Kurzgeschichte: Die Katze ist im Kasten verreckt
Aber zuerst: Die Frage, die niemand stellt.
Nämlich "Wo bleiben die Updates?"
Das, meine liebe Moon, ist eine ganz ausgezeichnete Frage, vielen Dank, dass du sie mir stellst.
Ich bin mit der Schule fertig und man könnte denken, jetzt hätte ich ganz viel Zeit zu schreiben, was auch irgendwie stimmt, aber ich verbringe sie eben anderweitig, hauptsächlich mit Freunden aber ab nächster Woche wird auch noch ein Minijob dazukommen. Ich schreibe noch, das auf jeden Fall, aber ich versuche mich an größere Projekte heranzuwagen und die brauchen viel Planung. Außerdem habe ich dann den Drang alles drei bis viermal zu überarbeiten und alles immer wieder umzuschreiben. Also verzeiht, wenn keine Updates kommen. Ich schreibe zwar noch, aber im stillen Kämmerlein, erst mal nur für mich. Zumindest was längere Geschichten angeht.
Ich mache seit Dezember fast jeden Monat bei einem Award mit, der monatlich stattfindet. Dieser heißt Federaward und wird von @-Schreibfeder veranstaltet, ein Profil hinter dem sich drei kompetente Menschen verbergen. Sie stellen in jeder von der vorherigen unabhängigen Runde Vorgaben für eine Kurzgeschichte von 1000 bis 3000 Wörtern Länge und wenn man sich angemeldet hat, hat man zwei Wochen Zeit, um eine Geschichte nach diesen Vorgaben zu schreiben. Eine echt interessante Erfahrung, weil man sich mit Genres auseinandersetzen kann, mit denen man unter anderen Umständen nichts zu tun hätte. Ich kann euch nur ans Herz legen, mal bei den dreien vorbeizuschauen! Jeder Teilnehmer kriegt nämlich am Ende des Monats auch noch eine Review zu seinem eigenen Text mit hilfreichen Tipps, wie man das Ganze noch verbessern könnte.
Und damit das hier nicht nur aus meinem Geschwafel besteht, kriegt ihr hier eine Geschichte, die ich für den Award geschrieben habe.
Vorgabe war eine Parodie zu schreiben auf ein verkürztes Axiom der fünf Axiome von Paul Watzlawick, nämlich dieses: Man kann nicht nicht kommunizieren.
Viel Spaß und vielleicht macht ihr ja in der nächsten Runde auch mit?
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„Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation ist Verhalten und genauso wie mich sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren."
„Was? Wie kommst du denn jetzt darauf?", fragt Sebastian und drückt mit der Schulter die Tür zu dem Reihenhaus auf, in dem der Tierarzt seine Praxis hat, in der einen Hand das Handy in der anderen den vergitterten Plastikkasten, in dem Uchiha ungewöhnlich ruhig liegt.
Aber Simon redet einfach weiter. „Das ist von Paul Watzlawick, der war eine echte Ikone im Bereich der Verhaltensforschung!"
„Alter. Ich hab dir gerade davon erzählt, dass mein Kater sterbenskrank sein könnte und du fängst einfach an von irgend'nem Typen zu schwafeln, der wahrscheinlich schon gestorben ist! Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?" Die Tür fällt hinter Sebastian mit einem lauten Klacken ins Schloss und abgestanden riechende Luft füllt seine Lungen. Vor ihm windet sich das Treppenhaus in die Höhe. Leider befindet der Tierarzt sich im dritten Stock, die Treppen sind steil. Und leider hat Sebastian keinerlei Ausdauer vom PUBG zocken.
„Natürlich hat das eine etwas mit dem anderen zu tun!", entrüstet sich Simon. Seiner Stimme nach zu urteilen, hält er Sebastian in dieser Situation für denjenigen ohne Peilung.
„Wo hat mein todkranker Kater denn bitte etwas mit deiner Verhaltensikone zu tun?", fragt Sebastian. Simon hat doch wohl nicht mehr alle Latten am Zaun, wenn der denkt, es gäbe irgendeinen sinnvollen Grund, das eine mit dem anderen zu verbinden.
„Eine Ikone in der Verhaltensforschung, Basti. Das ist ein Unterschied", sagt Simon kopfschüttelnd in enttäuschtem Tonfall.
Der perlt einfach an Sebastian ab. „Wie auch immer. Ich versuch einfach nicht, dich nachvollziehen zu wollen."
„Das wird schwierig mit den ganzen Spiegelneuronen, die du in deinem Hirn hast."
Sebastian schnauft. Nicht nur, weil Simon ihm mit seinem altklugen und ziellosen Gelaber auf den Sack geht, sondern auch, weil er bereits im zweiten Stock ist und eine Ausdauer hat wie ein Seeelefant an Land. „Alter. Ich hab dir einfach nur von meiner Katze erzählt. Was soll denn jetzt der ganze Quatsch mit Verhaltensforschern und neurotischem Kram?"
„Neurologisch, mein Freund", seufzt Simon in den Hörer. „Neurotisch ist zum Beispiel deine Marotte, die Stufen beim Treppensteigen zu zählen."
Ertappt zuckt Sebastian zusammen und verzählt sich prompt. „Das ist doch auch Jacke wie Hose", ereiferte er sich und bemerkte seinen Zahlendreher nicht. „Komm zum Punkt."
„Das Sprichwort macht auch keinen Sinn. Jacken und Hosen sind absolut verschiedene Kleidungsstücke, die so unterschiedlich geschnitten sind, dass man extrem schief angesehen wird, wenn man sie in der Öffentlichkeit andersherum als eigentlich vorgesehen trägt."
