♯Cнαpтer 36 ~ Heαrтғelт Syмpαтнy.
Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!
Wie versprochen geht es heute mit der Geschichte weiter - eine echte Tortur, dieses Kapitel in so kurzer Zeit fertig zu bekommen, aber ich glaube, es hat sich gelohnt!
Es gibt mal wieder ganz großes Gefühlschaos - Glimmers und Cloves Freundschaft vertieft sich, Clove macht eine neue Bekanntschaft und - leider - kommt es am Ende auch zum Streit zwischen ein paar Personen.
Ich weiß, ich sagte, dieses Kapitel wäre eine schöne Einleitung für den Weihnachtsmonat Dezember - aber das war nicht der Grund, wieso ich es heute hochgeladen habe. Jedenfalls nicht der einzige Grund. Der Hauptgrund ist ... meine wundervolle, supersüße, und liebste Schwester und ihr Geburtstag. Ich möchte also an dieser Stelle - und mit diesem Kapitel als kleines Bonusgeschenk - TheDarkTemptation gratulieren.
Alles, alles Gute, Mausi. Ich liebe Dich so sehr, und bin so glücklich, dass wir immer noch alles zusammen machen. Wenn ich mit Dir zusammen bin, dann hab ich immer unendlich viel Spaß, und vergesse volkommen die Zeit - Reden bis um halb vier eingeschlossen. Ich bin so glücklich, Dich in meinem Leben zu haben. Du bist meine beste Freundin. Ich liebe Dich. Dieses Kapitel ist für Dich <3 Ich hoffe, es gefällt Dir. Ich hab Dich lieb - das kann ich gar nicht oft genug sagen <3
Danken möchte ich an dieser Stelle auch denen, die mich seit dem letzten Update unterstützt haben - NymeriaTargaryen, Chrissitinchen, TheDarkTemptation, BlackGirlNumber1, JoanaJawia und AnnixEspinosax. Danke für Alles <3
Ich wünsche jedem von Euch einen wunderschönen Dezemberanfang. Das nächste Update ist zu Weihnachten geplant, bis dahin wünsche ich Euch außerdem noch eine schöne Restwoche, ein wundervolles Wochenende, plus festlichem zweiten Advent, eine tolle Vorweihnachtszeit und natürlich:
Vιel Spαß вeιм Leѕeɴ! Eυre Zoey <3
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♯Cнαpтer 36 ~ Heαrтғelт Syмpαтнy.
❝i've got a secret. can you keep it?❞
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ICH war in einem Winterwunderland. Eindeutig. Anders konnte ich meinen Ausflug in die gläserne, silberne und filigrane Welt, die sich Etage eins des Trainigscenters nannte, nicht beschreiben.
Ich war mir ziemlich sicher, dass mein Mund vor lauter Staunen weit offen stand, schon seit ich einen Fuß aus dem Fahrstuhl und auf den schimmernden altrosa Boden gesetzt hatte, doch Glimmer schien sich daran nicht zu stören.
Nein, die hübsche Blondine, die perfekt in diese zauberhafte Umgebung passte, lief geduldig neben mir her, und nahm mein Staunen, sowie meine offensichtliche Sprachlosigkeit leise lächelnd zur Kenntnis.
»Das ... das ist ... wow«, stammelte ich, als mein Gehirn schließlich wieder in der Lage war, ein paar Worte aneinanderzureihen.
»Ich weiß«, sagte Glimmer.
Noch immer staunend, fuhr ich mit meinen Fingern vorsichtig über die hohen Wände.
Sie waren aus Glas.
Und in das Glas ... in das Glas waren tausende, winzig kleine Diamanten eingesetzt worden.
Eisblau, tiefrosa und kaltweiß waren die Farben der Strahlen, die sich aus den langstieligen tropfenförmigen Lampen wanden.
Sie tränkten die Wände und den Boden in einem Glanz aus flüssigem Sternenlicht.
Auch an der metallisch wirkenden Decke, die sich über unsere Köpfe zog, waren elfenhafte Lichter angebracht worden.
Es war so wunderschön.
Der Speisesaal, der Wohnbereich, und die Schlafzimmer des Betreuerstabs waren offenbar genau dort angelegt, wo sie sich bei uns auch befanden - doch statt kantigen, massiven Holztüren, waren diese hier silbern leuchtend, elegant, teilweise aus Glas, und mit unechten metallischen Blumenranken, Blättern, Lichtern und anderen kunstvollen Verzierungen geschmückt.
»Ist das Distrikt eins?«, fragte ich leise und strich über eine der gewundenen Blumenranken.
Glimmer lächelte. Es wirkte ein bisschen wehmütig. Verständlich.
»Ja, im Großen und Ganzen. Zumindest denkt man dabei an die schönen Teil der ›silbernen Stadt‹«, murmelte sie leise und strich sich gedankenverloren einen ihrer Zöpfe zurück.
Ich hob leicht die Brauen, sagte jedoch nichts.
Auch da ich jetzt sicher schon seit fünf Minuten hier im Gang verweilte, war ich noch immer von der Schönheit dieses Ortes überwältigt.
Es war ... es war einfach zauberhaft.
Futuristisch, modern, galaktisch.
Elfenhaft, unwirklich, elegant, graziös.
Zerbrechlich.
Traumhaft.
Eine Welt aus Fantasie, glockenhellem Lachen und Schönheit - echter, ungetrübter Schönheit.
Eine Welt, in der Gewalt, Blut, Schmerz und Tod keinen Zutritt fanden.
Doch so schön all das auch sein mochte, es war ebenso eine Illusion, wie die groben Erdtöne in dem Meer aus Gold und Bronze, die die zweite Etage bestimmten.
Diese Farben, diese Formen - sie erinnerten uns an unsere Heimat.
Distrikt eins, die silberne Stadt, schillernd und luxuriös, eine Miniaturausgabe des Kapitols.
Und Distrikt zwei, das antike goldene Reich, mit seinen Kolosseen, Tempeln und Statuetten, und den tapferen Kriegern, in ihren prunkvollen Häusern.
Zuhause.
Ein Ort, an den wir vermutlich niemals zurückkehren würden.
Vielleicht war das ja Absicht.
Vielleicht wollten die Erbauer des Trainingscenters uns ein Gefühl von Heimkehr geben, wann immer wir unser Zimmer betrachteten.
Oder aber, sie wollten uns mit dieser Nachbildung nur zeigen, was wir verloren hatten.
