Regenschirm
~POV Mik~
Ich stehe schon seit einer gefühlten Ewigkeit an der Ampel, die einfach nicht grün werden will.
Meine Schuhe sind schon völlig durchnässt und auch meine Jacke klebt schon an meinem kalten Körper.
Ungeduldig drücke ich erneut auf den Ampelknopf, doch das rote Männchen will einfach nicht verschwinden. Es grinst mich hämisch von der anderen Straßenseite aus an, wo gerade meine S-Bahn wegfährt. Ich stöhne auf. Na toll, jetzt darf ich noch eine Viertelstunde länger in der Kälte stehen. Ich fixiere das rote Männchen so böse, dass ich den roten Regenschirm erst bemerke, als er unmittelbar über mir schwebt.
Verwundert starre ich auf die Hand, die ihn hält. Dann auf das Gesicht, zu dem Schirm und Hand gehören. Braune Augen, die mich anschauen. Ich schaue zurück.
Ein fremder junger Mann steht an der Ampel neben mir und teilt mit mir seinen Regenschirm. In der heutigen Welt wirklich eine absurde Situation.
Irgendwann verzieht sich der Mund des Fremden zu einem Lächeln. Es sieht zu meinem Erstaunen ehrlich aus. Zögernd erwidere ich es. Es ist schon etwas länger her, dass mich jemand angelächelt hat. Ehrlich.
Ich mustere den Mann neben mir genauer. Er hat braune Haare und ein echt süßes Gesicht. Er ist etwa so alt wie ich, schätze ich. Ich beobachte ihn verstohlen von der Seite, bis ich merke, dass er etwas sagt. "Sorry, eh was?", murmele ich verlegen und gucke auf meine durchgeweichten schwarzen Chucks.
Ich muss echt mal meine Doc Martens aus dem Schrank holen. „Ich hab gefragt, ob wir losgehen wollen? Die Ampel bleibt nämlich nicht ewig grün", dringt die Stimme des Fremden zu mir. Ich laufe rot an und nicke, und wir setzen uns in Bewegung. Mein Blick schweift immer wieder zur Seite, zu ihm, ab, und ich registriere, dass er Anzugschuhe trägt. Wo er wohl hinwill? Schweigend gehen wir über die Ampel und bleiben dann, wie abgesprochen, stehen. Der Regen hat immer noch nicht nachgelassen, im Gegenteil, er ist sogar stärker geworden.
"Ich muss zur S-Bahnstation, und du?"
"Ich auch"
"Na dann los"
Wieder laufen wir nebeneinander her, bis zur Haltestelle, schweigend. Wir hängen beide unseren Gedanken nach. Worüber er nachdenkt, weiß ich nicht. Ich frage mich immer noch, wieso jemand, der Anzugschuhe trägt, die S-Bahn nach Hause nimmt. Ich gehe einfach davon aus, dass er nach Hause geht, da es schon nach 18:00 ist.
Innerlich schlage ich mich schon für meine oberflächliche Frage, ich kenne ihn ja nicht einmal. An meiner Haltestelle drücke ich auf den Knopf und drehe mich zu dem Fremden um. "Ich muss hier raus. Also... danke", sage ich und lächle dem jungen Mann nochmal zu. „Vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Bis dann", erwidert er und lächelt zurück. "Vielleicht"
Ich steige aus der Bahn und renne den Rest meines Heimweges durch den strömenden Regen. Ich denke nochmal an die Situation mit dem Regenschirmjungen an der Ampel. Mir fällt ein, dass ich ihn nicht Mal nach seinem Namen gefragt hatte. Und das bereue ich jetzt. Und ich hoffe irgendwie, dass ich ihn irgendwann mal wieder sehe.
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Bevor ich es vergesse, Miks Sicht schreibt immer free_skyline und Koschtis Sicht schreib immer ich.
Aber für die die es vergessen schreib ich es unten jeweils noch mal hin.
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