♯Cнαpтer 39 ~ Oɴe Moмeɴт ιɴ Tιмe.

Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!

So, nur noch ein Tag, dann ist dieses Jahr auch schon wieder vorbei - kaum zu glauben, wie schnell doch die Zeit vergeht.

Ich hoffe, Ihr alle hattet ein wundervolles Weihnachtsfest und schöne Feiertage - bei mir war (zum Glück) alles wunderbar.

Morgen kommt das letzte Update für dieses Jahr; das Kapitel heute ist - wie bereits angekündigt - meiner wunderbaren, liebevollen und unvergleichlichen Mami gewidmet - sozusagen als kleines Geburtstagsgeschenk.

Ich liebe Dich so sehr. Mehr, als Worte es jemals beschreiben könnten. Du bist mein großes Vorbild und eine der drei wichtigsten Personen auf der ganzen Welt. Ich liebe unsere unbeschwerten Momente, in denen wir so viel Spaß haben, und über alles, wirklich alles lachen können. Ich liebe es, mit Dir einkaufen zu gehen, mit Dir zu reden, Dinge zu erleben, und einfach nur Zeit mit Dir zu verbringen. Du bist immer so lieb, so optimistisch und so unglaublich gutherzig, und ich glaube, ich kann noch viel von Dir lernen. Du hast mir über die Jahre hinweg so viel geholfen, und mir immer beigestanden. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie dankbar ich Dir dafür bin - oder wie stolz, dass ich das große Glück habe, Dich als meine Mami - Mausa zu haben. Ich bin überglücklich, dass Du immer an mich glaubst ♥ Ich kann mir ein Leben ohne Dich nicht vorstellen. Ich liebe Dich so, so sehr. Du bist die beste Mama auf der ganzen Welt. Ich liebe Dich. Alles Gute zum Geburtstag, Mausi. Dieses Kapitel ist für Dich <3

Ich möchte außerdem jedem danken, der mich seit dem letzten Kapitel unterstützt hat - Eethorod123, Vampirefan13, BlackGirlNumber1, amelia7890, JoanaJawia, AnnixEspinosax, TheDarkTemptation, Chrissitinchen und Melina_1000. Danke für Alles <3

Ich wünsche Euch nun noch einen wunderschönen Tag - ich mache mich jetzt mal fertig; feiern den Geburtstag meiner Mama beim Griechen. Das nächste Update gibt's wie versprochen morgen - bis dahin noch einen schönen Abend und: Vιel Spαß вeιм Leѕeɴ! Eυre Zoey <3

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♯Cнαpтer 39 ~ Oɴe Moмeɴт ιɴ Tιмe.

❝all we have to decide is what to do with the time that is given us.

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NACHDEM Marvel mitten im Bowlingmatch abgezischt war - ich hoffte, er hatte endlich erkannt, wie idiotisch er sich gegenüber seiner Distriktpartnerin verhalten hatte, und war jetzt auf dem Weg zu ihr, um sich zu entschuldigen - gaben Cato und ich unsere Ausrüstung ab, und schlenderten Hand in Hand aus der Halle hinaus.

Durch die kleinen Fenster, die die Gänge zierten, sah ich, dass es draußen bereits stockdunkel war.

»Weißt du, das war ein richtig schöner Abend«, sagte Cato, als wir gerade vor einer Auswahl an Gemälden standen, die das Ende des Korridors schmückten.

Weite Mohnfelder, Ausschnitte des Kapitols aus verschiedenen Blickwinkeln - und türkisblaues Meer, mit weißen Schaumkronen, und in der Sonne schimmerndem Sand.

Besonders das letzte Bild hatte es mir angetan.

Der Ozean hatte schon immer eine faszinierende Wirkung auf mich gehabt - nicht, dass ich das Meer jemals wirklich zu Gesicht bekommen hatte.

Zwar lag Distrikt vier auf meinen Wunschreisezielen ganz weit oben; bisher mussten allerdings Bilder reichen, um meine Neugier zu befriedigen.

Zu gern hätte ich meine Zehen in echtem, beigefarbenen Sand vergraben, hätte zugesehen, wie das Wasser in der Sonne glitzerte, und die Weiten des unendlichen Ozeans um mich herum gespürt.

Aber das würde wohl leider ein Wunschtraum bleiben müssen.

Denn selbst, wenn sie die Arena in ein Ferienparadies aus Sonne, Strand und Meer verwandeln würden, könnte es doch niemals der Vorstellung gerecht werden, die ich mir bereits gemacht hatte.

»Ja, der Abend war wirklich schön - abgesehen von Glimmer und Marvels Megastress«, bemerkte ich spitz.

Cato nickte.