Ein Schlag ins Gesicht.
Zusätzlicher Schmerz.
Wehmut.
Ja. Das war wahrscheinlicher, so wie ich das Kapitol kannte.
Ich schluckte schwer.
Nachdem wir die Biegung des Flurs passiert hatten, standen wir vor zwei identischen Türen, die halbseitig mit Glas bedeckt waren. Glimmer wandte sich zur letzten, ganz rechts, und betätigte einen Knopf, der sich in einer der Blütenranken versteckt hatte.
Sofort glitt die Tür zur Seite und gab den Blick auf ein Zimmer frei.
Ein wunderschönes Zimmer, wohlgemerkt, noch schöner als der eindrucksvolle Flur.
Überall war pink.
Und gold.
Und violett.
Das Erste, was mir auffiel, war, dass es keine richtige Tapete gab.
Das, was die Wände bedeckte, sah aus wie flüssiger Sternenstaub.
Tiefrosa, und mit so vielen Glitterpartikeln, dass mir schwindlig wurde.
Marmor, wie ich feststellte, als ich mit der Hand darüberfuhr. Marmor, und noch etwas anderes. Etwas, das den Marmor wirken ließ, als wäre er ein Wasserfall, der die Wände hinunterbrandete.
Die Decke war ähnlich gestaltet, nur fanden dort noch mehr goldene Farbtupfer ihren Platz.
Vereinzelt zogen sich auch violette Schlieren durch den rosaroten Strudel, und erzeugten damit die Wirkung eines aufgewühlten Ozeans, der sich bei jedem nicht vorhandenen Windhauch aufbäumte und gewaltige Wellen herbeirief.
Wild und dramatisch und ungezähmt.
Das Kapitol hatte echt 'ne ausgefeilte Technik, das musste man schon sagen.
Ansonsten war das Zimmer meinem nicht unähnlich.
Deckenhohe Fenster mit Aussicht auf das Kapitol, eine zweite Tür mit Zutritt zum angrenzenden Badezimmer, und der Boden, ausgelegt, mit flauschig weichem, goldenem Teppich.
»Glaubst du, das sieht gut an mir aus?«
Ich drehte mich um.
Glimmer saß auf ihrem prächtigen, mit Kissen überhäuftem Bett und hielt zweifelnd ein schmal geschnittenes, hellblaues Kleid in die Luft.
Ich hob die Brauen. »Dir ist schon klar, dass man beim Bowlen besser 'ne Hose anzieht - und praktische Schuhe«, ergänzte ich, als ich einen Blick auf die zwanzig Zentimeter hohen Heels in Lederoptik erhaschte, die gleich neben ihr lagen.
Glimmer winkte unbekümmert ab. »Klar. Aber ich bowle sowieso nicht mit. Bin gestern in der Dusche über was gestolpert und hab mir den Fuß ein bisschen angeschlagen. Inzwischen geht es zwar wieder, aber bevor ich mir noch was Ernstes tue ...«
Sie zuckte leicht bedauernd mit den Schultern.
»Okay. Kein Ding. Aber du feuerst mich an, klar?«
Glimmer nickte grinsend und schickte mir einen Luftkuss.
»Na sicher, Darling. So, und jetzt zisch mal ab ins Bad. Ich werd derweil nach oben sprinten, und dir ein paar Klamotten suchen. Dein Trainingszeug kannst du auf die Ablage am Waschbecken legen; ich sorge dafür, dass es morgen frisch gewaschen und gebügelt in deinem Zimmer liegt. Und jetzt husch, husch!«
»Zu Befehl, Ma'am!«, scherzte ich und verschwand im Badezimmer.
»Benutz ruhig das Klo, falls du musst«, rief Glimmer mir durch die Tür hindurch zu.
Ich schüttelte lachend den Kopf.
Der Raum, der das Badezimmer darstellte, war ebenfalls äußerst prächtig gestaltet.
Wände aus hellen cremefarbenen Marmorfliesen, ein beheizter goldener Marmorboden, beigefarbene Akzente, und weiße Badezimmermöbel. Zusätzlich zu einer halbseitigen Glasdusche, entdeckte ich weiter hinten auch noch einen prachtvollen Whirlpool aus hellbraunem Stein.
Ich duschte ausgiebig und griff dann nach den Klamotten, die Glimmer mir hingeworfen haben musste, während ich mich mit heißer Luft hatte abtrocknen lassen.
Prüfend betrachtete ich ihre Auswahl.
Schwarze schlichte Unterwäsche, eine kurzärmelige Blusentunika in Dunkelblau, und eine seidige, pechschwarze Hose.
Ganz mein Geschmack, und nicht allzu aufwendig.
Glimmer hatte wirklich ein Händchen für Mode.
ღ
ALS ich aus dem Bad kam, saß Glimmer auf ihrem riesigen Bett - ehrlich, ich zählte ungefähr fünf aufgestapelte Decken, die auch gut als Matratzen herhalten konnten - und nestelte an einem Schminkkoffer herum.
Sie hatte sich ebenfalls umgezogen, und trug nun das Kleid, das sie mir vorhin präsentiert hatte.
Wie nicht anders zu erwarten, war es wunderschön.
In den hellblauen Stretchstoff, der Glimmers Kurven perfekt umschmeichelte, waren verschiedene Blau und Grüntöne eingebunden, sodass es wirkte, wie ein geometrisches Meisterwerk.
Die blonden Haare, nun wieder aufgeflochten, fielen ihr in weichen Wellen bis knapp über die Schultern.
Die waldgrünen Augen wurden von türkisfarbenem Lidschatten und kohlschwarzem Eyeliner in Szene gesetzt, und auf ihren vollen Lippen lag ein schlichter roséfarbener Glanz.
»Na, jetzt sieh dich an - schick und sportlich. Immer noch du selbst, obwohl ich deine Kleidung ausgesucht hab. Ich muss sagen, ich bin wirklich unglaublich stolz auf mich.«
Ehe ich so recht wusste, wie mir geschah, zog sie mich mit einer Hand zu sich, sodass ich überrascht neben ihr auf die Matratze plumpste.
»Was-«
»Na, na, wir sind noch nicht fertig. Deine Augen schreien förmlich nach einem guten Make-up. Du kannst dich freuen - Smokey Eyes sind angesagt«, kicherte sie und schüttelte ihren Schminkkoffer, sodass die Utensilien darin um die Wette klapperten.
