| 47. PRIVATE SESSIONS

[ ACT ONE: WILD HEARTS. ]
[ CHAPTER FORTY SEVEN: PRIVATE SESSIONS ]

❝NOW, YOU HAVE TO SHOW THEM WHAT YOU CAN DO.❞

▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬

DER SÜẞE GESCHMACK von Erdbeeren lag schwer auf meiner Zunge. Entgegen meines ursprünglichen Vorhabens, die bereitgestellten Snacks und Getränke nicht anzurühren, um mich nicht vor Nervosität damit zu bekleckern, hatte ich mir ein Herz gefasst, und Marvels Erdbeerbrause ausgetrunken - ein furchtbar schlechter Einfall, denn die Süße reizte mein Zahnfleisch und klebte nun hartnäckig an meinen Lippen fest.

Cato jedoch, hatte es für eine gute Idee gehalten, wenn ich mich mit etwas beschäftigte (und sei es nur das Trinken von Brause), denn seitdem Marvel mit einem Augenzwinkern in der Trainingshalle verschwunden war, war ich dazu übergegangen, meine Trainingshose zu zerfransen und gleichermaßen an meinen Nägeln herumzukauen. Die meisten bildeten inzwischen unordentliche Halbmonde, mein Daumennagel blutete sogar ein wenig.

Mein Vorbereitungsteam würde begeistert sein, wo doch bereits morgen Abend das große Interview anstand.

»Was glaubst du, wann Marvel fertig sein wird?«, fragte ich meinen Distriktpartner, der mir daraufhin einen müden Blick zuwarf und mit den Achseln zuckte. Vielleicht wäre er etwas kooperativer gewesen, hätte ich ihm diese Frage nicht während der letzten sechs Minuten etwa zehnmal gestellt.

»Wir werden sehen. Wenn sie deinen Namen aufrufen, dann ist er wohl fertig.«

Wirklich sehr hilfreich, schoss es mir durch den Kopf, doch ich beschloss, meine Unzufriedenheit für mich zu behalten. Ich wusste, es wäre ihm gegenüber unfair gewesen, und das Letzte, was ich gerade brauchte, war, es mir mit dem einzigen Menschen zu verscherzen, der mir nun noch Glück wünschen und mich aufmuntern konnte.

Weitere Minuten verstrichen.

Die Zeit zog sich in die Länge wie klebrig süßer Kaugummi.

Ich überlegte, zum Automaten zu gehen, und mir dort eine Flasche Wasser zu holen, doch gerade, als ich mich tatsächlich dazu aufraffen wollte, ertönte das inzwischen vertraute Klingeln und ich verharrte stocksteif auf meiner Sitzbank, in banger Erwartung, was unweigerlich als Nächstes kommen würde.

Ich wurde nicht enttäuscht.

»Clove Kentwell. Distrikt zwei. Zur Einzelstunde melden.«

Ich schluckte die aufkommende Angst hinunter und erhob mich mit zitternden Knien von meinem Platz.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Cato ebenfalls aufstand, und keine Sekunde später, hatte er mich schon in seine Arme gezogen. »Du machst das schon«, meinte er mit zuversichtlichem Unterton, und drückte aufmunternd meine Schulter.

Ich nickte, auch wenn mein Magen vor Aufregung Purzelbäume vollführte, löste mich wehmütig von ihm, und sah mich ein letztes Mal im Warteraum um.

Niemand beachtete mich; die anderen Tribute hatten bereits nach Glimmers Abgang aufgehört zu starren und schienen sich nun eher auf sich zu konzentrierten, als zu bemerken, was sich um sie herum abspielte. Natürlich galt das nicht für Finch, deren Augen mich so abschätzend durchbohrten, dass ich fröstelte.

Cato stupste mich in die Seite und nickte zum inzwischen hochgefahrenen Gitter.

»Viel Glück, Clove.«

Mein Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln.

»Dir auch«, murmelte ich, bevor ich meine schweißnassen Hände an meiner Hose abwischte und auf das Gitter zumarschierte.

Zügigen Schrittes ging ich hindurch.

