♯Cнαpтer 3O ~ Wнeɴ Teαrdropѕ Tυrɴ To Sɴowғlαĸeѕ.
Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!
So, ich bin wieder zurück aus dem Urlaub, und habe nun wie versprochen ein neues Kapitel für Euch. Wobei mir beim Überarbeiten der alten Fassung aufgefallen ist, wie wenig manche Sachen zusammen passten, also habe ich mir die Mühe gemacht, alles nochmal neu zu schreiben - und ich bin echt super stolz auf die neue Version. Da das Ganze dann doch etwas länger wurde, als geplant, muss ich leider noch ein Kapitel aus Glimmers Sicht hinten ran hängen, bevor es mit Cloves Sichtweise weitergeht - aber das Updaten sollte von nun an etwas schneller laufen, habe ich doch endlich wieder Motivation, Lust und Zeit gefunden, um diese Geschichte angemessen fortzuführen. Außerdem werde ich die ganze Story, sowie das Design etwas überarbeiten - vielleicht haben manche von Euch ja auch das neue Cover samt Klappentext bemerkt. Wenn nicht, wisst Ihr es jetzt. Danke an alle, die mich seit dem letzten Update unterstützt haben - Alinalightwood, paneemx, BeauCyphre, tetixoxo, _AnSo_, Blaubeermuffin4ever, gingerbanana, SinemPeace, PrimroseIEverdeen, BlackGirlNumber1, Melina_1000, JoanaJawia, AnnixEspinosax, _Romanum_ und TheDarkTemptation. So, und jetzt wünsche ich Euch ganz herzlich: Vιel Spαß вeιм Leѕeɴ! Eυre Zoey <3
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
♯Cнαpтer 3O ~ Wнeɴ Teαrdropѕ Tυrɴ To Sɴowғlαĸeѕ.
❝You can't fool yourself, you know. Doesn't matter how much lies you're telling to get through the day. At night they all come back to you. And so do nightmares.❞
• ✘ • ✘ • ✘ •
SONGS featured in this chapter: free of me by amy stroup sowie dream in ashes by amanda abizaid und light of the seven by ramin djawadi
• ✘ • ✘ • ✘ •
G L I M M E R
• ✘ • ✘ • ✘ •
SENECA und Thor fixierten einander mit glühenden Blicken - beinahe so, als legten sie es darauf an, den jeweils anderen in Flammen aufgehen zu lassen. In Glimmer dagegen tobte das schiere Chaos und sie fühlte sich sichtlich fehl am Platz, bildete ihre Anwesenheit doch die Barriere, die die beiden davon abhielt, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.
Nun, augenscheinlich hatten die zwei kein sonderlich gutes Verhältnis zueinander. Schockierend.
Sie konnte immer noch nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte. Seneca und Thor - und Brüder? Sicher, ihr waren durchaus gewisse Ähnlichkeiten zwischen ihnen aufgefallen ... doch die beschränkten sich zunehmend auf deren äußeres Erscheinungsbild.
Vom Charakter her schienen sich die beiden allerdings kaum zu gleichen - soweit Glimmer das beurteilen konnte. Aber ihre Menschenkenntnis war nun mal eine ihrer Stärken und ihrer Ansicht nach, glaubte sie zumindest nicht, dass Thor sich seine Position erschmeichelt hatte - ganz im Gegensatz zu seinem Bruder. Auch glaubte sie nicht, dass er sich die Bewunderung, die man ihm entgegen brachte, erkauft hatte. Sie glaubte eher, er hatte sie sich verdient.
Mit welch grausamen Methoden das vielleicht geschehen war - daran wollte sie besser gar nicht denken. Aber trotzdem, vor allem das eingeschüchterte Verhalten Thybalts zum Ende des Verhörs würden ihre Vermutung doch bestätigen, oder nicht?
Gleichzeitig wusste sie nicht, wieso es sie überhaupt kümmerte. Immerhin hatte sie weitaus dringendere Probleme zu lösen, als wie die beiden zu ihren Posten gekommen waren, sahen die Brüder doch aus, als wollten sie sich jeden Moment aufeinander stürzen und dem anderen ein Schwert ins Herz rammen.
Tja, konnte man von Glück reden, dass weit und breit keins zu finden war.
Trotzdem, Glimmer war sich sicher, auch mit einen Glas von der bedrohlich nahen Theke könnte man jemanden ernsthaft verletzen. Und bevor Seneca, der näher an den Gläsern saß als Thor, seinen Bruder verfehlte und versehentlich ihr eins überzog, musste sie die dumme Lage, in der sie nun steckte, dringend entschärfen. Immerhin wollte sie ihr hübsches Gesicht noch eine Weile behalten. Doch wie genau löste man dieses Ich - hasse - meinen - Bruder - und - will - ihn - töten - Problem gleich nochmal?
Fieberhaft kramte Glimmer in ihrem Gedächtnis nach einer Antwort, doch ihr fiel nichts ein, was eine Veränderung der Situation bewirken könnte. Und die Spannung, die bereits greifbar in der Luft lag, nahm immer mehr zu. Gerade, als sie sich einfach zu Wort melden wollte - was genau sie versucht hätte zu sagen, wusste sie im Grunde nicht einmal - da nahm Thor die Sache selbst in die Hand, indem er sich scheinheilig lächelnd an seinen Bruder wandte.
