Kurzgeschichte: Gargoyle's
Ein Ruf hallte durch die Höhle. Das bedeutete Gefahr!
Ich ließ das Stück Fels, das ich gerade bearbeitet hatte, fallen, sprang auf und rannte tiefer in die dunklen Gänge der Grotte. Über mir begann die Decke gefährlich zu vibrieren und ich lief schneller – ich wollte nicht früher sterben, weil mir ein Fels den Kopf zerschmetterte und mich unter sich begrub. Obwohl, wenn ich daran dachte, was die Fänger mit uns anstellen würden, wenn sie uns in die Finger bekämen...
Ich wollte nicht mal daran denken. Und ich wusste es auch nicht genau. Es gab zwar Schauermärchen, die den Schlüpflingen abends von ihren Müttern erzählt wurden, doch niemand war je zurückgekehrt, sobald die Treiber einmal seine Witterung aufgenommen hatten.
Der in den Fels geschmolzene Gang vor mir mündete in eine Gabelung. Gerade als ich mich dem rechten, dem Weg in die Statuenhöhlen, zuwenden wollte, vibrierte der Fels über mir so stark, dass ich instinktiv zurückwich und sich meine Halsschuppen aufstellten. Kurz hinter dem Knick der Wegbiegung kam Geröll heruntergedonnert und blockierte den Tunnel. Ich zögerte nicht länger sondern bog in den linken Gang, lief eine lange Treppe hinunter, schlängelte mich um schwarze Felsbrocken aus Lavagestein herum und kam vor einer über sechs Meter hohen Schieferwand zum Stehen. Flink bohrte ich meine Krallen in den weichen und spröden Stein, breitete meine dünnen grauen Flügelhäute aus, um mich leichter zu machen, und krabbelte schnell auf den kleinen Vorsprung knapp unter der Decke. Von dort führte ein sehr schmaler Spalt ins Felsinnere. Ich wandte mich noch einmal um, hob meine Schnauze in die Luft, schnupperte, konnte aber nichts wahrnehmen außer dem heißen Geruch von geschmolzenem Fels, also zwängte mich zwischen dem kalten Stein in die länglich nach oben geöffnete Höhle.
Ein erneuter Schrei ließ mich zusammenzucken. Ich saß absolut regungslos da und lauschte durch den Fels um mich herum. Ich hörte meinen Herzschlag, meinen unregelmäßigen und gepressten Atem, das leise Heulen des Windes, der durch feine Löcher von über der Oberfläche hereinzog und die gedämpften und fernen Geräusche eines Gemetzels. Ich schlich langsam auf die Wand zu, die den Schreien und Kampflauten am nächsten lag. Jetzt konnte ich auch das steinerne Zerbrechen von Eierschalen und die röchelnden, letzten Atemzüge der noch atmungsunfähigen Steinblinzler unter der Geräuschwand ausmachen.
Die Treiber waren in die Bruthöhle eingedrungen. Und wenn die Treiber schon so weit vorgedrungen waren, mussten die Fänger draußen an den Ausgängen warten. Sie würden mich doch hoffentlich nicht durch die Öffnungen riechen? Nein, beruhigte ich mich im nächsten Moment selbst, Fänger waren einfache Menschen, sie hatten keine so gute Nase wie wir oder die Treiber. Außerdem zog der Wind durch die Löcher herein, so konnte kein Geruch nach draußen dringen. Die wirkliche Gefahr waren die Treiber.
Treiber sind Höllenhunde. Wir nennen sie Treiber, weil sie unsereins aus unseren Höhlen in die Arme der Menschen treiben, die an den Ausgängen auf uns warten. Höllenhunde sind Dämonen, beschwört von den Menschen und an ihren Beschwörer gebunden. Sie haben das Aussehen von schwarzen, bis zu zwei Meter langen Hunden mit gelben Augen und spitzen Zähnen, die sogar die steinerne Haut eines Gargoyles zerbeißen können. Sobald sie Witterung aufgenommen haben, werden ihre Augen rot und sie jagen ihr Opfer so lange, bis sie es erlegen oder einen anderen Befehl ihres Beschwörers erhalten. Sie würden der Untergang unserer Kolonie sein.
Ein Fauchen und Jaulen vor meinem Versteck, ebenso laute Pfotenschritte ließen mich versteinern. Ich schloss die Augen und benutzte nur meine zweite Sicht, um die Gefahr vom Gang her zu erkunden. Mein Geist löste sich aus meiner versteinerten Hülle, einem Wasserspeier, der an eine Kreuzung aus Drache und Hund erinnerte. Ich hatte meinen Körper gemocht, er war noch nicht alt gewesen, nur 400 Jahre, doch wenn die Situation es erforderte, würde ich ihn zurücklassen. Mein Leben war mir wichtiger als mein Körper. Ein feines Band hing immer noch zwischen mir und dem Wasserspeier in der Vulkangrotte, ich nahm es nur als leises Summen war, als ich meinen Geist durch die Spalte zurückdrängte.