»Ja, das war echt nicht sonderlich toll. Aber er ist abgehauen, als er gerade dabei war, zu gewinnen, also vielleicht ist ihm ja bewusst geworden, wie viel sie ihm bedeutet, und er ist gegangen, um sich zu entschuldigen.«

»Das hoffe ich auch. Für ihn. Sonst mach ich ihm morgen die Hölle heiß.«

Cato betrachtete mich nachdenklich.

»Du magst sie wirklich, oder?«

»Wen, Glimmer?«

Er nickte stumm.

Ich seufzte.

»Ja. Ja, ich mag sie. Zuerst dachte ich, sie wäre bloß 'ne hochnäsige Zicke, aber inzwischen ...«

»... ist sie gar nicht mehr so übel?«

»Mehr als das. Wir verstehen uns plötzlich total gut. Es ist fast, als wären wir Freunde, oder so«, sagte ich nachdenklich, bevor sich ein Grinsen auf mein Gesicht schlich. »Urrgs. Dass ich es mal geschafft hab, mit Gleichaltrigen gut auszukommen, und mich dann auch noch mit ihnen anzufreunden. Kaum vorstellbar, was?«

Cato schnalzte ungehalten mit der Zunge.

»Du stellst dein Licht wie üblich total unter den Scheffel. Es ist nicht besonders schwer, mit dir auszukommen - wenn du mal nicht mit dem falschen Fuß aufgestanden bist, und alle in deiner Nähe anblökst, meine ich-«

»Hey, das war gemein!«

Ich versuchte ihn zu treten, doch er wich mir grinsend aus, woraufhin wir fast eine aufgetakelte Kapitoldame über den Haufen gerannt hätten.

»Nein, im Ernst. Du bist wundervoll. Hübsch, lustig, talentiert, faszinierend - wenn du es zulassen würdest, könntest du 'ne Menge Freunde finden, Clover.«

Ehrlich?, wollte ich fragen - doch ich verkniff es mir.

Cato würde niemals etwas vortäuschen, um bei mir besser dazustehen. Nicht mal, um mich aufzumuntern, wenn ich gerade mies drauf war - was ja so gut wie jeden Tag vorkam. Er bevorzugte absolute Ehrlichkeit, und so schwer das manchmal auch zu ertragen war, wenn dir jemand gnadenlos genau das ins Gesicht sagt, was du im Grund gar nicht hören willst - es war besser so.

»Also, was tun wir jetzt, nachdem es draußen so dunkel ist, dass wir wahrscheinlich das Abendessen verpasst haben?«, riss Cato mich aus meinen Grübeleien.

Ich nickte zu einer der vielen Ausschilderungen, die die Wände bedeckten, hinüber.

»Vielleicht finden wie hier ja ein Restaurant, oder sowas? Vorausgesetzt, du hast was, womit wir das Essen bezahlen können«, fügte ich hinzu, und sah ihn stirnrunzelnd an.

Cato nickte grinsend und klopfte auf eine seiner Jackentaschen.

»Kein Problem. Ich übernehm das Zahlen, und du suchst ein Restaurant aus - wenn ich's nicht besser wüsste, klingt das fast wie ein Date«, scherzte er.

Ich verdrehte die Augen, musste aber ebenfalls lächeln.

Ein Date.

Ich hatte schon ewig kein Date mehr gehabt.

Nicht, weil Cato zu geizig gewesen wäre, mich auszuführen - aber es blieb nun mal nicht besonders viel Zeit, wenn man sich dauernd mit Training, Waffenkunst, Internatsvorschriften, Hausaufgaben und Versagensängsten herumschlagen musste.

Am Ende entschieden wir uns gemeinsam für ein Restaurant - nicht, dass uns die Wahl sonderlich schwer gefallen wäre, gab es außer dem Lokal, auf das wir soeben zusteuerten, nur noch ein kleines Café, in dem hauptsächlich Snacks angeboten wurden, einen Imbiss für Vegetarier, und eine winzige Smoothiebar.

Dank der vielen Ausschilderungen konnten wir uns auch nicht verirren, und so standen wir schon bald vor zwei hohen Mahagoniholztüren, in die man kunstvolle Muster geschnitzt hatte.

Wie ein waschechter Gentleman hielt Cato mir die Türen auf und ließ mich eintreten.

Kaum hatte ich eben das getan, da staunte ich nicht schlecht, denn das Restaurant war ... wirklich traumhaft.

Ausladende, mit Mahagoni verkleidete Fenster, gesäumt von lachsrosa Vorhängen, zierten die cremefarbenen Wände, und gaben einen wunderschönen Ausblick auf das abendliche Kapitol, das wie immer bunt erleuchtet war.

Der fünfeckige Raum war hauptsächlich in schlichten Gold und Rosétönen gehalten und vermittelte einen äußerst eleganten Eindruck.

