Neun - Ciara

Zwar waren diese Leute jetzt verschwunden, aber die Gewissensbisse verfolgten mich weiter. Vesta und Lucien konnten nicht ahnen, was der Grund dafür war, aber ich wollte es ihnen auch nicht erzählen.

Vor Jahren schon hatte ich mir geschworen, nie wieder Menschen zu heilen. Man könnte denken, dies wäre eine hilfreiche Fähigkeit, aber das war es nicht, im Gegenteil.

Ich hatte das schon seit meiner Geburt. Damals konnte ich meine Heilkräfte überhaupt nicht kontrollieren, wurde mir immer erzählt.

"Ciara? Weißt du eigentlich wo Ran ist?", fragte mich Lucien plötzlich. Unglücklich schüttelte ich den Kopf und sah zu Boden. Ich machte mir riesige Sorgen um sie, spätestens nachdem ich einem der Monster hier begegnet war.

"Sie müsste in einem anderen Gang sein. Ich weiß noch ungefähr, wie wir dort hinkommen." Wir nahmen uns den kleinsten, von den noch existierenden Scheinwerfern, die diese Soldaten zurückgelassen hatten, um eine Lichtquelle zu haben.

Ich rannte bereits, als die Beiden mich wieder eingeholt hatten. Irgendwas war ihr passiert, dass spürte ich.

Nur an den wenigsten Kreuzungen musste ich überlegen wohin, ich war mir sicher wo wir lang mussten.

Und irgendwann, wo der Gang nur noch gerade verlief... Wurde uns der Weg von mehreren Felsbrocken versperrt. "Diese Höhle kann auch nicht sicher sein, wenn hier dauernd irgendwas runterfällt.", kommentierte Vesta nüchtern.

"Scheiße! Das hier ist der einzige Durchgang, heißt, dass die in einer Sackgasse steckt!", fluchte ich, aber Lucien schob mich zur Seite.

"Lass mich mal.", murmelte er und donnerte mehrmals hintereinander den alten, klapprigen Speer an den selben Punkt in der Mauer. Nach und nach bröckelten kleine Teile ab und dann krachten die Felsbrocken mit einem dröhnenden Gedonner ineinander.

"Hättest du das nicht schon früher machen können, wie beim Eingang?", fragte Vesta genervt. "Das war nicht das gleiche Material und ich konnte nicht sehen.", kam die Antwort zurück, während ich schon über die spitzen und stechenden Steine kletterte.

Vesta und Lucien brauchten etwas, um zu bemerken, dass ich schon weiter war und folgten mir schnellstmöglich.

Eingeholt hatten sie mich aber erst, als ich erschrocken zu Boden stolperte. Entsetzt starrte ich zu dem Mädchen an der Wand - Ran.

Ihre Hände waren von Dolchen zerstochen in den Fels hinter ihr geklemmt, ihre Arme waren blutüberströmt. Die langen schwarzen Haare verhinderten, dass ich ihr Gesicht sehen konnte, weshalb ich näher kroch.

Ich hob ihr leicht die Haare aus dem Gesicht. Ihre Wangen waren tränenüberströmt, ihre Augen geschlossen. Schnell fühlte ich nach ihrem Puls - sie lebte noch.

Ran's linker Arm sah etwas verdreht aus, weshalb ich schnell den Blick abwandte. Ihr kompletter Körper war von Schrammen, Kratzern und Blutspuren übersät.

"Was ist mit ihr passiert?", fragte Lucien tonlos. "Ciara, du musst sie heilen, ich habe doch gesehen, dass du das kannst!"

So sehr es mir auch widerstrebte, ich schüttelte den Kopf. "Mach schon! Siehst du nicht wie- wie...", Luciens Stimme versagte.

"Ich kann nicht. Ich wollte es schon bei Vesta nicht machen. Es ist nicht einfach nur heilen, es verschnellert den Heilungsprozess. Klingt vielleicht harmlos, aber dadurch... Dadurch sauge ich der Person Lebensenergie aus. Dann kommt der Tod der Person näher, versteht ihr? Je größer die Wunde, desto mehr Lebenszeit wird angewendet. Man sieht es nicht körperlich, aber die geheilte Person altert schneller - und stirbt auch schneller."

Bedrückende Stille legte sich über den Gang. Mir liefen inzwischen ebenfalls Tränen übers Gesicht, der Auslöser, dass Vesta mich in eine Umarmung zog.

"Bitte... Heile trotzdem zumindest oberflächliche Wunden. So, dass wir sie hier sicher rausbringen können. Bitte.", flehte Lucien und irgendwann nickte ich.

Ich zitterte. "Aber erst... Ihre Hände..." Lucien verstand und entfernte vorsichtig die Dolche, während Vesta mich weiterhin umarmte, und ich war froh darüber. Ich brauchte das in diesem Moment, sonst wäre ich vermutlich zusammengebrochen.

Ran sackte leicht nach unten, aber Lucien hielt sie fest. Zitternd hauchte ich jeweils einen Kuss auf ihre beiden Hände und fast sofort sah man die Wirkung.

Die Wunden (wobei Wunde untertrieben war) schlossen sich in schneller Geschwindigkeit und hinterließen nur winzige Narben.

"Andere Verletzungen sollten von einem richtigen Arzt behandelt werden. So sollte es halbwegs gehen.", meinte ich und Lucien hob Ran auf seinen Rücken. Als wir sicher waren, dass sie nicht runterfallen würde, gingen wir wieder den Weg zurück, in Richtung Ausgang.

Vesta, der die ganze Zeit fast nichts gesagt hatte, legte noch immer einen Arm um mich, vermutlich auch der einzige Grund, dass ich mich wieder gefangen hatte und nicht die ganze Zeit heulte.

Irgendwann kam dann Licht in Sicht, echtes Sonnenlicht - dachte ich zuerst, aber dafür war es doch zu dunkel.

Vesta atmete erleichtert aus. "Wir sind endlich wieder draußen."

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