4.Kapitel

Zeitsprung – ?

Ich schnappte rasselnd nach Luft und schlug die Augen auf. Ruckartig setzte ich mich auf und stieß einen gedämpften Schrei aus, als mein Bauch zu brennen anfing und mir Tränen des Schmerzes in die Augen traten. Vorsichtig schob ich den Pullover hoch und erkannte drei längliche wulstige Narben, die parallel zu einander verliefen. In dem Moment kam mir wieder der Kampf in Erinnerung. Scharf atmete ich ein. Hastig zog ich meinen Pullover-Ärmel hoch und starrte auf meinen Oberarm, wo ich zuletzt diesen starken Schmerz gespürt hatte. Der Biss war noch zu erkennen und die Wunde pulsierte und fühlte sich ein wenig so an, als wäre sie betäubt. Steif sah ich wieder weg von der Wunde und mir fiel meine Umgebung auf. Ich lag in einem Krankenbett auf der Krankenstation. Außer mir lag niemand auf einem der Betten hier. Das war's also. Ich würde ein blutrünstiger Werwolf werden und nie wieder ein normales zufriedenstellendes Leben führen können. Verzweifelt vergrub ich mein Gesicht in den Händen und seufzte tief. „Du wirst jetzt nicht heulen, Sherwood." ermahnte mich eine mir nur allzu gut bekannte Stimme. Erschrocken richtete ich mich auf und sah Malfoy, der auf dem Stuhl neben meinem Bett saß und mich mit einer erhobenen Augenbraue ansah. Erleichtert entspannte ich mich wieder und strich mein Haar hinter die Ohren. „Was tust du hier?" fragte ich murmelnd. Malfoy verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich wollte schauen, wie es dir geht." erklärte er mit unüberhörbarer Härte in der Stimme. Erschöpft ließ ich die Hände sinken. „Und warum? Ganz davon abgesehen, dass du mich hasst, muss ich dir ja wohl nicht klarmachen, was passiert, wenn jemand dich hier sieht. Es würden Gerüchte entstehen, die deine Eltern nicht begeistern würden. Und wenn Harry dich sieht, wirst du dir wünschen nie geboren zu sein." erwiderte ich. Malfoys Gesichtsausdruck verdunkelte sich. „Glaub mir, das habe ich nicht vergessen, Sherwood." entgegnete er kühl. „Tut mir leid." nuschelte ich. Langsam drehte ich mich, schlug die Decke weg und ließ meine Beine über die Bettkante hängen. Stirnrunzelnd bemerkte ich meine Kleidung. Wer mich wohl umgezogen hatte...? Ich trug einen nachtblauen Pullover mit der Aufschrift ~WHAT DOESN'T KILL YOU MAKES YOU STRONGER!~ und eine schwarze Skinny-Jeans, die ich definitiv nicht anhatte, als ich dem Werwolf gegenüber getreten war. Meine Füße baumelten nackt hin und her. Ich sah aus dem Fenster. „Du solltest wirklich gehen. Ich bin ein Werwolf. Meine Gesellschaft ist nichts, auf das deine Eltern Wert legen." Malfoy schnaubte. „Das ist mir sowas von egal." Ich lächelte schwach. „Ich bin ein Werwolf, Draco." Unbewusst hatte ich wieder seinen Vornamen verwendet. Malfoy grinste geheimnisvoll. „Das kommt darauf an, ob die Gabe schon in dir aktiv ist." „Bitte, was?!" Malfoy seufzte. „Wenn die Gabe bei dir schon unbewusst freigesetzt wurde, kann der Biss dir nichts anhaben. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme, um die vernünftige Nutzung der Gabe sicherzustellen. Andernfalls kann die Gabe nicht benutzt werden, wenn du gebissen wurdest, bevor die Gabe entfesselt wurde..." Ich senkte den Kopf. „Ich hab eh Pech und werde den Rest meines Lebens als armer Werwolf verbringen." Malfoy schwieg. Ich hob den Kopf und sah im fest in die grauen Augen. „Wie lange war ich bewusstlos?" „Nicht ganz 24 Stunden. Vor zwei Stunden haben deine drei Freunde den Krankensaal verlassen." „Also geht es ihnen gut." schloss ich erleichtert. Draco nickte steif. „Was ist mit Black?" fragte ich zögerlich. Draco knirschte mit den Zähnen. „Er ist entkommen." Die Anspannung löste sich aus meinen Gliedern und ich holte erleichtert Luft. Malfoy entging das nicht und er runzelte die Stirn. Ich seufzte. „Du würdest es mir nicht glauben." wich ich der unausgesprochenen Frage aus, die in seinen Augen stand, aus. Malfoys Blick wurde wieder hart.
Ich senkte den Kopf. „Warum musst du nur so kompliziert sein?" murmelte ich.
„Ich bin nicht kompliziert."