Die lachsrosa Bordüre passte perfekt zu den Vorhängen, und die Goldtöne ergänzten sich mit dem sandfarbenen Holzfußboden.

Die Szenerie war der wahr gewordene Traum einen jeden Mädchens - ein wunderschönes Restaurant, köstliches Essen, Sekt, Kerzen auf dem Tisch - und das alles mit dem Menschen, von dem man sich am Ende des Abend einen Kuss erhoffte.

Nur, dass Cato und ich über erste Dates mit Küsschen inzwischen weit hinaus waren.

Und ganz sicher trug ich in meinen Wunschvorstellungen auch nicht das lockere Sportoutfit, in das Glimmer mich gesteckt hatte, sondern ein elegantes Cocktailkleid.

Tja, immerhin war ich mit meiner legeren Kleidung nicht allein - mein Distriktpartner, der hinter mir den Raum bestaunte, trug unter seiner olivgrünen Sportjacke ebenfalls nur ein blaues T-Shirt und eine weite, beigefarbene Hose mit Turnschuhen.

»Guten Abend. Darf ich Sie zu einem Tisch ihrer Wahl geleiten?«

Cato und ich schreckten auf.

Vor uns stand, mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, ein rundlicher Kellner in schneeweißem Hemd, schwarzer Weste und dunkelroter Hose.

»Ähm ... ja, sicher, gern«, antwortete ich, und bemühte mich - ausnahmsweise mal - um ein herzliches Lächeln, weil mir der Kerl schon jetzt echt sympathisch war.

Mit seinem roten Gesicht und den fast schon schlohweißen Haaren sah er aus wie der Weihnachtsmann.

Oder wie Präsident Snow, bemerkte eine unerwünschte Stimme in meinem Kopf.

Mein Lächeln schwand dahin.

Der Kellner wuselte geradewegs auf einen viereckigen Tisch in der Mitte des Restaurants zu.

Wir folgten ihm, noch immer staunend.

Als ich meine Bewunderung der Räumlichkeiten jedoch kurzzeitig unterbrach, fielen mir die Blicke auf.

Kapitolbewohner, Spielmacher, Minister, Friedenswächter - sie alle starrten mich an.

Mich und Cato.

Und ihre Blicke ... von Abscheu bis Neugier war alles dabei.

Plötzlich wurde mir kalt.

Eiskalt.

Ich machte mich klein und meine Schritte beschleunigten sich, bis ich fast in unseren Kellner hineingerannt wäre.

Mir war es egal, dass er uns einfach einen Tisch ausgesucht hatte, obwohl er vorhin nach einem Tisch unserer Wahl gefragt hatte; mir war es egal, dass mein Unterbewusstsein ihn unwillkürlich mit Präsident Snow verglich - ich wollte diese Blicke, so kalt, so fordernd, so voller Vorfreude, als könnten sie es kaum noch erwarten, dass wir uns in der Arena zerfleischen würden, aus meinem Kopf kriegen.

Diese Leute widerten mich an.

Sie machten mich krank.

Als der Kellner endlich schnaufend an unserem Tisch angelangt war, und die drei Kerzen in der Mitte anzündete, da hätte ich ihn am liebsten umarmt.

Durch mehrere Paravents waren wir vom Großteil der Leute hier abgeschieden - besser hätte ich mir meinen Sitzplatz wahrscheinlich auch nicht aussuchen können.

»Ist dieser Tisch zu Ihrer Zufriedenheit?«

Ich nickte eifrig und ließ mich auf einen der vier gepolsterten Stühle sinken.

Auch Cato wollte sich setzen - hatte jedoch einige Schwierigkeiten, da er sich partout nicht von unserem Kellner die Jacke abnehmen lassen wollte, sodass er sich am Ende fast von dem dicken Mann losriss, und sein Sportjackett achtlos über die Stuhllehne warf.

Der Kellner zog ein enttäuschtes Gesicht, bei dem ich ihm am liebsten den Arm getätschelt hätte, drückte uns die Speisekarten in die Hände, und schlurfte dann nach hinten.

»Das war aber nicht sehr höflich«, schimpfte ich, und erntete dafür einen gereizten Blick von Cato.

»Deren Blicke da, die sind nicht mehr höflich«, konterte er und nickte zu ein paar Kapitolbewohnern, die der Paravent nicht aussperrte, und die noch immer unverhohlen zu uns hinüber starrten.

Nachdem ich ihnen ein paar böse Blicke zugeworfen hatte, wandten sie sich tuschelnd ab.

»Besser?«, fragte ich und zog träge eine Augenbraue nach oben.

Cato grinste.

»Viel besser.«

Sein Blick schweifte durch den Raum, während ich bereits die Speisekarte studierte.