Unten, vor der Felswand, standen sechs Höllenhunde, ihr Fell voller Felsstaub und nicht schwarz seidig schimmernd. Abwechselnd sprangen sie hoch und bohrten ihre Krallen in den weichen Schiefer. Ihre Hinterbeine versuchten sie dabei verzweifelt an der Wand hoch zu katapultieren, doch sie kamen nur bis ganz knapp unter den Vorsprung. Ihre Augen waren alle rot, sie hatten meine Witterung. Ihre Pupillen weiteten sich, als sie das blaue Glühen meines Geistes sahen und kurz wurden ihre Augen weiß; sie erhielten neue Befehle ihrer Beschwörer. Da sie alle auf einmal reagierten, nahm ich an, dass sie alle von nur einem einzigen Menschen beschworen worden waren. Sechs an der Zahl war nicht viel, doch diese Aktion musste dem Beschwörer unglaublich viel Energie und Konzentration rauben, schließlich zapften alle diese auf Kampf getrimmten Dämonen an seinen Kräften. In mir formte sich ein Plan: wenn seine Konzentration nachließe, der Beschwörer erschöpfte, dann konnte ich fliehen. Die Höllenhunde unter mir starrten noch immer zu mir herauf, doch sie alle hatten abgelegt und schauten nur zu mir in die Höhe. Sie zeigten ihrem Beschwörer wie ich aussah.
Ich drückte mich wieder durch den Spalt und sah mich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Wenn die Höllenhunde ihrem Beschwörer meine Daten vermittelten, dann konnte ich hier nicht mehr raus, ich würde verfolgt werden, bis sie mich hatten. Außerdem hatten die Höllenhunde meine Witterung noch immer in der Nase. Sie würden mich finden und ohne Körper war ich zu schwach, um weit zu kommen. Noch immer strich der Wind durch die Höhle und erzeugte ein leichtes Heulen. Mir kam eine Idee.
Ich ließ das Band zurückschnappen und befand mich wieder in meinem Körper. Ein leises Stöhnen, das an Stein der auf Stein kratzte, erinnerte, konnte ich nicht unterdrücken. Ich verfluchte mich im Stillen und hoffte, dass ich mich nicht selbst verraten hatte, dann öffnete ich meine Flügel und drückte mich ab. Dank meiner kräftigen Hinterbeine war ich schnell, so schnell, dass ich wie ein Pfeil nach oben schoss und ohne Mühe durch die Erdschicht stieß. Doch mein Flug wurde jäh beendet. Stahlseile wurden um meinen Körper gewickelt.
Es kam mir vor, als passierte alles wie in Zeitlupe. Ich konnte die drei Menschen um mich herum genau betrachten, wie sie hektisch herumliefen und sich gegenseitig Befehle zubrüllten, ich fühlte überdeutlich, wie die Stahlseile an meinem Körper schupperten und Gesteinsbrocken herausbrachen. Ich befand mich auf einem unebenen Feld aus schwarzem, porösem Lavagestein, beißender Wind pfiff und brachte meine Ohren zum Klingeln, zerrte an der Kleidung der Menschen.
Als ich meine Umgebung genau analysiert hatte, wurde alles wieder schneller. Ich trat und wand mich, versuchte meine Flügel zu öffnen und schaffte es einen freizubekommen. Kurz durchflutete die Hoffnung mich, vielleicht würde ich das Erste sein, das den Fängern und ihren Treibern entkam! Es würden Heldengeschichten über mich erzählt werden und alle Gargoyles würden meinen Namen kennen: Chert.
Ich strampelte weiter, bekam meinen Vorderlauf frei und roch schon den Geruch der Freiheit, als ein vierter Mann hinzugestapft kam und eine vierte Stahlschlinge um meinen Körper legte. Ich konnte mich nicht mehr rühren, nur noch dem Mann in die gelben Augen schauen; er war der Beschwörer der Höllenhunde. Ich sah eine ganze Armee hinter ihm, bestimmt zwei Duzend der schwarzen, verstaubten und blutigen Leiber. Wenn ich daran dachte, dass meine tapferen Gefährten ihnen einen solch grausamen Kampf geliefert hatten, während ich mich aus Furcht in einer Höhle verkrochen hatte, fühlte ich nichts Heldenhaftes mehr in mir. Der Mann vor mir machte mir Angst. Er hatte die Kontrolle über mehr als 24 Höllenhunde behalten und sie alle gleichzeitig unter Kontrolle gehalten. Die wirkliche Gefahr waren nie die Höllenhunde gewesen, sondern immer er.
In seinem Gesicht verliefen schwarz-braune Runen über die gegerbte Haut und gaben ihm ein animalisches Aussehen. Hätte ich mich bewegen können, wäre ich in mich zusammengesunken und hätte mich möglichst klein gemacht. So hielten mich nur die Seile in meiner aufrechten Position. Der Mann kam vor mir zum Stehen.
„Ich werde mich gut um dich kümmern."
Dann zerbarst mein Körper.
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Mit dem Anfang bin ich ganz und gar nicht zufrieden, mir fallen aber auch keine anderen Formulierungen ein, wie ich stattdessen eröffnen könnte. Ihr irgendwelche Ideen? Dürft euch gerne austoben. Vor allem hier hätte ich gerne eure Meinung gehört, weil ich die dahinterstehende Welt toll finde. Ihr seid herzlich dazu eingeladen und aufgefordert mit mir zu kommunizieren. Tut es! Now!
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