Kurzgeschichte: Blutsünde
Mit einem missbilligendem Zug um die Mundwinkel blickte Ahn Ji Ran seinen Sohn Seo Hoon an. Seine Hände waren mit einem rauen Seil auf dem Rücken verknotet, die seidene Robe, die er trug, warf weite Falten um seine verkrümmten Beine.
Der Wächter vor ihm hob sein Schwert an, die geputzte Klinge reflektierte stählern schimmernd das helle Licht der Mittagssonne.
Die verschwimmende Menge in ihren Roben aus Leinen und dunklen Dienstbotenfarben schien den Atem anzuhalten. Einzig allein So Jin weinte sich die Augen aus. Immer wieder verließen heftige Schluchzer ihren Mund und sie schrie immer wieder den Namen ihres Vaters, während ihr Bruder sie mit einem eisernen Griff zurückhielt. Immer wieder warf sie sich gegen seinen Griff, aber sie hatte keine Chance gegen seine stämmige Statur, die er mit seinen Füßen im Boden zu verankern schien, und gegen seine von grober Arbeit schwieligen, kräftigen Händen, die sich um ihren Bauch schlangen.
Plötzlich wurde sie ganz still, sie hörte auf auszutreten, sie erschlaffte in Seo Hoons Armen. Die Tränen in ihren Augen bewahrten sie vor dem grässlichen Bild ihres nun kopflosen Vaters. Vor dem Anblick des roten Blutes auf der zuvor peinlich gesäuberten Klinge und im trockenen Staub des hoch ummauerten Hofes. Ihr kleiner, fragiler Körper wurde von unkontrollierten Schluchzern geschüttelt, die der Boden und Seo Hoon zu absorbieren schienen.
"Deine Schwester ist die Nächste auf unserer Liste", sagte ein Wächter in einer blau-grauen Plattenrüstung und starrte Seo Hoon durch sein Visier ausdruckslos an.
Seo Hoon nickte nur, bevor er sich umdrehte und begann So Jin, die wieder zum Leben erwacht schien, von der grausigen Szenerie wegzuschleifen.
"Nein! Vater!", schrie sie heiser und begann wieder wie wild zu zappeln und zu treten und zu beißen.
Hinter dem breiten Rücken Seo Hoons hatten die Wachen Ahn Ji Rans Leichnam weggebracht und einige Bedienstete begannen den von Blut verkrusteten Schlamm vom Hof zu kratzen.
Zwei Querstraßen weiter ließ Seo Hoon So Jin los, welche sich ungerührt die Tränenspuren vom Gesicht und den Staub aus ihren Klamotten wischte.
"Du hättest mich wirklich nicht beißen müssen", brummte Seo Hoon in seinem tiefen Bariton und legte sich mit einer Hand seine langen schwarzen Haare wieder über die Schulter, bevor er sich seinen Unterarm genauer besah. "Du hast sogar durch die Robe hindurch gebissen." Aus seiner Haut traten vereinzelte Blutstropfen, die er mit seinen dicken Lippen bedeckte und aufsaugte. Aus seinen schmalen, tiefliegenden Augen im breiten Gesicht sah er So Jin missbilligend an. So wie Ahn Ji Ran ihn in den letzten Sekunden seines Lebens angesehen hatte.
So Jins braune Augen ruhten kurz mit kaltem Ausdruck auf Seo Hoons Verletzung. "Wenn du mich nicht so grob behandelt hättest, dann wäre das nicht passiert." Grazil drehte So Jin sich um und stolzierte mit für ein Mädchen ihres Standes zu ausladenden Schritten die staubige Straße hinunter, weg von Seo Hoon und dem Park-Anwesen. Ihre mandelförmigen Augen erfassten in schnellen Bewegungen ihre Umgebung, während ihre Arme hinter ihrem Körper gefaltet waren. Ihr definierten Augenbrauen waren verzogen und sie wirkte verkniffen.