»Echt ein hübsches Lokal«, sagte er, sich auf seinem Stuhl zurücklehnend, und sichtlich zufrieden mit unserer Auswahl.

»Da stimme ich dir zu«, murmelte ich und ließ die Karte sinken.

Es war tatsächlich hübsch hier.

Und auch der Service schien echt super - überall huschten Kellner durch die Gänge, die Tabletts voll beladen mit exquisiten Köstlichkeiten, immer wachsam, stets höflich und zuvorkommend.

Ganz anders als die überarbeiteten, unfreundlichen Kellner in Distrikt zwei.

»Weißt du schon, was du nimmst?«, fragte Cato, und just in diesem Moment tauchte der rundliche Kellner erneut vor uns auf, und erkundigte sich höflich, ob wir schon gewählt hatten.

So gab ich meine Antwort - als Vorspeise einen Salat mit Avocadocreme und gerilltem Lachs (hauptsächlich deshalb, weil er ganz oben auf der Karte stand), als Hauptgericht Lammkotelett auf einem Bett aus Bohnen, Spargel und roten Kartoffeln - eher dem Kellner als Cato.

Der fühlte sich offenbar ganz besonders erwachsen heute Abend, denn er bestellte in einem solch arroganten Tonfall, dass ich es nur mit Mühe schaffte, mein Lachen zu unterdrücken.

»Ich nehme als Vorspeise die Hühnersuppe mit Toast. Als Hauptgericht hätte ich gern Rinderrouladen mit Pellkartoffeln und grünem Gemüse. Dazu eine große Apfelschorle.«

»Ich will einen Sekt«, platzte es - auch nicht sehr höflich - aus mir heraus, da ich soeben bemerkt hatte, dass ich ganz vergessen hatte, mir etwas zu Trinken zu bestellen.

Der Kellner nickte gutmütig.

»Normal, oder mit Früchten, für die junge Dame?«

»Mit Früchten. Erdbeer, wenn sie haben«, erwiderte ich und klimperte mit den Wimpern.

Der Angesprochene lächelte nur und nickte erneut.

»Natürlich. Danke für Ihre Bestellung.«

Er eilte von dannen und wir waren wieder allein.

»Siehst du, wenn du willst, kannst du ein richtiger Schleimer sein«, grinste Cato.

Ich warf ihm einen genervten Blick zu, was er mit einem weiteren Grinsen quittierte.

Mannomann, der Typ hatte heute eindeutig ein bisschen zu viel Spaß.

Das merkte er offenbar auch, denn beinahe sofort rückte er dann mit einem ganz ernsten Thema an.

Ich verdrehte die Augen.

Diese Stimmungsumschwünge waren wirklich etwas, womit ich gar nicht klarkam - und wahrscheinlich auch niemals klarkommen würde.

Aber nun ja, wir alle haben unser Päckchen zu tragen.

Vermutete ich.

»Wir sollten mal über ... na ja, wir sollten reden«, sagte Cato, und fühlte sich dabei sichtlich unwohl.

Ich zog erneut eine Augenbraue hoch.

»Ach, tatsächlich?«

»Ja. Du weißt, worüber«, meinte er, nicht sonderlich beeindruckt von meinem Versuch, die Unwissende zu spielen. Frustriert stieß ich die Luft aus.

»Ja. Sicher weiß ich das. Und du hast Recht, klar, aber ... ich will nicht jetzt darüber reden. Ich will nicht - ich will diesen Abend nicht zerstören. Wir sind hier, wir sind zusammen, alles ist perfekt - willst du das wirklich ruinieren?«

Cato schnaubte. Meine Bemühungen, dem leidigen Thema auszuweichen und abzulenken, waren ihm wohl nicht entgangen.

»Du weißt aber schon, dass du mit unfairen Mitteln kämpfst, oder?«

Ich zuckte mit den Achseln und schenkte ihm einen unschuldigen Augenaufschlag.

»Vielleicht. Funktioniert es denn?«

»Schätze schon. Ist nun mal schwer, dir irgendeinen Wunsch abzuschlagen.«

So sauer schien er dann auch nicht zu sein, ergriff er doch wenig später meine linke Hand und drückte sie fest.

Ich lächelte leicht und starrte auf das blitzblank geputzte Besteck, bevor ich erneut das Wort ergriff. Diesmal war mein Tonfall um einiges ernster, und kam dem Gespräch näher, das er unbedingt hatte führen wollen.

»Ich will ... ich will nur einfach nicht daran denken, dass ... dass alles, einfach alles, in ein paar Tagen zerstört sein wird, und - lieber will ich die Zeit, die wir noch haben, in vollen Zügen genießen, als jetzt schon mit allem abzuschließen und ...«

Ich zuckte mit den Achseln, während ich über Catos Fingerknöchel strich.