Ich warf keinen Blick zurück - hätte ich es getan, hätte ich vielleicht nicht den Mut gehabt, weiter in die Halle hineinzugehen, sondern wäre umgedreht, und hätte mich in Catos starken Armen verkrochen.

Doch das funktionierte nicht.

Nicht hier.

Nicht mehr.

Das Training war vorbei; die Vorführung bei der Parade war Geschichte. Morgen standen die Abschlussinterviews an, heute musste ich mich durch die Einzelbewertungen kämpfen.

Im ersten Teil der Vorbereitung war Teamarbeit eine Option gewesen; auch im letzten Teil der Spiele würde sie eine große Rolle spielen. Doch den Mittelteil musste ich allein hinkriegen; hier zählte mein Können, mein Wissen, und meine Ausstrahlung.

Zum ersten Mal lag der Fokus ganz allein auf mir.

Ich konnte es mir nicht länger leisten, mich hinter meinen Freunden zu verstecken.

Die Zeit für Klagen war endgültig vorbei.

Jetzt ging es um alles oder nichts - und ich durfte kein kleines Mädchen mehr sein.

DAS ERSTE, DAS ich bemerkte, kaum, dass meine Füße den Boden der Trainingshalle berührten, war der durchdringende Geruch nach Desinfektionsmitteln.

Ich konnte nicht gerade behaupten, dass dies mein Lieblingsduft war; trotzdem empfand ich in jenem Moment eine gewisse Dankbarkeit nicht vom kupfernen Gestank nach Blut überwältigt zu werden, wie es in Distrikt zwei üblich war, sobald ein Prüfling die Arena - eine kreisrunde Fläche, ausgelegt mit grobkörnigem Sand und feinen Sägespänen - betrat.

Besonders zum Ende des Schuljahrs, wenn die großen Abschlussprüfungen, die sich meist über mehrere Wochen hinzogen, anstanden, traf man mehr als zwei Drittel der ganzen Schülerschaft auf der Krankenstation an.

(zehn andere würden nie wieder eine prüfung ablegen; würden nie wieder von ihren lieben umarmt werden, würden nie wieder die glückwünsche ihrer mitschüler entgegennehmen - denn ihr zuhause war nun der trostlose kleine friedhof hinter dem akademiegelände, wo sie kalt und still in ihren särgen aus stahl ruhten.)

Im Vergleich zu diesem Wissen waren meine Schritte erstaunlich selbstsicher; vielleicht, weil mir bewusst war, dass die heutige Prüfung mitnichten tödlich für mich enden würde.

(dennoch - vielleicht würde ich binnen weniger tage meinen mitschülern gesellschaft leisten - nur mit dem unterschied, dass meine kiste aus holz wäre, billig verarbeitet und in kürzester zeit von viehzeug durchlöchert.)

Ich schüttelte mich in Gedanken, und versuchte, meine Gefühle hinter einer Maske aus Ablehnung und Arroganz zu verstecken, während meine Augen prüfend durch die Halle huschten, welche auf den ersten Blick beinahe unverändert wirkte.

Doch beim erneuten Hinsehen bemerkte ich, dass man einige Stationen an die Wand geschoben hatte, beinahe verborgen vor den wachsamen Augen der Spielmacher, die hoch oben in ihrer Loge trohnten, auf die ich zumarschierte.

Überlebensstationen.

Sie waren wohl tatsächlich so unwichtig, wie mir meine Mentoren mitgeteilt hatten.

Mein Mund kräuselte sich zu einem kleinen Lächeln.

Nun ja, zum Glück beschränkte sich mein Können nicht nur auf das rasche Entfachen eines Feuers.

Einige Meter von der Loge entfernt, blieb ich stehen, und deutete eine leichte Verbeugung an.

»Clove Kentwell. Distrikt zwei. Darf ich beginnen?«, stellte ich mich knapp vor, und verband das Ganze mit einer Frage, die zeigte, wie eilig ich es hatte, ihnen mein Können zu präsentieren.

Selbstbewusstsein würde mir hoffentlich Punkte bringen.