»Nun, ich würde vorschlagen, du gehst jetzt - sicher hast du Wichtigeres zu tun, als eine junge Frau, die sich keinerlei Verbrechen schuldig gemacht hat, mit deiner Anwesenheit zu belästigen. Ich glaube sogar, Roxanne Rush hat nach dir gefragt. Du solltest deine neuste kleine Freundin besser nicht warten lassen; das findet sie sicher nicht so ... reizvoll.«
Die Behauptung, dass diese Roxanne nach Seneca gefragt habe, war offenkundig eine Lüge, doch Thor zeigte nicht die geringste Bemühung, diese zu verschleiern; vielmehr lächelte er seinem Bruder höhnisch geradewegs ins Gesicht. Seneca warf ihm daraufhin einen erbosten Blick zu, während er auf dem Absatz kehrt machte, und hoch erhobenen Hauptes das Lokal verließ - nicht ohne Glimmer und seinem Bruder noch einen verächtlichen Blick zuzuwerfen.
Offenbar hatte er verstanden, dass er unerwünscht war - nicht, dass es daran jemals Zweifel gegeben hatte.
Trotzdem, Glimmer fand sein kindisches, eingeschnapptes Verhalten derart lächerlich, dass sie sich auf die Lippe beißen musste, um nicht zu kichern.
»Na, der schien vor Wut ja beinahe zu rauchen. Da schätze ich meine Chancen in der Arena ja alles andere als gut ein, wenn man bedenkt, dass mein Leben dann von einer seiner Handbewegungen abhängt«, spöttelte sie trocken, während sich innerlich jedoch ihr Herz zusammen krampfte.
Auch, wenn sie momentan eine vorlaute Miene aufgesetzt hatte; ihre Worte entsprachen durchaus der Wahrheit, und die Tatsache, dass Senecas Hass - immerhin hatte sie ihn ja mehr oder weniger abblitzen lassen, auch wenn Thor die eigentliche Arbeit getan, und den Spielmacher aus dem Café gejagt hatte - dass dieser Hass nun auf ihre Lebenserwartung Einfluss hatte, machte ihr mehr Angst, als sie sich eingestehen wollte.
»Oh, mach dir deswegen keine Gedanken. Er ist niemand, der's einem nachträgt«, meinte Thor in ebenso spöttischem Tonfall wie sie, und Glimmer lachte. »Hat man gesehen. Hey, was ist die Geschichte dahinter? Die jahrelange Fehde der Crane - Brüder - ein interessanter Titel, wenn du mich fragst«, meinte sie lässig, während ihr Unterbewusstsein ihr Schimpfwörter zuschrie. Da saß sie allen Ernstes mit dem Mann zusammen, der gedroht hatte, sie zu foltern, ihr wer weiß was für Dinge anzutun, und sie flirtete mit ihm? Was stimmte bloß nicht mit ihr?
Ich würde es jetzt nicht als flirten betrachten ... dachte sie peinlich berührt.
Ach, und was ist es dann? Was denkst du dir denn dabei? Dass es dir Vorteile bringt, wenn du ihn auf deine Seite holst? Er ist oberster Friedenswächter, was bringt dir das in der Arena? Du solltest lieber hinter Seneca her und Schadensbegrenzung betreiben ...
»Ihr Strawberry Sunlight, Miss. Und was darf es für Sie sein, Sir?«, fragte der Barkeeper an Thor gewandt, nachdem er Glimmer ihren zweiten pink und golden schillernden Cocktail überreicht hatte.
»Whiskey«, meinte Thor kurz angebunden, und gab dem Barkeeper ein paar silber glänzende Münzen, die jener begeistert in die Tasche seiner Schürze steckte. Thors Blick begegnete Glimmers und blieb dann an ihrem Cocktailglas hängen. In seine blauen Augen glaubte Glimmer ganz deutlich Missbilligung zu erkennen.
»Ist das alles, was du heute zu dir genommen hast?«
Glimmer zuckte unbestimmt mit den Achseln. »Ja, ich hab ... Nein, ich hatte einen kleinen Joghurt zum Frühstück«, murmelte sie leise, seinem tadelnden Blick ausweichend.
»Wie klein?«
Glimmer sah auf. »Was?«
»Wie klein war dieser Joghurt?«, fragte Thor, die Augenbrauen ungeduldig erhoben.
Glimmer schluckte. Was zum ...?
Okay. Okay, vielleicht sollte sie jetzt verunsichert sein. Vielleicht wollte er auch, dass sie so reagierte. Es war angemessen; immerhin wusste sie mehr oder weniger, wie kurz sein Geduldsfaden, wie groß seine Arroganz, und zu was er fähig war. Doch alles, was sie in jenem Moment fühlte ... war Wut. Heiße, brennende Wut. Was bildete er sich ein, ihre Ernährung in Frage zu stellen? Was ging es ihn an? Abgesehen davon, war es doch seine Schuld, dass sie das Mittagessen verpasst, und nach dem Verhör verständlicherweise keinen Appetit mehr auf das Abendessen gehabt hatte!