Er seufzte und verschränkte seine Finger mit meinen.

»Das verstehe ich. Glaubst du vielleicht, mir geht es anders? Aber früher oder später müssen wir darüber reden. Darüber, wie es in der Arena zwischen uns laufen wird, was passiert, wenn sich unser Bündnis auflöst, was wir tun, wenn wir - einfach, wie wir uns verhalten sollen ... Ich meine, wenn wir ohne nachzudenken, völlig kopflos in diese Sache reinrennen, dann sind wir vielleicht schneller tot, als wir den Countdown runterzählen können.«

Ich sah auf.

Cato mied meinen Blick.

»Ich hätte nicht gedacht, dass ... Nun ja, du scheinst dir ja ziemlich viele Gedanken darüber gemacht zu haben«, murmelte ich leicht beschämt.

Ich hatte eher erwartet, dass ich am Ende diejenige sein würde, die Pläne machte, unsere Taktiken abwog, und die wichtigen Entscheidungen traf.

So wie immer.

Dass ich diejenige sein würde, die Cato aus schwierigen Situationen herausboxte, und stets einen kühlen Kopf bewahrte.

Stattdessen war er derjenige, der die Spiele immer im Hinterkopf behalten hatte; der sich Gedanken über alles gemacht hatte, während ich neue Freundschaften schloss, und unbeschwert vor mich hin lebte.

Nun ja, ganz so naiv war ich vielleicht nicht gewesen, aber dennoch ...

Ich verlor die Spiele viel zu oft aus den Augen.

»Nur, weil ich mir ein paar Gedanken gemacht habe, heißt das ja nicht, dass ich nicht nachempfinden kann, wie es dir mit allem geht. Ich will auch lieber nicht an die Zukunft denken, aber ... «

Er zuckte bedauernd mit den Achseln.

Ich lächelte wehmütig.

»Ich wünschte, unsere Zukunft läge in Distrikt zwei, und nicht in der Arena«, meinte ich schließlich und unterdrückte ein gequältes Seufzen.

»Da würden dir sicher viele aus unserem Distrikt widersprechen. Sich das Gegenteil wünschen. Vor einigen Jahren ... da hab ich noch alles geglaubt, was sie uns erzählt haben. Wie viel Ruhm es uns einbringt, wenn wir die Spiele gewinnen; dass es eine ehrenhafte Sache ist, für sein Distrikt zu kämpfen - und zu sterben. Aber du ... du hast schon immer - du hast immer an diesen Idealen gezweifelt. Und kaum hab ich dich besser kennengelernt, da ... plötzlich hab ich das alles auch nicht mehr geglaubt. Die Spiele sind nicht unser Lebenszweck, auch wenn sie uns jahrelang darauf vorbereiten. Sterben ist ... Ich meine, was bringt es Distrikt zwei, wenn wir draufgehen, beim Versuch unsere Mitbürger stolz zu machen? Die Angehörigen der toten Tribute werden jedes Jahr wegen dem Versagen ihrer Brüder, Schwester, oder Cousinen gemobbt. Wer glaubt diesen Scheiß heutzutage noch?«

»Eine Menge Leute«, meinte ich bitter. »Leider.«

»Das Schicksal ist grausam«, fuhr Cato nach einigen Augenblicken fort. Ich konnte die kaum unterdrückte Wut in seiner Stimme hören, während er meine Hand noch fester umklammert hielt. Die gekünstelten Stimmen der Kapitolbewohner schallten durch den Raum, doch ich blendete sie aus. »Es nimmt uns alles, was wir hätten haben können, wenn diese dummen Spiele nicht gewesen wären.«

Was wir hätten haben können ...

Ich kaute auf meiner Lippe herum, wusste nicht, was ich sagen sollte.

Was meinte Cato damit?

Wir hatten nie darüber gesprochen, was wir tun würden, wenn wir die Akademie abgeschlossen hatten. Vor allem, weil Cato seinen Abschluss schon diesen Winter erhalten würde.

Und ich ... ich würde noch zwei weitere Jahre in der Schule hocken, während er ...

Verdammt, ich hatte ja nicht mal 'ne Ahnung, für welchen Beruf er sich überhaupt eingeschrieben hätte.

Er wahrscheinlich auch nicht.

Gut für uns, dass wir uns darüber nun keine Gedanken mehr machen mussten.

Oder auch nicht so gut.

»Weißt du ...«, meinte Cato zögernd und warf mir einen schnellen Blick zu. »Ich weiß, du findest das unnötig, aber ... na ja, du wärst die einzige Frau gewesen, mit der es nicht komisch gewesen wäre, vor den Traualtar zu treten.«

Ich sog zischend die Luft ein.