»Glimmer-«, versuchte ich zu protestieren, doch sie drückte mich bestimmt neben sich aufs Bett.
»Keine Widerrede. Die Jungs werden schon auf uns warten. Was bleibt ihnen auch anderes übrig?«
Schweren Herzens musste ich einsehen, dass ich diesen Kampf verloren hatte, und gab mich seufzend geschlagen.
»Na schön.«
Während der nächsten Minuten versuchte ich angestrengt, nicht zurückzuzucken, wenn der stachelige Schminkpinsel auf mein Gesicht traf.
Glimmers Seufzen zufolge, war diese Unternehmung nicht gerade von Erfolg gekrönt.
»Augen auf«, zwitscherte sie schließlich und ich gehorchte widerstrebend.
Glimmer drückte mir einen goldenen Spiegel in die Hand und ließ mich staunend mein neues Make-up bewundern.
Und das tat ich.
»Wow«, flüsterte ich und drehte meinen Kopf ein paar Mal hin und her.
Schwarzer Glitter blitzte im Licht der Lampen auf.
Glimmer bemerkte meinen Blick und schenkte mir ein triumphierendes Grinsen.
»Was hast du erwartet? Ich bin ein Profi, Darling. Und du siehst einfach nur heiß aus - ich wette, Cato kriegt seinen Mund vor Staunen gar nicht mehr zu!«
Ich schüttelte kichernd den Kopf, musste jedoch zugeben, dass meine düster geschminkten Augen auf jeden Fall Eindruck machten.
»Danke. Sieht super aus«, sagte ich und lächelte, bevor wir beide das Zimmer verließen, und uns auf den Weg zur Bowlinghalle machten.
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»UND wo lang jetzt?«, fragte Glimmer, die sich ein paar Schritte hinter mir befand, und sich die Seiten hielt. Offenbar waren ihre Heels wirklich keine gute Wahl gewesen, wenn sie jetzt schon über Seitenstechen klagte. Und wir hatten noch nicht mal die Etage verlassen.
Ich sah sie mit leicht erhobenen Brauen an.
»Wie bist du denn damals auf die Balkons gekommen?«
»Nach der Parade war ich mit Fawn in einem Spa ... wie ich dahin gekommen bin, weiß ich allerdings auch nicht mehr. In diesem Gebäude verirrt man sich so leicht«, rechtfertigte sie sich, und folgte mir, als ich in den Fahrstuhl stieg, der zum Glück noch nicht nach oben oder unten gefahren war.
»Und jetzt? Ich dachte, wir fahren nicht mit dem Fahrstuhl.«
»Tun wir auch nicht. Aber der Fahrstuhl befindet sich in der Mitte des Trainigscenters. Er bringt uns zu unseren Etagen, die auf der einen Seite angelegt sind. Wenn wir also jetzt eine von diesen Tasten drücken«, sagte ich und zeigte auf ein Tastenfeld, unterhalb der Tastatur für die Etagen der Tribute, »fahren wir-«
»-auf die andere Seite hinüber. Verstehe«, nickte Glimmer, und sah neugierig zu, wie sich der Fahrstuhl über unseren Köpfen aus seiner ursprünglichen Halterung löste, und rasch auf die andere Seite des Gebäudes hinüber schwebte.
Dort angekommen, folgten wir den Ausschilderungen durch ein paar cremeweiß gekachelte Flure und standen dann vor einer breiten Treppe aus weißem Stein.
»Jetzt beginnt der harte Teil«, warnte ich Glimmer, und nahm die erste Stufe in Angriff.
Immer mehr Stufen folgten.
Glimmer gab sich wirklich Mühe, mit mir mitzuhalten (war ja auch nicht so als würde ich besonders zügig vorankommen), doch offenbar konnte sie auf ihren Heels so gut wie gar nicht laufen.
Ich besah sie mitleidig - was sie ignorierte - und war äußerst dankbar über meine einfachen dunkelblauen Turnschuhe.
»So - schwer - wäre es sicher nicht, hier auch noch einen - einen Aufzug hinzubauen«, keuchte sie, und hielt sich angestrengt die Seite, als wir auf der Hälfte der Strecke eine kleine Pause einlegten, um wieder zu Atem zu kommen.
Ich wollte ihr gerade zustimmen, doch noch bevor ich den Mund aufmachen konnte, ertönte plötzlich eine andere Stimme direkt neben uns - woraufhin ich beinahe die Treppe heruntergefallen wäre, und Glimmer ein entsetztes Quieken von sich gab.
»Schwer vielleicht nicht, aber die Kostenfrage ist entscheidend. Und wieso sich die Mühe machen, wenn den nächsten Tributen vielleicht ein ganz anderes Trainingscenter zugewiesen wird?«
Der Schatten, der neben uns aus einem fast verborgenen Gang aufgetaucht war, nahm langsam Gestalt an.
Er sah nicht aus wie ein Friedenswächter; das typische Weiß fehlte vollkommen, stattdessen trug er einen pechschwarzen Ganzkörperanzug aus einem robusten Material, wahrscheinlich verstärktes, kugelsicheres Leder - und doch verriet mir das silbern geschliffene Abzeichen mit dem Wappen Panems, das auf seiner Brust prangte, seine wahre Berufung.
Seine Augen waren saphirblau.
Hart und kalt und stählern.
Sein Haar war kurz und ebenso schwarz wie seine Kleidung.
Um seine Lippen spielte ein amüsiertes Lächeln, nicht gänzlich herablassend, aber auch nicht sonderlich freundlich.
Er war gutaussehend, auf eine kalte und ernste Art.
Ich runzelte die Stirn.
Irgendwie kam mir dieses Gesicht bekannt vor.
Ich schielte zu Glimmer, die verdächtig still war, und deren Gesicht zu meiner Überraschung eine ungesunde, kalkweiße Farbe angenommen hatte.
Was zum Teufel ...?
»Miss Lovelace. Wie schön, Sie wiederzusehen«, meinte der Friedenswächter mit einem kleinen, ironischen Lächeln.
Seine Stimme war angenehm und einschüchternd zugleich; tief und durchdringend und äußerst autoritär.
Meine Stirn legte sich in Falten.
Wiederzusehen?
Wann hatten sie sich denn das letzte Mal gesehen?
Ein fragender Blick zu Glimmer zeigte, dass der weiße Kalk inzwischen einer flammenden, überreifen Tomate glich, was mich dazu veranlasste, meine Augenbrauen in meinem Haaransatz verschwinden zu lassen.
