Eins - Ran

Vorsichtig kniete ich mich hin und strich sanft über die zahlreichen Hufspuren auf dem matschigen Weg.

Sie stammten von einer Herde Daraé, eine Mischung aus Pferd und Steinbock, die vorallem für ihre Geschwindigkeit bekannt waren.

Wenn man einmal unter ihre Hufen geriet... Mir schauderte es und ich schlich weiter über den Waldboden.

Meine linke Hand ruhte auf einem der Pfeile in meinem Köcher, mit der anderen hielt ich meinen Bogen.

Wieder einmal schoss mir durch den Kopf, wie surreal es war, dass ich mit Pfeil und Bogen kämpfte, während andere Jäger bereits Schusswaffen einsetzen, die perfekt gebaut waren.

Ein lautes Wiehern riss mich aus meinen Gedanken und schnell duckte ich mich in das hohe Gras. Daraé waren zwar schreckhaft, aber alles was unter ihrer Kopfhöhe war, war für sie so gut wie unsichtbar.

Tatsächlich war weniger als hundert Meter entfernt die Herde. Sie waren alle vergleichsweise nah beieinander, boten also keine Chance zum Angriff. Selbst wenn ich einen von ihnen treffen sollte, wäre die Gefahr niedergetrampelt zu werden viel zu groß.

Nach einiger Zeit des Wartens entfernte sich tatsächlich ein Tier der Gruppe und bewegte sich noch dazu in meine Richtung.

Sobald der Daraé nah genug war, griff ich so schnell wie möglich einen Pfeil und zielte auf seinen Kopf.

Die Sehne spannte sich, ich ließ los. 

Und dann ging alles schief.

Zwar traf ich, und der Daraé fiel nach lautem Wiehern zu Boden, doch die Anderen stürzten aufgeschreckt in meine Richtung.

Kurz mit der Situation überfordert, hatte ich keine Ahnung was ich tun sollte, bis mir der ziemlich tiefe Ast des Baumes neben mir auffiel. Ich sprang, griff danach und zog mich schnell auf den Ast. 

Gerade rechtzeitig, denn hätte ich nur wenig länger dort gestanden, wäre ich jetzt tot, denn genau dorthin rannten jetzt die Daraé.

Sobald die Herde verschwunden war, sprang ich mit einem Satz nach unten und schlenderte zu dem toten Daraé.

Ich griff nach meinem kleinen Dolch und begann an dem Tier herumzuschneiden. Es war mir unangenehm, aber es war nötig.

Das essbare Fleisch verwahrte ich so gut wie möglich in meinem Lederbeutel und das Fell des Daraé ebenso.

Dann machte ich mich auf den Weg in das Dorf, welches hier in der Nähe lag. Meine Gedanken schweiften mal wieder ab, wie so oft wenn ich alleine durch den Wald strich.

Eigentlich war ich ausgestoßen - ich gehörte nicht zum Dorf, sie wollten mich dort nicht. Nur eine von ihnen, Arien, eine einfache Händlerin, handelte mit mir und ließ mich nicht völlig im Stich. Lange war ich mir sicher, dass der Hass der Leute meinem Brandmal auf der linken Hand verschuldet war, in der Form einer Taube. Es war merkwürdig, ja, aber das konnte nicht ein so heftiger Grund sein.

Am Dorf angekommen wurde ich von Lucien begrüßt - nicht gerade gute Nachrichten. Er war einer der stärksten Kämpfer aus dem Dorf und hasste mich zutiefst.

Zwar war es besser geworden, seit ich ihm vor Jahren das Leben gerettet hatte, doch mögen, war das falsche Wort um unsere Beziehung zu beschreiben.

Als wir aneinander vorbei liefen, wechselten wir keinen Blick, doch vollkommen absichtlich rempelte er mich an, was mir lediglich ein Augenrollen und halbherziges Schnauben entlockte.