Er hatte Recht behalten - ich war nicht eins dieser Mädchen, das beim Gedanken an Hochzeit weiche Knie bekam. Heutzutage war es sowieso keine große Sache mehr zu heiraten - man zog sein bestes Kleid an, unterschrieb ein paar Formulare, nahm einen anderen Nachnamen an, aß ein Festessen im Justizgebäude (wenn man es sich denn leisten konnte), lud ein paar Freunde ein (wenn man denn welche hatte) und ging dann zu seinem neuen Haus in der Stadtmitte - für dessen Unterhalt der Mann aufkommen würde, denn obwohl vereinzelt auch Frauen zu Friedenswächtern ausgebildet wurden, bestand doch die unausgesprochene Regel darin, dass man als Ehefrau nicht arbeitete, sondern das Haus sauber hielt, kochte, und sich um eventuelle Kinder kümmerte.

So wurde es zumindest in Distrikt zwei gehandhabt - in anderen Distrikten, vor allem den ärmeren, brauchten sie wahrscheinlich jede Arbeitskraft, die sie kriegen konnten.

Also ja.

Ich hatte mir keine Gedanken gemacht, was ich nach der Akademie tun sollte, weil es für mich im Grunde nur einen Weg gab.

Okay, vielleicht auch zwei.

Ich heiratete, wurde Hausfrau und Mutter - oder aber, ich gesellte mich zu den wenigen Frauen, die ein Leben mit Karrierechancen anstrebten, und verabschiedete mich von der Bequemlichkeit, die Möglichkeit eins mir geboten hätte.

Ich hätte Friedenswächterin, Lehrerin, und Trainerin werden können; oder aber ich hätte mich mit einem eigenen Geschäft selbstständig gemacht.

Nur wäre ich für einen Job als Lehrerin nie gut genug gewesen; hatte - abgesehen vom Messerwerfen, was mich wohl am ehesten als Trainerin qualifiziert hätte - keine sonderlich erwähnenswerten Talente, die für ein eigenes Geschäft gereicht hätten (nicht, dass ich das Geld gehabt hätte, mir einen Laden zu kaufen), und Friedenswächterin ...

Nun ja.

Friedenswächterin zu werden, bedeutete noch mehr Schule, noch mehr Tests, noch mehr Training. Und ich hasste die Akademie jetzt schon.

Das wäre für mich also definitiv nie in Frage gekommen - außer vielleicht wegen der guten Bezahlung, mit der ich mich von meinem Vater hätte freikaufen können - doch das alles wäre keine Notwendigkeit gewesen; hätten Cato und ich geheiratet, bevor ich mich für einen Job eingeschrieben hätte, dann hätte ich sowieso daheim ausziehen, und mein eigenes Leben führen dürfen.

Nicht, dass ich Cato nur aus dem Grund geheiratet hätte.

So ein Mensch war ich nicht.

Also ja ... Heiraten war nie mein Traum gewesen.

Mein Traum war Liebe.

Akzeptanz.

Geborgenheit.

Familie.

Und genau das sah ich - vor meinem inneren Auge, während mein Körper im Restaurant verweilte.

Ich sah ein Haus.

Ein Haus aus dunkelbraunem Holz mit schwarzen Dachschindeln. Im Hintergrund die hohen Berge und tiefen Täler von Distrikt zwei. Der Himmel hatte eine dunkle Farbe angenommen und man wartete sehnsüchtig auf den ersten Schnee. Der Wind heulte und schickte seine Böen über den sorgfältig gepflegten Garten, der das Haus umgab.

Ein Mann mit eisblauen Augen und kurzen blonden Haaren, und eine Frau, die einen französischen Zopf trug, saßen Hand in Hand auf einer dunkel lackierten Schaukel, während vor ihnen ein kleines Mädchen, dessen Haar im untergehenden Licht der Sonne wie geschmolzene Schokolade schimmerte, mit den herumliegenden Steinen spielte.

Nein.

Mit aller Macht riss ich mich von diesen Bildern los, und schnellte in die Gegenwart zurück.

Nicht.

Nicht daran denken.

Das macht alles nur noch schlimmer ...

Aber es war mir plötzlich unmöglich, nicht daran zu denken.

Cato hatte Recht behalten.

Ich hätte eine Zukunft haben können, wären die Hungerspiele nicht gewesen.

Wir hätten eine Zukunft haben können.

Wir und dieses kleine Mädchen mit den Schokoladenhaaren und den Kleeaugen, dessen Namen ich nicht kannte, und das ich mir plötzlich (trotz meiner sechzehn Jahre) so dringend wünschte, dass es mir Tränen in die Augen trieb.

Ich wollte diese Zukunft.

Ich wollte das Haus, ich wollte Cato, und ich wollte dieses Kind, mein Kind, unser Kind.