Allerdings hielt sie es für besser, ihm diese Anschuldigungen nicht lautstark an den Kopf zu schmeißen - vor allem, weil er soeben eine Schüssel Pommes und Hähnchenflügel in Auftrag gegeben hatte.
»Ich - ähm, danke«, meinte Glimmer. Jetzt war sie total verwirrt. Und fühlte sich irgendwie mies, weil sie so schlecht über ihn gedacht hatte. Aber wirklich, wer könnte es ihr verdenken? Der Kerl wechselte seine Stimmungen so schnell, dass sie kaum mehr wusste, woran sie war.
Thor zuckte bloß mit den Achseln.
»Schon gut. Ist ja meine Schuld, dass du das Mittagessen versäumt hast.«
Oh, er hatte es also auch mitbekommen. Gut, er wäre schon ziemlich bescheuert, wenn er's nicht getan hätte, und Glimmer hielt ihn keinesfalls für beschränkt. Im Gegenteil. Er schien zumindest schlauer zu sein, als sein Bruder - okay, das war vielleicht auch keine Glanzleistung.
Da Thor offensichtlich auf eine Antwort ihrerseits wartete, nickte sie ihm unbehaglich zu, und versuchte ihre Gedanken zu ordnen, während ihre Finger an ihrem Cocktailglas entlangstrichen.
Seine ewigen Stimmungswechsel ... dass man nie genau wusste, was er als nächstes sagen, wie er reagieren würde ... wenn er das absichtlich tat - wovon sie fast ausging - dann war ihr schon beinahe klar, wieso er so ausgezeichnet darin war, Leute zu verhören.
Und sich so viel auf seine Meinung einbildete.
Es kam sicher nicht oft vor, dass er sich irrte.
Und trotzdem hatte er bei ihr falsch gelegen.
Machte sie das jetzt zu etwas Besonderem?
»Willst du den nicht mehr?«, fragte Thor, auf ihren Drink deutend, kaum, dass der Barkeeper einen Whiskey zu ihm herübergeschoben hatte.
»Doch«, meinte Glimmer und nippte zögernd daran. »Ich dachte nur, dir würde das nicht passen.«
Sie wusste selbst nicht, wieso sie das sagte. Was interessierte es sie, was er von ihr hielt? Was interessierte es sie, ob er ihre Handlungen guthieß? Sie brauchte seinen Segen nicht.
Okay, vielleicht war ihre Reaktion nur natürlich. Passte ihm etwas nicht in den Kram, konnte sie sich durchaus vorstellen, dass er sie zurück ins Verhörzimmer zerren, und ...
Ja, und was? Du hast nichts falsch gemacht, weder jetzt noch früher! Er war es, der falsch gehandelt hat! Nicht du! Wieso sitzt du also noch bei ihm, nach allem, was du heute wegen ihm durchmachen musstest ...
Aber er hatte sie doch vor seinem Bruder und dessen, sicher nicht ehrenhaften Intentionen gerettet, oder? War sie ihm nun etwas schuldig?
Im Grunde nicht. Im Grunde waren sie quitt. Wenn überhaupt.
Wieso hatte sie dann aber das Gefühl, sich bedanken zu müssen?
»Bin nicht im Dienst«, meinte Thor lässig, deutete auf seine dunklen Zivilklamotten, und riss Glimmer damit aus ihren Gedanken.
»Abgesehen davon, werde ich dir kaum etwas antun, nur weil du einen Cocktail auf leeren Magen trinkst. Ich kann nicht sagen, dass ich es gutheiße«, fügte er mahnend hinzu - eine Tatsache, die Glimmer irritierte, denn was, was kümmerte es ihn? - »Doch ich kann es verstehen. Das war wohl ein ziemlich harter Tag ... an dem ich, zugegeben, eine gewisse Mitschuld trage. Ich weiß, ich kann deine Meinung von mir nicht rückgängig machen - aber ich kann trotzdem sagen, dass mir die Schuldzuweisungen leid tun«, meinte er zu ihrer Überraschung.
Wieder nickte sie.
In ihrem Kopf rasten die Gedanken, purzelten durcheinander, Ungläubigkeit stieß gegen Dankbarkeit, Zweifel gaben überall ihren Senf dazu, und mitten drin versteckte sich noch die Frage, wieso er das tat ...
Wieso er sich entschuldigte.
Würde er es bei jedem tun, wenn er falsch lag?
Das bezweifelte sie stark. Denn Glimmer hielt Thor für jemanden, der seine Fehler nur ungern eingestand.
»Du - du denkst, ich würde dich hassen ... nicht wahr?«
Während ihre Gedanken noch im Chaos versanken, und sie versuchte, dieses zu entwirren - sich ein für allemal über Thor klar zu werden, sich ein endgültiges Bild von ihm zu schaffen - da hatte ihr Mund sich bereits geöffnet und diese idiotischen Wörter ausgespuckt. Verdammt! Wie hatte sie so dumm sein können? Dabei wusste sie doch genau, wie schnell er ausflippte, wenn man ihn beurteilte.