Seneca Crane nickte kurz. »Fangen Sie an. Ich muss Sie wohl nicht daran erinnern, dass Sie uns beeindrucken sollen.«

»In der Tat nicht, nein«, antwortete ich unbedacht und lächelte schmal.

Seneca schien nicht sonderlich begeistert von meiner sarkastischen Ader, um es mal freundlich auszudrücken.

Abrupt drehte ich mich um und marschierte zur Messerwurfstation, die sich zum Glück am selben Fleck befand, wie die letzten drei Tage auch.

Sobald meine Finger sich um den Griff des ersten Messers schlossen, und ich mit dem Daumen die scharfe Klinge nachfuhr, schien sich mein rasendes Herz zu beruhigen, und meine Atemzüge verlangsamten sich, wurden gleichmäßiger, entspannter. Jeglicher Unmut, den ich angesichts meiner unüberlegten Äußerung empfunden hatte, war verflogen und auch die Angst versteckte sich in einem unbekannten Winkel meines Geistes.

Ich holte ein paar Mal tief Luft.

Ausatmen, dann zielen, dann -

Treffer.

Ein erleichtertes Lächeln huschte über meine Lippen, verwandelte sich in ein Grinsen, als ich das nächste Messer zwischen meinen Fingern kreiseln ließ.

Ebenfalls ein Treffer.

Die zwei Dummies, deren Zielscheiben in der Mitte durchbohrt worden waren, leuchteten nun hellrot auf.

Tot.

Die nächsten acht erlitten ein ähnliches Schicksal; ich machte mir sogar noch die Mühe, Messer auf Hals, Kopf und Magen zu verschwenden, bevor ich mich mit einem lieblichen Lächeln an die Spielmacher wandte - ich hatte den Entschluss gefasst, sie lieber nicht noch weiter zu provozieren.

»Können die sich auch bewegen?«, fragte ich, halbwegs zufrieden mit dem klebrig süßen Klang meiner sonst so harschen Stimme.

Seneca nickte und gab jemandem ein Zeichen, und aus den Schatten löste sich ein Friedenswächter, der sogleich zu einem Tastenfeld hastete, das sich neben der Loge befand.

Eine Handbewegung und die durchlöcherten Dummies verschwanden im Boden; das Drücken eines roten Knopfs ließ dafür neue entstehen, diesmal fächerförmig aufgebaut.

Der Friedenswächter drehte den Kopf in meine Richtung.

»Bereit?«

Ich nickte selbstsicher.

Ein silberner Hebel wurde umgelegt, und die Dummies rotierten für ein paar Sekunden. Dann kam der erste auf mich zu - nicht langsam, nicht vorsichtig, sondern rasend schnell, in beinahe unmenschlichem Tempo.

Darauf vorbereitet, verpasste ich ihm ein Messer in die linke Augenhöhle.

Tot.

Den nächsten trafen gleich zwei Geschosse - eines in den Magen, ein zweites ins Herz. Ich hatte kurzfristig beschlossen, etwas kreativer zu sein, um die Spielmacher nicht zu langweilen.

Mein Plan schien aufzugehen - am Ende der Vorstellung saßen sie allesamt aufrecht in ihren Sesseln und sahen mich beeindruckt an. Ein paar klatschten sogar.

Seneca dagegen wirkte sichtlich unzufrieden mit meiner Leistung; wahrscheinlich hatte er gehofft, dass meine Nervosität die Oberhand gewann, und ich den hohen Ansprüchen nicht gerecht werden konnte.

Dieser Gedanke entlockte mir ein triumphierendes Lächeln.

Mit minimalem Spott verbeugte ich mich erneut; dann huschte mein Blick zur Wand, wo die Zeit in großen leuchtenden Ziffern heruntergezählt wurde.

Noch fünf Minuten.

Zu wenig Zeit für den Schwertkampf - selbst ein Unentschieden konnte nach meiner jetzigen fehlerlosen Darbietung schwerwiegende Folgen haben.

Aber was ...