Ich wollte nicht sterben.

Ich wollte den Rest meines Lebens in Distrikt zwei verbringen, umgeben von den Bergen und Tälern.

Ich wollte dort alt werden, in diesem Haus, mit Cato.

Ich wollte diesem Mädchen - unserer Tochter - dabei zusehen, wie sie heranwuchs.

Ich wollte alles für sie sein, und mehr - ich wollte ihre beste Freundin, ihre Vertraute, ihre Mutter sein.

Wie konnte man jemanden so sehr lieben, obwohl man ihn gar nicht kannte?

Ein Kloß formte sich in meinem Hals.

Das alles - diese Zukunft - würde ich niemals bekommen.

So eine Zukunft gab es für mich nicht.

Dieser Gedanke schickte Feuer in mein Herz, verkohlte es von innen.

Es zerstörte mich.

Krampfhaft schloss ich die Augen.

Ich konnte die Tränen, die an meinen Wimpern hingen, fühlen; konnte fühlen, wie sie auf meine Wangen tropften und ihre Spuren über mein erhitztes Gesicht zogen.

»Was - was soll nur aus uns werden? Was sollen wir machen?« Meine Stimme klang mehr als heiser, als ich schließlich das Wort ergriff.

Cato lächelte traurig und streichelte meine Hand.

»Wir können gar nichts tun. Sicher, wir können über die Arena und über uns reden, aber ... Es wird keine hundertprozentige Chance geben, dass alles genau so abläuft, wie wir es planen. Und außerdem ... auch Pläne ändern sich.«

Ich nickte, und strich mir ein paar lästige Haarsträhnen aus dem Gesicht.

»Ich muss dir was sagen, ich - ich hab Angst. Angst vor dem Einzeltraining; Angst, dass ich - dass ich versage.«

Cato schüttelte entschlossen den Kopf.

»Du wirst nicht versagen. Du bist die verdammt nochmal beste Messerwerferin, die ich kenne. Wir beide haben so viele Prüfungen durchgestanden, und fast immer mit Bestnote abgeschnitten. Das hier ist nichts anderes.«

»Bei all diesen Prüfungen ... da hatte ich auch mal schlechte Tage. Und dann hab ich alles versaut. Was, wenn morgen ein schlechter Tag ist?«

Bis zu diesem Moment hatte ich keine Ahnung gehabt, wie sehr mir die Angst, morgen beim Einzeltraining zu versagen, wirklich zu schaffen machte.

Cato drückte meine Hand. Sein Blick war so entschlossen, dass ich glaubte, ihm würden gleich saphirfarbene Funken aus den Augen schießen.

»Jetzt hör mir mal zu. Du bist Clove Kentwell. Du bist mutig, du bist stark, du bist talentiert, und du bist wunderschön. Und du kannst das. Morgen ist kein schlechter Tag - wahrscheinlich auch kein guter, bedenkt man die Tatsache, wo wir uns hier befinden - aber er ist auch nicht schlechter als heute oder gestern. Du schaffst das. Du kannst sie begeistern, zuerst mit deinen Fähigkeiten, und später mit deiner ganzen Art, mir dir. Ich weiß, dass du morgen unglaublich sein wirst. Weil du immer unglaublich bist.«

Ich lächelte. Tränen standen in meinen Augen - Tränen der Liebe, Tränen der Dankbarkeit - während sich in meinem Herzen ein warmes Gefühl ausbreitete.

»Danke, dass du an mich glaubst, wenn ich es nicht tue - und auch wenn es tue. Das bedeutetet mir so viel.«

»Immer«, sagte Cato.

Es klang wie ein Versprechen. In diesem Moment wusste ich, dass ich niemals an seiner Loyalität zweifeln musste. Er liebte mich, mit allem was ihn ausmachte.

Er liebte mich, und ich liebte ihn.

Plötzlich kam unser Kellner mit einem Tablett zurück.

Ich räusperte mich vernehmlich, und Cato ließ meine Hand los.

Verstohlen wischte ich mir über die Augen.

»Ihre Vorspeisen.«

»Danke«, lächelte ich, als der Mann Catos Suppe, meinen Salat und unsere Getränke vor uns hinstellte. Kaum hatte er das getan, verschwand er auch schon wieder und wir waren allein.

Stumm starrten wir auf unser Essen.

»Wir haben jetzt noch - wie viele Tage zusammen, bevor die Arena anfängt?«

»Zwei«, antwortete ich. »Vielleicht auch drei.«

Das kam ganz darauf an. Morgen stand auf jeden Fall das Einzeltraining samt Punktevergabe auf dem Plan, und dann mussten wir abwarten, ob die Produktionsfirma der Hungerspiele die Interviews für den nächsten, oder für den übernächsten Tag ansetzte.