Ich sah ihn durch meine dichten Wimpern durchbohrend an. „Doch bist du. Ich hatte in meinem gesamten Leben nie ein Problem damit Leute einzuschätzen. Aber bei dir tappe ich immer im Dunklen!" entrüstete ich mich. Draco bewegte sich so schnell, dass ich erschrocken nach Luft schnappte, als er vor mir stand und seine Arme rechts und links von mir positionierte, sodass ich nicht ausweichen konnte. „Das ist das, was viele anzieht."
Ich schluckte. „Mich nicht. Das hier ekelt mich gerade sehr an."
Draco grinste spöttisch. „Du weißt genauso gut wie ich, dass das eine Lüge ist, Melody." sagte er sanft. Ich saß stocksteif da und starrte ihn an. „Nein, ist es nicht." antwortete ich schließlich langsam. Er kam mir noch näher, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von meinem entfernt war. „Doch ist es. Soll ich es dir beweisen?" fragte er gedämpft. Sein warmer Atem schlug mir entgegen. „Danke, kein Bedarf. Es ist eine Lüge, aber ich hab jetzt keine Lust mit dir zu streiten." brachte ich um Ruhe bemüht hervor.
Draco grinste gerissen und kam mir noch näher, bis uns nur noch ein paar Millimeter trennten. „Bist du dir sicher? Denn das könnte jetzt peinlich für dich werden." raunte er. Ein warmer Schauer jagte über meinen Rücken. „Draco..." hauchte ich tonlos. Doch im nächsten Moment strichen seine weichen Lippen über meine. In meinem Inneren loderte etwas auf und ich konnte nicht verhindern, dass ich näher an ihn heran rutschte, meine Hände in sein Hemd krallte und den Kuss unsicher erwiderte. Das war mein allererster Kuss. Und ich genoss ihn. Draco küsste gut und er übernahm mühelos die Kontrolle über mich. Gott, war ich hormongesteuert. Doch dann drängte sich die Realität zurück in meinen Kopf und ich löste mich erschrocken von ihm und wich leicht zurück. „Stopp! Aus zahlreichen Gründen ist das was wir gerade tun, nicht gut!"
Draco sah mich an und die Härte kehrte in seine Augen zurück. „Und ich sehe gar keinen Grund."
Ich seufzte. „Harry wird dich umbringen. Oder Fred. Oder George. Oder Lee Jordan. Oder Mine. Oder Ginny. Oder fast ganz Gryffindor. Und mich wird Pansy umbringen. Wir können nicht zusammen sein. Und wenn du mich küsst, mache ich mir zu große Hoffnungen, dafür dass es nie passieren wird." erklärte ich leise. Plötzlich schien Draco sich Lichtjahre von mir zu entfernen. Eine betäubende Gefühlslosigkeit schob sich zwischen uns wie eine dicke hohe Mauer aus Marmor. Noch nie war er mir so fern gewesen, doch die Kühle in seinen wolkengrauen Augen ließ mich frösteln und zeigte mir, wie sehr ich gerade seinen Stolz verletzt hatte. Doch ich tat das Richtige. Das musste einfach das Richtige sein. „Stimmt. Jemand wie ich sollte nicht mit jemandem wie dir zusammen sein."
Damit drehte er sich um und verließ steif das Krankenzimmer. Ich schluckte. Das hatte mich verletzt. Die Tür schlug hart zu. Im nächsten Moment stand Madam Pomfrie vor mir. „Miss Sherwood, sie sind wach!" rief sie erfreut. Ich lächelte schwach. Während sie meine Narben am Bauch mit einer Creme beschmierte, sah ich aus dem Fenster. In der Ferne war der verbotene Wald zu sehen. Wo war mein Vater hin geflohen? Schmerzlich wurde mir bewusst, dass ich das Gespräch, das ich nach dem Desaster mit ihm hatte führen wollen, niemals haben würde. „Miss Sherwood?" riss mich Madam Pomfrie aus meinen Gedanken. „Hmm?" gab ich von mir und wandte mich ihr wieder zu. „Bitte, nennen Sie mich Melody. Dann komme ich mir nicht so alt vor." Madam Pomfrie lächelte mich warm an. „Also gut, Melody. Ich wollte fragen, ob ich mir den Biss einmal anschauen darf." Ich zuckte gleichgültig mit den Achseln. „Klar." entgegnete ich. Vorsichtig schob sie meinen Ärmel hoch und zuckte augenblicklich zusammen. Ihre Augen weiteten sich. „Der Biss verheilt immer noch nicht!" stellte sie erschrocken fest. Ich schloss die Augen. Ich war ein Werwolf. Madam Pomfrie verengte die Augen zu Schlitzen. „Warum sehen die Ränder der Wunde so verkohlt aus?" murmelte sie verwundert. Sie drehte sich um und eilte aus dem Raum. Verdutzt sah ich ihr hinterher. Als ich meinen Blick auf die Wunde