Doch er überraschte sie, indem er kein einziges Wort des Widerspruchs von sich gab und schulterzuckend an seinem Drink nippte. »Könnte es dir jedenfalls nicht verdenken, wenn du es tun würdest. Ich hab mich verhalten wie ein Arsch. War so überzeugt von mir selbst, so überzeugt, dass ich richtig lag und du falsch ... Also ja. Sicher hasst du mich. Ich habe dich verletzt. Und das nicht nur körperlich, ich hab gesehen, wie die Erinnerung an deine Familie, insbesondere die an deine Mutter dich gequält hat. Ich kann es verstehen. Vielleicht besser als du denkst. Diesen Schmerz. Man denkt, er wäre lange vergessen, aber das ist eine Lüge. Eine Lüge, von der man, oft genug erzählt, glaubt, sie wäre wahr. Aber das ist sie nicht. Wird sie niemals sein. Die Wahrheit kommt immer ans Licht. Es reicht eine einzige Begegnung, ein einziges Wort, ein einziges Gefühl, um eine Flut von Erinnerungen wachzurufen«, meinte er gedankenverloren und kippte den Rest seines Whiskeys hinunter.
Glimmer fiel auf, dass er ihrem Blick auswich.
»Mann, du musst ja denken, ich wäre verrückt. Schätze, ich sollte nicht so viel trinken«, meinte er trocken auflachend und fuhr sich durch die Haare.
Glimmer, die ihn keineswegs für verrückt hielt, legte den Kopf schief.
»Wieso tust du es dann?«
Er antwortete nicht. Bevor sie darüber nachdenken konnte, dass sie vielleicht zu weit gegangen war - dass sie sich zu weit in ihr unbekanntes Terrain vorwagte, sprach sie weiter.
»Du läufst vor etwas davon ... nicht wahr? Da ist etwas geschehen ... in deiner Vergangenheit. Mit deinem Bruder ... Das ist der Grund wieso du ihn so sehr hasst.«
Stille. Sie schwieg und biss sich auf die Lippe. War sie ...?
Sie war zu weit gegangen. Oder?
Thor drehte sich langsam zu ihr um, smaragdgrüne Augen trafen auf meerblaue.
»Wow. Was ist das jetzt, erzählen wir einander unsere düstersten Geheimnisse?«, fragte er, aber es klang nicht halb so schroff, wie er es vielleicht beabsichtigt hatte. Es klang eher bitter. So als würden ihn seine Schmerzen verfolgen, als würden sich Dämonen an seinem Herzen festklammern, und versuchen es auseinanderzureißen.
Sie kannte dieses Gefühl. Sie kämpfte dagegen jeden einzelnen Tag.
»Ich wette, es gibt kein Geheimnis von mir, das nicht irgendwo in einer Akte steht«, meinte sie, nicht minder verbittert.
Thor schenkte ihr einen nachdenklichen Blick, bevor er sich abwandte und einen neuen Drink orderte.
»Damit könntest du recht haben.«
Glimmer schluckte schwer. Also wusste er es. Natürlich. Seinem Tonfall zufolge, gab es da keinerlei Zweifel. Aber was hatte sie erwartet? Er war oberster Friedenswächter. Er hatte sie verhört. Natürlich hatte er da die Akte, ihre Akte gelesen.
Sie könnte wetten, er kannte sie auswendig.
Zumindest ihre Verbrechen mussten ihm im Gedächtnis geblieben sein. Und die Bezeichnungen, die die Leute daran knüpften.
Hure.
Diebin.
Mörderin.
Seine Reaktion war verständlich.
Nachvollziehbar.
Wer würde schon einem Mädchen in die Augen sehen wollen, das sein Leben lang nichts anderes getan hatte, als seinen Körper zu verkaufen? Und all die schrecklichen Dinge, die sie getan hatte, die sie anderen angetan hatte, alles, nur weil sie so blind, so verliebt gewesen war ...
Das war keine Liebe, sagte sie sich selbst. Es war Panik. Angst. Furcht. Es war alles, nur keine Liebe.
Vergiss es, dachte sie eilig. Vergiss das alles ...
Aber sie konnte es nicht vergessen.
Nein, die Erinnerungen kamen auf sie zu, unaufhaltsam, unerbittlich.
Es gab kein Entkommen.
Und während Thor und Glimmer an dieser Bar saßen, ihre Körper stocksteif nebeneinander, kehrten ihre Geister in die Vergangenheit zurück. Jeder für sich.
Und das, was sie dort sahen, ließ ihnen Schauer über den Rücken laufen. Doch sie konnten sich nicht wehren.
Sie konnten gar nichts tun, als die Dämonen der Vergangenheit an ihnen nagten und sie schließlich zurück in eine düstere Zeit voller Schmerz rissen.
❀
❝So winter came, snow fell on this dirty ground, covered all in white, and the summer beauty closed her heart and became the queen of ice.❞
• ✘ • ✘ • ✘ •
G L I M M E R
• ✘ • ✘ • ✘ •
ES WAR kurz nach Mitternacht. Die vielen Einzelstraßen, die auf dem Highway von Distrikt eins aufeinander trafen, welcher in das allzeit belebte Stadtzentrum führte, waren bis auf ein paar wenige Autofahrer vollkommen verlassen.