»Drei«, meinte Cato düster.

»Noch drei Tage, mit dem Mädchen, das ich liebe.«

»Schätze, dann machen wir wohl das Beste daraus, was?«, sagte ich.

Mein Lachen klang zu zittrig, als dass er es mir abgekauft hätte.

Unsere Hände verschränkten sich erneut.

»Ich liebe dich«, platzte es aus mir heraus.

Cato hob den Kopf.

Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, woraufhin mein Herz einen kleinen Sprung vollführte.

»Ich weiß. Ich dich auch.«

Und das war er.

Der perfekte Moment.

Wir, zusammen, uns an den Händchen haltend, mit einem Lächeln auf den Lippen.

Essen, Restaurant, Kerzenschein, Sekt ...

Es war alles perfekt.

Und das Beste war ... der Moment hatte Bestand.

Er verging nicht, während wir unsere Vorspeisen aßen, uns dabei immer wieder anlächelnd.

Und um den perfekten Moment noch perfekter zu machen - das Essen war wirklich köstlich.

Ein Traum.

Frischer Kopfsalat, in Kombination mit zarten Lachsstückchen, und cremigem Sahnedressing ...

Innerhalb von Minuten hatte ich alles aufgegessen und hätte mir am liebsten eine zweite Portion herbeigewünscht.

Auch Cato schwärmte von seiner Hühnersuppe.

Während wir auf unser Hauptgericht warteten, redeten wir über unverfängliche Themen - Themen, die uns weder Trauer noch Leid entlockten.

Und auch als unser Essen schließlich dampfend heiß vor uns stand, brach unser Gespräch nicht ab.

Es war ein wunderschöner Abend, an dem wir uns - zumindest, nachdem wir aufgehört hatten, über die Arena zu sprechen - keine Gedanken mehr um unerfüllte Zukunftswünsche machten.

Nachdem ich mir unter größter Anstrengung den letzten Bissen Lammkotelett in den Mund gestopft hatte, war ich so pappsatt, dass ich nicht mal mehr in der Lage war, die Lippen zu öffnen, um die letzte rote Kartoffel zu verzehren, die in einem Rest brauner Soße auf dem ansonsten blitzblanken Teller herumrollte.

Verstohlen wollte ich eine Serviette darüber drapieren, und diese mit meinem Besteck kredenzen, da erbarmte sich Cato der Kartoffel und steckte sie sich in den Mund.

Nachdem der Kellner unser Geschirr abgeräumt, und Cato ihm eine dunkelblaue Karte, auf der ein Sack voller Goldmünzen abgebildet war, gezeigt hatte, zog der Mann diese durch ein schmales Gerät an seiner Hüfte.

Etwas blinkte auf, und er lächelte zufrieden.

»Vielen Dank für Ihren Besuch. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend«, verabschiedete er uns herzlich.

»Für Sie ebenfalls.«

Diesmal war mein Lächeln echt.

AUF den Fluren herrschte wieder einmal viel Betrieb - die meisten Kapitolbewohner steuerten jetzt offenbar auf die Bowlinghalle oder den Balkon mit den Pools zu, sodass wir uns unsanft an ihnen vorbeidrängelten, bis wir schließlich aufgaben, und uns vor eine offene Lücke stellten, welche man in die Wand des Gebäudes eingelassen hatte, und von der aus wir einen prächtigen Blick auf das nächtliche Kapitol erhaschten.

Stumm starrten wir in die tintenschwarze Dunkelheit.

Bunte Lichter blitzten hier und da auf, ergänzten den Strom der hellen, feenhaften Beleuchtungen in den Fenstern und Parks.

»Wunderschön, hm?«

Ich nickte bloß.

»Aber irgendwie bevorzuge ich hohe Berge und einen verdammt kalten Wind«, fügte Cato hinzu und grinste.

Ich lächelte ebenfalls, und kuschelte mich mit in seine olivfarbene Sportjacke.

Dann sprachen wir nicht mehr.

Stattdessen verharrten wir in unserer Umarmung und genossen das Schauspiel der Lichter vor unseren Nasen.

Und obwohl der Wind an unseren Haaren und unserer Kleidung zerrte - uns drängte, auf unsere Zimmer zurückzukehren - verweigerten wir die Aufforderung.

Wir beide wollten diesen Moment, diesen perfekten Abschluss des Abends so lange aufrecht erhalten, wie es nur möglich war.

Es gelang uns - besser, als wir erwartet hatten.

Der Moment schien ewig anzudauern.

Nicht, dass ich mich beklagt hätte.

Oh nein.

Ganz im Gegenteil.

Für diesen einen Moment war ich einfach nur ... glücklich.

Und für den Augenblick ... war das genug.

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