warf, erschrak ich. Die Ränder der Wunde waren schwarz wie Asche und die Haut dort sah verbrannt aus. Die Haut rund um den Biss war rötlich. Kaum zwei Minuten später knallte die Tür auf und Madam Pomfrie betrat gefolgt von Snape den Saal. Unsicher sah ich ihn an. Hasste Snape mich jetzt? „Die Ränder sind ganz verkohlt und der Biss sieht ungewöhnlich aus!" erklärte Madam Pomfrie aufgeregt und fuchtelte wild mit den Armen herum. Snape hielt einen Trank in der Hand. Er war bräunlich und sah nicht sehr appetitlich aus. „Beruhigen Sie sich. Angeblich soll das Gift eines Werwolf-Bisses seine Wirkung verlieren, wenn die Gabe der Sherwoods davor freigesetzt worden ist. Vielleicht sieht der Biss deswegen so aus. Mit diesem Trank werden wir schnell herausfinden, ob sie das Gift in sich hat oder nicht." zischte Snape mit seiner ruhigen zischelnden Stimme. „Muss ich das trinken?" fragte ich angeekelt. „Nein." erwiderte Snape knapp und er näherte sich mir zügig.
„Wow, dass waren ja jetzt viele Erklärungen." murmelte ich sarkastisch.
Snape verzog keine Miene, als er das Glas öffnete und die Flüssigkeit darin auf die Wunde tröpfeln ließ. Ich machte mich bereit irgendeinen Schmerz zu fühlen, doch stattdessen wuchs die Haut zusammen und es blieb nur eine kleine halbmondförmige Biss-Narbe zurück. Als ich darüber strich, bemerkte ich, dass das taube Gefühl verschwand und die Haut sich wieder weich anfühlte. Keine verkohlten Ränder. Snape richtete sich auf. „Offensichtlich war die Gabe schon da. Bei Werwölfen hilft dieser Heiltrank nicht und das beweist, dass Ihr Körper das Gift erfolgreich abgesetzt hat. In nächster Zeit könnten Sie Durchfall haben, Miss Sherwood." informierte Snape mich. „Danke." bedankte ich mich ehrlich. Snape nickte und wandte sich bereits zum gehen. „Warten Sie kurz, Professor Snape!" hielt ich ihn auf. Er richtete seine schwarzen Augen auf mich. „Es tut mir leid. Ich hätte Sie damals nicht so beschimpfen sollen. Aber ich denke, wir standen alle unter Strom und Sie kennen mein Temperament ja. Dafür wollte ich mich entschuldigen."  sagte ich ehrlich. Snape nickte. „Nun ja, Miss Sherwood. Aus Fehlern lernt man ja bekanntlich." meinte er. Dabei verzog er keine Miene. Ich strahlte ihn an. Snapes Lippen schienen sich kurz amüsiert zu kräuseln, doch ich konnte mich auch getäuscht haben, denn im nächsten Moment drehte er sich um und stolzierte mit wehendem Umhang aus dem Krankensaal. Madam Pomfrie seufzte, dann lächelte sie mich an. „Du kannst gehen, Melody." gestattete sie mir. „Echt?" fragte ich überflüssigerweise. Madam Pomfrie nickte und ich fiel ihr um den Hals. „Danke für alles." Dann drehte ich mich um und flitzte aus dem Raum. Ich konnte Madam Pomfrie noch lachen hören. Sofort hastete ich die Treppen hoch zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Als ich hereinkam, verstummten alle Gespräche. Lee Jordan und die Chaos-Zwillinge waren die ersten, die sich regten. „Melody!" rief Fred erleichtert und dann kamen die drei auf mich zu. Lee Jordan umarmte mich ein wenig steif. Wahrscheinlich umarmte er nicht viele Leute. George und Fred grinsten mich an. Gemurmel machte sich breit und ich wusste warum. „Ich bin kein Werwolf. Das Gift hat nicht gewirkt. Vermutlich wegen der Gabe." erklärte ich laut, um Gerüchte im Keim zu ersticken. Eine Tür oben wurde aufgerissen. „Melody!" schrie Hermine. Dann jagte ihr Wuschelkopf die Treppe hinunter und im nächsten Moment fiel sie mir schon um den Hals. Ich erwiderte die Umarmung und vergrub meinen Kopf in ihrer Lockenmähne. Hermine wäre es sogar egal, wenn ich tatsächlich ein Werwolf wäre, das wusste ich. Schnell löste Hermine sich von mir und trat einen Schritt zur Seite. Vor mir standen Ginny, Ron und Harry. Ich umarmte kurz Ginny und Ron. Dann stand ich vor Harry. Zögernd umarmten wir uns. „Das war mutig." murmelte Harry. „Du hättest dasselbe getan." flüsterte ich zurück. Und in diesem Moment wurde mir stärker als je zuvor bewusst: Hier gehörte ich hin. Nach Hogwarts. Nach Gryffindor. Zu meinen Freunden. Zu meinem Stiefbruder Harry.

