
"Ach, hab ich das vermisst!" Er zieht mich in eine weitere kurze Umarmung, dann gehen wir weiter Hand in Hand in Richtung Ausgang.
"So, nun erzähl du aber mal. Wie war es in San Diego?", befrage ich ihn. Er fängt an zu strahlen.
"Toll!", erwiedert er und dann beginnt er zu erzählen, von den netten Leuten dort, was sie dort erlebt haben und dem unfassbar leckeren Essen. Zwischendruch verschlingt er die Quarkbällchen, hört da aber nichtmal auf zu reden. So geht das, bis wir bei uns zu Hause sind. Ich lasse seine Hand los, die ich die ganze Zeit festgehalten habe, um die Wohnungstür aufzuschließen. Hinter mit tritt er ein und atmet tief durch.
"Habe ich das vermisst!" Mit flinken Handgriffen nimmt er Ace das Geschirr ab. Dieser springt glücklich in die Wohnung, während Liam seine Jacke auszieht und die Reisetasche in die Küche trägt, auf einen Stuhl fallen lässt und wieder zu mir ins Wohnzimmer kommt. Dort lässt er sich aufs Sofa fallen und breitet einladend die Arme aus. Ich zögere keine Sekunde, sondern klettere zu ihm und lege mich mit dem Kopf auf seine Brust. Von unten sehe ich mit liebevollem Blick zu ihm auf. Liam gibt mit einen Kuss auf die Stirn, dann beginnt er, mir den Rücken zu streicheln. Ich gebe ein wohliges Seufzen von mir und kuschel mich näher an.
"Jetzt erzähl du mal!", fordert er mich auf. "Was hast du den ganzen Tag so getrieben?" Also beginne ich an ihn geschmiegt zu erzählen, wie ich mit Ace hier die Stellung gehalten habe und die Tage ohne ihn verbracht habe, mit dem Wissen, dass er jetzt endlich wieder da ist und so schnell auch nicht mehr weggeht!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top