Mein Blick fiel auf den silbernen Bogen, dessen Aufbewahrungsgestell man direkt unterhalb der Loge der Spielmacher platziert hatte. Einen Entschluss fassend, hob ich ihn aus seiner Halterung.

Fünf Pfeile gestand ich mir zu, dann lief ich langsam zu jener Station, an der ich vor dem Mittagessen doch eher mittelmäßige Ergebnisse vollbracht hatte. Vielleicht, wenn mir nur ein ähnlicher Glückstreffer gelang wie vorhin, und ich das ganze Drumherum ein wenig in die Länge zog ...

Ich holte tief Luft. Meine Finger schlossen sich fester um die kalte Waffe, doch ich zwang sie, sich nicht zu verkrampfen. Dann wechselte ich, so gut es ging, in die Haltung, die Glimmer mir beigebracht hatte, und richtete meinen Blick auf die Puppe vor mir.

Ich spürte, wie mein Herz vor Aufregung schmerzhaft gegen meine Rippen hämmerte, doch bevor ich noch einmal über die ganze Sache nachdenken konnte, hatte ich bereits den Pfeil losgelassen.

Mit irrwitziger Geschwindigkeit durchbohrte er den ersten äußeren Ring der Zielscheibe.

Nun ja.

Immerhin ein Treffer.

Für den zweiten Schuss nahm ich mir mehr Zeit; kontrollierte gewissenhaft die Einlegung des Pfeils und überprüfte die Flexibilität der Bogensehne.

Dann hob ich den Bogen, zielte, und schoss.

Der Pfeil blieb im oberen Magenbereich der Puppe stecken.

Annehmbar.

Gerade, als ich mein Glück ein drittes Mal herausfordern wollte, ließ mich Senecas Stimme inne halten.

»Ich denke wir haben genug gesehen. Sie dürfen gehen. Um achtzehn Uhr findet die Verlesung der Punktevergabe statt. Es wäre in Ihrem Interesse, sich dann auf Ihrer Etage einzufinden«, meinte er kurz angebunden und wandte sich dann seinen Kollegen zu, ohne mich noch eines weiteren Blickes zu würdigen.

Ein Trainer betätigte einen Hebel und ein Teil der dunkelblauen Wand glitt zur Seite.

Dahinter lag ein schwach beleuchteter Gang.

Der Trainer lief voran und ich folgte ihm mechanisch; hörte wie mein Herz noch immer rasend schnell in meiner Brust hämmerte.

Die Lücke in der Wand schloss sich hinter uns.

(kein weg zurück.)

Ein Rauschen legte sich über meine Ohren, als mein Geist die Endgültigkeit dieses Gedankens erfasste.

Ja, ich hatte alles gegeben - aber war das genug gewesen?

So oder so, es spielte nun keine Rolle mehr, meine Punktzahl, welche auch immer es sein würde, ließ sich nicht mehr ändern. Das Einzeltraining war vorüber und das Einzige, was ich jetzt noch tun konnte, war abzuwarten.

▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬

(author's note:)

Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ! so, nach zweimonatiger wartezeit gibt es nun kapitel siebenundvierzig für euch. es ist, wie ihr wahrscheinlich gemerkt habt, etwas kürzer als sonst - ich musste es aufteilen, sonst wäre es zu lang geworden und hätte von der handlung her nicht gepasst. part eins dieser story (wild hearts) wird übrigens auch bald sein ende finden - noch etwa zehn kapitel, dann kommen wir zu part zwei (strange lands) und damit zur arena. mein dank gilt wie immer jedem, der mich seit dem letzten kapitel unterstützt hat: BlackGirlNumber1, Chrissitinchen, AnnixEspinosax, Melina_1000, Iycanthropy und TheDarkTemptation. ich wünsche euch noch einen schönen abend & eine zauberhafte restwoche! Eυre Zoey.

➤ this chapter is dedicated to my gorgeous and amazing friend Iycanthropy. i know, you can't read this fanfiction, because it's in german, but i wanted to thank you for everything you've done so far - encouraging me in various ways, supporting me and my ideas - and, last but not least - for being always there for me. i love you so much & i'm so glad that i've met a true friend like you!

▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top