| 76. LET IT GO
[ ACT TWO: STRANGE LANDS ]
[ CHAPTER SEVENTY SIX: LET IT GO ]
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KALIA BORCELANE
( THE CAPITOL ━ APARTMENT 2032 ━ DAY FOUR ━ 10.00 AM )
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❝BE THE GOOD GIRL YOU ALWAYS HAVE TO BE.❞
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VERSCHWOMMEN RAUSCHTEN DIE WÄNDE AN IHR VORBEI ━ FEIN GESCHLIFFENE STEINWÄNDE, AUS DUNKLEM ONYX, DURCHZOGEN VON TRÄNEN AUS FLÜSSIGEM GOLD ━ ROHE FELSWÄNDE, MIT ROSAFARBENEM SCHIMMER, VERZIERT MIT SILBRIGEN STERNEN ━ KALT UND SCHÖN UND WEIT ENTFERNT.
Federleicht huschten Kalias Füße über die kühlen Böden des Apartments - ihre dicken Kuschelsocken dämpften jedwedes Geräusch, als sie die verzweigten Flure hinunterrannte - bis sie schließlich den Wohnraum erreichte.
Schneeweiße Mauern, weiche Teppichböden, dicke Schneeflocken, die vor kirchenähnlichen Fenstern zu Boden rieselten, sowie der sanfte Schimmer zahlreicher Lichterketten - all das sorgte für ein warmes Gefühl der Heimat, des Friedens - doch alles, was Kalia sich in jenem Augenblick zu fühlen erlaubte, waren flammende Wut, wildes Entsetzen und eiskalte Verzweiflung.
( Ein leises Klirren, melodisch, wie Wasser, das über Glasperlen rauschte. )
Gehetzt wirbelte Kalia herum - erhaschte einen Blick auf Cassandras einsame Gestalt, die soeben den Kristallglasschlüssel in den Taschen ihres babyblauen Mantels verschwinden ließ, und sich anschickte, das Haus ( das Gefängnis ) zu verlassen.
»Du! Hast du - hast du es gewusst?«, rief Kalia verzweifelt, und spürte, wie sich Tränen in ihren Augenwinkeln sammelten.
Cassandra schaute auf, einen missmutigen Zug um den Mund.
»Macht das einen Unterschied?«
»Ja! Natürlich tut es das!«, ereiferte sich Kalia. »Du hättest es mir erzählen können - du - du hättest ...«
Cassandra warf ihr einen müden Blick zu.
»Was soll mein Vater denn mit einer neuen Ehefrau? Er hat ja nicht einmal sonderlich viel Interesse an seinen Kindern - wie sollte er seiner neuen Frau da die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die sie erwartet?«
»Ich erwarte doch aber gar nichts -«
Cassandra lachte hart.
»Was - du willst lieber meinen Vater heiraten, anstatt meines Bruders?«
Kalia schüttelte wild den Kopf.
»Nein, ich will - ich will niemanden heiraten! Gott, ist das echt so schwer zu glauben?«
Cassandra verdrehte die Augen.
»Oh, du armes Ding - Verzeih mir, ich hatte kurzzeitig vergessen, wie schwer du es doch hast - du heiratest ein Mitglied der reichsten und berühmtesten Gründerfamilie Panems, du wirst dieses Haus wahrscheinlich niemals wiedersehen müssen - du bekommst ein Leben, wovon jedes Mädchen träumt, dabei gehörst du noch nicht einmal zur Elite des Kapitols - Aber natürlich, dein Schicksal ist wirklich so schrecklich, da muss man einfach in Tränen ausbrechen.«
( Nun, wenn man es von dieser Seite aus betrachtete ... )
Kalia wich zurück, schob trotzig das Kinn vor, auch wenn die Art, wie Cassandra sie betrachtete - mit dieser seltsamen Mischung aus Verachtung und Belustigung - ihr Unbehagen bereitete.
