Zukunft & Vergangenheit
~POV Miki~
Ich schaue Kostas einfach nur an und denke nach. Was will ich in meiner Zukunft? Ich öffne den Mund, doch ich schließe ihn wieder. Ich weiß es nicht. Ich habe kein Studium, auch sonst keine Ausbildung. Ich arbeite nur in einer Buchhandlung an der Ecke mitten in London. Seit 23 Jahren bin ich hier - glücklich. Nur mit Büchern, und ich lebe im hier und jetzt, ich bin zufrieden mit meinem Leben und ich habe noch nie an meine Zukunft gedacht. Als das wird mir erst jetzt bewusst, und ich gucke Kostas mit großen Augen an.
Schweigend zucke ich die Schultern. "Ich habe keine Pläne, schätze ich", sage ich leise und starre auf meine verschränkten Finger. "Das ist doch kein Problem, du hast ja Zeit", meint Kostas beruhigend, er scheint zu spüren, dass mir das Thema etwas unangenehm ist. "Das mit dem Bild erledige ich morgen", wechselt er geschickt das Thema. "Brauchst du sonst was vom Kunstladen? „Ich nicke. "Ja, wenn's geht, könntest du mir einen Zeichenblock mitbringen? Meiner ist voll", erwidere ich und Kostas guckt mich interessiert an.
"Du zeichnest?", fragt er nach und ich nicke. "Ist ein Hobby" "Willst du mir ein paar deiner Zeichnungen zeigen?", bittet er und seine Augen funkeln mich so gespannt an, dass ich nicht nein sagen kann. Kurze Zeit später hat Kostas meinen Zeichenblock auf dem Schoß liegen und blättert staunend darin herum. Ich erkläre bei einigen Zeichnungen den Hintergrund, doch ich habe das Gefühl, das Kostas meine Gedankengänge irgendwie schon verstanden hat. Er stoppt bei einem Bild, das ich vor Ewigkeiten gezeichnet habe. Es zeigt zwei Männer, die eng umschlungen tanzen.
Diese Zeichnung habe ich noch nie zuvor jemanden gezeigt, es war mir unangenehm, ja fast schon peinlich, doch bei Kostas macht es mir irgendwie überhaupt nichts. Kostas hat einen Finger auf der Zeichnung und sein Blick wandert zu mir. Ein braunes Augenpaar sieht mich ziemlich fragend an und ich will gerade antworten, da gleitet sein Blick wieder auf das Bild. Er betrachtet es genauer, ich beobachte ihn, seine Gefühlsregung in seinem Gesicht. Es ist starr, fast emotionslos, doch in seinen Augen glitzert es verdächtig. Sein Finger streicht noch einmal über mein 'Bleistiftkunstwerk'.
"Das erinnert mich an mich und Toni", sagt er leise und tonlos. "Er hat mir das Tanzen gezeigt". Die Tatsache, dass Toni ein Er ist, überhöre ich geflissentlich und lege stattdessen einen Arm um ihn. Und anstatt nachzufragen, nehme ich nur behutsam meinen Block von seinen Knien und lege ihn auf den Tisch. "Willst du drüber reden?" Kostas schnieft einmal und schweigt weiterhin, die Augen hat er inzwischen geschlossen. "Verstehe. Du musst nicht drüber reden. Hätte vielleicht geholfen". Ich klinge verständnisvoll, doch ein bisschen Enttäuschung schwingt dennoch in meiner Stimme mit. Vertraut er mir etwa nicht genug?
Später liegen wir wieder in meinem Bett und versuchen zu schlafen. Zumindest ich versuche es. Kostas liegt neben mir, den Rücken zu mir gewandt und ich dachte bereits, dass er schon lange schläft, als er auf einmal das Wort erhebt. "Ich hab ihn in einem Club getroffen. Ein Freund hatte mich mitgenommen. Ich hatte keinen Spaß, Clubs waren nichts für mich, aber dann hab ich ihn gesehen. Er hat getanzt, und ich war direkt verzaubert von ihm. Irgendwie hab ich versucht, auf mich aufmerksam zu machen. Und dann hab ich einfach getanzt. "
Jetzt dreht sich Kostas zu mir um und wir liegen uns gegenüber, Nase an Nase, und seine Augen funkeln mich aus der Dunkelheit an. "Es hat Spaß gemacht, auch wenn ich nichts konnte, und im Endeffekt ist mein Plan aufgegangen. Irgendwann ist Toni auf mich zugekommen und hat mich zur Seite genommen. 'Ich kann da nicht weiter zusehen, sowie du tanzt, da hab ich keine Worte für', hat er gesagt und mir Tanzstunden angeboten. Er war Tanzlehrer, und natürlich habe ich ja gesagt. Ein halbes Jahr später kamen wir zusammen. Zur selben Zeit habe ich auch angefangen, Tanzstunden Teilzeit zu geben, die Stelle habe ich durch Toni bekommen. Und dann - irgendwann wollte Toni verreisen. Wir sind oft weggefahren, und dieses Mal hatte ich einfach keine Lust. Das hat Toni wohl so verletzt, und er ist den Abend weggeblieben. Den Rest der Geschichte kennst du ja. Und obwohl es schon einige Jahre her ist, verletzt es mich noch immer. Nicht nur, dass er mich als krank und als Schwuchtel bezeichnet hat, sondern auch, dass er meine Entscheidungen nicht akzeptiert hat und trotzdem nicht zu mir gehalten hat. Seit Toni habe ich noch nie jemandem so sehr vertraut wie dir. Du bist mir so verdammt wichtig, Mik."
Mir wird ganz warm und unter der Decke taste ich nach Kostas' Hand und umschließe sie vorsichtig. Mein Herz schlägt schneller, als sich auf seine Lippen ein sanftes Lächeln schleicht und er unsere Finger verschränkt. "Also... du bist schwul?", frage ich noch zur Sicherheit nach und aus irgendeinem Grund muss ich grinsen wie blöd, als er nickt und leise lacht.
"Ja, kann man so sagen. Und du hast, wenn man die Zeichnung sieht, nichts dagegen", stellt er fest, doch er klingt trotzdem noch etwas fragend und ich lächle. "Nein. Ich bin selber bi, um genau zu sein." Ich bin froh, dass ich es einfach so gesagt habe. Eine Weile ist es wieder still, bis ich das Gefühl habe, etwas sagen zu müssen. "Danke, dass du es mir gesagt hast"
"Danke, dass du zugehört hast" "Komm her" Kostas streckt seinen Arm aus und ich rutsche ganz dicht neben ihn und lege meinen Kopf an seine Schulter, eine Hand platziere ich mutig auf seiner Brust. Die andere ist noch immer unter der Decke, fest von Kostas' Hand umschlossen.
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AWWW Die liebe Wildfreund hat nen halben Fangirlanfall erlitten, als sie das Kapitel nochmal zur Korrektur gelesen hat. Die Beiden sind aber auch einfach nur Zucker. :)
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