Ohne ein Wort ging ich zu Arien und holte das Fell heraus. Grinsend nahm sie es entgegen. "Gute Qualität, Ran. Daraé-Fell. Nun gut, ich habe es dir versprochen, nimm dir das Schwert."

Für manche wirkte es vielleicht merkwürdig, für ein Stück Fell ein Schwert zu tauschen, doch wir lebten in den Bergen und da war warme Kleidung in den sicheren Dörfern meist wichtiger.

Dieses Schwert war schon lange mein Traum. Es war aus magischen Eisen, Einhänder und lag gut in der Hand. Eigentlich war es irre von Arien, so ein Schwert für diesen mickrigen Preis zu verkaufen.

"Danke. Jetzt muss ich aber los, Chaya wartet sicher schon ungeduldig." Arien warf mir noch einen mitleidigen Blick zu, bevor ich aus dem Dorf schlenderte.

Ich spürte deutlich die Blicke der Leute, aber es interessierte mich nicht sonderlich, im Gegenteil. "Ja, seht sie euch an, die verrückte Ausgestoßene.", murmelte ich mehr zu mir selbst, als zu den Menschen hier.

Nach einiger Zeit kam ich endlich zu der kleinen Hütte, in der ich schon ewig lebte. Ich freute mich bereits auf Chaya, eine zahme Füchsin, die ich auf einem meiner Streifzüge gefunden hatte und sie aufzog.

Doch dann, als ich nahe der Eingangstür stand, durchriss ein Schuss die Stille des Abends und mein Atem stoppte. Der Schuss kam aus meiner Hütte. 

So schnell ich konnte stürzte ich in das Häuschen - eine dumme Entscheidung.

Fast sofort wurde mir eine Pistole an den Kopf gehalten und vorsichtig wich ich zurück. "Wer bist du?", presste ich hervor.

Vor mir stand eine Frau, einige Jahre älter als ich, welche mich ohne großes Interesse betrachtete. Der Dunkelheit verschuldet erkannte ich sie nicht gut, doch ihre braun-lilanen Augen blitzen in dem düsteren Raum.

"Ich bin Söldnerin, mein Name ist Maeve. Nur wirst du nicht mehr die Gelegenheit haben, das irgendwem mitzuteilen."

Ich rollte leicht mit den Augen. "Oh, bitte, wer wird mich denn tot sehen wollen?"

"Ich weiß ebenfalls nicht viel. Aber vermutlich liegt es an diesem Mal." Überrascht sah ich auf die taubenförmige Brandwunde an meiner Hand. 

Beinahe zur Probe, machte ich einen Satz rückwarts, doch sie reagierte schnell und bewegte sich geschmeidig wie eine Katze.

Die Endlage war, dass Maeve hinter mir stand, ich hatte den Pistolenlauf am Kopf und meine Waffen hatte sie an sich genommen.

Zwanghaft versuchte ich, mich zu beruhigen, ich musste hier raus, und zwar so schnell wie möglich.

Glücklicherweise hatten wir beide meine kleine Füchsin vergessen, die nun mit voller Kraft in Maeves Bein biss.

Maeve schrie auf und war kurz abgelenkt, gerade rechtzeitig, damit ich meine Waffen schnappen konnte.

"Kämpfe wenigstens fair!", warf ich ihr an den Kopf, doch ihr entwich nur ein genervtes Stöhnen. "Ihr Hinterwäldler seid so anstrengend. Ich hätte dich sofort erschießen sollen, aber nein, ich bin viel zu gnädig."

Wie aus dem Nichts schlug ich ihr mit meinem Speer in die Seite und riss sie so zur Seite, von der Tür weg. Zwar schaffte sie es, diesen abzufangen, doch ich ließ los und rannte aus der Hütte raus.

Es hatte keinen Sinn, so gegen sie zu kämpfen, deswegen war meine einzige Möglichkeit Flucht. Ich sprintete den Weg, weiter in die Berge hoch, während mir Maeves Flüche folgten und ich immer wieder nur knapp Pistolenschüssen ausweichen konnte.

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