Sechs - Ciara

Am nächsten Morgen erwachte ich als erste. Die anderen schliefen noch und ich schlich mich von der Lichtung.

Entspannt setzte ich mich zu Boden und starrte ins Nichts. Ich hatte mich schneller an die Wildnis hier gewöhnt, als mir lieb war.

"Ach, doch schon einer wach?", begrüßte mich die leicht tiefe Stimme des Blonden, Lucien.

Ich sah hoch und sah den Blauäugigen an einen Baum gelehnt.

"Was genau ist eigentlich das Ziel? Klar, nach Osten, aber...", fragte er und blickte weiter geradeaus.

"Hinter einer Bergkette kommt noch ein Land. In den alten Karten war ein Turm zu sehen, der letzte vor dem endlosen Land, aber moderne Karten bilden nur noch dieses Land hier ab. Wir müssen uns durch ein riesiges Berg-Gewölbe kämpfen, also solltet ihr bei mir bleiben, ich kenne mich mit sowas aus."

Lucien machte ein Geräusch, das wie ein Schnauben klang. "Scheint so. Wieso?"

Leicht biss ich mir auf die Unterlippe, überwand mich aber doch zur Antwort. "Ich durfte nie nach draußen, oder mit anderen Kindern spielen. Deswegen habe ich mich auf Bücher gestützt und so viel gelernt wie nur möglich."

Der Blick des Blonden ging weit in die Ferne, es dauerte eine Weile bis meine Worte zu ihm durchdrangen. Vielleicht hing er ebenfalls in seiner Vergangenheit, obwohl Ran mir gegenüber schon erwähnt hatte, dass Lucien keine besonders schwere Kindheit hatte.

Halbwegs beliebt in seinem Dorf, Sohn eines Kriegers und auch in der Jagd fast immer erfolgreich, dann natürlich seinem Können verschuldet. Gleichzeitig wanderte aber auch das Sprichwort in meinen Kopf 'es ist nicht alles so wie es scheint' 

Aber den Gedanken verwarf ich wieder, dass hier war nicht der Zeitpunkt für solche Fragen.

"Hey ihr beiden! Wir sollten mal langsam los, oder?", rief Ran uns zu und ich ging wieder zurück zum "Lager" 

Es hatte mich überrascht, dass Vesta sich so still verhielt, wo er doch eigentlich gestern um einiges gesprächiger gewesen war.

Vielleicht traute er Ran und Lucien einfach nicht, was verständlich war, bei ihrer bizzaren Geschichte. Ich wusste nicht einmal, dass immer noch Menschen in diesem Talkessel lebten und dass sie an einem Tag einfach so darüber geklettert waren, wirkte nicht sehr realistisch.

Während ich in mein Gedankenloch fiel, bewegten wir uns weiter zu den bereits sehr nahen Bergen. Am frühen Mittag, an dem wir auch endlich etwas Essbares zu uns nehmen konnten -ich hatte seit über zwei Tagen keine anständige Mahlzeit mehr-, fanden wir endlich einen großen Höhleneingang.

"Na, geht doch!", meinte Ran motiviert und machte eine siegesssichere Geste. "Jetzt müssen wir nur durch.", sagte Vesta düster.

Während wir reinliefen redete ich weiter: "Bleibt einfach hinter mir, dass-"

"Cia, pass auf!" Rans schriller Schrei ließ mich instinktiv einen Satz nach vorne machen und ich wurde nur knapp davor bewahrt, von Felsbrocken erschlagen zu werden.

Als mein Gehirn wieder anfing zu arbeiten, nahm ich als erstes eine Sache wahr: komplette Dunkelheit.

Das einzige Geräusch kam von Tropfsteinen, zumindest ging ich davon aus, dass es welche waren. "Vesta? Lucien? Ran?", flüsterte ich und wiederholte mich lauter, als keine Antwort kam.

Nach einigen Minuten konnte ich wieder normal denken. Ich musste taktisch denken, schließlich war ich die einzige die sich hier auskannte. Es klang eingebildet, das zu sagen, aber ohne mich waren die anderen hier aufgeschmissen.

Der Eingang wurde verschüttet und der Weg gabelte sich bereits hier am Anfang. Ich war, vom Eingang aus gesehen, sehr gerade gelaufen. Ran's Ruf kam von links, davor hatte ich rechts von mir Vesta und Lucien gesehen, der Weg teilte sich in drei Richtungen.

Demnach müsste Ran sich jetzt im linken Gang befinden, die Jungs im rechten. Hoffentlich trennten die beiden sich nicht, das wäre verheerend. So gut es ging restaurierte ich die Karte des Gewölbes in meinem Kopf.

Der Schreck saß leider noch immer in meinen Knochen und ich konnte mich nicht gerade gut konzentrieren. Sollte ich es schaffen, die richtigen Abzweigungen in diesem Gang zu nehmen, würde ich zu den Jungs finden, außer natürlich wir verpassten uns.

Das wichtigste war zuerst, dass wir wieder alle auf einem Haufen waren.

Unsicher stand ich auf -denn bei meinem Satz nach vorne eben, war ich zu Boden gestürzt- und tastete im Dunkeln nach der Wand.

Die beste Karte nützte mir nichts, wenn ich meine Umgebung nicht wahrnehmen konnte.

Und außerdem sorgte ich mich, dass uns früher oder später die Luft ausgehen würde, allerdings würde dass noch etwas hin sein.

Als ich endlich etwas ertastete, stand ich erleichtert auf. Ich musste mich beeilen, und zwar sehr.

Erst als ich spürte, dass die "Wand" aus etwas felligem Bestand, wurde ich stutzig. Und als sich das Ding an meiner Hand bewegte, erkannte ich was ich gerade anfasste.

Ich schrie aus Reflex so lauft auf, wie meine Lungen es nur zuließen und stolperte zurück.

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