Sebastian seufzt verärgert und lässt das Handy sinken, als er den dritten Stock erreicht und nur bei 47 Stufen ankommt. Dabei sind es doch 48 Stufen! Soll er nochmal runtergehen, um richtig zu zählen? Aber wenn Uchiha wirklich sterbenskrank ist, dann sollte er eigentlich keine Zeit verschwenden!
„Und ‚Auf den Punkt kommen'. Auf welchen Punkt soll man denn da kommen? Auf den Mittelpunkt? Den Nullpunkt? Und in welchem Zusammenhang überhaupt? Geht's um die Temperatur? Oder befindet man sich in einem Koordinatensystem?"
Sebastian beschließt, dass seine neurotische Marotte wichtiger ist als seine wahrscheinlich gar nicht sooo sterbenskranke Katze. Dass Uchiha angefangen hat, sehr laut zu atmen, ignoriert er dabei gekonnt.
„Obwohl man in einem solchen Fall ja eigentlich vom Ursprung reden müsste. Außer es geht um eine Kurvendiskussion, dann ist Nullpunkt der absolut richtige Fachbegriff. Aber der Nullpunkt kann sich ja auch auf die Höhenmeter beziehen, und man steht gerade auf Meeresniveau. Dann muss man ja aber gar nicht mehr auf den Punkt kommen, man ist ja schon auf Nullniveau. In anderen Situation müsste es dann doch aber eher ‚auf den Punkt gehen' heißen, weil zu wem soll man denn kommen?"
Sebastian ist wieder im Erdgeschoss angelangt. Die Haustür geht auf und eine Frau sieht ihn die Treppe runterkommen. Diesmal hat er 48 Stufen gezählt. Seine Erinnerungen haben ihm also keinen Streich gespielt und es sind wirklich 48 Stufen bis zur Tierarztpraxis. Die Frau hält ihm die Tür auf. Statt das Gebäude zu verlassen, dreht Sebastian sich um und beginnt wieder mit dem Treppensteigen und dem Stufenzählen. Diesmal zählt er laut, damit er sich ja nicht noch einmal verzählt. Die Frau sieht ihn kurz verwirrt an, als er beginnt, wie ein Vorschulkind die Treppenstufen zu zählen, folgt ihm aber nach einer kurzen Pause die Treppe hoch, bis sie im ersten Stock hinter ihrer Wohnungstür verschwindet.
„Ist dir eigentlich mal aufgefallen, dass ‚auf den Punkt gehen' und ‚auf den Strich gehen' absolut unterschiedliche Bedeutungen haben?", fragt Simon. „Bei dem einen kommst du jemandem entgegen, mit dem du dich unterhältst, bei dem anderen willst du eigentlich so wenig wie möglich mit dem anderen reden. Aber leider musst du ja einen Preis ausmachen und es kommt nicht gut, wenn du einfach, ohne was zu sagen, wieder gehst."
Sebastians Schnaufen übertönt mittlerweile das von Uchiha und hallt im Treppenaufgang von den kahlen Wänden wider.
„Sebastian?", fragt Simon, der aus seinem Monolog wieder herausgefunden hat. „Sag mal, hörst du mir eigentlich zu?"
Aus seiner Trance gerissen, bleibt Sebastian im zweiten Stock stehen und stellt Uchihas Korb ab, um tief durchatmen zu können. „Was?", stößt er atemlos hervor und hält sich das Handy wieder ans Ohr.
„Ob du mir überhaupt zuhörst?", wiederholt Simon ein wenig angepisst.
„Nö, du denkst ja nur laut", antwortet Sebastian und wartet noch zwei Sekunden, bevor er wieder nach Uchihas Korb greift. In seinem Kopf wiederholt er die ganze Zeit die Zahl 32, damit er sie ja nicht wieder vergisst.
„Ja und? Ich hab dir vorhin, als du über Uchihas Zustand geredet hast, auch zugehört!"
Sebastian zählt. „Dreiunddreißig, vierunddreißig, fünfunddreißig, sechsunddreißig, siebenunddreißig, achtunddreißig..."
„Du tust es schon wieder!", ärgert sich Simon und redet einfach gegen seinen Freund an. „Nie hörst du mir mal zu, immer nur muss ich dir mein Ohr leihen, während du mich mit irgendwas volllaberst, was mich absolut nicht interessiert!"
„Vierzig!", sagt Sebastian und ist im Zwischenstock zwischen dem zweiten und dem dritten Stock angekommen.
„Was interessiert mich denn deine Katze? Nur weil sie auf einmal zu Vernunft gekommen ist, und nicht mehr deine Klamotten und Gardinen zerfetzt, ist sie jetzt auf einmal todkrank?"
„Zweiundvierzig, Dreiundvierzig, Vierundvierzig..."
„Sei doch lieber froh, dass sie endlich nicht mehr alles attackiert, was sich auch nur in einer leichten Brise bewegt! Ich bin es auf jeden Fall! Den Zwischenfall auf deinem Balkon will ich nämlich auf keinen Fall wiederholen!"
„Siebenundvierzig, Achtundvierzig!" Sebastian hat endlich den dritten Stock erreicht. Auf einer Plakette an der Wand neben einer der Wohnungstüren steht ‚Dr. med. vet. Sofia Verona'.
„Um wieder auf den Anfang zurückzukommen", unterbricht er Simons erneuten Monolog, „Man kann sehr wohl nicht kommunizieren."
Und damit legt er auf.
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