Und doch blitzten hier und da bunt schillernde Pailletten im kalten Licht der Straßenlaternen auf. Eindringliches Geflüster beherrschte die Gehwege; hin und wieder ertönte raues, kratziges Lachen. Flaschen klirrten, und feines, weißes Pulver wurde in Gefrierbeuteln umhergereicht.
Glimmer hielt den Kopf gesenkt, als sie sich schnellen Schrittes einen Weg um ein paar Frauen bahnte, deren wild toupierte Haare im Licht des Mondes schimmerten. Der Großteil von ihnen sah aus, als wäre er sich seines Tuns kaum mehr bewusst - der Grund dafür, waren wohl entweder die Alkoholflaschen, die üppig auf dem Boden verteilt lagen, oder die mit Pulver befüllten Beutel, die die Frauen in der Hand hielten. Glimmer wusste es nicht und es war ihr auch egal. Sie hatte nicht vor, sich zu ihnen zu gesellen.
Ihre Füße schmerzten in den furchtbar hohen Schuhen, die sie trug, als sie den schmalen Gehweg entlanglief, bemüht, nicht zurückzublicken und angesichts des Elends, das sie soeben erblickt hatte, ihre Meinung zu ändern.
Immer schneller wurden ihre Schritte; immer weiter klaffte der lange graue Wollmantel, in den sie ihren Körper gehüllt hatte, um ihn vor allzu neugierigen Blicken zu schützen, auf, und gab die Aussicht auf ein silbernes Abendkleid frei.
Glimmers Unterlippe zitterte. Am liebsten wäre sie weitergelaufen, immer weiter und weiter, bis die Grenzen von Distrikt eins hinter ihr verschwanden und sie nur noch die Ruhe des dahinter liegenden Waldes umgab. Doch was dann? Dann hätte sie alles verloren, wofür sie jetzt kämpfte. Ihr Haus, ihre Familie und ihre Ausbildung. Dann hätte sie wirklich versagt.
Weglaufen war demnach keine Option. Wahrscheinlich hätte es ohnehin nichts gebracht, wurden die Distriktgrenzen doch allerstrengstens bewacht und ließen einem keine Möglichkeit, unerkannt das Sperrgebiet zu verlassen.
Also nein. Sie durfte nicht weglaufen. Sie konnte nicht weglaufen. Sie musste das hier tun. Es war ihre einzige Chance.
Fünfzig Meter weiter hielt Glimmer inne und schlang sich verloren die Arme um den Körper.
Die anderen Frauen waren dank der Straßenbiegung längst ihrem Blickfeld entschwunden. Trotzdem hörte sie ab und an deren heiser auflachende Stimmen und das Gemurmel von selbstgefälligen Worten. Doch dazwischen umgab sie nur Stille.
Eine einsame Straßenlaterne, ganz im Stil von Distrikt eins - gläsern und mit eisblauem Lichtschein, in welchem weißes Konfetti umherwirbelte, das sie an Schneeflocken erinnerte - war ihr einziger Zeitgenosse.
Ansonsten war sie vollkommen allein.
Ein Windzug brauste ihr die sorgfältig frisierten Locken ins Gesicht.
Glimmer bemerkte, wie die Luft, die sie ausstieß, vor ihr als kleine Wölkchen auf und ab tanzte. Sie fröstelte und wickelte sich fester in ihren Wollmantel.
Es war Novemberanfang und der Winter war nah. Sie spürte es in der Luft, die von den Bergen Distrikts zwei's kam, kalt und klar, mit der Verheißung auf Schnee. Bald schon würde das weiße Konfetti nicht das einzige sein, was die gläsernen, glatt geschliffenen Gehwege bedeckte. Die rot und braun und orange gefärbten Blätter würden fallen, und der Winter würde das Land mit Schnee und Eis und Kälte überziehen.
Eine schwarze Limousine fuhr an ihr vorbei, grelle eisblaue Scheinwerfer blendeten ihre Augen und rissen sie aus ihren Gedanken.
Wie ein Geisterschiff rollte das Gefährt aus dem dichten Nebel, der sich von den Hängen aus gebildet hatte. Kein Wunder, dass sie das Auto nicht hatte kommen sehen.
Glimmer schluckte schwer. War es jetzt soweit? Würden sich schon in wenigen Augenblicken die Türen der Limousine öffnen, und sie müsste ...? Sie wollte diesen Gedanken nicht zu Ende führen. Trotzdem konnte sie sich der grauenvollen Bilder, die dabei in ihrem Kopf entstanden, nicht erwehren.
Glimmer unterdrückte ein Aufschluchzen; biss sich stattdessen die Lippe blutig, während ihre Hände sich vor Angst ineinander krallten. Scharfe Fingernägel bohrten sich in zarte Haut, bis Blut hervortrat.
Das schwarze Ungetüm schien langsamer zu werden.
Glimmer entfuhr ein schwaches Wimmern. Ich kann das nicht, dachte sie am Rand der Tränen. Ich kann das nicht, ich kann's nicht, ich ...