Das war ... seltsam.
Total seltsam, um ehrlich zu sein.
Diese ganze Situation war seltsam.
Vielleicht ist der Typ ein Stalker, der es auf Glimmer abgesehen hat, schoss es mir irrwitzig durch den Kopf. Am liebsten hätte ich schnaubend aufgelacht.
Obwohl, Glimmers ängstlichem Gesichtsausdruck zufolge ...
Ich stutzte.
Wartet mal ...
Diesen Gesichtsausdruck hatte ich schon mal bei ihr gesehen.
Und plötzlich ... plötzlich fiel es mir wieder ein.
Ich hatte Recht behalten.
Ich hatte diesen Kerl schon einmal gesehen und es war keine erfreuliche Begegnung gewesen. Er war einer der beiden Friedenswächter, die Glimmer gestern beim Mittagessen abgeführt hatten.
Aber wieso hatten sie sie abgeführt?
Diese Frage beschäftigte mich in diesem Moment mehr denn je.
Irgendeinen Grund musste es gegeben haben, auch wenn Glimmer mir diesen nicht verraten wollte - und das, obwohl ich sie beim Frühstück extra danach gefragt hatte.
Ich erinnerte mich noch genau, wie sie meine Fragen diesbezüglich abgeblockt hatte.
Sie war wütend gewesen. Und angriffslustig.
Und Marvel ...
Marvel und sie hatten ein paar wirklich seltsame Kommentare vom Stapel gelassen.
Ich glaubte mich vage daran zu erinnern, wie sie sich um die Zeit gezankt hatten, wann wer ins Bett gegangen war. Marvel war offenbar sofort eingeschlafen, und hatte Glimmer dann mit ungewöhnlich kalter Stimme gefragt, wie es bei ihr aussah.
Dass sie ihm versichert hatte, sie wäre ebenfalls früh ins Bett gegangen, war nicht das Seltsame an der Situation gewesen; es war die Art, wie sie es gesagt hatte. Provokativ und herausfordernd, mit einem so wissenden Unterton.
Es war die Art, wie Marvel - der gutmütige, liebe Marvel - daraufhin wütend das Gesicht verzogen und spöttisch geschnaubt hatte.
Mein Stirnrunzeln vertiefte sich.
Glimmer hatte mir heute Morgen erzählt, sie wäre gestern noch in einer Bar gewesen. Seneca hätte sie dort belästigt.
Vielleicht hatte sie diesen Kerl also in der Bar getroffen?
Oder er war mit ihren Mentoren befreundet?
Oder kannten sie sich etwa von daheim? War er vielleicht in Distrikt eins stationiert?
»Und Sie müssen Miss Kentwell sein. Ich habe bereits viel von Ihnen gehört«, riss mich die tiefe Stimme des Friedenswächters aus meinen Gedanken.
Ich schreckte hoch.
Der Friedenswächter betrachtete mich nachdenklich.
Ich unterdrückte meine Neugier, und die Absicht, zu fragen, wo er von mir gehört hatte.
Der Typ tat ja gerade so, als wäre ich etwas ganz Besonderes, dabei war ich keine größere Nummer als all die anderen Tribute. Zumindest glaubte ich das. Ich gehörte zwar zur Karrierofraktion, aber es war von jeher Cato, der von allen vierundzwanzig Tributen die meisten Sponsoren bekommen würde. Der bereits jetzt schon als neuster Sieger gehandelt wurde, und auf der Liste der Favoriten ganz weit oben stand.
Ich hatte gehört, wie Helios und Raina darüber geredet hatten. Nicht, dass es mir etwas ausmachte, dass Cato bei den Massen so beliebt war. Das war von vornherein klar gewesen, und ich war keinesfalls eifersüchtig auf ihn. Im Gegenteil, je mehr Sponsoren er bekam, desto besser. Das garantierte, dass wir vielleicht ein paar Tage länger zu leben hatten, und ich würde mich mitnichten darüber beklagen.
Der schwarzhaarige Friedenswächter erwartete offenbar irgendeine Antwort meinerseits, also zwang ich mich zu einem freundlichen Lächeln.
»Wie schön. Hoffentlich nur Gutes, Mister-?«
»Crane«, sagte er langsam.
Seine Augen schienen zu funkeln, und seine Gesichtszüge waren angespannt.
Ich runzelte die Stirn.
»Crane? Sind sie dann vielleicht verwandt mit dem obersten Spielmacher, Seneca Crane?«
Der Friedenswächter lächelte. Es war kalt, berechnend, und hinterlistig.
»In der Tat. Thor Crane, der jüngere Bruder, um genau zu sein. Oberster Spielmacher ist ein anspruchsvoller Job, wie mir Seneca immer wieder ins Gedächtnis ruft, doch ich kann Ihnen versichern, oberster Friedenswächter ist auch nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.«
Oberster Friedenswächter.
Nun, das erklärte zumindest die schwarzen Klamotten und das prunkvolle Abzeichen.
Trotzdem fragte ich mich, was Glimmer Schlimmes verbrochen hatte, dass der oberste Friedenswächter sich ihrer annehmen musste.
Und wieso sie zuerst so ängstlich und jetzt ...
Jetzt wirkte sie plötzlich total verlegen, und mied sowohl meinen, als auch Thor Cranes Blick.
Ich war wirklich kurz davor, frustriert aufzustöhnen.
Wieso - wieso nur hatten hier alle Geheimnisse?
Curran, Finch, und jetzt auch noch Glimmer.
Wieso konnte mir eigentlich keiner verraten, was los war?
Ich war echt kein Fan vom Rätselraten.
Thor Crane lächelte erneut - wissend und irgendwie herausfordernd, was für mich überhaupt keinen Sinn mehr ergab.
Wollte er, dass ich irgendetwas herausfand?
Wie so oft hatte ich leider überhaupt keine Ahnung und das frustrierte mich.
Ich seufzte und schüttelte meine wirren Gedanken ab.
Vielleicht blieben sie jetzt endlich mal weg und klammerten sich nicht gleich wieder an mich.
Ich konnte hier keinem helfen, wenn mir keiner verriet, was Sache war.
So einfach war das.
»Glimmer, wir müssen weiter«, wandte ich mich an die Blondine, und zog mich dann, meinen eigenen Rat befolgend, am Treppengeländer hoch. Meine Füße protestierten schmerzhaft, aber das war mir jetzt egal. Nur weg von Thor Crane, und irgendwelchen Fragen, auf die ich keine verdammten Antworten hatte.