Zeitsprung – Später am Tag

Gut gelaunt saß ich zwischen Lee und Fred und las, während die Chaos-Zwillinge und Lee ihre Hausarbeiten machten. Oder zumindest so taten... Am meisten redeten die drei aber über die Streiche, die sie in nächster Zeit spielen wollten. Harry, Hermine und Ron waren auf den Ländereien spazieren gegangen und auch so ziemlich jeder andere war weg, die meisten in Hogsmeade. Ich konnte nicht nach Hogsmeade und deshalb hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich wusste, dass Lee und die Zwillinge nur wegen mir hier geblieben waren. Auch wenn sie das nicht gesagt hatten, war das offensichtlich, denn die drei waren keine Stubenhocker. Ich klappte das Buch zu. „Ihr müsst nicht hier bei mir bleiben. Ich weiß, dass ihr jetzt lieber in Hogsmeade unterwegs wärt." Die drei sahen auf und Lee grinste. „Deine Gesellschaft ist im Moment viel angenehmer. McGonagall wird begeistert sein, dass wir endlich mal unsere Arbeiten machen." winkte er ab. Ich lächelte leicht, doch mein schlechtes Gewissen blieb. Doch da fiel mir noch etwas ein. „Wie geht's Lupin?" fragte ich besorgt. George warf Fred einen Blick zu, bevor er wieder mich ansah. „Hast du's noch nicht gehört? Er hat gekündigt und packt gerade sein Zeug." antwortete er. Ich zog den Gitarrengurt über meinen Kopf und sprang auf. „Was?" entwich es mir. „Wir sehen uns später!" sagte ich knapp und verließ den Gemeinschaftsraum. Ich musste Lupin unbedingt noch ein paar Fragen stellen und mich von ihm verabschieden.

...

Nachdem ich mich von Lupin verabschiedet hatte, schlenderte ich noch eine Weile durch Hogwarts und dachte nach. Ich lächelte schwach. Ich hatte einen Vater! Und dieser war Harrys Pate und somit Vormund! Dadurch waren wir nun wirklich was wie Geschwister und ich hatte endlich eine etwas komisch zusammengesetzte Familie!

In den folgenden Wochen passierte nicht viel. Mein Vater schickte Harry einen Feuerblitz, als Ersatz für den kaputten Besen, und dieser wurde viel bewundert. Außerdem schickte er uns beiden eine Erlaubnis nach Hogsmeade zu gehen. Doch dann ging auch dieses Schuljahr vorbei und wir wanderten wieder einmal zu den Dursleys.

Viertes Schuljahr

Anfang: Quidditch-Spiel

Gut gelaunt lief ich zwischen Ginny und Hermine zum Stadium. Ich freute mich wie eine Irre auf das Spiel. Als wir die Treppe zu unseren Plätzen hinaufgingen, stand Draco Malfoy mit seinem Vater plötzlich in unserem Weg. „Ach, die Weasleys. Und Granger und Potter." sagte Lucius abfällig. Sein Blick huschte zu mir. „Und Sherwood." Ich sah ihn grimmig an. „Vater und ich werden beim Minister sitzen." erklärte Draco angeberisch. Ich verdrehte die Augen und drückte mich an den beiden Malfoys vorbei. Einfach ignorieren. So war es besser...

Zeitsprung – Angriff der vermummten Todesser

Hermine packte mich am Arm, damit ich nicht von ihr weggedrängt wurde. Die Menschenmenge rannte vollkommen panisch an uns vorbei und es war schwer, dabei an einem Punkt stehen zu bleiben. Wo war Harry? „Harry!" rief ich laut. Da sah ich ihn. Wir wurden in eine völlig andere Richtung wie er gedrängt. „Harry!" rief ich noch einmal. Harry erblickte uns, aber weder er noch wir konnten etwas tun. Hermine und ich verloren in aus unserem Sichtfeld, als die Menge uns weiterriss. Na, super! Diese Scheiße wurde immer größer!

...

Aber natürlich wurde alles gut. Naja, so gut wie man es nennen konnte, wenn jemand das dunkle Mal auf den Himmel gezaubert hatte...

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