»Ach, und was soll dein Bruder bitte mit einer Ehefrau? Mit jemanden wie mir - einem Mädchen aus den Distrikten? Er kann mich ja noch nicht einmal ausstehen - davon abgesehen, jagt er mir Angst ein, und ich werde bestimmt nicht -«
Unwillkürlich huschten ihre Gedanken zum Abend ihrer Ankunft zurück - zu dem eisblauen Licht, der sternenfinsteren Dunkelheit, der federleichten Berührung ihres Handgelenks, dem flackernden Schimmer des Kerzenhalters - zurück, zu dem ohrenbetäubenden Schrei, der die Frostnacht zerrissen hatte - den warnenden Schritten, direkt vor ihrer Zimmertür - und ihre rosafarben bemalten Lippen formten ein perfektes Oh.
»Oh mein Gott, er - er wird mich umbringen!«
Cassandra lachte freudlos.
»Nein, das wird er nicht. Mein Bruder kennt seine Pflichten - und er weiß, dass er all seine Privilegien verlieren würde, sollte er dir ernsthaften Schaden zufügen. Darüber hinaus will Ever seit Jahren einen Sitz im Gründerrat - und wird deswegen auch stets das tun, was mein Vater von ihm verlangt - selbst, wenn ihm das bekanntermaßen missfällt. Ever ist vielleicht rücksichtslos, aber ganz sicher nicht dämlich.«
»Vielleicht rücksichtslos?«, murmelte Kalia ironisch - bevor sie sich besann, und wild den Kopf schüttelte. »Aber ich will nicht -«
Cassandra seufzte genervt.
»Hör zu, ich weiß ja, dass du nie wieder auch nur einen Finger rühren musst - aber andere Leute müssen wirklich arbeiten, um sich die Anerkennung zu verdienen, die du von nun an so mühelos bekommen wirst!«
Mit diesen Worten riss sie die Eingangstür auf, und ehe Kalia sich versah, war sie im dichten Schneegestöber des Morgens verschwunden.
( Ehe sie sich versah, war die Tür auch schon wieder verschlossen. )
Kalia seufzte.
( Würde sie jemals einen Weg hinaus finden? )
Kalia runzelte die Stirn.
( Und hatte Cassandra nicht vielleicht auch Recht? War sie tatsächlich ... undankbar? )
( Nein, ermahnte sie sich rasch. Nein, sie versteht das einfach nicht - niemand von ihnen kann das verstehen - )
( Wie gern hätte sie doch auf all das verzichtet - all den Luxus, freiwillig hätte sie ihn eingetauscht - Doch gegen was? Ein Leben, an das sie sich nicht einmal erinnern konnte? )
Kalia schüttelte den Kopf.
( Dennoch - am liebsten wäre sie wieder tot und unbedeutend und - )
Ihre von Selbstmitleid durchtränkten Gedanken wurden jäh unterbrochen, als er plötzlich hinter ihr auftauchte.
Kalia erstarrte - dann zuckte sie zusammen, und stolperte unbeholfen in Richtung Tür.
( Wie vorhersehbar. )
Doch Ever würdigte sie kaum eines zweiten Blickes.
»Also - wir machen jetzt einen kleinen Ausflug in die Stadt«, verkündete er gelangweilt - und Kalia überkam eine Welle eiskalter Panik - nicht nur aufgrund von Evers Anwesenheit, oder der Aussicht, die nächsten paar Stunden mit ihm verbringen zu müssen - Nein, sie war sich ganz sicher, dass ein »Ausflug in die Stadt« etwas war, das Julian nicht gutheißen würde - wo er doch wollte, dass sie niemand sah - wo sie doch das Haus nicht verlassen durfte, niemals -
( Er hatte sie vielleicht nicht verwarnt, weil sie in der Nacht ihr Zimmer verlassen hatte - aber auch nur, weil er sie brauchte - brauchte, für eine Aufgabe, die sie fürchtete - )
( Nebenbei bemerkt - wie stand ihr zukünftiger Verlobter wohl zu Julians brillantem Plan? )
Kalia hob den Kopf - doch Evers Gesicht war eine Maske der Gleichgültigkeit, die sie nicht entziffern konnte.
»Einen Ausflug? In die Stadt? Aber du - du weißt doch, dass ich das Haus nicht verlassen darf!«, rief sie aufgebracht - bevor sie sich eines Besseren besinnen konnte.
Ever blickte auf, und die Maske der Gleichgültigkeit wich einem unverkennbaren Anflug von Verärgerung.
Unbewusst taumelte Kalia zurück, wobei sie fast über Julians teure Stiefel neben der Tür gestolpert wäre.