Glimmer erhob sich langsam von der Treppenstufe, auf der sie sich ausgeruht hatte.
Ihr Blick huschte zwischen mir und Thor Crane hin und her.
Ich seufzte genervt. »Glimmer, ich weiß ja nicht, was du für Bekanntschaften hast, aber ich finde, wir sollten Cato und Marvel nicht länger als nötig warten lassen, meinst du nicht auch?«
Die Blondine zuckte zusammen und senkte den Blick.
Ein Ausdruck von Schuld schlich sich auf ihre Züge, bevor sie sich an den Friedenswächter wandte.
»Clove - Sie hat recht. Wir müssen weiter. War nett, dich - äh, Sie wiederzusehen.«
Sie stammelte mehr, als dass sie sich verabschiedete, und all das mit seltsam hoher Stimme.
Seltsam.
Ich sag's ja.
Einfach nur seltsam.
»Ganz meinerseits, Miss Lovelace. Nun dann, viel Spaß noch. Ich werde jetzt erst mal meine Schicht in der Bowlinghalle in Angriff nehmen.«
Mir klappte fast die Kinnlade runter, als er sich an uns vorbeidrängte und nach oben abdampfte.
Natürlich nicht, ohne mir noch ein amüsiertes Lächeln zuzuwerfen.
Der Kerl war mir echt nicht ganz geheuer.
Und noch viel wichtiger, er hatte uns belauscht. Daran gab es keinen Zweifel.
Ich knirschte mit den Zähnen.
»›Meine Schicht in der Bowlinghalle in Angriff nehmen‹, dass ich nicht lache«, murrte ich vor mich hin, während ich meine Klamotten glatt strich. »So ein Stalker ...«
Anders konnte ich mir nicht erklären, woher er wusste, dass wir ebenfalls gerade auf dem Weg dorthin waren.
Andererseits ...
Frag sie doch einfach, schlug mein Unterbewusstsein vor.
Ich sah mich um, doch Glimmer war bereits an mir vorbeigedüst.
»Glimmer, warte, was-«
»Nein, nichts mit warten! Du hast doch gesagt, wir müssen uns beeilen!«, fauchte sie, packte meinen Arm, und zog mich hinter sich her.
Ich knurrte unwirsch, als ich zum dritten Mal Gefahr lief, die Stufen nach oben zu stolpern, und riss mich los.
»Glimmer, stopp!«
Augenblicklich hielt sie inne und wirbelte herum. Die smaragdenen Augen leuchtend, die Wangen gerötet, und mit einem wütenden, frustrierten Gesichtsausdruck, der mir nur allzu bekannt vorkam, sah sie mich an.
»Was ist?«
Ich beschloss, jetzt alles auf eine Karte zu setzen.
»Was hatte das eben zu bedeuten? Wer ist dieser Kerl? Was hat er dir angetan? Wieso - wieso wurdest du gestern verhaftet?«
All diese Fragen schossen in Sekundenschnelle aus mir heraus.
Es kümmerte mich nicht mehr, dass ich ihre Privatsphäre verletzte.
Oder wie zerbrechlich das Band war, das wir erst vor wenigen Stunden geknüpft hatten, und wie leicht es sich wieder auflösen konnte.
Glimmer schnappte nach Luft. Ihre Augen weiteten sich, und ihr Gesicht wurde noch röter. Die Lippen hatte sie zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
Sie wollte mich abblocken, mich ausschließen, das erkannte ich in ihren Augen.
Doch dann überraschte sie mich (und vielleicht auch sich selbst) und schüttelte den Kopf. Ihre Augen funkelten noch immer - vor Wut vielleicht - aber da waren auch Tränen, die sich in den grünen Tiefen bildeten.
Glimmer zitterte und griff nach dem Geländer.
Schweigend ließ sie sich auf die Stufen hinabsinken.
Ich setzte mich neben sie.
Nach einer Weile fing sie an zu sprechen.
Ihre Stimme klang monoton, hastig, als wolle sie das, was sie sagte, schnellstens hinter sich bringen.
»Ich hatte einen Ring. Er hat meiner Mutter gehört, sie hat ihn mir hinterlassen, nachdem sie in den vierundsechzigsten Spielen gestorben ist. Sie hat ihn dort getragen. Als - als sie starb.«
Sie strich sich mit zitternden Fingern die Haare aus dem Gesicht.
Ich wollte etwas sagen; wollte ihr sagen, sie solle aufhören, dass es dumm von mir gewesen war, mich in Dinge einzumischen, die mich nichts angingen; dass ich keine Ahnung gehabt hatte, doch Glimmer sprach einfach weiter.
»Er war eine ... er hatte einen Stachel, der vergiftet war. Sie dachten, ich hätte es gewusst. Damals war der Ring verloren gegangen, aber heute ... Deswegen haben sie mich abgeführt. Sie dachten, ich wüsste etwas. Thor hat erkannt, dass dem nicht so war. Er hat mich gehen lassen. Und wegen gestern Abend ...«
Sie stieß frustriert die Luft aus, rang sichtlich mit sich.
Ihre grünen Augen trafen auf meine, und ich bemühte mich, nicht zurückzuzucken. Ich wusste nicht, wonach Glimmer in den Tiefen meiner kleefarbenen Iris gesucht hatte, aber offensichtlich hatte sie es gefunden, denn sie brach nicht etwa ab und zischte von dannen, sondern fuhr mit ihrer Erklärung fort.
»Gestern Abend hat Seneca mich angemacht. Davon hab ich dir erzählt.«
Ich nickte.
»Ja.«
Sie seufzte rasselnd.
»Aber was ich dir nicht erzählt habe ... Thor kam und hat mich gerettet. Vor seinem eigenen Bruder. Wir haben ein bisschen geredet und gemerkt, dass wir uns ähnlicher sind, als wir dachten. Er hat sich für sein Benehmen und das ganze Verhör entschuldigt. Wir haben ... was getrunken. Irgendwann hat er mich auf mein Zimmer begleitet und ich hab - hab sinnloses Zeug von mir gegeben; Dinge, die ich am liebsten zurücknehmen würde. Er - ich weiß nicht. Er hat sich alles angehört, obwohl er es nicht gemusst hätte. Hat nicht gelacht. Ist geblieben, bis ich mich wieder beruhigt hab. Danach hat er sich verabschiedet und ... das war's«, sagte sie leise, zuckte mit den Achseln, und verschlang die Hände ineinander.
