Kapitel 15 - Daddy


Jetzt gehörte ich wohl vollständig zu ihnen. Das hatte Bess wohl damit gemeint, dass ich schon fast ganz zu ihnen gehörte ... Und jetzt tat ich es. Ich seufzte. Einerseits war ich froh darüber, andererseits auch nicht, weil ja sie meine neue Familie waren und ich sie nicht im Stich lassen darf, was ich natürlich nie machen würde, aber ich konnte nicht mehr zu Mom und Oliver zurück. Obwohl, vielleicht war das ja gut so. Ich wusste es nicht. Gerade wusste ich überhaupt nichts. Nicht, was richtig oder falsch war. Nicht, was Freunde und was Feinde waren. Nicht, was der Unterschied zwischen Leben und Tod war. Nicht, was gut und was schlecht war. Und auch nicht, ob es einen Unterschied zwischen Liebe und Hass gab.

Cadence fuchtelte wild mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum. „Deeec?", fragte sie und zog dabei das „e" (das man wie ein „i" ausspricht) ziemlich in die Länge. „Äh ja?", fragte ich schnell und ziemlich verwirrt. Ich räusperte mich, da meine Stimme wegen einem Kloß in meinem Hals ein bisschen versagte. Ich schloss kurz meine Augen. Als ich sie wieder öffnete, waren zwei azurblaue Augen direkt vor meinen. Es waren Nellys Augen. „Man Nelly!", stöhnte ich und boxte ihr grinsend gegen die Schulter. „Erschreck mich das nächste Mal weniger, ja?!" Sie lachte und nickte. Zane, Dustin, Calvin, David, Jasper, Sean und wir Mädchen standen auf. Langsam machten wir uns auf den Heimweg.

Immer wieder blickte ich auf meinen Finger, die Wunde brannte und immer wieder kniff ich die Augen zusammen und verzog das Gesicht. Ein Pflaster, das wärs jetzt. Dazu kamen auch noch die Schmerzen von meinen geprellten Rippen. Wenigstens war meine Lippe schon wieder fast ganz heil. Ich seufzte. Zane ... er hatte schon so viel für mich gemacht ... Und ich hatte mich noch nicht einmal bei ihm bedankt! Wie konnte ich nur? Ich war ihm echt was schuldig! Aber nicht jetzt, nicht vor allen anderen. Ich musste den richtigen Zeitpunkt abwarten, ich hoffte nur, dass der nicht zu lange auf sich warten lässt ... Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, als Nelly nach mir rief. Während ich nachgedacht hatte, haben sich bestimmt fünf Meter Abstand zwischen mich und die Anderen geschoben. Schnell holte ich auf und fuhr dann mit meinem Skateboard zwischen Kate und Cadence. Zane leitete die ganze Gang. Ein kleines Lächeln umspielte meine Mundwinkel. Kate wurde auch von Tag zu Tag immer netter zu mir, dennoch hatte ich das Gefühl, dass sie mich noch immer nicht ganz akzeptierte. Aber, naja, ich verstand sie. Ich war einfach so in ihre Familie eingedrungen. Ein glückliches Wunder, dass sie mich nicht mit Schlägen sofort wieder vertrieben, sonder mir eine Chance gegeben hatte. Wenn ihr ehrlich war, konnte ich ihr und allen Anderen verdammt dankbar sein! Ich seufzte. Schon wieder dachte ich nach und wahrscheinlich war ich schon wieder drei Meter hinter allen Anderen. Als ich aufsah, war aber vor mir niemand und ruckartig hielt ich an. Verzweifelt sah ich mich um. Langsam drehte ich mich im Kreis. Doch es war keiner von ihnen zu sehen. Ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, was passieren würde, wenn plötzlich Oliver auftauchen würde. Schnell stieg ich auf mein Skateboard und fuhr weiter, als ich in einen gut gebauten Mann hineinfuhr. Ich landete auf meinem Allerwertesten. Ängstlich sah ich auf, um mir zu versichern, dass es nicht Oliver war, in den ich hinein gerast war. Ich atmete erleichtern aus, als ich sah, dass es nicht mein Stiefvater war. Es war ein Mann in dem Alter meiner Mutter. Also um die 32. Er hatte die Selben grün-braunen Augen wie ich und ebenfalls braune Haare. Es sollte jetzt nicht seltsam klingen, aber er erinnerte mich stark an mich selbst! „Entschuldigung!", murmelte ich und stand auf. „Kein Problem", lächelte er und musterte mich. Sein Blick blieb an meinem Gesicht hängen. Er verzog das Gesicht zu einer nachdenklichen Grimasse. „Du erinnerst mich stark an wen. Wie heißen deine Eltern?", fragte er. Warum wollte er das jetzt wissen? Trotz totaler Verwirrung antwortete ich: „Meine Mutter heißt May. May Baker. Und mein Vater, tja, ich habe keinen leiblichen Vater!" Seine Augen weiteten sich entsetzt und dann bildete sich ein immer breiteres Lächeln auf seinem Gesicht. Aber kein Lächeln das mir Angst machen würde, sondern ein liebevolles Lächeln, dass mich an das von meiner Mutter erinnerte. Ich erwiderte es.

„Warum wollten Sie das jetzt wissen?", fragte ich trotzdem.

„Ich lade dich auf ein Eis ein, dann erkläre ich dir alles. Und noch etwas, sag Du zu mir!"

Noch verwirrter nickte ich und folgte ihm. Ich fuhr im Fußgängertempo auf meinem Skateboard. „Bist wohl auch eine Skateboarderin. So wie deine Mutter nicht wahr?", fragte der Mann und wieder lächelte er. Dabei sah er mich nicht an. „Sie, ich meine du, kennst meine Mutter?", fragte ich. Sein Lächeln wurde breiter.

„Ich kenne die Frau, die mich mit einem Kind im Bauch verlassen hatte. Ich habe sie zu sehr verletzt ...", murmelte er und sein Lächeln verschwand.

„Wie meinst du das?", fragte ich.

„Ich bin dein Vater, mein Kind. Dein leiblicher Vater!", erklärte er und sah mir dann tief in die Augen. Ich hielt in der Bewegung inne. Ich  hatte einen leiblichen Vater!, schoss es mir durch den Kopf. Ich hatte ihn endlich! Ich lächelte in mich hinein. Aber er, also mein Vater, er kam zu spät! Ich konnte jetzt nicht mehr zu ihm. Weder zu ihm, noch zu meiner Mom.

„Na endlich Dec! Da bist du ja! Wo hast du gesteckt?", konnte ich Zoes Stimme hören. Ich drehte mich lächelnd um und sah in elf aufgeregte Augenpaare. „Alles in Ordnung! Ihr wart doch plötzlich weg!", konterte ich.

„Red keinen Mist! Naja, jetzt bist du wieder da und wir können weiter!", meine jetzt Bess und packte mich am Handgelenk. Der Mann steckte mir eine Visitenkarte zu, lächelte und verschwand dann in einer Menschenmenge. Dann konnte ich ihn nicht mehr sehen. Ich musste breit lächeln. Ein Seufzer entfuhr mir. „Dec, wer war das?", fragten dann alle auf einmal, als ich mich zu ihnen umgedreht hatte. „Mein leiblicher Vater! Ich habe ihn grade kennengelernt!", lächelte ich und erzählte ihnen die ganze Geschichte, als wir weiterfuhren. 

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