Hochrot im Gesicht, machte sie wieder einen Schritt nach vorn - entschlossen, sich künftig nicht mehr einschüchtern zu lassen.
( Dieser Entschluss geriet jedoch ins Wanken, als Ever daraufhin ebenfalls einen Schritt nach vorn machte - wahrscheinlich bloß, um sie zu provozieren. )
»Ach, hat dir der kleine Abstecher in Julians Büro etwa Mut gemacht - oder warum glaubst du, plötzlich so mit mir zu reden?«
( Sein Tonfall war kalt wie Eis, seine Worte pures Gift. )
Kalia zuckte verängstigt zurück, in ihren Augen sammelten sich Tränen.
»Bitte, ich ... man darf mich nicht sehen, ich ...«
Ever verdrehte die Augen.
»Niemand wird dich sehen. Und jetzt hör auf zu heulen, es nervt.«
Kalia senkte den Blick.
»Aber wieso musst du ausgerechnet mit mir in die Stadt?«, murmelte sie leise - obwohl ein Teil von ihr sich fragte, was sie da eigentlich tat - was denn überhaupt ihr Problem war.
( Vor rund fünf Minuten hatte sie nach einem Weg aus diesem Haus gesucht - und jetzt, wo sich ihr eine Chance auf Freiheit bot, war sie dabei, eben jene zu zerstören - nur, um Julians Auftrag zu entkommen? )
Ever warf ihr einen undefinierbaren Blick zu.
»Weil Julian verlangt hat, dass ich mich von nun an fortwährend in deiner Nähe aufhalte - jetzt, wo wir aufgrund dieser dämlichen Verlobung sprichwörtlich aneinandergekettet sind. Und ich werde garantiert nicht jeden Tag in diesem furchtbaren Geisterschloss verbringen, nur weil du nicht raus darfst.«
Kalia schluckte mühsam.
( Das Wort »Verlobung« schien in ihren Ohren nachzuhallen, wieder und wieder und wieder, als wollte es sie verspotten. )
( Sie konnte noch nicht einmal in Evers Nähe sein, ohne, dass sie fast einen Herzanfall bekam. Wie sollte sie das bloß für den Rest ihres Lebens ertragen? )
»Ich erwarte dich in zwanzig Minuten im Wohnraum. Eine Bedienstete kann dir beim Ankleiden helfen. Ich bin sicher, in deinem neuen Kleiderschrank findest du auch eine Winterausstattung - es ist eiskalt dort draußen. Oh, und wisch dir bitte die Tränen vom Gesicht, bevor wir das Haus verlassen.«
Kalia öffnete den Mund, um zu protestieren - doch Ever schnitt ihr mühelos das Wort ab.
»Vorsicht - Ich sage wahrlich nicht oft Bitte.«
Er schenkte ihr ein feines Lächeln, welches sie sofort als das interpretierte, als das es gedacht war - eine kaum verhohlene Drohung.
Geschwind klappte Kalia den Mund wieder zu, nickte stattdessen einfach - akzeptierte bitter, dass sie keine andere Wahl hatte, als ihm zu gehorchen -
( Für den Rest ihres Lebens. )
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( author's note: )
Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!
einen wunderschönen dreißigsten dezember wünsche ich euch! ich hoffe, euch hat kapitel sechsundsiebzig gefallen - ein neues update wird es dann erst im kommenden jahr geben! danken möchte ich an dieser stelle starryeyedturtle, worIdsaway, tulipjinnie, makemeblush-, 7summerlove77, okcacia, louisaaa23, jxlxx308, suremilka, thisisfee, BlackGirlNumber1, Cathayia und TheDarkTemptation, die mich in diesem jahr besonders fleißig unterstützt haben - außerdem ein herzliches dankeschön an jeden, der dabei geholfen hat, dass diese story bereits über 30.3k reads und über 1.6k votes erreicht hat! ich wünsche euch nun noch einen zauberhaften mittwochabend, ein verschwiegenes silvester & ein glückliches neues jahr!
➤ dieses kapitel ist für die allerbeste mama auf der ganzen welt. alles, alles liebe zum geburtstag, maus! danke, dass du immer für mich da bist & mich immer bei allem unterstützt! du bist mir so unglaublich wichtig & ich hab dich ganz doll lieb! happy birthday! ich liebe dich! ♡
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