»Glimmer, es - es tut mir schrecklich leid«, war das Erste, was aus meinem Mund flog. »Es tut mir leid, dass ich dich bedrängt habe, ich-«
Mir fehlten die Worte, und ich wedelte sinnlos mit den Händen.
Glimmer lächelte beruhigend. »Clove, hey. Clove, ist schon okay. Ich - vielleicht brauchte ich ja jemanden, der mich bedrängt, einfach, um alles rauszulassen, und - ich - ich vertraue dir. Genug, um mich darauf zu verlassen, dass du es niemandem erzählst. Vor allem nicht Cato - der denkt nämlich, mein Distriktausweis hätte Probleme gemacht.«
Ich nickte. »Natürlich. Ich behalte es für mich, Ehrenwort. Weißt du ...«
Ich biss mir auf die Lippe, unschlüssig, ob ich bereit war, jemandem diese Informationen anzuvertrauen. Aber Glimmer hatte mir gerade ehrlich auf meine Fragen geantwortet - was sie nicht hätte tun müssen. Ich war es ihr schuldig, ebenfalls aufrichtig zu sein.
»Ich - ich hatte nie wirklich Freunde«, brach es aus mir heraus. Glimmer betrachtete mich geduldig, ihr Gesicht zeigte keinerlei Hohn oder Verachtung, wie ich es befürchtet hatte. Ich hatte immer geglaubt, wenn ich das jemals jemandem erzählte, dann käme ich mir klein vor, unbedeutend, erbärmlich, und würde mich schämen. Seltsamerweise war das gar nicht der Fall.
»Die alle, die haben mich gehasst. Verachtet. Ich war die Enttäuschung des Distrikts. Ich hab nie was anderes gekannt als Hass, und jeder, dem ich begegnet bin, war von Anfang an schlecht auf mich zu sprechen. Nach einer Zeit hab ich alle nur noch als Konkurrenz angesehen. Den Glauben an echte Freundschaft habe ich verloren - wenn ich ihn denn jemals gehabt habe.«
Ich sah auf meine Knie und wischte mir verstohlen über die Augen.
Glimmer schnalzte mit der Zunge.
»Wenn sie nicht erkannt haben, was sie an dir hatten, dann haben sie dich auch nicht verdient. So einfach ist das«, sagte sie und zog mich in eine kurze Umarmung. Ich ließ es geschehen, und lehnte mich an ihre Schulter.
»Wirst du es Marvel erzählen - ich meine, das mit Thor?«
Glimmer lachte.
Es klang hohl und bekümmert.
»Er weiß es schon. Und er ist ... Er redet nicht mehr mit mir. Es muss einfach daran liegen. Er hat irgendwas gesehen - oder gehört.«
Sie zupfte nachdenklich an einem Faden, bevor sie in die Hände klatschte und aufsprang.
»Nun ja, machen wir uns deswegen keine Gedanken - vor allem, mach du dir deswegen keine Gedanken. Ich regel das mit Marvel schon irgendwie.«
Ich nickte, ließ mich von ihr hochziehen, und gemeinsam setzten wir unseren Weg fort.
ღ
DIE Bowlinghalle war offenbar gut besucht - selbst durch die geschlossenen Türen konnte ich das Lachen und Johlen der Menschen dort drin hören.
Die gläsernen Türen waren nicht allzu schwer zu öffnen, und sobald wir eintraten, erblickten wir zwölf gebohnerte Bahnen, auf denen Kapitolbewohner und Friedenswächter lachend miteinander bowlten.
»Hey, da seid ihr ja endlich! Wir haben uns schon gefragt, was euch aufgehalten hat!«
Mit einem breiten Grinsen steuerte Marvel auf mich zu, hob mich hoch und wirbelte mich im Kreis umher, und drückte mir, kaum, dass er mich wieder abgesetzt hatte, ein Paar hellblaue Bowlingschuhe in die Hand.
»Hier, die sind für dich«, meinte er strahlend und begleitete mich zur kirschroten Sitzbank unserer bereits reservierten Bowlingbahn. »Cato sagte mir, du hättest Größe sechsunddreißig.«
»Da hat Cato Recht behalten«, erwiderte ich lächelnd, und ließ mich erschöpft in die weichen Polster sinken.
War.
Das.
Eine.
Wohltat.
Da ich mit einem schmerzenden Rücken und zickenden Schnürsenkeln zu kämpfen hatte, ging Marvel kurzerhand auf die Knie und band mir die Schuhe zu.
»Ihr aus Distrikt eins seid ja echte Kavaliere«, scherzte ich, als ich wenig später neben ihm stand, und zusah, wie er unsere Namen in den Computer eintrug.
Erst half mir Glimmer, suchte mir Klamotten heraus, und kümmerte sich rührend und meine Wäsche, und jetzt bewies sich Marvel als echter Gentleman beim Schuhezubinden.
»Wir tun, was wir können. Aber es ist ein harter Job. Sehr hart«, meinte er todernst, was uns beide wenig später in Gelächter ausbrechen ließ.
Bald schon hatte Marvel die Namen fertig eingetragen, und scannte den Bereich nach einer passenden Kugel.
Ich tat es ihm gleich - und stellte mit Unbehagen fest, dass mir alle bisherigen Kugeln viel zu schwer waren.
Ich war so vertieft in meine krampfhafte Suche, dass ich nicht mitbekam, wie Marvels Miene immer düsterer wurde, bis sie - als ich dann doch endlich aufsah - fast schon einem Gewitter glich.
»Marvel? Alles fit?«
Marvel schüttelte den Kopf, sah mich jedoch nicht an. Nein, sein Blick brannte sich geradezu in Glimmer, die mit Thor an der Bar quatschte. In ihrer rechten Hand balancierte sie ein Tablett mit vier Gläsern. Wahrscheinlich hatte sie Getränke holen wollen, und war aufgehalten worden.
Ich ignorierte Marvel und betrachtete Glimmer und den schwarz gekleideten Friedenswächter einmal unvoreingenommen.
Glimmer sah glücklich aus. Zumindest glücklicher, als vorhin im Flur. Ihr Lächeln wirkte keinesfalls gezwungen oder gespielt. Sie sah sogar recht entspannt aus. Sie sah aus, als hätte sie wirklich Spaß.