"Na ja, wenn ich laufe, dann schaukelt das halt ein bisschen...", versuchte Seo Hoon sich zu erklären und eilte seiner Schwester hinterher, wie ein Hund. Ein Hund, der sein Frauchen um mindestens einen Kopf überragte, aber so treu-doof war, dass er sich dem harten Regiment seiner Besitzerin niemals widersetzen würde.
"Davon spreche ich nicht", herrschte So Jin ihn an und dimmte dann ihre Stimme, "weil du dich hast erwischen lassen, müssen wir von hier weg!"
"Aber ich musste dir doch über die Mauer..." Seo Hoon brach ab, als er den giftigen Blick sah, den So Jin ihm zuwarf.
"Das ändert nichts an unseren Umständen!", zischte sie, "oder willst, dass sie mich bei deinem nächsten Fehltritt hinrichten?"
"Nein", begann Seo Hoon, "aber..."
"Nichts aber! Sei froh, dass sie diesmal mit Ahn Ji Ran Vorlieb genommen haben, weil sie dachten, dass er uns etwas bedeutet!"
"Er kann dich nicht mehr anfassen", sagte Seo Hoon mit dem treu-doofen Blick in den Augen, den nur So Jin kannte, weil er zu niemandem sonst die gleiche Loyalität spürte wie zu ihr.
So Jin lachte lediglich trocken. "In jeder Stadt wird es Männer geben, die mich 'anfassen'. Ahn Ji Ran ist nicht der einzige Widerling in diesem Land."
Seo Hoon blieb stumm.
"In einer Welt wie unserer, in dem jeder nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist, muss man Opfer bringen, Seo Hoon. Opfer, die einem nichts bedeuten, wie Ahn Ji Ran, sonst gehst du zu Grunde." und wirst so wie ich
Einen Moment lang schwebten Seo Hoons Fingerspitzen neben den zierlichen, weißen Fingern seiner Schwester, bevor sie sich in die Falte seiner Robe krallten.
Seo Hoon blieb stumm.
Und die beiden Kinder verließen die Stadtmauern, ihre Füße folgten schmalen Pfaden durch den tiefen Wald, bis die Blasen an ihren Sohlen schmerzten und sie vor Durst hechelten. Ihr Gewicht ließ Zweige knacken und Blätter rascheln, das Kratzen ihrer Lungen war weithin zu hören. Sie klangen wie verdurstende Tiere, wie verhungernde und gefährliche Jungbären und so erschoss der Jäger Min Joon Sik sie, im Glauben damit seine Frau Hyu Kim und seine beiden Töchter Boa Nyg und Boa Rin ernähren zu können, da sie alle vier am Rande des Hungertodes lebten. Seine schwachen Arme spannten die Bogensehne in großer Hoffnung und seine schwachen Beine trugen ihn voller Entsetzen von der grässlichen Szenerie weg, obwohl er Sekunden zuvor noch euphorisch war, weil sein Pfeil getroffen hatte.
Er sprach Zuhause nicht von den zwei Kindern, die er erschossen hatte. Stattdessen überließ er seinen Boa Nyg und Boa Rin das letzte Bisschen Essbares, das er noch hatte und knabberte stattdessen an einem Rindestück. Min Joon Sik und Hyu Kim starben, Boa Nyg und Boa Rin klauten, um sich über Wasser halten zu können und wurden von demselben Wächter getötet, der auch Ahn Ji Ran tötete, da sie keinen Vater mehr hatten, der für ihre Sünden büßen konnte.
Und sie alle hatten einen Grund, einen Namen, ein Leben und einen Tod. Sie waren Menschen, die gezwungen wurden zu Monstern zu werden, um in einer Welt voll von ihresgleichen zu überleben. Waren sie also böse?
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Die grobe Idee kam mir beim Hwarang gucken, deswegen findet das ganze auch im alten Korea statt (deswegen hat Seo Hoon auch lange Haare). Keine Ahnung, warum am Ende alle sterben, aber es passt ganz gut zu der 'Message', die ich rüberbringen wollte. Was haltet ihr von dem ganzen? Zu brutal? Zu viel Blut? Zu undurchschaubar?
Ich wünsch euch was.
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