Reiß dich zusammen, befahl ihr Unterbewusstsein ihr mit unerwarteter Eindringlichkeit. Reiß dich zusammen, Glimmer. Es ist doch nur dieses eine Mal, du brauchst nur genug Geld, um die Raten und die Mitte zu zahlen, und dann ...
Doch tief in ihrem Inneren da wusste sie, dass ein Mal kaum ausreichen würde.
Und sie hasste sich für diese Erkenntnis.
Ihr Blick schnellte zurück zu den Scheinwerfern. Sie war unentschlossen, sollte sie jetzt auf den Wagen zugehen, oder ...?
Sie brauchte keinen Entschluss zu treffen, da das Auto just in diesem Moment sein Tempo steigerte, und ehe sie es sich versah, um die nächste Kurve verschwand. Ein erleichterter Seufzer entfuhr Glimmers Lippen, bevor sie jene zu einem schmalen Strich zusammenpresste. Hör auf damit, dachte sie wütend. Was soll das? Wofür machst du das hier? Damit du an der Straße stehst und heulst, und sie alle wieder wegfahren? Erleichterung? Kannst du dir sparen. Du solltest lieber enttäuscht sein, da du nun noch länger in dieser Kälte stehen, und dir den Arsch abfrieren musst!
Glimmer nickte abwesend. Ihr Unterbewusstsein hatte ja Recht. Ihr Verhalten war schrecklich naiv. Sie machte das hier sicher nicht, damit sie den Rücklichtern der vorbeifahrenden Autos nachsehen konnte.
Bring's doch einfach hinter dich, meinte ihr Unterbewusstsein.
Glimmer nickte erneut. Von nun an würde sie sich kein Zögern mehr erlauben dürfen. Nein, stattdessen würde sie stark sein müssen. Stark und schön und mutig. Sie musste kämpfen. Sie hatte diesen Entschluss gefasst, sie war sich der Konsequenzen bewusst gewesen - jetzt musste sie auch dazu stehen.
Du kannst immer noch weglaufen. Lauf, lauf zurück nach Hause ...
Den verlockenden Gedanken beiseite schiebend, knöpfte Glimmer einem Reflex nach ihren Mantel auf, und ließ jenen wenig später zu Boden fallen.
Wie ein schwerer Vorhang glitt er von ihren Schultern.
Sofort wurden ihre nackten Arme von Kälte überzogen und sie schlang sich die Hände um den Bauch, um sich irgendwie zu wärmen. Vergeblich. Und doch ... Sie spürte, dass sich etwas verändert hatte. Dass sich etwas in ihr verändert hatte.
Denn wie auch der Mantel fielen nach und nach sämtliche Gefühle, die sie bis jetzt zurückgehalten hatten - Reue, Bedauern, Schmerz und Angst - von ihr ab. Ihr Gesicht wurde zu einer Maske - starr und schön und ohne jedwede Gefühlsregung.
Gefühle sind Schwäche, hallte es in ihrem Kopf wieder. Und wenn du keine Gefühle zeigst, so tust, als wäre dir alles egal, dann kann dich auch niemand verletzen. Dann kann niemand dir das wegnehmen, was du liebst ... Dann können sie dich nicht zerstören.
Eisblaues Licht erhellte die geschwungene Straße, wurde unterbrochen von dem silbrigen Schimmer, der von Glimmers hautengem Kleid ausging. Hin und wieder fuhren Autos an ihr vorbei, doch sie hielten niemals an.
Die Nacht wurde durchzogen von Lichtern - Laternen, Scheinwerfer, das hell leuchtende Feuerwerk über der Stadtmitte, das das Ende der Woche ankündigte - und doch war Glimmer innerlich dankbar für jeden noch so kleinen Flecken Dunkelheit, der ihr schamrotes Gesicht vor neugierigen Blicken verbarg. Ihr Geist lag unter einem trügerischen Nebel und doch war ihr Blick klar und fokussiert.
Ja, leider, dachte sie bitter, bevor sie sich besann. Keine Reue, schon vergessen? Kein Bedauern, keine Bitterkeit. Du musst noch viel lernen, wenn man dir eines Tages wirklich nichts mehr anmerken soll.
Ein Seufzen entfuhr ihr, bevor die trüb gelben Strahlen eines weiteren Autos vor ihr auftauchten.
Glimmer blinzelte. Das eisblaue Licht, wie es die reichen Bürger von Distrikt eins besaßen, hatte sie deutlich angenehmer gefunden. Hieß das also, der Fahrer dieses Wagens hatte kein Geld? Dann könnte er jetzt doch weiterfahren, oder nicht?
Offenbar lautete die Antwort Nein.
Das Auto war nämlich zum Stehen gekommen.
Direkt vor ihren Füßen verharrte es; lauernd, als würde es nur darauf warten, sie zu verschlingen.
Reiß dich zusammen, dachte Glimmer. Diese neu entwickelte Paranoia ist ja brandgefährlich.
Die Schultern straffend, hob sie den Kopf und wartete.
Bald kamen ihr die Sekunden vor wie Minuten, und die Minuten wie eine halbe Ewigkeit.