Ich war hin und hergerissen.
Einerseits - schön für Glimmer.
Ja, ihr habt richtig gehört - ich freute mich für sie.
Ich freute mich, dass sie nun mal lachen, Witze reißen, und flirten konnte, weil sie es verdient hatte. Sie war heute schon so oft den Tränen nahe gewesen, hatte mit Schuldgefühlen, einem wütenden Marvel und einer nervenden Clove zu kämpfen gehabt, und ich freute mich ehrlich, dass sie jetzt mal ein bisschen Spaß hatte.
Andererseits - wir waren Tribute. Keine Ahnung, ob es verboten war, sich einen Vorteil zu verschaffen - oder ob Glimmer überhaupt daran dachte eben das zu tun, oder ob es ihr überhaupt etwas nützen würde, wenn sie es tat - sie sollte sich nicht mit einem von ihnen anfreunden. Immerhin arbeitete er für das Kapitol. Und das Kapitol war der Feind, wie Finch mir erst kürzlich ins Gedächtnis gerufen hatte.
Sie alle waren der Feind.
Der Präsident, seine Berater, die Spielmacher, die Minister - und ja, auch die Friedenswächter, die Polizei Panems.
Sie alle waren gegen uns - und wir gegen sie.
Glimmer jedoch, schien das im Augenblick nicht zu kümmern. Nicht, dass ich sie dafür verurteilte. Es war verdammt schwer, Schwarz und Weiß auseinanderzuhalten, wenn die Welt aus so vielen Grautönen bestand.
Und Glimmer ...
Sie sah so glücklich, so unbeschwert aus.
Ich hatte Angst um sie.
Das wurde mir in diesem Moment klar.
Ich hatte Angst, dass sie sich zu sehr in diese Sache verstrickte, dass sie ihr Herz an etwas Unmögliches hängen würde.
Marvels wütendem Gesicht nach, schien er andere Sorgen zu haben.
Ich hielt es daher für klug, ihn nicht weiter zu belästigen, und setzte meine Suche nach der perfekten Kugel fort.
»-dachte, sie würde mir alles anvertrauen, nach allem was wir durchgemacht haben-«, murmelte Marvel sichtlich verstimmt neben mir, während er eine Kugel nach der anderen überprüfte.
Je lauter Glimmers Lachen wurde, und je näher sie und Thor unserer Bahn kamen, desto größer wurde meine Angst, dass Marvel plötzlich austickte, und eine Bowlingkugel nach Thor warf.
Nach weiteren fünf Minuten, in denen meine Blicke zwischen Glimmers glücklichem Gesicht, und Marvels Gewittermiene alarmiert hin und her gehuscht waren, hörte ich, wie sich die Blondine und der Friedenswächter voneinander verabschiedeten - endlich.
»Also dann, hat mich gefreut. Wir sehen uns sicher«, sagte Glimmer und Thor nickte.
Er wünschte ihr noch viel Glück beim morgigen Einzeltraining, und half ihr mit dem Getränketablett.
Wenn er mit ihr sprach, wirkten seine Augen gar nicht mehr so kalt. Sie waren jetzt auch nicht unbedingt wärmer, aber zumindest nicht mehr so durchdringend.
Auch das amüsierte Lächeln, welches niemals seine Mundwinkel zu verlassen schien, war nicht mehr ganz so verächtlich, sondern eher ... nun ja, freundlich war es auch nicht.
Vielleicht entspannter.
Ja, entspannter.
Das passte.
Thor verschwand wenig später in Richtung Bar, und auch ich setzte nun, wesentlich entspannter, meine Bowlingkugelsuche fort.
Da ich bei den Ablagen, die sich gleich neben den Sitzecken befanden, bis jetzt nicht fündig geworden war, machte ich mich auf den Weg nach hinten, wo mich deckenhohe Regale, randvoll gefüllt mit kunterbunten Kugeln, sortiert nach Größe und Gewicht, erwarteten.
Ich pfiff leise durch die Zähne.
Na, das nannte ich mal 'ne Auswahl.
Neonfarben, grün, gelb, rot, pink, lila, golden, gemustert, schlicht - hier war alles dabei.
Ich begab mich zur Einteilung für die Kinder - ja, ich weiß, peinlich - und war schon bald so vertieft in meine Suche, dass ich kaum mehr mitbekam, was um mich herum geschah.
Das Gejohle der Kapitolbewohner, das Geklapper der Teller, sowie das gelegentliche Lachen der Besucher, verschwamm zu einem einzigen Rauschen, während ich Kugel um Kugel hochhob, und prüfend in der Hand wog.
»Hab ich dich!«
Wie aus heiterem Himmel spürte ich, wie mich jemand von hinten umschlang.
Ich schrie auf und tat das Einzige, was mir in diesem Moment einfiel - ich ließ die Kugel, die ich in der Hand hatte, auf den Fuß meines Angreifers fallen - zwei Sekunden bevor mein Gehirn realisierte, dass die Stimme keinem anderen gehörte, als Cato Chandler, der sich wohl von hinten an mich angeschlichen hatte, um mich zu erschrecken.
Tja, das hatte er jetzt davon ...
»Shit, Clove! Verdammte Scheiße aber auch-«
»Jaah, das hast du jetzt davon! Du weißt doch, ich hab letztes Jahr den Kurs für Selbstverteidigung belegt, du hättest eigentlich damit rechnen müssen-«
»Was, ich krieg nicht mal 'ne Entschuldigung von dir?«
Cato sah aus, als hätte ich ihm gerade verkündet, dass Weihnachten dieses Jahr leider ausfallen musste. Tja, so falsch lag ich damit nicht, auch wenn es wahrscheinlicher war, dass ich das nächste Weihnachtsfest nicht mehr erleben würde ...
»Ist ja gut. Entschuldigung«, grummelte ich und sah mit verschränkten Armen, (aber nichtsdestotrotz leicht schuldbewusst) zu, wie er sich am Regal abstützte, und vorsichtig seinen Fuß abtastete.
So schlimm konnte es wohl nicht gewesen sein, brachte er nach ein paar Augenblicken bereits ein schwaches Grinsen zustande.
»Kann ich ja von Glück reden, dass du nicht mit den schweren Geschützen spielst«, scherzte er, und legte besitzergreifend seinen Arm um meine Schultern.