Schließlich, als sie halb hoffte, halb befürchtete, das Auto würde weiterfahren, öffnete sich dessen Beifahrertür. Noch deutlicher hätte man die Einladung kaum gestalten können.
Glimmer atmete tief durch.
Nun war es also so weit. In wenigen Stunden würde sie ihre Armut beendet haben; würde die Geldprobleme hinter sich lassen können, und von vorn anfangen.
Sie könnte es besser machen. Ihr Leben wieder auf die Reihe kriegen.
Ja, dachte sie sich. Wenn das hier vorbei ist, dann werde ich mich anstrengen, ein besseres Leben zu führen. Werde mehr für die Akademie lernen und meine Familie wieder zusammenkleben. Alles wird wieder gut.
Dass das Grauen da eben erst begonnen hatte, damit rechnete Glimmer nicht, als sie den sehnsuchtsvollen Gedanken an eine Flucht verdrängte, und auf das wartende Auto zumarschierte.
Alles was zählte, war der Gedanke an einen Neuanfang, an den sie sich so verzweifelt klammerte. Nun ... Wäre sie mal lieber schnurstracks nach Hause gerannt.
❅
IM INNERN des Wagens war es stickig.
Kaum, dass Glimmer ihren Kopf hineingesteckt hatte, da umfing sie der Geruch von Alkohol und beißendem Rauch. Damit wäre sie vielleicht noch fertig geworden - auch wenn bei ihr alle Alarmglocken schrillten, und es ihr bereits davor graute, sich auf dem versifften Autositz niederzulassen - doch als sie den etwa Fünfzigjährigen erblickte, dem ein Vorderzahn fehlte, und der sie erwartungsvoll angrinste, kamen ihr die Tränen und sie rang sichtlich mit sich. Der Kerl war ganz offensichtlich aus einer der unteren Schichten, und schon bei dem Gedanken daran, dass seine dreckigen Finger sie berührten, hätte sie sich am liebsten abgewandt und ordentlich die Seele aus dem Leib gekotzt.
»Was is' nun? Einsteigen oder aussteigen? Ich hab nicht ewig Zeit, Schätzchen. Mach die Tür zu und hüpf rein, oder verpiss dich nach draußen«, meinte der Unbekannte sichtlich ungehalten und rollte genervt mit den Augen.
Glimmer biss sich auf die Lippe, bevor sie kurzentschlossen ihren Ekel überwand und vorsichtig auf dem Beifahrersitz Platz nahm.
Die Tür fiel ins Schloss, versperrte ihren Ausweg.
»Da hab ich ja meine Antwort«, grinste der Fahrer sichtlich zufrieden und legte seine Hand auf ihren entblößten Oberschenkel. »Finger weg oder sie sind ab«, zischte Glimmer kalt. Dabei sah sie ihn nicht an, das hätte sie nicht ertragen. Nein, ihr Blick war zum Fenster gewandert, hielt sich an den kleinen weißen Flocken fest, die nun auf den Boden zurauschten. In ihren Augen hatten sich Tränen gebildet, doch ihre Stimme - mit der man Diamanten hätte schneiden können, so kalt und scharf wie sie war - ließ jene zu Eis gefrieren.
Sie wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass ihre Drohung in einigen Monaten Wirklichkeit werden würde. Dass sie als Köder herhielt, während ...
Aber das war eine andere Geschichte.
Zu einer anderen Zeit.
»Was soll der Scheiß? Ich dachte, wir würden-«
Ein trockenes Auflachen war die einzige Antwort, die der Mann erhielt. »Da hast du recht. Aber erst will ich das Geld. Dreihundert Linux, bar. Erst dann kriegst du was du willst. Fässt du mich vorher an, wirst du dir noch wünschen, mich nie zu dir ins Auto geholt zu haben.«
Etwas musste er wohl in ihren Augen gesehen haben, denn sein Lächeln verschwand, und seine Miene wurde zweifelnder. »Hör zu, du kannst immer noch aussteigen und so tun, als wäre das hier nie -«
»Fahr einfach«, zischte Glimmer, und wandte sich wieder dem Schneetreiben draußen zu.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der Mann gleichgültig mit den Schultern zuckte und den Motor anließ. Sekunden später setzte sich das Auto in Bewegung und brauste in die düstere Nacht hinein.
❅
GLEIßENDES SONNENLICHT schien durch das zerbrochene Fenster eines heruntergekommenen Hotels, keine fünfzig Meter vom Highway entfernt, der in die Stadtmitte führte.
Das Licht durchflutete den Raum, tränkte ihn in einen goldenen Schimmer und wärmte den nackten Rücken des Mädchens, das zusammengerollt auf dem von Brandflecken durchlöcherten Teppich lag.
❅
EIN KNARREN ließ Glimmer hochschrecken.
Doch da war nichts.
Nur das grelle Sonnenlicht, das sie schützend die Hand vor die Augen heben ließ.
Sie war ganz allein.
Verwirrt drehte sie sich zur Tür - eine Bewegung, bei der ihr Kopf sich anfühlte, als würde er jeden Moment explodieren.
Ein paar silberne Fetzen waren alles, was von ihrem Kleid übrig geblieben war.
Doch dank des, in ein Tuch gewickelten Päckchens, welches unter dem schäbigen Bett lag, hätte sie sich auch genauso gut hundert Designerkleider kaufen können. Jedenfalls hoffte sie, dass das Geld noch dort im Päckchen war. Wenn nicht, dann ... Daran wollte sie besser gar nicht denken.
Mühsam kroch Glimmer auf das Bündel zu, versuchte die blauen Flecken, die sich wie ein Muster um ihre Handgelenke zogen, zu ignorieren.
Mit zitternden Fingern schob sie das Tuch beiseite.
Und da waren sie. Dreihundert schimmernde Linux. Mehr Geld, als sie jemals in den Händen gehalten hatte. Und doch ... sie fühlte kein Glück. Keine Erleichterung. Da war nur ... Leere. Denn sie hatte einen Preis dafür zahlen müssen. Und dieser war hoch gewesen. Zu hoch.
Schemenhafte Erinnerungen durchfluteten ihren Geist; Bilder, bei denen sie am liebsten geschluchzt hätte, bemächtigten sich ihrer, versuchten sie zurückzuzerren, ihr wieder und wieder vor Augen zu führen, was sie getan hatte, um dieses Geld erhalten zu können ...
Nein, befahl sich Glimmer. Nein, nein, nein ...
Weg, dachte sie, die bösen Gedanken verscheuchend. Geht weg!
Inzwischen liefen ihr die Tränen über die Wangen und ihre geschundenen Knie krachten geräuschvoll auf den Teppichboden.
Und dann weinte sie, nackt und entblößt, voller Kummer, während die Sonne langsam um das Zimmer herumwanderte, bis keine Wärme mehr auf ihre Haut schien, und sie innerlich immer mehr zerbrach; bis sie glaubte, nur noch eine leblose Hülle zu sein, die von den Eisscherben zusammen gehalten wurde, die ihr Herz durchbohrten.
❅
DIE DÄMMERUNG war schon hereingebrochen, als Glimmers Schluchzen schließlich verebbte.
Kalt und hell schien der Mond durch das zerbrochene Fenster. Draußen konnte man die Schneeflocken erkennen, die wild ineinander wirbelten. Der Wind heulte, riss an den Fensterläden, versuchte sich gewaltsam Eintritt in das Zimmer zu verschaffen.
Als Glimmer sich aufrichtete, den Köper in eine der grauen Bettdecken gehüllt, da war ihr Gesicht starr.
Ihre Augen waren wie gefrorene Moore, klar und grün und trügerisch.
Ihr Gesicht war tränenverschmiert, doch als sie die Zimmertür ins Schloss fallen ließ, das Bündel Geld fest an sich gepresst, da fühlte sie keine Trauer mehr. Keinen Schmerz. Keine Reue. Denn irgendwie, irgendwie, war es ihr gelungen, ihre Erinnerungen - all die grauenhaften, furchtbaren Erinnerungen, die ihre Seele verunstaltet hatten - in ihrem Herzen zu verwahren und jenes mit einer Mauer aus Eis zu versiegeln.
Oh, sie wusste, der Tag würde kommen, da diese Eismauer zerbrach. Doch dieser Tag war nicht heute.
Der Trick war nicht, nichts zu fühlen, das hatte sie begriffen.
Denn egal, wie sehr sie es auch versuchen würde, ihre Gefühle würden ihr früher oder später im Weg stehen. So sehr sie sich auch anstrengte - das war unvermeidlich.
Sie war schlau. Sie wusste, auch wenn man vorgab, man besäße kein Herz, es schlug in der Brust eines jeden Menschen, schnell und stark, und verhöhnte deren Scharade.
Nein. Sie könnte ihre Gefühle unterdrücken, und es würde nichts helfen. Aber die Fähigkeit, all die schlechten Dinge in Eis zu verwandeln, kaum, dass jene geschehen waren ... nun, das war etwas anderes. Etwas Besseres. Etwas Beständiges. Zumindest für den Moment.
Solange sie die Eismauer trug, konnte sie nichts mehr verletzen.
Konnte sie keinen Schmerz mehr fühlen.
Würde sie niemand zerstören können.
Und als sie lächelte, da war es ein Lächeln, das einem das Herz zerreißen konnte - wunderschön und doch so kalt wie die weißen Flocken, die draußen zu Boden fielen. Der Winter war eingekehrt und wie der Schnee die Blumen und Blätter mit Eis überzog, sie erstarren ließ, so erstarrte auch Glimmers Herz.
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯1: Die Widmung dieses Kapitels geht an Alinalightwood. Danke für Deine Unterstützung und Deine Votes. Ich hoffe sehr, dass Dir dieses Kapitel gefällt.
Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯2: Das Lied free of me by amy stroup ertönt direkt am Anfang des Kapitels, als die Stimmung noch etwas lockerer ist. Stellt Euch vor, das Lied dream in ashes by amanda abizaid wird in der Bar gesungen, als Glimmer und Thor sich unterhalten, kurz bevor beide von den Ereignissen ihrer Vergangenheit überwältigt werden. Das Pianostück light of the seven by ramin djawadi wird vom Flashback an durchgängig bis zum Ende des Kapitels gespielt.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top