Ich schenkte ihm ein Augenrollen, schüttelte seinen Arm ab, und langte dann nach der Kugel, die ich ihm auf den Fuß geschmettert hatte. Sie lag ein paar Meter von der Unfallstelle entfernt, und vereinte die Farben Pink und Gold in einem wilden Farbstrudel.
»Ich glaub, ich nehm die. Hat mir ja bis jetzt nichts als Glück gebracht«, beschloss ich sarkastisch.
Cato schüttelte lachend den Kopf. Unverbesserlich wie er war, lag sein Arm Sekunden später schon wieder über meinen Schultern. Diesmal ließ ich ihn, wo er war.
»Du müsstest vielleicht ein paar meiner Strikes übernehmen, jetzt wo ich den Anlauf vergessen kann«, gab Cato zu bedenken, doch ich winkte ab.
»Ach was, du schaffst das schon.«
»Na toll«, murrte er.
Als wir zurück zu unserer Bahn kamen, erwartete uns ein ganz anderes Problem - Glimmer und Marvel hatten lange vor uns die passenden Kugeln für sich gefunden, und zankten so lautstark miteinander, dass es wirklich kein Wunder war, dass fast alle Anwesenden zu ihnen hinüberschauten.
»-ist meine Sache, ich kann machen, was ich will-«
»Ja, und wie immer klappt das außerordentlich gut-«
»Was zum Teufel ist eigentlich dein verdammtes Problem?«, schrie Glimmer, deutlich in Rage.
Ihre grünen Augen blitzten vor Wut, und ihr Gesicht war puterrot.
Ebenso wie Marvels.
»Was zum ...?«, fragte Cato in die Runde, wurde jedoch einfach ignoriert, da unsere Verbündeten munter weiterkeiften.
»Du bist mein Problem! Okay? Du, und deine Naivität! Schmeißt dich an einen von denen ran, als ob du nichts weiter wärst als eine billige-«
»Wag es ja nicht, dieses Wort zu sagen, nach allem was ich-«
Glimmer brach ab.
Ihre Unterlippe zitterte, und sie bemühte sich, die Tränen von ihren Wangen zu wischen, doch es kamen immer wieder neue hinzu.
Ich hörte Cato neben mir schlucken, und vermutete, dass es auch ihn nicht kaltließ, die sonst so perfekte Glimmer in Tränen aufgelöst zu sehen.
»Leute, jetzt beruhigt euch gefälligst!«, schrie ich aufgebracht, und kümmerte mich nicht um die Umstehenden, die ihre Blicke nun auch auf mich richteten.
Marvel und Glimmer sahen aus, als wollten sie gar nicht zuhören, da sprang Cato mir zur Seite.
»Clove hat Recht. Hört auf zu streiten. Wir fangen jetzt mit dem Spiel an. Okay?«
Seinen eigenen Rat befolgend, drückte er auf den Buzzer, und sein Name wurde eingeblendet.
Cato humpelte nach von, schnappte sich wahllos eine Kugel und warf.
Obwohl er sich keine Mühe gegeben hatte, räumte er schließlich acht von zehn Pins ab.
Ich klatschte begeistert, und richtete dann meinen mahnenden Blick auf Glimmer und Marvel.
Marvel sah zwar aus, als wollte er gern noch etwas sagen, aber bevor er auch nur den Mund öffnen konnte, wurde sein Name eingeblendet und ich schob ihn in Richtung Cato, der ihm eine babyblaue Kugel überreichte.
Marvel warf Glimmer vor seinem Wurf einen bösen Blick zu - was sie erneut in Tränen ausbrechen ließ - und marschierte dann auf die Bahn zu. Er schaffte es, mit zwei Versuchen sechs Pins abzuräumen.
Als Letzte war ich an der Reihe. Ich zog Glimmer in eine kurze Umarmung, tätschelte ihr mitfühlend die Schulter, und ging nach vorn, in Richtung Startlinie.
Ich schleuderte meine Kugel mit sorgfältiger Präzision - als würde ich eins meiner Messer schleudern. Ein wenig langsam begann sie zu rollen, gewann dann jedoch an Fahrt, und wurde immer schneller, bis sie schließlich die sorgsam nebeneinander aufgestellten Pins erreichte.
Ich kaute angespannt auf meiner Lippe herum.
Meine Kugel räumte sieben ab, und auch, wenn ich den zweiten Wurf komplett vergeigte, war ich dennoch recht zufrieden mit mir.
Cato umarmte mich grinsend und ich lachte in seine Schulter hinein.
Ich ging zurück zu meinem Platz, und wollte sehen, wie es Glimmer ging, konnte sie jedoch nirgendwo entdecken.
Mit einem unguten Gefühl wandte ich mich an Marvel, der grimmig sein alkoholfreies Bier schlürfte.
»Marvel? Wo ist Glimmer?«, fragte ich ihn angespannt, doch mein Verbündeter zuckte bloß mit den Achseln.
»Hat gesagt, sie will auf die Toilette gehen«, murmelte er in sein Bier hinein.
Ich warf ihm einen durchaus gereizten Blick zu.
»Ach ja? Wie kommt's, dass ich das nicht so recht glauben kann?«
Über sein Gesicht huschte plötzlich ein äußerst unschöner Ausdruck.
»Na gut, sie ist heulend aus der Halle gerannt. Ist doch egal. Die regt sich schon wieder ab«, stänkerte er, bevor er aufstand, und sich neben Cato stellte.
Ich verdrängte meine Wut über Marvels schlechte Laune - ehrlich, Glimmer und ich hatten uns vor ein paar Tagen noch gehasst, und nicht mal ich hätte sie da so herablassend behandelt - und ließ meinen Blick, einem Instinkt folgend, durch den Raum schweifen, bis ich einen schwarzen Schatten entdeckte, der sich soeben von seinem Barhocker erhob.
Thor Crane warf mir einen wütenden Blick zu - als wäre ich an allem Schuld! - und rauschte dann aus der Halle.
Ich wurde langsam echt sauer.
Da wollte man helfen, und bekam einen Arschtritt nach dem anderen.
Echt nicht fair, sowas.
»Strike!«, jubelte Cato in diesem Moment, und ich bemühte mich um ein Lächeln, als er mich in die Arme schloss.
In meinem Inneren herrschte Chaos.
Wie schnell hatte zwischen uns ein Streit ausbrechen können, und wenn wir den nicht in den Griff kriegten, dann sah ich schwarz für die Arena, in die wir in wenigen Tagen geschmissen wurden.
Verdammt, verdammt, und ja - verdammt.
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